Full text: St. Ingberter Anzeiger

Giurgewo, 25. August. Eine von Tirnowa 
datirte, von Stambulow als Präsidenten der Volks⸗ 
vertretung und von Mutkurow als General⸗Kom⸗ 
mandirenden der Armee unterzeichnete Proklamatior 
lautet: „Im Ramen des Fürsten Alerander 
und der Vollavertretung gebe ich kund, daß ich 
einstweilen die provisorische Regierung in Sofia 
übernommen habe und Jeden, der sich den Gesetzen 
nicht fügt, standrechtlich behandeln werde. Ich er⸗ 
nenne Mutkurow zum General⸗Kommandirenden 
und übertrage demselben alle Zivile und Militär⸗ 
gewalt, daher hat Jeder seinen Befehlen sich zu 
fügen. Ich fordere das bulgarische Volk auf, den 
Thron und das Vaterland vor den Verräthern zu 
schützen, welche unseren heldenmüthigen geliebten 
Fürsten vom Throne stürzen wollen, der Allmäch⸗ 
tige kräftige die Hand des Volkes und der Armee, 
damit wir den vom Volke gewählten geliebten 
Fürsten schützen. Es lebe Alexander, der 
Fürfst von Bulgarien.“ 
LEokale und pfälzische Nachrichten. 
— Otterberg, 24. August. Das um 8 
Uhr heute Nachmittag niedergegangene Gewitter 
hatte in kurzer Zeit die gräßlichste Verwüstung unseres 
Kirchhofes zur Folge. In Folge der heftig nieder⸗ 
gegangenen Regenmassen konnte die Mauer des 
Kirchhofes die anprallenden und hoch aufgestauter 
Wasser nicht mehr aufhalten, dasselbe brach gegen 
4 Uhr auf eine Länge von 20 Meter durch und 
ergoß sich mit aller Macht auf das Innere, Mauer⸗ 
steine, Dedplatiten, Kornhaufen, Gewölbe, Sand 
und Schutt mit fich fortreißend, Gräber, Pflanzen 
und Liebeszeichen ꝛc. beschädigend und den stillen 
friedlichen, geordneten und geschmückten Ort der 
Todten in ein Chaos verwandelnd. Wahrlich ein 
Bild des Jammers! J 
— Jotdgrim, 25. August. Gestern Nach⸗ 
mittag wurde Helena Riehl, Wittwe von Nikolaus 
Kantz von hier, vom Blitze erschlagen im Felde 
todt aufgefunden. 
— Landau, 24. Augoust. Der Tagner 
Gouasé, welcher seinen Knaben in so unmenschlicher 
Weise behandelte, daß er tobsüchtig ward, wude 
gestern Nachmittag aus einer hiesigen Wirthschaf 
in Untersuchungshaft abgeführt. 
— Der in der letzten Zeit mehrfach erwähnte 
amerikanische Konsul Berthold Grünebaum 
(amerikanisirt Greenebaum) ist, wie der „Pf. 3. 
mitgetheilt wird, ein geborener Pfäalzer, und zwar 
der Sohn des Herrn Bezirksrabbiners Dr. Grüne⸗ 
baum in Landau. Der im Alter von etwa 45 
Jahren stehende Herr war vor langen Jahren 
Theilhaber des Handlungshcuses Grünebaum (Green⸗ 
baum) Brothers in San Franzisko. 
— Speyer, 24. August. Eine Nachenfahri 
auf dem Rheine, welche gestern Nachmittag füni 
hier in Arbeit stehende Bäckergesellen ausführten, 
jollte einen traurigen Schluß finden. Dieselben 
fuhren auf badischer Seite bis oberhalb der Schiff⸗ 
brücke und ließen sich sodann rheinabwärts treiben 
Statt jedoch die Brücke im ruhigeren Fahrwasser 
zu passieren, fuhren sie gegen die Mitte zu im 
starken Strome; der Nachen hatte in demselben 
keine richtige Direltion, gelangte quer vor die Brücke 
und schlug um. Wäͤhrend vier der Insassen sich 
an den Pontons hielten und herausgeholt wurden 
war dieses dem bei Herrn Feldner in Ardeit siehen ⸗ 
den 20jährigen Bäcker Georg Bandorf von Grafen⸗ 
rheinfeld bei Schweinfurt nicht moͤglich. Er wurdt 
von dem Strome mit forigerissen und ertirank un⸗ 
terhalb der Damenschwimmschule vor den Augen 
des Herrn G. Niemand, welcher ihm gleich nach⸗ 
geschwommen war und ihn ermuntert hatte, nicht 
den Mufth zu verlieren, da ein Nachen zur Rettung 
hinterher war. Die Leiche ist bis jetzt nicht gelündei. 
