Full text: St. Ingberter Anzeiger

Abends den von der Regierung acceptirten Brousse⸗ 
schen Entwurf an, welcher folgendermaßen lautet: 
Art. 1. Das Gebiet der Republik ist und bleibt 
den Häuptern der ehemaligen französischen Regen— 
tenfamilien, sowie deren unmittelbaren Erben nach 
der Erstgeburtsordnung, untersagt. Art. 2. Die 
Regierung ist ermächtigt, mittels Dekrets auch die 
übrigen Mitglieder dieser Familien zu verbannen. 
Art. 3. Jeder, der die Bestimmungen der vor— 
stehenden Artikel übertritt, wird mit Gefängniß von 
zwei bis fünf Jahren bestraft und nach Verbüßung 
der Strafe an die Grenze zurückgeführt. Art. 4. 
Die Mitglieder der ehemaligen französischen Regenten⸗ 
häuser, welchen erlaubt ist, vorübergehend auf dem 
Gebiete der französischen Republick zu verweilen, 
sind von allen öffentlichen oder Wahlämtern aus⸗ 
geschlossen. Der erste Artikel wurde von der 
Kammer mit 315 gegen 232 Stimmen, der zweite 
mit 324 gegen 238 Stimmen, die übrigen Artikel 
und schließlich die ganze Vorlage ohne Skrutinium 
angenommen. 
Im vergangenen Spatjahre war aus Tonkin 
eine Rekognoszirungsabtheilung zu Land nach Anam 
gesandt worden, um die direkte Verbindung zwischen 
beiden Ländern durch Thanhoa auszukundschaften 
Die von Oberstleutnant Mignot befehligte Abtheil⸗ 
ung hielt sich aber nicht an ihre vorgeschriebent 
Marschroute. Die einzelnen Kolonnen unternahmen 
vielmehr Operationen, die gar nichts mit ihrer 
Aufgabe zu schaffen hatten; die Kolonne Pelletien 
ließ sogar einmal 11 Tage nichts von sich hören. 
indem fie auf eigene Faust eine Hetzjagd ins Ge⸗ 
birge auf den Gegenkonig und seinen Minister 
Thuhyet unternahm, wobei sie 17 Mann verlor 
und die Mannschaft durch die forcirtesten Märsche 
unnütz ermüdet wurde. Schließlich —XW 
Soldaͤten Mignot's ganz abgerissen, ohne Schuhe 
in Hue an. Fur diese Eigenmächtigkeiten wurd; 
Oberstleutnant Hiignot jetzt mit 18, die Marine 
stabsoffiziere Pelletier und Gregoire mit 30 Tagen 
Festungsarrest belegt. 
— 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
St. Ingbert, 18. Juni. Das kgl. 
protest. Konfistorium hat an sämmtliche Dekanate, 
Pfarramter und Vikariate ꝛc. unterm 16. d. einen 
Erlaß betr. das Ableben Sr. Maj. des König? 
Ludwig II. verfügt, wonach dieser schmerzliche 
Trauerfall in allen protest. Kirchen geeignet bekannt 
zu machen und eine der hohen Wuͤrde des Aller⸗ 
durchlauchtigsten Verstorbenen entsprechende Trauer⸗ 
feierlichkeit zu veranstalten ist. Das kgl. Konsi⸗ 
storium setzt die Dekanate, Pfarrämter ꝛc. davon 
in Kenntniß mit dem Bemerken, daß der angeord⸗ 
nete Trauergottesdienst, bezw. die Leichen⸗ und 
Gedächtnißpredigt am 1. Sonntag nach Trinitatis, 
den 27. Juni nächsthin, abzuhalien ist, in jenen 
Kirchen aber, in welchen an diesem Sonntag kein 
Gotiesdienst stattfindet, spätestens am 4. Juli. In 
den größern Städten und in den Garniso nsorten 
bleibe es den Geistlichen unbenommen, den Trauer⸗ 
gottesdienst auf einen frühern, dazu geeignet er⸗ 
scheinenden Tag zu verlegen. An den Sitzen der 
Bezirksämter und in den Garnisonsorten haben sich 
die Geistlichen in dieser Beziehung mit den Amts⸗ 
vorstäänden, bezw. den Mililärkommandantschaften 
zu benehmen und den Behörden behufs der Theil⸗ 
nahme an dieser Feier rechtzeitig geeignete Mit⸗ 
theilung und Einladung zugehen zu iassen. — Die 
Abhaltung des Trauergoitesdienstes ist vorher in 
geeigneter Weise der Gemeinde zu verkündigen. 
