Full text: St. Ingberter Anzeiger

st. Jugberter Atmztiger 
Amtliches Organ des koͤnigl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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1886. 
I 117. 
M gJahrg. 
Deutsches Reich 
Mmuͤnchen, 17. Juni. Aus dem Material, 
zaß in den beiden Sitzungen der Kommission der 
geichsrathskammer heute zur Kenntniß der Mit⸗ 
lieder gekommen ist, erscheint nach der Frkf. Zig. 
anches in der That für die Oeffentlichkeit durch⸗ 
zuß nicht geeignet. In gut unterrichteten Kreisen 
man, dem genannten Blatte zufolge, heute der 
iinsicht, daß das Mimisterium sofort nach dem Ab⸗ 
chluß seine Demission geben werde, Herr v. Lutz 
cer mit der Neubildung des Kabinets betraut 
winde. Der sehr bemerkte feste Ton des Herrn 
J.Lußz in der heutiigen Sizung wird allgemein 
d aufgefaßt, als ob er für seine Person seiner 
Soche gewiß wäre. 
Muünchen, 18. Juni. Heute Vormittag um 
Uhr kam der deutsche Kronprinz, vom Prinz 
gegenien, allen Prinzen, Generalen und einer 
zhtenkompagnie empfangen, hier an. Der Kron⸗ 
Rinz umarmte und küßte den Regenten, dann 
uhten sie, von den Menschenmassen sympathisch 
egrüht, gemeinsam zum Residenzschlosse. 
München, 18. Juni. Der Reichsraths⸗ 
eserent Neumayer beantragt der Regenischaft zu⸗ 
ustimmen. Die Reichsrathssitzung findet morgen 
Abend 6 Uhr statt. 
— Die Ausgabe des „Berliner Tageblatts“, 
pelche die gefälschte Proklamation des verstorbenen 
donigs veröffentlicht, ist nicht allein in München, 
sondern auch in andern bayerischen Städten be⸗ 
chlagnahmt worden. 
BZBerlin, 17. Juni. Der Kaiser nahm am 
dienstag bei dem Empfang von höheren Offizieren 
Gelegenheit, sich über die Katastrophe in Schloß 
Zerg aussührlich auszusprechen. Leider müsse man 
a, sagte der Kaiser, aus zahlreichen Einzelheiten 
xt letzten Jahre den berechtigten Schluß ziehen, 
daß die furchtbare Katastrophe nur eine Frage der 
zeit und eine Wiederherstellung des Königs un— 
möglich gewesen sei, aber es erfülle mit tiefer Weh⸗ 
muth, einen so hoch begabten Herrscher so furchtbar 
enden zu sehen. In längerer Rede verbreitete sich 
dann der Kaiser über die ganze Regierungszeit des 
dönigs, rühmte seine Bun destreue und gedachte 
der großen Liebe und Anhänglichkeit, die der ver⸗ 
sorbene Koͤnig ⸗ bei dem bayherischen Volke gefunden. 
der Kaiser war sichtlich ergriffen, ebenso alle An⸗ 
vesenden. 
Berlin, 18. Juni. Der Kaiser hat bestimmt, 
ß die Offiziere des 8. Husaren⸗Regiments für 
den verstorbenen König Ludwig von Bahern, ihren 
Fegimentschef, acht Tage Trauer anlegen. — Der 
teiser hat seine auf heute Abend angesetzte Abreise 
nach Ems um 24 Stunden, also bis Samstag 
E 
Fahnen von Grube zu Grube; sie warfen in Conde 
alle Werkzeuge aus den Werkstätten am Kanal in 
das Wasser und bedrohten die Walzwerke Demarbe 
und die Glashütten in Crets. Die Gensdarmen 
oerhinderten fernere Gewaltakte. Der Streil ist 
lediglich eine Folge des Elends und spontan von 
den Arbeitern begonnen, trotz der Abmahnungen 
hrer Führer. GyFrkf. Zig.) 
Petersburg, 18. Juni. Wegen AÄblebens 
des Konigs von Vayern hat der kaiserliche Hof 
eine 24tägige Trauer angelegt. 