— Mußbach, 285. August. Ein entsetzliche? 
Unglück hat sich diesen Nachmittag in unserer Nach 
bargemeinde Gimmeldingen zugetragen. Daselbf 
ist man soeben mit dem Legen einiger Röhren zur 
Herfiellung einer Wasserleitung beschäftigt und haf 
zu diesem Zwece an den Hüusern entlang die ent⸗ 
sprechenden Graben aufgeworfen. Ob nun hierin 
der Grund zu nachstehender Katastrophe zu suchen 
sei, oder noch andere Faktoren dabei mitwirkten, 
wollen wir dahingestellt sein lassen; kurz, eine an 
die Wasserleitung bezw. an die Straße stoßende 
Scheune stürzte zusammen und begrub unter ihnen 
zum größten Theil auf die Straße stürzenden 
Trümmern mehrere Kinder. Zwei Brüderchen, * 
und 7 Jahre alt, Sohne des Kuͤfers Klohr, wovor 
das eine seinem Tode förmlich entgegensprungen 
sei, wie sein Vater sich ausdruückte, waren jämmer— 
lich zugerichtet und sind bereits todt, zwei weitert 
Nachbarkinder sind verwundet; andere entgingen 
nur wie durch ein Wunder dem nahen Tode. Der 
Jammer der Eltern ist selbstverständlich groß. 
N. B.3) 
— Aus allen Theilen der Pfalz, Baden und 
Rheinhessen liegen Berichte vor, über die Gewitter 
welche am Dienstag und Mittwoch niedergingen. 
Am heftigsten und den größten Schaden verursachend 
werden dieselben aus der Gegend von Worms bies 
Bingen gemeldet. Die „Worms. Ztg.“ schreibi 
unterem 24. d. M.: Bei dem gestrigen starken Ge⸗ 
witter war der hiesige Bahnhof in einen vollständigen 
See umgewandelt. Aus Zug 28, welcher im 
tärksten Regen eingelaufen ist, konnten die Passa 
giere nur mit großer Mühe aussteigen. Mehrert 
Pafsagiere, welche zu dem um 6 Uhr 25 Min 
nach Pfeddersheim abgehenden Zuge, gerade in dem 
Augenblick, wo der Orkan am heftigsten wütete 
zehen wollten, konnten sich plötzlich nicht mehr von 
der Stelle bewegen, weil denselben die Luft genom— 
men war, sie mußten so lange im Regen stehen 
bleiben, bis derselbe etwas nachgelassen hatte. Die 
anterirdischen Kanäle konnten die Wassermassen 
aicht alle aufnehmen und so wälzten sich die Fluten 
durch die Straßen, allen Verkehr hemmend, in 
biele Häuser drang das Wasser in die Keller (in 
der Puffertsgasse stand das Wasser 184 Meter 
hoch im Keller). Das Wasser war mit wenig aber 
tarkem Kiesel vermischt. In der Bahnhofstraße 
iagen heute früh mehrere hundert getötete Vögel— 
sowie vieles Laubwerk und abgerifsene Aeste von 
den Kastanienbaumen. Zahlreiche Bäume, nament 
lich Nußbäume find daselbst mit den Wurzeln aus 
der Erde gerissen, andere Bäume haben viele Aeste 
mit unreifem Obst verloren. Die Felder standen 
unter Wasser. 