Nach einer Entscheidung des Re ichgerichts 
steht den Eigenthümern von durch Truppenübungen 
beschädigten Feldern, wenn sie die ihnen von der 
eingesetzten Sachversiandigen · Kommission zugebilligte 
Enischaͤdigung nicht für ausreichend erachten, der 
ordeniliche Rechtsweg zur Einklagung ihres Mehr⸗ 
anspruchs gegen den Reichsfiskus offen. 
— Zweibrücken, 18. Juni. Der Stadt⸗ 
rath hat gestern Nachmittag beschlossen, an Se. 
Kgl. Hoheit den Prinzen Luitpold eine 
Beileids⸗ und Ergebenheits⸗Adresse aien 
3. T.) 
— Zweibrücken, 15. Juni. (Schwur⸗ 
gericht.) 1) Verhandlung gegen Andreas Mark⸗ 
stein, 41 Jahre alt, Bäcker und Landkrämer in 
Vimmeldingen. Anklagesache: Brandstiftung. Die 
ziemlich umfangreiche Vweisaufnahme — es waren 
21 Zeugen und ein Sachverständiger geladen — 
ergad foigenden Thatbestand. Am Abende des 25 
Ium 1886 gegen 8 Ubr hrach in der im Ben⸗ 
jenthale, im Banne von Deidesheim liegenden 
Mahlmühle Feuer aus, welches das Wohnhaus und 
das Mühlengebäude zerstörte, während die vor 2 Jahren 
benfalls niedergebrannte und wieder neu aufge⸗ 
baute Scheuer unversehrt blieb. Dieses Anwesen 
war im Jahre 1884 von einem gewissen Hofsäß 
an den Schwager des Angeklagten — den Müller 
Joseph Kolbenschlag, unter Solidarbürgschaft von 
dessen Schwester Barbara Kolbenschlag, der Ehe⸗ 
frau des Angeklagten, verkauft worden und zwar 
uim den Preis von 4900 Mark. Hierauf zakhlte 
olbenschlag 800 Mark, eine bei Gelegenheit dieser 
Terminzahlungen gemachte Urkundenfälschung brachte 
hn jedoch im Juni 1885 ins Gefängniß. Da für 
den Verkäufer der Mühle von dieser Seite nichts 
mehr zu holen war, so hielt sich derselbe an die 
Solidarbürgin, die infolge des Ganles ihres Man⸗ 
nes in Gülern getrennte Ehefrau des heutigen An— 
geklagten, deren Vermögen — 4-5000 Mark in 
diegenschaften — für die rückständigen Zahlungen 
und einen etwaigen Ausfall bei der Wiederverstei⸗ 
jerung Sicherheit bot. Unterm 7. Januar erfolgte 
Mobiliar⸗ Pfandung bei der Ehefrau, unterm 19 
Januar erging nochmals Haftbefehl für die Mar 
ini 1885 fällig gewesenen Beträge und zugleich 
erfolgte Anzeige, daß die Mühle wegen Nichtzahl— 
ing des Erwerbspreises wieder versteigert würde. 
Da die Mühle seit der Verhaftung des Kolbenschlag 
leer gestanden und zum Theil ganz ruinos gewor 
den, man schätzte sie nur noch zu etwa 2000 M. 
o wäre der Ausfall, für den die Ehefrau Marken⸗ 
tein aufzukommen gehabt hätte, sehr bedeutend ge 
vesen. Die Gebäulichkeiten waren mit 4700 M 
ersichert, die Mobilien nicht. Der Gerichtshos 
verurtheilte den Angeklagten zu einer Zuchthaus 
trafe von 2 Jahren 10 Monaten und erkannte 
Jjegen ihn auf eine Geldstrafe von 300 M., um— 
jewandelt im Falle der Nichteinbringlichkeit in eine 
hefängnißstrafe von 83 Monaten, gleich 2 Monate 
Zuchthaus, sowie Aberkennung der bürgerlichen 
Fhrenrechte auf die Dauer von 5 Jahren. 
