Full text: St. Ingberter Anzeiger

Ein beherzigenswerthes „Ein— 
saͤndt finden wir in den in Zurich erschei⸗ 
—* Deutschen Nachrichten“. Der Einsender 
mertt, daß bei dem gegenwärtig in Basel statt- 
ndenden Turnfeste in dem Schmuck der Häuser 
*— auswärtigen Fahnen zwar sehr viele franzö⸗ 
fiche, aber fast gar keine deutschen zu sehen seien 
d tnüpft daran folgende treffende Mahnung: 
EEs würde den Deutschen in der Schweiz sehr zur 
zhre gereichen, wenn fie bei festlichen Aulässen ihre 
dauser mit den schwarz weiß⸗ rothen Farben schmücken 
Follien, ohne sich von oft recht kleinlichen und 
eist gunzlich unbegründeten Rücksichten abhalten 
u lassen oder aus Gleichgültigkeit zu »sündigen! 
Ran vergesse nicht: wir gelten im Auslande ge⸗ 
nau füc das, was wir aus uns zu machen ver⸗ 
n.“ 
uehen inrich, 28. Juli. Eine tiefgehende Spal- 
ung ist in dem Quartier der hiesigen Heilsarmee 
ngetreten. Der Hauptmann Schaaff erklärte seinen 
Austritt aus der Heilsarmee. Die Marschallin 
Hooth intervenierte vergeblich. 
fSt. Moritz ESchweiz), 27. Juli. Bei 
arlem Gewitter unerhörter Schneefall; mehr als 
id, 000 Touristen und Kranke eingeschneit. 
Mons, 29. Juli. Von dem Schwurge⸗ 
icht murde heute der Urtheilsspruch über die der 
Jerstdͤrung der Glasfabrik in Roux beschuldigten 
urbeiter gefällt: 4 Angeklagte wurden freigesprochen, 
zu lebenslänglicher Zwangsarbeit, 2 zu 15, 3 
su 12, 1 zu 10, 2 zu 5 Jahren und 1 zu 8 
Nonaten Einsperrung verurtheilt. 
fGEin alter Eichenstamm.) In Paris 
iegt jetzt ein vorsintfluthlicher Eichenstamm in der 
Seine, welcher ganz außerordentliche Verhältnisse 
zufweist. Er ist 31,60 Meter lang, hält 9 Meter 
im Umfang und 85 Quadratmeter und wiegt 
55,000 Kilogramm. Dieser Riese wurde 1884 
im Bett der Rhone bei dem Fort Pierre Chatel 
ntdeckt. Schon 1874, als das Wasser ungemein 
ziedrig stand, hatte man einen Ast gefunden, der 
zur Entdeckung des Stammes führte. 1883 fing 
nan an, diesen auszugraben. Während der füns 
Monate niedrigen Wasserstandes des Jahres arbei⸗ 
eten 150 Mann daran. Erst im März 1884 
jelang es, den Stamm aus dem Flußbeit zu 
xingen und dadurch ein schlimmes Hinderniß der 
Schifffahrt zu beseitigen. Das untere Ende des 
ztammes mußte 10 Meter tief ausgegraben werden. 
die französischen Gelehrten behaupten, der ausge— 
grabene Stamm sei 1000 Jahre alt gewesen, als 
it durch die letzte Umgestaltung unseres Erdtheils 
bei welcher die Alpen emporgestiegen, in das Fluß⸗ 
bett versenkt wurde. Er ist aus der Tertiärperiode, 
als Mastodont, Dinotherium ꝛc. lebten. 
(Geld Boulanger.) In welcher Weise 
der französische Kriegsminister Boulanger den Re— 
llameschwindel betreibt, zeigt das Pferd, welches 
er bei der großen Parade geritten. Allgemein hatte 
man nämlich bewundert, wie schön der Gaul unter 
Sporn, Schenkeldruck und Zügelruck nach dem 
Talte der Militärmusik getänzelt hatte. Jetzt er⸗ 
fahrt man, daß General Boulanger dies Pferd 
einem Zirkus abgekauft und in der Reitbahn für 
die Schaustellung bei der Parade noch besonders 
uqeritten hatte. 