Newyork, 17. Juni. Nachrichten aus San⸗ 
E 
Wahlen am 5. Jan Ruhestörungen vor. Vierzig 
Perfonen wurden getödtet, mehrere verwundet. Es 
Jeißt, die Liberalen erhielten die Majorität. 
praktische Begabung alle Anstalten, die er gelei tet 
hat (Zürich, Wernegg in Unterfranken und Muün⸗ 
hen) zu Musteranstalten erhob. Es hat wenige 
Aerzte gegeben, die so wie er Geisteskranke zu be⸗ 
handeln wußten — es ist die Frage, ob es einem 
Anderen als ihm gelungen wäre, den König Lud- 
wig in Güte zur Uebersiedelung nach Schloß Berg 
zu bewegen. Eine imponirende Gestalt, 
ein mächtiger Charakterkopf, helle, feste Augen, ein 
treuer Blick gab Jedem Vertrauen zu diesem Irren⸗ 
arzte. Es ist leicht jetzt zu sagen, er hätte nicht 
die Wärter fortschicken dürfen — aber ein Kranker 
und gar ein kranker König ist nicht immer so ge— 
artet, daß man seinen Wunsch ignoriren darf. Es 
war zweifellos ein Fehler der Wärter, daß sie die 
Beiden ganz aus den Augen ließen, daß aber 
Budden nur so gehandelt hat, weil er so handeln 
mußte, wird Jedem, der ihn kannte, zweifellos sein. 
Daß er, der in seinem Berufe so oft sein Leben 
auf's Spiel gesetzt hat, der vor einigen Jahren 
nur wie durch ein Wunder den Revolverkugeln 
eines Irren entging, hier so traurig endete, ist eine 
Mahnung für den Laien, den Männern Respekt 
zu bewahren, welche diesen schweren Theil der ärzt⸗ 
ichen Kunst erwählt haben. Gudden's Name ist 
in der Wissenschaft unsterblich. Der Verstorbene 
hdinterläßt eine Frau und zahlreiche Kinder; seine 
drei Töchter sind verheirathet (die eine an den 
Professor Grashey in Würzburg) sechs Söhne sind 
aoch ohne feste Stellung. 
F Die Katastrophe in Berg soll, wie jetzt 
dehauptet wird, einen Zuschauer gehabt haben. 
Dieser Augenzeuge soll ein in Starnberg aufhält⸗ 
cicher Malergehilfe sein, der leider bis jetzt nicht in 
die Oeffentlichkeit getreten ist. So berichtet die 
„Frankf. Ztg.“ Falls die Meldung richtig, so 
müßte nach der Oertlichkeit der betreffende Maler⸗ 
zehilfe wohl in einem Nachen sich auf dem Starn⸗ 
oerger See befunden haben, da der Zutritt zum 
dbark zur Zeit der Katastrophe nicht möglich war. 
F Die Christenverfolgungen in Anam und 
Tongking im Jahre 18858. Die Berichte des 
Seminars für die auswärtigen Missionen in Paris 
tellen nunmehr, wie die „Cons. Corr.“ mittheilt, 
amtlich fest, daß die Nachrichten über die Christen⸗ 
»erfolgungen in Anam und Tongking (1885) 
keineswegs übertriebene Zahlen gebracht haben, 
wie anfangs geglaubt werden konnte. Es sind in 
der That in diesem einen Jahre mehr Ehristen 
jingemordet, mehr Kirchen, Kapellen und Schulen 
zerstört worden als in den Jahrzehnten, welche die 
katholische Mission in jenen Gegenden bereits hinter 
sich hat. 12 eingeborene Priester, 60 Katecheten, 
300 eingeborene Schwestern und 300,000 Laien 
wurden niedergemacht, 250 Kirchen geplündert und 
derbranut, 2 Seminare, 40 Schulen, 70 Häuser 
don Missionären, 17 Waisenhäusern, 13 Klöster, 1 
Druckerei — endlich die Häuser von 55.000 Christen 
zerstört. 