-· Die Gefechtsschießübungen des 
18. Infanterie⸗Regiments finden laut einer Be— 
lanntmachung des Pirmasenser Bezirksamts am 1. 
2. und 3. Juli bei Bundenthal, am 3. und 5 
Juli im Rumbachthale zwischen Rumbach und Fisch 
bach· Schönau statt. 
— Das igl. Oberbergamt beabsichtigt, 
die in früheren Jahren begonnenen geognostischen 
Aufnahmen der Pfalz im Laufe dieses Sommers 
ortzusetzen. In Aussicht genommen sind die Be— 
irksämier Kaiserslautern, Kirchheimbolanden, Neu—⸗ 
adt, Landau, Vergzabern und Pirmasens. Mit 
Vornahme der Arbeiten sind der k. Bergamts⸗Assessor 
Dr. v. Ammon und der funktionirende Assistent 
Dr. Leppla betraut. 
— Vom Weinlande, 18. Juni. (L. Tbl.) 
Tagtäglich gestalten sich die Aussichten unserer 
Winzer auf eine günstige' Weinernte betrübender 
und trauriger. Seit Christi-Himmelfahrt, also seit 
circa 12 Tagen, regnet es beständig und damil 
Alles beisammen sei, hat sich der anhaltend schlech⸗ 
ten Witterung an verschiedenen Tagen eine recht 
niedrige Temperatur beigesellt. Die Weinberge 
dehen theils in, theils unmittelbar vor der Blüthe. 
Zum günstigen Verlauf einer solchen und demit zu 
herechtigten guten Herbstaussichten gehört aber noth⸗ 
wendig ein äußerst rascher Blüthenverlauf, damit 
ich der gefährliche Heuwurm in der Blüthe nicht 
innisten kann. Heuer ist nun gerade das Gegen⸗ 
heil der Fall. Die Samen kommen infolge der 
raßkalten Witterung nur sehr ungleich und langsam 
um Blühen; die Blüthe selbst nimmt den denkbar 
ungünstigsten Verlauf. Bekanntlich kommt aber 
selten ein Uebel allein. In noch nie gesehener 
Menge tritt heuer der Heuwurm auf. Lagen, die 
sonst noch nie beschädigt wurden, werden in ver⸗ 
heerender Weise von dem Ungeziefer heimgesucht. 
lleberall trifft man die unheilvollen Spuren des 
Wurmes. Die meisten Trauben sind davon ergriffen 
und jetzt schon mehr oder minder beschädigt. Das 
st nun die erste Auflage. Wir wollen nicht zu 
chwarz malen, wir begnügen uns, zu konstatiren, 
daß nach Ansicht erfahrener Winzer der Heus und 
Sauerwurm den Löwenantheil an dem diesjährigen 
derbstresultate ziehtt. Vom k. Bezirksamte Landau 
wurden die Bürgermeisterämter ersucht, ihre Orts⸗ 
hürger auf eine Brochüre zur Vertilgung des Heu⸗ 
und Sauerwurms aufmerksam zu machen. Ange⸗ 
ichts der allgemeinen Verheerung, welche sich auf 
Millionen von Mark beläuft, ist dieses Vorgehen 
ehr zu empfeblen Co p rJν sαα .. 
wünschen, daß dem Schmetterling selbst — 
zu Leib geruckt werden würde. Soll unser In 
and nicht total herabkommen, so ist es umnum 8 
nöthig, daß ein einmüthiges —8 
Binzer dazu beiträgt, damit der Schmetteruin 
gleich bei seinem Auftreten möglichst vertilgt 
— Speyer, 15. Juni. Herr Rndn 
orasident Staatsrath d. Braun, Ercellem, ug 
deute früh sämmtliche Kollegialmitglieder r ie 
Regierung beider Kammern, incl. —E 
zu einer außerordentlichen Sitzung berufen iin 
das Thronfoige- und RegentschaftsPale 
gl. Hoheit des Prinzen Luipold von vu, 
förmlich kund zu geben. Dem Ernst der —9 
entsprach die tiefe Bewegung, welche sich bei di 
ergreifenden Akte Aller bemächtigte. kser 
— Speyer, 16. Juni. (Pf. Ztg) Eine 
zroßen Auflauf verursachte gestern Abnd die 
jaftung der Ehefrau des Maurers und —8* 
Johann Paul. Dieselbe, ohnedies in keinem * 
Rufe stehend, hatte ihren eigenen 7 jährigen d 
im Jähzorn mit einem Messer in den Rüden 
stochen und den armen Jungen sogar —** 
lich verletzt. Die Lunge soll getroffen sein 
befindet sich der Verletzte im Hospital. Die saude— 
Mutter wird heute Vormittag in Untersuchungeio 
nach Frankenthal transportirt werden. 
