Full text: St. Ingberter Anzeiger

Armeekorps in fast vollstandiger Kriegsstärke, etwa 
37,000 Mann, darunter Soldaten der verschieden⸗ 
sten deutschen Bundesländer, vor sich. Wahrend 
noch der Kaiser am zweiten Treffen hinabfuhr, 
brach schon das erste seine Aufstellung ab und for⸗ 
mirte sich zum Parademarsch in Kompagnie⸗Front 
Der Kaiser nahm dann mit seinem Gefolge Auf⸗ 
stellung rechts von der Tribüne, dieser den Rücken 
zu gewandt, und während die Infanterie defilirte, 
dand der Kaifer aufrecht im Wagen, jede Fahne 
salutirend. Erst als die Kavallerie vorbeiritt, setzte 
sich der Kaiser, stand aber sogleich wieder auf, als 
hm der Großherzog von Baden die beiden preuß⸗ 
ischen Regimenter, Ulanen Nr. 7 und Dragoner 
Nr. 20, deren Inhaber derselbe ist, vorführte. 
Der Reihenfolge nach defilirten zuerst die In⸗ 
fanterie-Regimenter Nr. 98, 180, 92 (letzteres 
braunschweigisches) und 181, dann kam das Ver— 
suchsbaiaillon, mit welchem bezüglich einer neuen 
Hhewaffnung mit kurzen Seitengewehren (zum Re⸗ 
petiergewehr gehörig), anders eingerichteten und 
bertheiltem Gepück und der theilweisen Ernährung 
mit Konserven zur Zeit Proben angestellt werden. 
Es folgte das 4. und 8. bayerische Infanterie- 
Regiment, die Infanterie ⸗Regimenter Nr. 25 und 
103 (sächsisches Regiment), das hess. Jagerbataillon 
Nr. 11, die Inf.⸗Regimenter Nr. 126 (Wurttemb.), 
Nr. 47 und 60, dann das Fußart.Reg. Nr. 10, 
dann das süchsische Nr. 12, sowie die Pionier⸗ 
Bataillone Ne. 15 und 16. Damit war das erste 
Treffen vorbei und das zweite rückte in halber 
xẽSkadronfront heran. An der Spitze das rheinische 
Fürassierregiment Nr. 8. Ihm folgten die 9. 
dusaren, die Dragoner Nr. 9 und 18, das fünfte 
ayerische Chevauxlegersregiment, die Dragoner Nr. 
5. die Ulanen Nr. 14, die Dragoner Nr. 15, das 
7. Ulanenregiment, die württemberger Ulanen Nr. 
19 und 20, die badischen Dragoner Nr. 20 u. 24, 
das 15. Ulanenregiment. Endlich kamen die Feld⸗ 
artillerieregiments Nr. 8, eine kombinirte reitende 
piheiluns und zum Schluß das Trainbataillon 
r. 15. 
Der ganze Vorbeimarsch hatte zwei Stunden 
gedauert, Es sollte, wie üblich, noch ein zweiter 
Vorbeimarsch stattfinden, der Kaiser ließ aber die 
Parade kurz vor 2 Uhr abbrechen und fuhr an 
den Kriegerbereinen und der Tribüne vorbei wieder 
nach Straßburg, wo um fünf Uhr im Saale des 
Dffizierkasinos ein Paradediner stattfand. Nicht 
ganz so schnell wie der Kaiser gelangten aber die 
Zuschauer von der Parade wieder nach Hause. Der 
Wagen waren so viele, daß fie sich bald stauten 
und festfuhren und die Heimfahrt Stunden in An⸗ 
pruch nahm. Die Dampfbahn konnte erft viel 
päter ihre Passagiere zurückbefördern. Ein herr⸗ 
iches Wetter war dem militärischen Schauspiel 
hoid. Kein Lüftchen regte sich, der Himmel war 
was bedeckt, so daß die Hitze nicht gar zu lästig 
wurde, und von Staub war nur wenig zu be⸗ 
merken. Am Abende war im Stadttheater Gala⸗ 
Vorstellung, wozu nur Militärs Einladungen er⸗ 
halten hatten. 
