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8* 6GI 4.
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
„Et. Jugberter Anzeiger“ erscheint wöchentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2 mal wöchentlich mit Unter haltungs⸗
glatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt koftet vierteljährlich 14 60 einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen J M 78 H, einschließlich
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auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, I3 4A. Reklamen 830 . Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet.
122.
Seutsches KReich
München, 24. Juni. Die Trauerflagge
auf dem kgl. Residenzgebäude ist gestern Abend
angezogen worden.
München, 25. Juni. Die Eidesleistung
des Prinzregenten findet heute Montag statt.
Munchen, 26. Juni. EGitzung der Abge⸗
otdnetenkammer.) Regentschaftsvorlage. Dr. Stam⸗
minger spricht von den Zweifeln des Volkes darüber,
daß das Ministerium schon lange mit dem geistes⸗
sranken König regiert habe vnd daß man schon
sfruͤher zur Heilung (7) des Konigs hätte schreiten
sollen. Minister Frhr. von Lutz widerlegt diese
Anschauungen und erklärt die Handlungen des
Staatsministeriums für korrekt; das Ministerium
jabe früher von Geistesstörung nichts gewußt. Abg.
dandgerichtsrath Walter greift das Ministerium
deftig an und erklärt, die Ruhe im Lande werde
erst mit dem Rücktritt des Ministeriums erfolgen.
dr. v. Schauß und Frhr. v. Stauffenberg tabeln
den Versuch, Zwietracht im Lande zu nahren.
Die Regentschaftsvorlage wurde einstimmig (mit
31 Stimmen) angenommen.
München, 27. Juni. Candtag.) Der
Landtag hält morgen früh eine Kommissionssitzung
zur Berathung des Finanzgesetzes, Mittags findet
die Eidesleistung, Nachmittags die Berathung des
Verfassungsgesetzes in der Kommission statt. Man
jofft, in einer Sitzung mit der Annahme des Ge⸗
etzes fertig zu werden. Der Finanzminister wird
Natetial vorbringen, welches das Gesetz auch um
orivater Verhältnisse willen nothwendig macht. Als⸗
dann findet Mittwoch Morgen eine Plenarsitzung
der Abgeordneten und Nachmittags eine Sitzung des
Keichsraths; für den feierlichen Schluß am Donners⸗
jag ist der Landtagsabschied bereits fertig.
Der in Mainz erscheinende Israelit“ widmete
m einer seiner letzten Nummern dem König Lud⸗
wig 11. einen Nachruf, in welcher der toleranten
—EX
Antisemitismus gegenüber ebenso ablehnend ver⸗
hielt, wie dem Ultramontanismus, gedacht war.
Zugleich war der Hoffnung Raum gegeben, Prinz
Luitpold werde in gleichem Geiste regieren.
daraufhin hat der Prinzregent an das genannte
Blatt ein Schreiben gerichtet, in welchem der Re⸗
daktion für die in jenem Nachrufe ausgesprochene
Besinnung gedankt wird. Die bayerischen Israeliten
werden diese Kundgebung zweifellos mit Genug⸗
huung begrüßen.
staiser Wilhelm an Prinz Luitpold.
der Deutsche Kaiser hat an den bayerischen Prinz⸗
cegenten ein Kondolenzschreiben gerichtet, gegen
dessen Schluß er bemerkt: Indem Ich die schmerz⸗
iche Veranlassung dieses Schreibens mit Ew. königl.
hoheit tief beklage, ist es Mir Bedürfniß, Ew.
cͤnigl. Hoheit die Versicherung auszusprechen, daß
Ich von den freundschaftlichen Gefühlen, welche
Unsere königlichen Häuser nach ihren Traditionen
und nach ihrer nahen Verwandischaft verbinden,
in gleichem Maße, wie für den verewigten Koͤnig,
auch für Ew. lönigl. Hoheit als Regenten des
dandes beseelt bin und daß Ich die vertrauensvollen
gegenseitigen Beziehungen der regierenden Häuser
als die unentbehrliche Grundlage der inneren und
dußeren Sicherheit Deutschlans ansehe.“
Berlin, 26. Juni. Der Reichskanzer Fürst
Vismarck ist soeben in bestem Wohlsein von Varzin
dierher zurückgekehrt.