WVermischtes. 
Metz, 15. Juni. Die Vereidigung de 
hier garnisonirenden bayerischen Truppen zum 6 
horsam gegen Se. Maj. König Otto J. und de 
Reichsverweser Luitpold fand bereits gestern Rir 
tag 12 Uhr in der KönigJohann ˖ Kaserne siat 
F Aus Rheinpreußen. Das dreijährig 
Kind eines Webers fällt bei Wachtendeck (re 
Geldern) in die Niers und wird vom Sthoom 
fortgetrieben. Eine Zuschauerin dieses Vorfal 
steht rathlos am Ufer und stößt einen Hülsern 
aus. Den Aagstruf hört Frau Anna Tendhych, di 
Gattin eines Stadtraths, sie eilt herbei, erkennt di 
Gefahr, worin das Kind schwebt, entschlossen um 
ohne Zaudern wirft sie sich in ihrem Sonntage 
anzuge in den angeschwollenen Fluß und da Got 
mithilft, ist sie so glücklich, das Kind zu ergreifen 
und dem drohenden Tode zu entreißen. Sie hal 
mit zitternden Armen das gerettete Kind empo 
und sucht das Ufer zu gewinnen, aber der Morah 
zält sie fest und erst mit Hülfe einiger hinzugeeilte 
Männer gelingt es, Beide, das Kind und sein 
Retterin au's Ufer und außer Gefahr zu bringen 
Das Programm für das Universitätsjubiläur 
in Heidelberg ist wunmehr festgesetzt. An 
Abend des 2. August, Begrüßung der Festgäste in 
der Festhalle; am 3. August, Morgens, Festgottes 
dienst in der Heiliggeistkirche und Begrüßung de 
Deputirten auswärtiger Universitäten, Abends Fef 
auf dem Schlosse, von dem badischen Staate ge— 
geben; am 4. August, Morgens, Festzug nach de 
Heiliggeistkirche und Festrede vom Geh. Rath Pre— 
fessor Dr. Kuno Fischer (an welchen der Her 
Prorektor Dr. Becker die Festrede abgetreten hah 
Mittags Festmahl im Musum, Abends Fadelzu— 
der gesammten Studentenschaft zu Ehren Sr. Kgl 
doheit des Großherzogs; am 5. August, Vormit 
mittags, Verkündigung der Ehrenpromotionen 
Nachmittags Gartenfest im Schwetzinger Schloh 
garten, gegeben von Sr. Kgl. Hoheit dem Groß 
herzog; am 6. August, Nachmittags, historisch 
Festzug, Abends allgemeiner Kommers in der deß 
halle; am 7. August, Abends benaalische Beleud 
tung des Schlosses. 
Der Zentralbahnhof in Frankfurt a 
Main, welcher sich im Westen der Stadt erhebt 
wird nach seiner Vollendung die größte existitend 
Eisenbahnstation sein. An demselben wird sei 
nunmehr 6 Jahren gebaut und dürfte derselbt 
binnen Jahresfrist feiner Bestimmung übergeber 
werden. Die Kosien der Gesammtsausführung be— 
laufen sich auf rund 30 Millionen. Zurzeit sin 
an der Baustelle täglich 500 Arbeiter beschäftig 
Erlangen; 11. Juni. Heute hat hie 
der Blitz den Schuhmachermeister Koͤlbel und sein 
Tochter in ihrer Wohnung erschlagen. 
FGaiser Wilhelm' ein Franzofe 
Nun ist es also gluͤcklich heraus: nicht die Deutschen 
haben im Jahre 1870 die Franzosen besiegt — 
wie konnte man auch nur einen Augenblich Derar 
tiges glauben! — sondern die Franzosen sind ne 
türlich nur von einem Franzosen besitegt worder 
x Rzariser Kiberi⸗ t ple meran-cdige En'