Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
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X 175.
Samftag, 10. September 1886.
21. Jahrg
J
Deutsches Reich.
An die Reise des Kaisers zu den elfaässischen
Manövern anknüpfend, äußert sich die „Nordd.
Iulg. Ztg.“ über die Erhaltung der Wehrkraft
olgendermaßen :
„Er (der Kaiser) folgt einem Gebot der Königs⸗
flicht, deren Uebung in Preußen traditionell ge⸗
vorden ist, und der Kaiser beweist, welchen emi⸗
jenten Werth er auf die Pflege derselben legt,
adurch, daß er sich trotz seines hohen Alters den
Anstrengungen dieser militärischen Reisen unterzieht.
ind mit großem Recht. Das sogenannte Königs-
nanöver ist kein bloßes Schauspiel, obwohl es
„emselben an höchstem militärischen Glanze wahrlich
ücht fehlt. Sein Ernst wird aber durch die ge⸗
pannte Aufmerksamkeit bekundet, welche ihm die
ailitärische Kritik des gesammten Europas zuwendet,
eren Auge keine Schwäche und keine Lücke in der
5ntwickelung der Wehrkraft erspähen darf, welche
uür die Sicherheit Deutschlands nach Außen hin
ürgen soll.
„Denn trotz aller philanthropischen Träumereien
zündet sich die Sicherheit der festländischen Staaten
och nur auf die Wehrkraft, welche zur Vertheidig⸗
ing gegen den Angriff im Kriege und zur nach—
rucklichen Unterstützung einer längeren Friedens⸗
jolitik bestimmt ist, welche immer die Mittel finden
dird, um sich zwar über Interessen zu verständigen,
em Chauvinismus aber die materielle Gewalt ent⸗
egenzustellen hat.
„So lange dieser Zustand des bewaffneten
zriedens in Europa fortbesteht, wäre es Verrath
m Vaterlande, wenn dem Heerwesen nicht eine
nausgesetzte Aufmerksamkeit zugewendet und nicht
Ulles aufgeboten würde, um demselben die möglichst
‚ollkommene Aktionskraft zu geben. Und glücklicher
Weise hat das politische Urtheil unter dem Eindruck
roßer Erfahrungen diejenige Reife erlangt, welche
s gegen den verwirrenden Einfluß von Insinua⸗
n schützt, die nur im Parteigeist ihre Wurzel
aben.
„Man hat einsehen gelernt, daß das Wort
Militarismus“, mit welchem von dieser Seite ein
cevelhaftes Spiel getrieben, völlig sinnlos ist, wenn
er Militäraufwand, den es verdächtigen soll, seine
numstößliche Begründung in der Sorge für die
Staatssicherheit findet.
„Und nicht blos in dieser allein. Die allge⸗
neime Wehrpflicht, welche den Bürger unter die
jahne ruft, unterbricht zwar zeitweise dessen Be⸗
iufsthätigkeit, aber sie sendet ihn zurück mit einer
rhöhten Ausstattung für das Leben nicht blos mit
Rücksicht auf die Koörperentwickelung sondern auch
wuf die Charakterbildung, so daß Schule und
Rilitärdienst, sich wechselseitig ergänzend, beide
emeinsam der Volkserziehung dienen.
„Nur die Kurzsichtigkeit, welche den Zusammen⸗
ang der Dinge nicht zu erfassen vermag, oder der
oͤse Wille, welcher sich dagegen sträubt, wird die
tziehliche Wirkung des Militärdienstes leugnen
oͤnnen; andererseits aber wird man doch nicht
umhin können, die Ansprüche, welche auf Grund
mnseres Militärsystems an die Steuerkraft des Volkes
zestellt werden, auch mit Rücksichmahme auf den
zweck und den Werih einer gesunden Volkserzieh-
ing zu würdigen.