FPräsidelnnt Cleveland hat, wie aus 
Washington gemeldet wird, die Annahme eines 
dochzeitsgeschenkes vom Sultan der Türkei für 
eine Gemahlin abgelehnt, da er fühle, daß die 
Annahme der Gabe eine Verletzung der Verfassung 
m Geiste, wenn nicht dem Buchstaben nach, sein 
vuürde. 
——— —— 
Lokale und pfalzische Nachrichten. 
* St. Ingbert, 19. Juni. Wie wir hören, 
—X 
ischen Kirche und am darauffolgenden Sonntag in 
der protestantischen Kirche feierlicher Traue r⸗ 
gottesdienst für den verstorbenen König Lud- 
wig II. stati. 
— Kaisersslautern, 16. Juni. Vom 
l. Juli an werden hier zwei neue einspännige 
Postpacketbestellwagen in Gebrauch kommen. Die⸗ 
elben sind dazu bestimmt, alle hier eingegangenen 
dostpackete auf eine schnellere Art und Weise dem 
xẽmpfänger zuzuführen. Diese neue Einrichtung 
hat bisher in der Pfalz nicht bestanden. 
Vermißchtes. 
α 
F Wie die „Allgem. Ztg.“ aus militärischen 
kZreisen vernimmt, soll von nun an der baherische 
Zelm nicht mehr mit dem Anfangsbuchstaben des 
dniglichen Namens, sondern mit dem bayerischen 
Wappen — wie solches bei dem Gendarmeriehelm 
der Fall ist — versehen werden. 
F Königin Maria Hedwig von Bayern, 
die beklagenswerthe Mutter der unglücklichen Könige 
dudwig II. und Otto J. von Bayern, ist mit dem 
oreußischen Königshause in der Weise verwandt, 
daß der Vater Kaiser Wilhelms, König Friedrich 
Wilhelm U. von Preußen, und der Vater der 
koͤnigin Marie, nämlich Prinz Wilhelm von Preußen 
gest. am 28. September 1831) — Brüder ge⸗ 
wesen sind. Kaiser Wilhelm und die Königin 
Macie sind somit Geschwisterkinder. 
Dr. von Gudden. Ueber den seinem 
Berufe zum Opfer gefallenen unglücklichen Begleiter 
des König Ludwig wird der „Voss. Ztg.“ aus 
irztlichen Kreisen geschrieben: Es konnte natürlich 
nicht ausbleiben, daß man, nachdem das Unglück 
m Starnberger See geschehen, alsbald dem ver⸗ 
torbenen Dr. von Gudden in gewissen Blättern 
d»en Vorwurf machte, er habe die nöthige Vorsicht 
außer Auge gelassen und dadurch das Ganze ver⸗ 
schuldet. Bei dem Fehlen von Augenzeugen wird 
die Wahrheit über den Vorfall wohl nie ganz an 
den Tag kommen. Sicher ist aber, daß Niemand, 
her Gudden gekannt hat, ihm eine Schuld beimessen 
vird. Der Verstorbene war 62 Jahre alt, seit 
38 Jahren Arzt, die größte Zeit dieser Jahrzehnte 
sindurch Irrenarzt und dazu einer der be— 
ühmtesten und bedeutendsten, ein Gelehrter, 
in dem die ganze medizinische Welt die Sicherheit 
ind Genialifät des Forschens bewunderte und dessen 
Ausland. 
Brüfsel, 17. Juni. Der Streik im Bori⸗ 
nage wird als ernstes Ereigniß betrachtet. Bis jetzt 
jaden ungefähr 7000 Kohlengtäber die Arbeit ein⸗ 
bestelt. Gestern wurden zwei Schwadronen Lan⸗ 
ders, heute zwei Bataillone Infanterie von Mons 
nach Quaregnon, Wasmes und andern Punkten 
entsandt. 18 Arbeiter wurden heute von Quareg⸗ 
non gefesselt nach Mons gebracht. An den Schacht⸗ 
iffnungen haben Zusammenstöße zwischen der Gens—⸗ 
darmerie und den Arbeitern sialtgefunden. Gestern 
und heute zogen Banden mit schwarzen und rothen 
Für die Redaktisn verantwortlich: F. X. Demekß.