Berlin, 26. Juni. Der Reichstag lehnte
oer heutigen Sitzung einstimmig die Brantwein⸗
Montag, 28. Juni 1886.
A. Jahrg.
steuerborlage ab. Die Session wurde sodann durch * St. Ingbert, 28. Juni. Nachdem
eine von dem Minister v. Bötticher verlesene kai⸗ schon am Dienstag vor. Woche in den beiden
serliche Botschaft geschlossen. hristlichen Kirchen dahier ein feierlicher Trauser⸗
Wie die amtliche „Landeszeitung für Elsaß⸗ fottesdienst für S. Maj. den Höchstseligen
Lothringen“ mittheilt, sind durch Beschluß des König Ludwig II. ßattgefunden hat, wurde gestern
Bezirkspräsidenten (von Unterelsaß?) die Wahlen Abend um 7 Uhr in der Synagoge auch ein
zur Ernennung der Gemeinderäthe für alle Ge- olcher der hiesigen israelitischen Ge—
meinden, also auch für Straßburg, auf den 10. meinde mit Predigt und Gebet abgehalten. Die
uind 11. Juli d. J. fesigesetzt. Die Stadt Straße Trauerpredigt hielt Herr Bezirksrabbiner Dr.
zurg stand bisher, wie bekannt, unter der Verwal-Meyer aus Zweibrücken. Herr Dr. Meyer pre—
ung eines staatlichen Kommissärs. Die Regierung digte etwa eine halbe Stunde. Er pries mit be⸗
hat demnach den Zeitpunkt für gekommen erachtet edten Worten die Tugenden des verstorbenen
zer Stadt ihre Selbstverwaltung zurückzugeben. tönigs, besonders dessen deutschen Sinn, seine Ge—
kin wichtiger Schritt in der völligen Pazifirung rechtigkeitsliebe und Toleranz, sowie seinen Kunst⸗
der Reichslande! Es wird interessant sein, zu inn. Der ernsten zu Herzen gehenden Rede
sehen, wie die Bevölkerung ihr kommunales Wahl- lauschte die Gemeinde mit tiefer Andacht.
recht ausüben wird, und ob die Annahme, daß
der frühere kommissarische Bürgermeister, jetzige
Bezirkspraäsident Back vom Gemeinderathe zu seinem
Vorsitzenden und damit zum obersten Magistrate
der Stadt werde gewählt werden, zutreffend ist.
Ausland.
London, 26. Juni. Die amiliche „London
Bazette“ veröffentlicht eine königliche Prollamation,
wodurch das Parlament aufgelöst wird.
Türkische Rüstungen zur See. Gegen⸗
värtig herrscht in dem großen See⸗ Arsenale von
donstantinopel andauernd eifrige Thätigkeit. Die⸗
elbe ist zum Theile durch die Vorbereitungen
stußlands im Schwarzen Meere hervorgerufen. In
ürkischen Regierungskreisen betont man, es sei
iberhaupt eine Nothwendigkeit, daß die Türkei ihre
Flotie in den Stand setze, um allen Eventualitäten
die Stirn bieten zu können. Mehrere neue Tor—⸗
pillen sind soeben in Konstantinopel eingetroffen.
Auf den Höhen des Bosporus, in Kawak, werden
zrößere Befestigungsarbeiten mit großem Eiser be—
frieben.
Chicago, 26. Juni. In der Stadt Lake
kam es heute zu Zusammenstößen zwischen der
Polizei und den streilenden Bahnbediensteten. Die
Polizei war genoihigt, von der Schußwaffe Gebrauch
zu machen. Zwei Arbeiter wurden verwundet.
— Zweibrücken, 24. Juni. Daß Dumm⸗
jeit und Aberglaube auch in unserem erleuchteten 19.
Jahrhundert noch in ihrer grellsten Form auftreten,
ewies eine interessante Verhandlung in der gestrigen
Sitzung der Strafkammer des igl. Landgerichts.
Angeklagt war die Ehefrau Kath. Bott, geb. Schieler
aus Dellfeld, in Pirmasens wohnhaft, wegen vier
Fällen des vollendeten Betrugs, 8 des Betrugver⸗
suchs und einer Uebertretung durch Kartenschlägerei.
