Full text: St. Ingberter Anzeiger

Konstantinopel, 8. August. Trotz den 
hr von verschiedenen Seiten ertheilten Friedens⸗ 
zersicherungen mißtraut die Pforte doch Rußland und 
ie sucht sich für alle Fälle vorzubereiten. In Ma⸗ 
cedonien soll durch die Einführung der allgemeinen 
Wehrpflicht für alle Muselmanen vom 18. bis 40. 
debensjahre mit zwei Dienstjahren so rasch als 
nöglich eine stehende Armee errichtet werden, welche 
einschließlich der Artillerie und Reiterei 60,000 
Mann stark sein wird. Ueberall werden genügende 
—I 
mehr nach anderen Centren schicken zu müssen, sollen 
nun auch in Kleinasien, Syrien und Arabien ähn⸗ 
iche, von Goltz Pascha empfohlene Maßregel zur 
Ausführung gelangen. Es soll künftighin Alles 
vurchaus rationell betrieben werden, auch hier, wo⸗ 
selbst die Muselmanen bisher militärfrei waren. 
—EX 
Eokale und pfalzische Nachrichten. 
*St. Ingbert, 10. August. Heute Vor⸗ 
mittag kurz vor 12 Uhr hatte ein bei dem Neubau 
der Schlosserei⸗· Gebäude des St. Ingberter Eisen⸗ 
verkes beschäftigter, dahier wohnhafter Maurer, 
Namens Friedrich Mick von Contwig das Unglück, 
hon einem zweistockwerkhohen Gerüste herabzustürzen 
und einen lebensgefährlichen Bruch des Rückenwirbels 
zu erleiden. Mich ist 32 Jahre alt, verheirathet 
und Vater von 4 Kindern. 
*St. Ingbert, 10. August. Nach einer 
Entscheidung des Reichsgerichts sind die Gartenbe⸗ 
itzer befugt, Katzen, die in ihrem Garten den 
Singbögeln oder anderem Geflügel nachstellen, als 
Raubthiere zu behandeln und zu töten. 
*— Am nächsten Sonntag und Mon⸗— 
tage begeht der Musikverein „Eintracht“ von 
Saarbrücken⸗St. Johann die Feier 
seines 25jährigen Jubiläums durch ein großes 
Dusiktfest. An jedem der beiden genannten 
Tage wird, und zwar Sonntags um 4 Uhr nach⸗ 
mittags und Montags um 5 Uhr beginnend, ein 
zroßes Conzert stattfinden. Die Masse der Mit⸗ 
wirkenden, überhaupt der ganze Charakter des mu⸗ 
sikalischen Theils der Feier heben das Jubiläums⸗ 
fest über eine gewöhnliche Vereinsfeier hinaus. Am 
ersten Tage wirkt ein Männerchor von mehr als 
200 Stimmen, am zweiten Tage bei der Aufführ⸗ 
ung des Oratoriums „Die Jahreszeiten“ von Hayde 
ein gemischter Chor von ungefähr 120 Stimmen 
und an beiden Tagen ein Orchester in Stärke von 
50 Mann. Aus der Pfalz wirken mit die Musik⸗ 
dereine von Kaiserslautern und Landau, der Män⸗ 
nergesang- und Cäcilienverein Pirmasens und der 
Männergesangverein Zweibrücken. Die zur Mit⸗ 
virkung gewonnenen Solisten erfreuen sich in der 
unstwelt des besten Ansehens. Eine große An⸗ 
iehung dürfte auch der Umstand bieten, daß zwei 
Komponisten ihre Werke persönlich dirigieren wer⸗ 
den: Der Altmeister Vincenz Lachner seine 
Duverture zu dem Kreuzer'schen Thema: Das 
ist der Tag des Herrn“, und Karl Josef Bram⸗ 
hach seine Tondichtung für Männerchor, Solo 
und Orchester: „Velleda“. Das musikalische Ar- 
rangement und die Leitung der Aufführungen liegt 
in den bewährten Händen des Dirigenten der 
„Eintracht“ Herrn Musikdirektors Krauste. — 
Da die Conzerte an beiden Tagen so gelegt find, 
daß nach Schluß derselben noch bequem der letzte 
bon Saarbrücken nach hier gehende Zug benützt 
