Full text: St. Ingberter Anzeiger

durch die Hilferufe des Schwerverletzten erschreckt, 
davon direlt in das Landgerichtsgefangniß, worauf 
der saubere Bursche der Polizei überliefert wurde. 
Bei der Vernehmung gestand nach dem, Reg. 
Morgenbl.“ der Lehrling ein, daß es schon seil 
laäͤngerer Zeit die Absicht eines Lehrlingskomplottet 
sei, den Meister zu beseitigen, um Geld zu bekommen. 
In München fand am Freitag Morgen 
die Versteigerung von 83 überzähligen Pferden des 
I. Marstalls stait. Nachmittags wurden 28 ver 
schiedene Wagen, darunter Staatswagen, Landauer, 
Gebirgs. Bruͤcken⸗, und Jagdwagen dersteigert. 
Dem Generalmajor von Orff, Direktor 
des topographischen Bureaus im bayerischen General 
siabe, wurde der preußische rothe Adlerorden 2 
Klasse, dem Hauptmann Neumayer, Settions⸗ 
chef im topographischen Bureau, wurde der preu⸗ 
zische rothe Adlerorden 4. Kl. verliehhen. 
FHalle a. S. 17. Juli. Bei Deuisch⸗ 
Bora auf der Eisenbahn Leipzig ⸗Dresden entgleiste 
gestern Abend ein Personenzug. Zwei Wagen 
stürzten über die Böschung und ein Wagen 4 
lasse wurde zertrümmert. Die Maschine bohrte 
sich tief in den Batnkörper hinein. Der Maschinen⸗ 
führer und ein Wagenwärter find verletzt. 
F In Jena ist es in der Nacht vom Freitag 
zum Samstag zwischen 20 Korpsstudenten und 100 
Burschenschaftern auf dem Eichplatze zu einer ernsten 
Prügelei gekommen, wobei die Korpsstudenten sehr 
erhebliche Verletzungen an Kopf und Brust erlitten 
haben. 
F Verein Cylindria“. Das ist die 
neueste Erscheinung in dem an absonderlichen, ko⸗ 
mischen Erscheinungen nicht armen Berliner 
Vereinsleben. Die Mitglieder tragen stets einen 
Tylinderhut, kurz geschorenes Haar, sowie bunte 
Wäsche, und versammeln fich jeden Morgen im 
Pichardtschen Zelt zum gemeinsamen Kaffeetrinken. 
Wer ausbleibt zahlt fünfzig Pfennige Strafe. Aus 
dieser Strafkasse werden die Cylinder der Mitgliedet 
aufgebügelt. Es gibt noch strebsame Naturen! 
FKöonigsberg, 15. Juli. Der Ritter⸗ 
gutsbesitzer von Hollweg auf Groß⸗Weißensee feierte 
seine silberne Hochzeit, zu der auch die beiden 
Söhne, der ältere Schüler der Kunstakademie in 
Düsseldorf, der jüngere Student der Heidelberger 
Universität, eingetroffen waren. Bei einer Besich 
tigung der väterlichen Gewehrkammer schoß der 
jüngere Bruder durch unvorfichtige Handhabung der 
Waffe den älteren in die Brust. In dem Glauben 
ihn getödtet zu haben, eilte er in sein Zimmer 
und jagte sich eine Kugel durch den Kopf die so⸗ 
fort seinen Tod herbeiführte. wes 
F Aus Graz wird gemeldet, daß in dem bei 
Piresic (bei Cilli) gelegenen Schwefelkies-Bergbau 
drei Bergarbeiter verschüttet worden und sofort todi 
blieben, die anderen konnten sich mit knapper Notk 
retten. 
4Paris, 15. Juli. Die erste Mittheilung 
über das Duell des Kriegsministers war offenbar 
von den Zeugen General Boulangers zu seinen 
Gunsten entstellt. Das soeben veröoffentlichte Pro⸗ 
tokoll stellt fest, daß Boulanger weder mit Rückficht 
auf das Alter seines Gegners, des Senators La⸗ 
reinty, Pistol als Waffe gewählt, noch daß er in 
die Luft geschossen. Sein Pistol hat einfach versagt. 
rFMonsieur, Madame und Bébé) 
Das Pariser Tribunal hatte am 10. ds. Mis. in 
der Scheidungsklage des Privatiers Duchamel gegen 
seine Gattin Coleste zu verhandeln. Trotz des 
himmlischen Namens hat die gute Frau die sehr 
irdische Gewohnheit, zu schnupfen, was ihren Gat 
ten. ein poetisches Gemüth, von ihrer Seite treibt. 