MNitangeklagt war ihr Ehemann wegen Hehlerei.
Die Angeklagte betrieb gewerbsmäßige Karten-
chlägerei und suchte durch Täuschungen aller Art
hren abergläubigen Opfern größere Geldsummen
ibzuschwindeln. Interessant sind u. a. folgende
Fälle. Einer gewissen Elise S. spiegelte sie vor,
ein Lehrer L. sei in sie verliebt; als sich derselbe
edoch anderweitig verlobte, versprach die Bott der
S., sie wolle den Schritt rückgängig machen, aber
zu diesem Zwecke müsse die S. zu der Oberhexe
in Aschaffenburg reisen und ihr 20 Mark als Ho⸗
norar geben. Die angeführte S. reiste jedoch nur
dis Dellfeld. Ein nochmaliger Versuch der Bott
dlieb ohne Erfolag. — Einer kränklichen Wittwe
ersprach die Angeklagte einen Mann zu verschaffen.
Zuerst müsse sie jedoch gesund werden, und der⸗
schrieb ihr die Bott folgendes Rezept: fünf Hasen
wurden mit Haut und Haar nebst Honig und
Petersilie gerostet und dieses mixtum composifum
von der heirathslustigen Wittwe aufgezehrtNatür⸗
lich erhielt Bott für diese Wunderkur ein schönes
Hdonorar. — Einer Kath. T. schwindelte sie vor,
Gericht und Gendarmerie bannen zu können, und
erzielte damit das Honorar von 800 Mark. Bei
Frau Z. hatte sie ebenfallz einen Schwindelversuch
um 8300 Mk. gemacht, der ihr jedoch mißlang und wo⸗
von sie freigesprochen wurde. — Das Gerichi erkannte
auf schuldig in 4 Fällen des vollendeten Betrugs,
2 F des Betrugsversuchs, während sie von 1
Falle des Betrugsversuchs freigesprochenjwurde, und
derurtheilte fie zu einer Gefangnißstrafe von drei
Jahren sechs Monaten; wegen Uebertretung, Karten⸗
chlägerei erhielt sie 43 Tage Haft. Ihr mitange⸗
lagter Ehemann wurde von dem ihm zur Last ge⸗
egten Vergehen der Hehlerei freigesprochen.
*— In Haschbach kamen vor. Woche 7
Kinder, welche vor dem Schulhause spielten, unter
einen mit 30 Centner Kohlen beladenen Wagen.
s Kinder kamen mit dem bloßen Schrecken davon,
während dem fiebenten Kinde. über welches die
Räder gingen, 7 Rippen gebrochen und die Lunge
berletzt wurde. Das Kind wurde nun in ein
haus zebracht und als man die Mutter des
dindes herbeigeholt hatte, war dasselbe bereits ge⸗
storben.
Lokale und pfälzische Nachrichten.
*.St. Ingbert, 28. Juni 1886. Auf
die an Se. Kgl. Hoheit den Prinz⸗Re—
penten Luifpold seitens des hiesigen Stadt⸗
athes gerichtete Beileids und Ergebenheits⸗Adresst
st folgendes Dankschreiben an die hiesige Stadt⸗
nerwaltung heute eingetroffen:
Euer Wohlgeboren!
Seine Koönigliche Hoheit Prinz Luitpold
von Bayern, mein gnädigster Herr, haben den
varmen Ausdruck der Theilnahme, welchen die
Ztadtverwaltung Sct. Ingbert aus Anlaß des
dinscheidens Weiland Seiner Majestät König
dudwig's II. Höchstdenselben darbrachte,
vohlgefällig enigegengenommen und lassen diesen
Beweis aufrichtiger Ergebenheit und treuer An⸗
Jänglichkeit mit Höchsft Ihrem wärmsten Danke
erwidern.
Mit vollster Hochachtung
Euer Wohlgeboren
Muünchen, 28. Juni 1886.
Sr. Wohlgeboren ergebenster
drn. Bürgermeister Heinrich Freyschlag v. Freyenstein
in St. Ingbert ilPfalz. Oberstlt.⸗Adit.