F Die franzoͤsische Tragödin Sarah Bern⸗ 
hardt erhielt in Rio Janeiro während einer 
Probe von einer zu ihrer Truppe gehörenden Künst⸗ 
ierin eine Ohrfeige, für welche sich Sarah mit der 
keitpeitsche so gründlich rächte, daß sie wahrschein- 
lich in's Gefängniß wandern muß. 
rZehn Millionen Strafzahlung 
vberlangt das russische Zollamt in Odessa von dem 
mglischen Dampfer „Ghazee“, der kürzlich dort 
nmit einer Ladung Thee aus Shanghai anlangte. 
In dem Schiffsmanifest war das Gewicht der 
dadung nicht angegeben; dieses Verbrechen soll 
nun mit der Strafzahlung des fünffachen Werthes 
der Ladung zwei Millionen mal 5 — 10 Mill. 
dubel gesuͤhnt werden. 
fKonstantinopel, 24. Juli. In der 
saatlichen Pulverfabrik zu Makrikoei hat am Mitt 
woch eine Explosion statigefunden, bei welcher min⸗ 
desens 838 Personen getödiet sein sollen. Der ma⸗ 
lerielle Schaden ist bedeutend. Drei Magazine 
wurden vollständig zerstört. So stark war der 
duftdruck, daß ein Booi, welches im Augenblick 
or Makrikoei vorbeifuhr, umgeworfen wurde, wo⸗ 
dei ein Mann ertrank. Vor drei Jahren hatten 
ie Einwohner von Makrikoei die Regierung ge⸗ 
beten, die geführliche Vulverfabrik zu verlegen 
F(EEin kleiner Pasfssagier.) Der 
Dampfer Nelsen“, der nach mehrwoöͤchiger Fahrt 
aus Australien ia Southampton anlangte, hatte 
an Bord ein fünfjihriges Mädchen, das um den 
Hals an einer Kette eine Geldbörse mit folgendem 
Zettel trug: „Ich heiße Nellie Kneller, Vater und 
Mutter sind tot, gute Leute haben für mich die 
Ueberfahrt bezahlt. Von dem Gelde in meiner 
Börse darf täglich ein Schilling für meine Be— 
köstigung ausgegeben werden, ich habe im ganzen 
hundertfünfzig Schilling mitbekommen. Bitte 
hbringet mich zu meiner Tante, Charlotte Kneller 
in Preuß⸗Schlesien.“ (Folgt der Ort.) Bei der 
zandung wurde der Geldvorrath nachgezählt und 
s fand sich, daß derselbe den Zuwachs mehrerer 
Boldstücke erhalten, die mitleidige Passagiere der 
kleinen Waise geschenkt. 
F(Die Hungersnoth in Labrador 
uad Newfoundland.) Weitere Nachrichten 
aus Labrador bestäligen, daß die Hungersnoth dor! 
einen grausigen Umfang angenommen hat. Wie 
s scheint, sind unter den gestern gemeldeten 1500 
Ipfern nur Eingeborene zu verstehen, denn eine 
Meldung aus London vom 28. Juli besagt 
„3500 Eskimos und Indianer erlagen in Labra— 
dor dem Hunger und der Kälte. Ein zweitägiger 
zeftiger Schneesturm schnitt 15,000 Eingeboren( 
»om Verkehr ab. Man befürchtet, daß sie mittler 
weile alle verhungert sind. 
F Newyork, 24. Juli. Im Mai vorigen 
Jahres sprang bekanntlich ein Mann Namens Odlum 
jon der hohen Brooklyn⸗Brücke in den East River 
und verlor dabei sein Leben. Gestern nun hat ein 
Jjewisser Stephen Brodie für 200 Dollars dasselbe 
Experiment gemacht und ist dabei unverletzt ge⸗ 
zlieben. Brodie ist ein 23 Jahre alter Zeitungs 
träger. Am Ende der Brücke küßte er sein Weib 
zum Abschied, bestieg einen Wagen und als dieser 
100 Fuß von dem Newyorker Ende entfernt war, 
sprang Brodie ab, kletterte uber das Gitter und 
stürzte sich sofort in's Wasser. Er fiel ganz gerade, 
so daß seine Füße zuerst das Wasser erreichten. 
cturz nachdem er im Wasser verschwunden war, 
tauchte er auf, sank wieder, wurde jedoch von einem 
Genossen, dem er vorher seinen letzten Dollar für 
diesen Liebesdienst gegeben hatte, in ein Boot ge⸗ 
zogen. Als sich die Polizei näherte, wollte Brodie 
nochmals ins Wasser springen, er wurde aber er⸗ 
vischt und ins Gefängniß abgeführt. Die Aerzte 
janden feinen Puls normal und erklärten, daß nichts 
an ihm verletzt sei, doch klagt Brodie über Schmer⸗ 
zen an der rechten Seite. Er hatte doppelte 
Hosen an — die einzige Veranstaltung für den 
kühnen Sprung. 