Klagend sagt Mr. Duchamel: „Wenn ich sie am 
Morgen, mit der Dose in der Hand, an meiner 
Seite schlummern sah, da befolgte meine Zäartlich⸗ 
keit ihr Beispiel, und ich schlief gleichfalls ein 
wenn ich ihr am Abend den Gute⸗Nacht ˖Kuß bot 
mußte ich bis Mitternacht niesen. Ich bin bereit, 
ihr eine anständige Rente auszusetzen, und bitte 
nur, mir mein Kind zuzusprechen, welches mir, da 
es ein Knabe ist, gebührt.“ Nun meldet sich 
schluchzend Madame Duchamel und ruft: „Das 
Rind gehört der Mutter, es bedarf meiner Pflege, 
ich kann es nicht forilassen. Im Gerichtssaale 
entbrennt ein heißer Kampf um Bobs; endlich sagt 
der Richter: „Wenn es über vierzehn Jahrechalt 
ist, soll es selbst entscheiden, zu wem es will, ob 
zum Vater oder zur Mutter.“ Das Ehepaar stürzt 
zur Thür, Madame ruft: „Das Kind ist draußen, 
holen wir es herein!“ Die Pforten öffnen sich 
und an der Schwelle erscheint ein sechs Fuß zwei 
Zoll hoher Dragoner⸗Lieutenant, der erst 
Mama und Papa zärtlich umarmt und auf die 
Frage des Richters, bei wem er bleiben wolle, den 
Schnurrbart drehend, unter dem Gelächter des 
Auditoriums erwidert: Weder bei Papa noch bei 
Mama, sondern bei meiner geliebten Mimi“. Der 
—XO 
auszusetzen und versucht es, die zürnenden Gatten 
unter einander zu versöhnen. Endlich kommt ein 
Ausgleich zu Stande. Madame Duchamel ver—⸗ 
pflichtet sich das Schnupfen aufzugeben, ihr Gatte 
chließt die Reuige in seine Arme und Bobs stürzi 
ab, indem es ruft: „Mimi wartet auf mich“. 
Wie von den Franzosen in Tonkin Krieg 
zeführt wird, erzählt die Pariser „France“ mil 
lältestem Blute als ctwas Selbstverständliches. In 
der Fremdenlegion z. B. diente der Sohn eines 
Engländers und einer Chinesin. Da er gut chinesisch 
verstand, wurde er zum Verhör der Gefangenen 
gebraucht. Diese aber wurden meistentheils erschos⸗ 
sen, weil sie Spione waren. Deshalb zeigte der 
Anglo Chinese sehr bald Widerwillen, noch weiter 
us Dolmetscher zu dienen. Er hielt sich verborgen 
venn Gefangene eingebracht wurden. Eines Tages 
vurden drei chinefische Offiziere eingebracht, welche 
zei Befichtigung der französischen Stellungen be— 
troffen worden waren, der eine war ein Mann 
bon 60 Jahren, die anderen schienen seine Söͤhne 
zu sein. Der Dolmetscher wurde herbeigeholt, die 
drei Gefangenen ließen ihn reden, antworteten aber 
keine Silbe. Als der Offizier sah, daß er nichts 
herausbekam, ließ er die drei zur Stelle abführen, 
wo die zum Erschießen befohlenen Soldaten ihrer 
warteten. Der Vater nahm seine beide Söhne in 
die Arme und die drei starben sehr muthig, ohnt 
iinen Laut von sich zu geben oder eine Bewegung 
zu machen. Acht Tage nach dieser Hinrichtung 
war der Dolmetscher mit 59 andern Soldaten 
lauter Deutschen, der Fremdenlegion aus 
jerissen. Sie wurden nicht verfolgt, da man 
Dringenderes zu thun hatte. Einen Monat spüter 
vurden bei den Vorposten zwanzig Mann ange— 
halten, deren Fremdenlegions Uniform äußerst ab⸗ 
gerissen waren sie selbst waren fast noch mehr her⸗ 
intergekommen. Es waren die Ueberlebenden de— 
echzig Ausreißer. Sie erzählten, daß der Doll⸗ 
netscher sofort nach der Hinrichtung der drei Offi 
liere sich bemüht habe, sie zum Ausreißen zu verleiten. 
kr machte ihnen den Plan vor, zu den Schwarz 
flaggen zu flüchten, deren Führer zu werden und 
so ein tolles Leben zu führen. Aber als sie bei 
den Schwarzflaggen ankamen, wurden sie mit 
Feuer empfangen und mußten fich zur Wehre setzen. 