„In der Sympathie, welche das deutsche Volk
einer Armee zuwendet, liegt unausgesprochen doch
ehr verständlich die Schätzung derselben nach dieser
wiefachen Richtung. In' ihr erkennt es die Bürg⸗
»schaft für die Selbstständigkeit Deutschlands gegen
den Angriff fremder Waffen, ihr dankt es gern die
Impulse, welche sie auf das Leben übt: die Er—
ziehung zu kernhafter Gesundheit des Körpers und
zur Probehaltigkeit eines in Pflicht und Ehre
gestählten Charakters.“
Die englische Presse wirft sich in Positur
ind droht Rußland mit dem Zorn Altenglands
sofern die russische Diplomatie sich unterfangen sollte,
die Unabhängigkeit Bulgariens anzutasten. Die
„Morning Post“ spricht die Hoffnung aus, England
werde bald Gelegenheit haben, die russische Diplo⸗
natie davon zu überzeugen, daß, wenn ihr Vor-
zehen auf der Balkanhalbinsel sich theilweise auf
zie Annahme stütze, daß fich England nichts daraus
nache, ob Bulgarien ein unabhängischer Staat
oleibe oder als Brücke für einen Marsch der Russen
aach Konstantinopel diene, das Petersburder Kabi⸗
net die Rechnung ohne den Wirth mache. Nicht
das Schicksal Bulgariens, sondern der Triumph
der russischen Poliiik auf der Balkanhalbinsel be—
rühre England, sowohl als große mohamedanische,
pie auch europäische Macht. Englands traditionelle
Bolitik gegenüber der Türkei sei nicht aufgegeben.
alls England seine Stellung in Europa wie im
Drient micht aufgeben wolle, müsse es darauf vor⸗
Hereitet sein, Opfer zu bringen. Das Petersburger
Zabinet müsse nicht zu hastig Beschlüsse ziehen, die
nit der traditionellen Politik Englands und den
Interessen der civilisirten Welt nicht in Einklang
jdänden. Das englische Blatt wird zugeben müssen,
daß man in Deutschland die britischen Interessen
in der Gestaltung der Dinge auf der Balkanhalb⸗
nsel steils anerkannt hat; man sah aber, daß Eng⸗
and zur Verteidigung seiner Interessen immer nur
indere vorzuschieben suchte und eine solche Haltung
st am wenigsten geeignet, einem Staate wie Ruß⸗
and zu imponiren. Wird sich England energisch
rufraffen zur Wahrung seiner wirklichen oder ver⸗
neintlichen Interessen im Orient, so werden ihm
die Sympathien Deutschlands sicher nicht fehlen;
instweilen wollen wir aber abwarten, worin die
uglischen „Opfer“ eigentlich bestehen. Wenn man
n Deutschland von der englischen Opferfreudigkeit
eine große Meinung mehr hat, so ist daran Nie⸗
nand schuld als die englische Regierung selbst.
Widdin, 9. Sept. Prinz Alexander wurde
hei seiner Ankunft hier von einer großen Menschen⸗
nenge empfangen und von Offizieren nach der Mu⸗
nicipalität geleitet, wo der Prinz eine Ansprache
jielt und die Anwesenden aufforderte, ihrer Pflich⸗
en gegen die Regentschaft eingedenk zu sein. Stam⸗
zuloff mahnte gleichfalls zur Unterstützung der Re⸗
jentschaft, um Unordnungen fern zu halten, die
ine ftemde Occupation veranlassen könnten. Der
Prinz setzte um 193 Uhr auf seiner Yacht die
steise nach Turn ⸗Severan fort. Er wurde bei
zer Landung dort von den Ministern und Offi⸗
jsieren bis zum Bahnhofe begleitet. Um 3*e Uhr
erfolgie die Weiterreise des Prinzen nach Darmstadt.
Sofia, 9. Sept. Das „Amisblatt“ veröffent⸗
liicht einen Befehl des Fürsten Alexander vom 6.
September, wodurch das Infanterie-Regiment
Stransky und das erste Artillerie-Regiment aufge—
löst, die Zöglinge der Militärschule in die verschie—
enen Regimenter eingereiht werden und zugleich
ie Vernichtung der Fahnen obiger Regimenter an-
eordnet wird. Die auf Sonnabend festgesetzte Er⸗
iffnung der kleinen Sobranie wurde auf Montag
verschoben, da die Minister von der Begleitung des
Fürsten Alexander erst am Freitag Abeud zurück—
kehren.