werden kann, so ist auch hiesigen musikliebenden 
Kreisen die Gelegenheit erleichtert, sich durch den 
Besuch wenigstens eines der Conzerte einen mufi⸗ 
kalischen Kunstgenuß im vollsten Sinne des Wortes 
u verschaffen. J 
— Vor dem Kgl. Landgericht Kaiser s⸗ 
lautern werden sich nächstens 152 junge Leute 
vegen Verletzung der Militarpflicht bezw. unerlaub⸗ 
sen Auswanderns zu verantworten haben. J 
— Annweiler, 8. August. Nur noch eine 
leine Spanne Zeit trennt uns vom 15. August, 
an welchem Tage das bereits durch die Presse viel⸗ 
seitig bekannt gemachte Trifelsfest gefeierl 
verden soll. Die Vereine, welche zur Verherrlich- 
ung des Tages beitragen werden, sind gerüstet und 
der Festtag überrascht fie nicht; vielmehr freut sich 
Alles auf den 15. August. Außer dem Musik⸗ 
und Gesang⸗verein will auch der Turnverein zur 
hebung der Festfeier beitragen, indem er auf dem 
Festplatze ein Schauturnen veranstaltet; kommen 
aun noch Deklamiren und Volksbelustigungen (Sack⸗ 
laufen ꝛc.) hinzu, dann ist für Kurzweiligkeit aus⸗ 
eichend Sorge getragen. Der Festwirth sorgt ge—⸗ 
viß aufjs Beste für die leiblichen Bedürfnisse und 
jo kann man hoffen, daß unser Trifelsfest auch 
Zäste aus der Ferne anzieht. Sie werden es nicht 
u bereuen haben, wenn sie unser Fest, das ein 
eutsches ist, und eines jeden Deutschen Fest sein 
soll, besuchen. Das Festprogramm ist dem Druck 
ibergeben und wird morgen zur Versendung kommen. 
Moöge der Himmel nur das richtige Festwetter be⸗ 
cheeren! 
Vermischtes. 
fFForbach, 5. August. Daß man in der 
jiesigen Adt'schen Fabrik schon früher versucht hat, 
kisenbahnräder aus Pappdeckel herzustellen. wurde 
einer Zeit mitgetheilt. Jetzt hat man versucht, 
us Pappdeckel einen kleinen Kahn herzustellen, 
»en Fabrikbesitzer Gustav Adt letzten Sonntag auf 
er Saar erprobte. Der neue Kahn, der 3 Meter 
ang und ein Meter breit ist, bietet hinlänglich 
saum für 3 Personen, ist leicht beweglich und 
ann von einem Manne getragen werden, da er 
uur 37 Kilogramm wiegt. Dieser neue Versuch 
eweist, daß die Leiter der großen Fabrik rastlos 
nit der Zeit vorwärts schreiten und beflissen sind, 
eden Tag neue Gegenstände auf den Weltmarkt 
u werfen. 
7 Caub, 7. August. Dem Feldmarschall 
ßlücher, der hier in der Neujahrsnacht von 
1814 über den Rhein ging, soll ein Denkmal ge⸗ 
etzt werden. Kaiser Wilhelm machte als 17jäh⸗ 
riger Leutnant diesen Uebergang mit. 
— Drei Infanteristen der Mettz er Garnison 
ind nach einer Pariser Meldung der Köln. Zig“ 
im vorigen Donnerstag in Pont à Mousso einge⸗ 
roffen und erklärten, in die Fremdenlegion ein⸗ 
reten zu wollen. J 
tMannheim, 7. August. Die Frequenz 
der Station Mannheim der badischen Staats⸗ 
äisenbahn während der Frühstunden des gestrigen 
Tages — von 3 bis einschließlich Uhr — dürfte 
ach provisorischer Zusammenstellung etwa 15,000 
Personen sein. Auf der hiefigen Station wurden 
ingefähr 9000 Billete gelöst und wurden eben so 
»iel Personen in der oben angegebenen Zeit beför⸗ 
»ert. Aus der Pfalz kamen zwei Züge, die etwa 
2000 Personen brachten, während die Hessische 
dudwigsbahn etwas über 3000 Personen stellte. 