Hierbei fiel auch der Dollmetscher. Als dit 
Schwarzflaggen sich zurückzogen, waren von den 
Legionären nur noch dreißig kampffahig. Durch 
den Tod des Dollmeischers waren sie jedes Mittels 
beraubt, fich mit den Schwarzflaggen zu verstän⸗ 
digen. Die Dreißig hielten sich daher eine Zeit 
lang zwischen den Schwarzflaggen und den Fran⸗ 
josen, wobei sie auf zwanzig zusammenschmolzen. 
Auf beiden Seiten Feinde, in einem fremden 
dande, wo fast alles fehlt, und sie fortwährend 
dem Schlimmsten ausgesetzt waren, blieb ihnen 
chließlich nichts übrig, als sich preiszugeben. Sie 
zogen es vor, sich den Franzosen zu ergeben, bei 
denen fie doch mit einfachem Erschießen davon 
amen. Das Kriegsgericht verurtheilte fie zum 
Tode mit Degradation. Die Hinrichtung sand 
por den versammelten Truppen statt. Gegenüber 
den absichtlich zu ihrer Erschießung befohlenen El⸗ 
assern und Irländern zeigten sie keine Schwäche 
diele sogar große Kaltblütigkeit. Dies wurde uns,“ 
so versichert die , France“, von dem Offizier erzählt, 
welchem sich die Ausreißer ergeben halten und der 
fie als Verräther erschießen ließ, die fie ja gewesen 
ind. Gewiß ein erschütterndes Bild des Schichssals, 
velches Denjenigen bevorsteht, die in die Fremden⸗ 
egion treten. 
F ,Die Verwendung des Papiers zu technischen 
Zwecken“ nimmt immer groͤßere Dimensionen an 
und beginnt vielen bisher blühenden Industrie⸗ 
weigen Konkurrenz zu machen. Wie die Thon⸗ 
ndustriezeitungꝰ meldet, hat man jetzt in Amerika 
hegonnen, Dachziegel aus Papier zu sabriziren, und 
jat dabei sehr haltbare Ziegel von großer Leichtig⸗ 
leit erhalten, die an Brauchbarkeit die Schiefer 
platien, belanntlich das beste Material zum Dach 
decken, weit übertreffen sollen. Aus dem zähen 
aserigen Papierbrei werden die Ziegel in beson⸗ 
ʒeren Formen gepreßt und. nachdem sie mit einen 
Flüssigkeit, die sie wasserdicht macht, getränkt wor 
den sind, im Ofen gebacken. Dann werden d⸗ 
Papierziegel mit einem Emailleüberzug versehen in 
mit Sand bestreut, um sie gegen Hitze und z 
widerstandsfähig zu machen. Nachdem die * 
dann noch im Ofen getrocknet worden find, u 
sie zur Benutzung fertig. 
Fe„Ueber die Geisteskrankheiten in regierender 
Hausern schreibt Prof. Häckel: „Besonders jin 
die Geisteskrankheiten in ungewoͤhnlichem Maße 
den regierenden Häusern einheimisch. Schon 
berühmte Irrenarzt Esquirol wies nach, daß F 
Verhaältniß der Geisteskranken in den fürslich 
Hhausern gegenüber denjenigen in der gewoöhnig. 
Bevoͤlkerung sich verhält wie 60: 1, das heisl *— 
der Wahnsinn in den Familien der regierende 
Hauser sechszigmal so häufig vorkommt, ais F 
Jewöhnlichen Menschheit. Würde nun eine gieih 
genaue Statistik auch bei dem erblichen —8B 
zeführt, so dürfte sich leicht heraussiellen, daß 9 
dieser ein ungleich größeres Kontignent von Wahn 
innigen oder Geisteskranken stellt, als die gemen 
aicht adelige Menschheit. Der Grund hierpn lieg 
m der unnatürlichen oder einseitigen Erziehung i 
in der künsilichen Absperrung dieser —8 
Kasten von der übrigen Renschheit. Es werun 
dadurch manche dunllen Schatter seiten der mensch 
lichen Natur besonders entwickelt, gleichsam künstli 
gezüchtet, und pflanzen sich nun nach den Ven 
ungsgesetzen mit immer verstärkterer Kraft und cin 
seitigkeit durch die Reihe der Generationen fog 
Dienstesnachrichten. 