*(EEin Wunder der Uhrmacherkunst.) 
In Ruppiner Hall in New⸗York ist gegenwärtig 
ein Uhrwerk ausgestellt, das ein wahres Wunder 
der Mechanik genannt werden muß. Dasselbe iff 
geradezu riesig in seinen Dimensionen, im Gewicht, 
im Mechanismus und in den vielfachen komplizir⸗ 
ten Anzeigen, die es enthält. Die merkwürdige 
Uhr ist von einem gewissen Martin konstruirt und 
umfaßt einen Raum von 5,50 Kubikmeter; sie 
viegt 700 Kilogramm und enthält 265 Räder. 
Sie funktionitt durch ein Pendel, welches von 12 
Gewichten in Bewegung gesetzt wird. Das Werl 
bezeichnet die Sekunden, die Minuten, die Stun⸗ 
den, die Tage, die Wochen, die Monate und die 
Normal⸗, sowie die Schaltjahre. Es setzt 128 
allegorische Figuren in Bewegung, die 509 Centi⸗ 
meter hoch sind und die Lebensalter, die zwölf 
Apostel, Christus, seine Jünger segnend, einen 
Glöckner, die Sektion der heidnischen Völker, die 
dier Jahreszeiten, die Zeichen des Thierkreises ꝛc. 
repräsentiren. Die Phasen des Mondes und die 
Drehung der Erde und der Gestirne sind ganz ge⸗ 
nau und bewunderungswürdig exakt durch kleine 
Räder ausgedrückt. Ein Hahn kräht mit naturge⸗ 
reuer Stimme jede Stunde ab und viermal des 
Tages spielt ein automatisches Spielwerk zwölf 
Musikstücke. 
F Dieschnellste Beförderung aufs 
der Erde wird wohl gegenwärtig in Nordamerika 
erreicht. Es find aber weder die Jagd⸗ uud Blitz⸗ 
züge der Bahnen, noch die Sonderzüge amerikanm⸗ 
scher Eisenbahnkönige, welche das Außerordentliche 
leisten, sondern die Beförderung geschieht durch die 
Zolzfloßrinnen der Sierra Nevada, deren bewegende 
raft einfach das aus Bergeshöhe herabschießende 
Wasser ist. Der alte Vanderbill pflegte auf seinem 
Sonderzuge die englische Meile in einer Minute 
zurückzulegen; diese Bahngeschwindigkeit ist aber 
weitaus tüber boten durch die Kanoefahrten in diesen 
Floßrinnen, die zur Förderung des Bauholzes im 
Bebirge dienen. Ein Berichterstatter der „Vosfi⸗ 
schen Zeitung“ in San Franzisko erzählt von 
solcher Blitzfahrt auf einem flachen Kanoeboot, 
welche er in Gesellschaft von zwei anderen Personen 
mit gemacht hatte. Ein Strecke von 16 englischen 
Meilen legte das Boot, durch die Gewalt des 
Wassers getrieben, in genau s Minuten 40 Se—⸗ 
tunden zurück, was einer Geschwindigkeit von 200 
ilometern oder 27 deutschen Meilen in der Stunde 
zleichkommt. Den Eindruck der rasenden Fahrt 
schildert der Berichterstatter folgendermaßen: „Ich 
sah nichts, als ein wüstes unverkennbares Durch⸗ 
einander von Felsen, Bäumen, Landschaft, wie das 
gegenstandslose Farbengewirr einer Palette. Es 
lam mir vor, als würden wir aus einer Kanone 
durch die Luft geschossen.“ 
(Pech) Kürzlich wurde in einer größeren 
Stadt eine Hochzeit gefeiert. Beim Hochzeitsmahl 
ereignete fich ein für die Braut unangenehmer Vor⸗ 
fall: die falschen Zähne fielen ihr aus dem Mund 
und Molly, das kleine Thierchen, kommt herange- 
wedelt, nimmt das kostbare Gebiß in das seinige 
und läuft davon. Ida, so hieß die Braut, weiß 
sich nichts anders zu helfen, als — in Ohnmacht 
zu fallen. Ferdinand, ihr Bräutigam, fing sie in 
den Armen auf und befeuchtete Nase und Lippen 
mit Erweckungsgeistern. Da lispelte die Arme: 
„Wo bin ich?“, öffnete die Augen und schließt den 
Mund. — „In den Armen Deines Gatten“, ant⸗ 
vortete Ferdinand. — „Gott, was ist mit mir ge⸗ 
schehen?“ seufzte Ida. Jetzt erst bemerkten die 
Anwesenden Ida's zahnlosen Mund und Molly an 
der Thür, in seinem Gebiß die künstlichen Zähne 
haltend. Stumm und leichenblaß sitzt der Bräuti⸗ 
gam in seinem Sessel. „Ach, welches Unglüch!“ 
seufzt Ida und fängt an zu weinen. — „Etwas 
Entsetzliches, um sich die Haare auszuraufen!“ 
entgegnete Ferdinand, springt auf, hebt die Hand 
in die Höhe und reißt sich — die Perrücke vom 
Kopf herunter. Einige Gäste fangen an zu lachen. 