Vermischtes. 
fF Püttlingen, 25. August. (S. 3.) Heute 
gegen halb 1 Uhr entlud sich ein furchtbares Ge— 
witter über unserem Ort. Blitz folgte auf Blitz 
Schlag auf Schlag. Der Donner krachte in schrec⸗ 
icher Weise in der so eigenen Art, wo man sagt: 
jetzt hats eingeschlagen. Und leider war dies ein⸗ 
getroffen. Einen Bergmann überraschte der Blitz 
mm Schlafe und führte ihn ins Jenseits. Der 
Mann stand in der Blüthe seiner Jahre und war 
erst seit zwei Jahren verheirathet. Einige Minuten 
später schlug der Blitz etwa 500 Meter von dieser 
Unglücksstelle entfernt in ein zweites Haus und traf 
hier ein junges Frauenzimmer. Hier trat der Tod 
nicht sofort ein, und wollen wir hoffen, daß sich 
die Unglückliche von dem Schaden erholt. 
F Metz, 25. August. Die Beistzung 
der Leiche des Bischofs fand heute feier— 
lichst unter großer Theilnahme der Bevölkerung in 
der Kathedrale statt. Dem Trauergottesdienste 
wohnten der Großherzog von Baden, der Statt ⸗ 
jalter Fürst Hohenlohe, der Staatsminister Hof⸗ 
mann und zehn auswärtige Erzbischöfe und 
Bischöfe bei. 
Metz, 26. August. Der Ackerknecht Ste⸗ 
fan Rouzrich aus Lubeln bei St. Avold, wel⸗ 
her wegen Raubmordes am 23. Juni durch das 
Schwurgericht zum Tode verurtheilt worden war, 
st heute Morgen hingerichtet worden. 
FO berstein, 24. Aug. Derkgl. Staats⸗ 
anwalt und der Untersuchsrichter aus Saarbrücken 
varen heute in Sachen der Ermordung der Luise 
drämer am Thatorte und nahuin später hier ver⸗ 
chiedene Zeugenvernehmungen vor. Schindler hat 
das Verbrechen jetzt zum größten Teil eingestanden 
Schindler wurde nach Saararücken in das Gefänga⸗ 
nis überführt. 
F Essen, 25. August. Marquis Tseng tra 
jeute zum Besuch der Krupp'schen Werk⸗ hier ein 
ind gedenlt bis Freitag in Essen zu verweilen. 
FMannheim, 25. August. Die „N. B. 
ddztg.“ schreibt: Zu unserer größten Verwunder⸗ 
ang ist durch den großh. Notar Bleyler in Schwetz⸗ 
ingen Termin zur gerichtlichen Versteigerung der 
Immobilien der chemischen Fabrik Rheinau im Ge⸗ 
sammtanschlag von 704500 Mark auf den 4. Okt. 
mgesetzt. Bisher hat von einer Arrestlegung nichts 
erlautet. weshalb diese gerichtliche Versteigerung 
als äußerst auffallend bezeichnet werden muß. 
fFrankfurt a. M., 25. August. Eine 
n der M—gasse wohnende Schreinersgattin sperrte 
hr, Dienstmädchen gewaltsam volle drei Tage bei 
Wasser und Brod im Keller ein. Es sallte dies 
eine Strafe dafür sein, daß sie sich mit dem 
ihrer Herrin in ein zartliches verhälimzen bun 
hatte. Durch Intervention der Radhtaghen 
langte die Gefangene ihre Freiheit wieber u nt b 
sofort Klage wegen Freiheitsberaubung erhe 
kränkung. khr⸗ 
7Karlsruhe, 24. August. 
Bang dee Untersuchung in epu * de 
sturzes in der Uhlandstraße verlautet dem uin 
zufolge, daß am letzten Donnerstag eine cin . 
ünfstündige Besichtigung der uniua sandhn 
des noch stehenden Theiles, durch den Untersuch ezw 
richter und die als Sachverständige dazu ung 
adenen Herren Oberbaurath Dygqeerhoff, —5 
zauinspektor Brenzinger von Baden und ern 
neister Schindler don hier stattfand. Disse 
ichtigung mußten auch die verhafteten — 
aehmer B. Kirchenbauer und Zeichner Vol — 
vohnen; ferner waren erschienen der ——*— i 
dirchenbauers Anwalt Dr. Horn. und denn 
diesem vorgeschlagene Sachverständige —8 
nehmer Reis. Die Gerichtskommisfien hatn 
Untersuchung mehrerer Stellen das Mauerwerk 
tragen und Theile davon mitnehmen lassen. m 
hofft, daß die Voruntersuchung demnächst abges ae 
wird und die beiden Verhafteten dann auf * 
Fuß gesetzt werden. — Demselben Blatte wir 
mitgetheilt: Heute Abend wurden der Bauunter 
nehmer B. Kirchenbauer, sowie der Zeichnet ) 
aus Wöschbach, bekanntlich seit dem Hauseinsin 
in der Uhlandstraße verhaftet, auf freien Fuß “ 
setzt und zwar ohne Stellung von Caution. di 
Hauptschuld wird wahrscheinlich auf den mith— 
unglückten Palier Ehrle gewälzt werden. 