Studienlehrer Dr. Su tz in Reustadt a. d. 6. wurdi 
auf Ansuchen nach Wurzburg versert, der Affisten ann 
Studienanftalt Speyer Kennel zum Studienlehrer da 
selbst, Studienlehrer Stadler in Landstuhl auf An⸗ 
juchen nach Ingolstadt verset, LehramtskandidatS X 
ler in Bamberg zum Siudienlehrer in Edenkoben er 
nannt, Studienlehrer Ha ud in Homburg auf Ansuchen 
nach Kitzingen versetzt, Lehramtsklandidat Se y fried'iü 
Landau zum Studienlehrer in Homburg ernanni. 
a cccz 
Sterbefälle. 
Gestorben: in Maikammer Frau Rosa Behen 
geb. Eiselß, 38 J. a.; in Bubenhausen Xabe 
Tarius, 41 J. a.; in Zweibrücken Frau Kathatin 
Elisabetha Pirrmann, geb. Lang, 74 J. alt; 
Ernstweiler Karl Hoffmann. 
Fur die Redattion ve 28. XScmc 
—— —— — — — — 
Schiffsbericht der Red Star ine. 
Mitgetheilt von »355 
Jéan Peters, Haupt⸗Passage-Agentur St. Ingber 
Antwerpen, 10. Juli; der Postdampfer, Waesland 
Kapt. Ueberweg, ist nach New⸗York abgegangen. 
New⸗NYork, 10. Juli; der Postdampfer „Rhonland' 
Kapt. Jamison, ist nach Antwerpen abgegangen. 
Autwerpen, 15. Juli; der Postdampfer ,Pennland 
Kapt. Weyer, ist von Rew⸗York angekommen. 
New⸗Pork, 15. Juli; der Postdampfer ‚Belgenland 
Kapt. Beynon, ist von Antwerven angekommen. 
Nr. 193 des praktischen Wochenblattes für al 
Hausfrauen „Fürs Haus““ (vrierteljährlich nu 
1 Mark) enthält: — 
Wochenspruch: 
Wer da will auf Reisen gehen, muß es gründli 
auuch verstehen: * 
Des Morgens frühe zieh er aus, die Sorgen laß— 
er zu Haus. J 
Wenig Gepäck und viel Humor, wer's ander' 
maacht, reist wie ein Thor. 
's Gebet. Das deutsche Lied. „Was bvor 
reinem jungen Mädchen zu halten sei“. Reiseaus 
ftattung. Nervenleiden. Wie stillt man seine 
Dursi? Die nächste Pflicht. Krankenpflegerinnen 
Bardinen · Aufsteclereien. Kleidermachen. Er wei 
Alles! Jugendlust. Kasperltheater! Ballspiel 
Marmor zu bemalen. Hokzmalereien zu polieren 
Terracotten. Bilder zu betrachten. Ameisen vor 
Obstbaäumen zu vertreiben. Ausdünnen der Wein— 
rauben. Winke für den Anbau des Waldmeisters 
Der Hausschwamm. Fruchtpressen. Ausgang de— 
Hauses. Weiße Glacehandschuhe schwarz zu farben 
Einfache Untersuchung von Benzin auf seine Rein 
heit. Bugeleisen vor Rost zu bewahren. Butter 
nailch ⸗ Pfannentuchen. Butter zu verzieren. Saft 
pudding. Johannisbeerwein. Einfacher schwabische 
süchenzettel. Reicher Wiener Kuchenzettel. Räihsel 
Aufiosung des Raihsels in Nr. 193. Fernspreche 
Echo. Brieflasten der Schriftleitung. Anzeigen 
Die nolariell beglaubigte Auflage dieser wirkli 
empfehlenswerten und dabei überaus billigen Wochen 
schrift beträgt 100,000. Probenummern versende 
ede Buͤchhandlung, sowie die Geschäftsstellen, Fuͤr 
Hhaus“ in Dresden gratis.