Es wurden bis dahin 8 Züge in obiger Zeit ab⸗ 
jelassen, während noch bis 9 Uhr die fahrplan⸗ 
näßigen Züge den Verkehr in die Feststadt ver⸗ 
nittelten. Die hiesiige Trambahn befoörderte 
vährend des gestrigen Tages von früh 83 Uhr bis 
inschließlich 1 Uhr Nachts auf der Strecke Rhein 
hor⸗Bahnhof zwischen 5 und 6000 Personen. 
F Der im Mann heimer Personenbahnhofe 
»erunglückten Frau Lehmann wurde das linke Bein 
imputirt; die Lebensgefahr ist für dieselbe nicht 
janz ausgeschlossen. 
F In Heidelberg wurden einem Land⸗ 
virth, welcher sich vor der hl. Geistkirche den Fest⸗ 
ug besah, 2000 Mark gestohlen. 7 
fHeidel berg. Glückliche Nachwirkung 
es Heidelberger Jubiläumsfestzugs. Dem durch 
eine Duellaffairen bekannten Hrn. Studiosus 
9 ....... von hier wurde seine letzte Strafe, 
vegen Zweikampfes, von 4 Monaten in Gnaden 
rlassen. B. hat im Heidelberger Festzug als 
zriedrich der Siegreiche mitgewirkt und bildete eine 
er imposantesten Figuren, ein Urbild schöner 
Nännlichkeit. Als unser Großherzog den B. im 
jyestzug vorüberreiten sah, meinte Seine koͤnigliche 
hoheit: „Den Friedrich den Siegreichen können 
vir nicht einstecen“, und so waren B. die 4 Mo⸗ 
nate „Rastatt“ geschenkt. 
F Einige lustige Mainz er Voͤgel, die da 
laubten, in Heidelberg keine entsprechende Unter⸗ 
unft mehr zu finden, hatten einen Moͤbelwagen 
on Mainz, der Ladung nach Mannheim hatte, 
eemiethet, und nach Heidelberg dirigirt, allwo der⸗ 
elbe unter Benutzung von einigem Bettwerk als 
mprovisirtes Hotel dienen und Unterkunft für die 
dacht gewähren sollte. 
7 Frankfurt, 7. August. Am Montag 
iber 8 Tage soll der erste Personenzug von dem 
euen Frankfurter Centralbahnhof abgelassen werden. 
derselbe wird die Theilnehmer an der diesjährigen 
Bander⸗-Versammlung der Deutschen Architekten⸗ 
ind Ingenieur⸗Vereine, sowie deren Damen und 
häste über die neue Eisenbahnbrücke nach Niederrad 
ind von da zurück zum Ostbahnhof führen. An 
iiese Fahrt schließt sich ein Gartenfest im Zoolo⸗ 
sischen Garten. 
tMünchen, 7. August. Die Zahl 
Selbstmorde hat in den letzten drei Wochcn J der 
n geradezu erschreckender Weise zugenommen hin 
dem Zeitraume vom 19. Juli bis zum —* 
Tage find nämlich nicht weniger als 11 n 
morde und 3 Selbstmordversuche zu berzeichn s 
außerdem wurden in dieser Zeit mehrere * w 
in der Isar gefunden, von denen man nicht — 
ob man es mit Selllstmord oder Ungludsfol ß 
hun hat. u 
r Altenburg, 7. August. Der erste deutsch 
Skatkongreß wurde heute um 9 Uhr XR * 
Preußischen Hof“ unter dera Vorsitz des —* 
ungsraths Kühn und starker Belheiligung aus * 
Theilen Deutschlands eröffnet. Etwa 1500 * 
onen find anwesend. 