F.München, 24. August. Bei der geftiger 
Besichtigung der hier jetzt zusammengezogenen“ 
Brigade (14. und 15. Inf.Reg., 3. Jägerbataillon 
durch den kommandirenden General des 2. bahen 
ischen Armeekorps, v. Orff, zeigten sich im Verlau 
der Uebungen einige 90 Mann den Uebungen niq 
mehr gewachsen, doch soll nur bei einem derselben 
einem Reservisten, vorübergehend zu ernster Besotg 
niß Anlaß gewesen sein. Der Tag war ein seh 
heißer und bei der Besichtigung — in einige 
Tagen wird das Armeecorps dem Kronprinzen dor 
geführt — soll es sehr streng genommen worden 
sein; die Truppen, die um 6 Uhr Morgens aus— 
gerückt waren, kehrten erst gegen 1 Uhr Mitiag 
in die Quariiere zurück. Uebersehen, darf freili 
auch nicht werden, daß am Tage vorher, einen 
Sonntage, hier in zwei Stadtvierteln „Kirchweih 
war, bei der die Söhne des Mars, namentlich di⸗ 
hier einquartierten, wacker mitgethan hatten. 
Dem unseligen Duellwesen i 
wieder ein blühendes Menschenleben zum Opfer gt 
fallen. Ende Juni fand zwischen Baron v. Pawel 
Rammingen, Rittergutspächter in Langröden be 
Eisenach und seinem Oekonomie⸗Volontair Frhin 
v. König ein Duell statt. bei welchem letzterer einen 
Schuß in den Unterleib erhielt. Jetzt ist der jung 
22jährige Mann gestorbeu. Die Eltern haben di 
Leiche ihres einzigen Kindes nach Stuttgart über 
führen lassen. 
FGUnsere Mädchennamen. Unser 
heutigen Mädchennamen bilden ein buntes Gemis 
aus allen möglichen Sprachen. Hauptsächlich hahen 
von sremden Sprachen die griechische, laiteinisch 
und hebräische, Beiträge dazu liefern müssen. Au 
der griechischen Sprache enstammen z. B. nach 
folgende Namen, denen wir, wie allen folgenden 
die Bedeutung beisetzen: Agnes (die Keusche), Dori 
die Reichbegabte), Dorothea (das Geschenk Gottes 
ẽleonora und Laura (die Mitleidige) Helene (di 
deuchtende), Irene (die Friedliche), Katharint 
Zuüchtige), Melanie (die Dunkle). Der lateinische 
Sprache sind entnommen: Auguste (die Erhabene) 
Beate (die Selige), Clara (die Reine), Klementin 
(die Sanfte). Emilie (die Artige), Franziska (eng 
uͤsch Fanny, französisch Fanchon), (die Freie), Loni 
die Muthige), Luzia (die Erleuͤchtete). Margareth 
die Perle), Ratalie (die Lebensfrohe), Ottile (di 
Flückliche), Pauline (die Geringe), Rosalie (di 
Rosenschöne) Sabine (die Geraubte), Ursula ( 
Bärenstarke). Der hebräischen oder anderen motger 
ländischen Sprachen entstammen die Namen: Ann— 
(die Liebliche), Äline (die Erhabene), Elisabeth (di 
ðottgelobte) Gabriele (die Goͤttliche), Isabella (di 
eusche), Johanna (das Gnadenkind), Marthe (Oi 
Betrubee), Marie (die Widerspenstige, Herbe), F 
delka (die Wohlgenährte), Sara (die Hertschende 
Susanne (die Luͤienteine), Sidonie (die Fischerin 
Altbeutsch sind schlieklich folgende Namen: Alber