Lokale und vpfälzische Nachrichten.
— Das kgl. Kriegsministeruum hat, um den
dandwirthen Gelegenheit zum direkten Absatz ihres
Betreides zu geben, angeordnet, daß von der kgl.
Depot⸗Magazins · Verwaltung Zweib rücken von
jetzt an bis zum November Hafer von Producenten
freihändig gekauft werden darf.
— Bei der am 16. September in Kalten⸗
bach stattfindenden Hauptversammlung Pfälzer
Bienenzüchter werden Vorträge über nach—
tehende Thematas gehalten: 1. „Die Drohnen
m Bienenhaushalte“ (Referent Herr Lehrer Mohr
in Bottenbach); 2. „Was ist vom Tränken der
Bienen zu halten?“ (Referent Herr Lehrer Dru mm
in Eckersweiler); 8. „Welches sind die Ursachen der
Ruhr und wie sind die erkrankten Volker zu be—
handeln?“ (Referent Herr Pfarrer Stichter in
Marienthal)); 4. „Die Bedeutung und Erneuerung
des Brutraumes“ (Referent Herr Lehrer Thei—
inger in Stambach). Den die Kaltenbacher Ver⸗
ammlung besuchenden Mitgliedern des Bienenzüch⸗
tervereins hat die Direktion der Pfälzischen Eisen⸗
bahnen, wie seither, eine Fahrtaxermäßigung in der
Weise bewilligt, daß die mit dem Stationsstempel
der Ausgabestation versehenen einfachen Billete zur
freien Ruckfart berechtigen. Die Billete haben in
diesem Falle eine dreitägige Giltigkeitsdauer.
— Pirmasens, 7. Sept. Es geht doch
nichts über Schlauheit! Der Kommandant der hie⸗
sigen Feuerwehr ordnete kürzlich an, daß in nächster
Zeit eine Nachtübung der Feuerwehr stattfinden
müsse, um die Schlagfertigkeil derselben zu erproben.
Damit jedoch die Bürgerschaft durch den nächtlichen
Feueralarm nicht gar zu setrr erschrecke, publizirte
man in den hiesigen Lokalblättern, daß innerhalb
14 Tagen eine solche Nachtübung mit Alarmirung
tattfinden sollte; doch wurde der Abend geheim
gehalten, oder sollte vielmehr geheim gehalten wer—⸗
den. Kurz und gut, die Signalisten erhielten
Befehl, am Samstag Abend urplötzlich Alarm zu
hlasen. Wer beschreibt aber deren Erstaunen: Ehe
fie an's Werk gingen, war bereits die Feuerwehr⸗
mannschaft fast vollzählig auf dem Sammelplatze
eingetroffen. Die Pirmasenser behaupteten nun
fest, daß mehrere ihrer Feuerwehrleute Gedanken⸗
leser sind und so auf diese Weise die auf die nächt⸗
liche Probe bezughabenden Gedanken ihres Kom⸗
mandanten errathen haben. Merkwürdig!
— Wolfstein, 7. Sept. Der Maurermeister
Joh. Hagge II. von hiei war heute mit Reno⸗
vieren der Schloß⸗Ruine „Alt Wolfstein“ beschäf⸗
tigt, wobei er das Unglück hatte, in eine Tiefe
pon ca. 18 Meter zu stürzen und sich dadurch am
Kopf, Rücken und Füßen derart verletzte, daß er
auf einem Wagen nach Hause gefahren werden mußte.
— Von der Trualb, 6. Sept. Die
Zeit der Kartoffelernte naht und wir haben eine
für die Jahreszeit ungewöhnliche Hitze. Da möchte
man denn gerne vor einem voreiligen Beginnen
warnen. Wenn ich nicht irre, war es im Jahre
1865, wo die bereits eingeheimsten Kartoffeln wieder
aus dem Keller geschafft werden mußten, da sie in
Fäulniß übergingen. Wir hatten damals eben
solche Hitze wie jetzt. Viele Landwirthe kamen
damals zu bedeutendem Schaden. Man warie
also ab, bis kühle Witterung eintritt.
— Schaidt, 9. Sept. Gestern Abend wurd⸗