Ein allgemeines Gelächter entsteht. Die Braut 
lacht, der Bräutigam lacht und die Sache löst sich 
in Wohlgefallen auf. Die „jungen Leute“ aber 
leben im größten häuslichen Glücke zusammen. 
Marktberichte. 
Zweibrücken, 29. Juli. (Fruchtmittelpreis und Vik⸗ 
tualienmarkt.) Weizen O M. — Pf. Korn O M. — Pf. 
Berste zweiceihige O M. — Pf. vierreihige d M. — pPf. 
Spelz 0 M. — Pf., Spelzkern — M. — Pf., Dinkei 
nn. — Pf., Mischfrucht d M. — Pf. dafer 6 M. 
50 Pf.,, Erbsen O M. — Pf., Wicden 0 M. — Pf. 
Heus M. 50 Pf., Stroh J.Qual. 2 M. 40 Pf., II. Qual. 
2 M. — Pf., Kartoffeln? M. — Pf., Weißbrod 1/ Kiilo 
50 Pf., Kornbrod 3 Kilo 80 Pf. Gemischtbrod 8 Kilo 
75 Pf., paar Weck 90 Gr. v Pf., Rindfleisch J. Qual. 
54 Pf. II Qual. 48 Pf., Kalbfleisch 50 Pf. Hammel⸗ 
fleisch 50 Pf., Schweinefleisch 50 Pf., Wein J Liter 80 Pf. 
Bier J1 Liter 24 Vf. Butter /2 Kilogr. O M. 90 Pi. 
Dienstesnachrichten. 
Versetzt wurde der Aufschlageinnehmer Wilhelm 
Ruff von Hornbach nach Weinding auf Ansuchen. 
Ernannt wurde der Steueraufseher Mich. Krug in 
Hornbach auf Ansuchen zum Aufschlageinnehmer 
daselbst und der Revisionsaufseher Jos. Baumann 
in Eisenstein zum Steueraufseher in Hornbach. 
ea i Redaktion veranwort—5— 
ZeäÄαÑôôÑ ln 
deme ß. 
Allen, welche die Tonkunst lieben und ein gleich 
warmes Interesse für unsere heranwachsende „mufi— 
kalische Zukunft“ — unsere liebe deutsche Jugend 
hegen, sei die zeitgemäße Jugendschrift Musikal. 
Jugendpost bestens empfohlen; die neueste Nummer 
bringt: Aus Spohrs Jugendleben von J. A. 
herrmann mit 2 Illustrationen. — Die Stimme 
des Waldes, Märchen von A. Nikolai. — Frie⸗ 
derli, eine Geschichte aus dem Markgräfler⸗Land 
bon Dr. E. Freiburger mit Illustrationen von A. 
Lewin. — Grundzüge der Akustik und Lehre vom 
Schall von E. Heim mit Illustrationen. — Mu⸗ 
sikalisches Allerlei von F. Litterscheid. 1* 
Musikbeilagen: Röschen O Röschen holdes“, 
Lied für 1 Singstimme und Klavier von A. Wilt- 
berger. — Polonaise aus Faust von L. Spohr für 
Klavier von W. Fißmer. — Russisches Zigeuner⸗ 
lied für Violine und Klavier von Herm. Schroöder. 
Preis pro Quartal Mk. 1,—. Bereits er⸗ 
chienene Quartale liegen in jeder Buch- und Musi— 
kalienhandlung zur Ansicht nauf