F Neun Soldatenselbstmorde bey 
Selbstmordversuche werden aus den letzten Tagen 
in verschiedenen Blättern gemeldet. In —R 
hat sich ein Ristmeister a. D. v. G.. erschossen. In 
Wesel erschoß sich ein Unteroffizier vom 57. Im 
stegmt. In Meß erschoß fich ein Unteroffizieren 
92. Inf.Regm. In Augssburg erschoß sich ein 
Sergeant des 4. bayer. Feld· Artillerie Regnn 
7 Seligenstadt, 7. August. In de 
Hofraithe eines hiesigen Metzgers versuchte am ver 
lossenen Freitag eine feiste Ratte ein mit seinen 
geschwistern arglos spielendes Küchlein zu rauben 
vurde aber von der rasch hinzueilenden Henne 
hr sicheres Versteck zurückgedrängt. Als die frecht 
S„törerin des friedlichen Familienglückes bald darauf 
hren kühnen Raubanfall wiederholte, sprang ihr 
zie entrüstete Henne auf den Rücken, pickte ihr die 
iüsternen Augen aus und bearbeitete mit dem 
Schnabel so lange den Kopf der zudringlichen 
Räuberin, bis diese verendete. Der kurze Kampf 
hot dem Beobachter dieses merkwürdigen Momentß 
im vielgestalteten Thierleben begründetes Interesse 
F Ein interessanter Rechtsfall wird 
zoraussichtlich, falls nicht noch eine Einigung der 
Parteien erfolgt, das Reichsgericht beschäftigen. Der 
staufmann H. in Sorau in Schlesfien hatte dem 
Zchuhmacher B. daselbst ein paar Stiefel zum Be⸗ 
sohlen gegeben und auch prompt gefertigt zurücker 
halten. Als er aber die neubesohlten Stiefel dag 
erstemal anzog, verletzte er sich durch einen herbor⸗ 
tehenden Stift derart an der Fußsohle, daß er als⸗ 
zald ärztliche Hülfe in Anspruch nehmen mußte. 
Ungeachtet der Hülfe des Arztes verschlimmerte sich 
das Uebel immer mehr und machte schließlich eine 
Amputation des Fußes nöthig. Der Verletzte klagte 
nun gegen den Schuhmacher beim Landgerichte 
Buben auf Entschädigung und Kur- resp. Opera 
ionskosten⸗Ersatz. Das Landgericht erkannte denn 
nuch die Entschädigungs-Ansprüche des H. in vollem 
Amfange als berechtigt an und verurtheilte demge⸗ 
näß den Schuhmacher zur Zahlung einer lebens; 
anglichen Rente in Höhe von 900 Mk. pro Jahr, 
ämmilicher Kurkosten, sowie sämmilicher Kosten des 
sechtsstreites. In der Begründung des Urtheile 
vurde besonders hervorgehoben, daß es eine sträf— 
iche Nachlässigkeit des Schuhmachers involbire, im 
)em er sich vor Ablieferung der reparirten Stiefel 
nicht vergewisserte, ob die hervorstehenden Spihen 
er Sohlenstifte auch richtig beseitigt seien. Der 
rinwand des Beklagten, daß die meisten Schuh— 
nacher die Gewohnheit hätten, die Stifte „zu lassen, 
vie sie find', d. h. also die hervorstehenden Spiher 
nicht gehörig zu beseitigen, sei ein so ungebührlicher. 
daß er die gehörige Zurückweisung verdiene, an 
allerwenigsten könne er die Straffälligkeit eine 
Gewohnheit“ aufheben, welche, wie im vorliegen— 
ʒen Falle erwiesen, geeignet sei, die menschlid⸗ 
Besundheit zu gefährden. 
4Dieser Tage ereignete sich in dem bei Hoben— 
olms gelegenen Dörfchen Bechtlingen ein 
rauriger Unglückssall. Drei Bauernmädchen ir 
Alter von 17 bis 20 Jahren versuchten ihre Kräst 
m Ringen miteinander. Das eine Mädchen, de 
vohl schwächer war, wollte nicht mehr mitthun 
ind entfloh darum in eine Hecke. Anstatt nun 
yon ihrem thoͤrichten Beginnen abzulassen, verfolg⸗ 
en die beiden andern dasselbe, uͤberfielen es und 
erbrachen ihm im Ringen das Rudgrat, so dah 
der Tod sofort eintrat. Das Mädchen war! 
Jahre alt, diente schon 4 Jahr in Bechtlinger 
ind war allgemein beliebl. Seine Eliern ind 
achtbare Bauersleute. — 
7 Bremen, 8. August. Kapitän Brus! 
vom Dampfer , Werra“ telegraphirt: „Die ,Werra 
herlor am 30. Juli die Schraube und einen Ther 
der Schraubenwelle. Am 31. Juli nahm r