Der Kaiser wohnte ebensowenig der Theater⸗ 
Vorftellung wie dem Diner bei, der Kronprinz 
fehlte jedoch nicht, verweilte indeß im Theater nur 
während des ersten Aktes. (Frankf. 3.) 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
— Die prot. Pfarrei St. Ingbert und 
das prot. Vikariat Ensheim werden vom De⸗ 
lanate Homburg losgetrennt und dem Dekanate 
Zweibrücken zugetheilt. 
— Zweibrücen, 9. Sept. Die im 
Jahre 1496 durch Pfalzgraf Alexander in Zwei⸗ 
Frücden erbaute Pfartkirche enthält eine unter dem 
Thore befindliche Gruft, in welcher wahrend des 
17. und 18. Jahrhunderis 17 theils früher 
regierende Fürsten, theils andere Angehörige des 
Witlelsbachischen Hauses ihre letzte Ruhestätte 
sanden. Der hiesfige Bauverein“ zur Herstellung 
der künstlerisch sehr interessanten Alexanderskirche 
hat nun zunächst den Zustand dieser ehrwürdigen 
pfalzbayerischen Furftengruft in's Auge gefaßt, 
deren Eröffnung nach hundertjührigem Verschlusse 
bor einigen Tagen erfolgte. Von der Regierung 
erging unterm 24. August ein Erlaß, wodurch die 
Justandsetzung der aufgefundenen Gruft in der 
—VVV— wurde. Zugleich 
herfügte die Regierung, daß die in der Gruft 
dorhandenen Särge sorgfältigst untersucht und in 
vürdiger Weise wiederhergestellt werden sollen. 
xbbenso soll für eine solide Herstellung der Gruft 
Sorge getragen werden. 
— Pirmasens, 12. Sept. Gestern wur— 
den zwei Wilderer von Niedersimten, Heinrich Jung 
uind Jakob Marx, durch die kgl. Gendarmerie hier 
eingebracht. Dieselben wurden heute in Untersuch⸗ 
ungshaft nach Zweibrücken transportitt. 
Pf. K.-F. Neustadt, 14. Sept. Unterm 
9. ds. Mis. hat sich auch in Pirmasens ein 
Berband der Pfälz. Kreisfechtschule gebildet. Dem 
PBerbands⸗Ausschusse in Pirmasens gehören nachfol⸗ 
sende Herren an: J. Vorstand; Fabrikant Gustar 
—chneider; DVB. Vorstand: Fabrikant J. Ferkel; 
Schriftführer: Bez.⸗Amtsgehülfe F. Barth, Kauf⸗ 
nann Aug. Lenzer; Kassirer: Großhändler Karl 
»opffner, Kaufmann Alb. Höreth; Buchhalter: 
daufmann F. Mansmann; Materialverwalter: 
daufmann Gg. Maas; Beisitzende: Postadiunki 
ruther, Buchhaͤndler Diener, Aufschlageinnehmer v. 
hrafenstein, Buchhalter Lang, Kaufmann Görlich, 
Finanzpraktikant Hering, Goldarbeiter Astfalk, Buch⸗ 
jalter Wolf, Bahnassistent Flory, Buchdrucker Deil. 
Bie man aus der Zusammensetzung des Ausschusses 
ersieht, ist die Sache der Pf. Kreisfechtschule auch 
in Pirmasens in den besten Händen. 
— Ausder Pfalz, Bei der Weinaus⸗ 
tellung in Frankfurt a. M. erhielt aus der Ab⸗ 
heilung für Pfälzer⸗, Franken⸗ und Hessenweine 
die Firma L. Geisel in Neusst adt eine silberne 
Medaille. Bekanntlich war unsere Provinz nur 
durch 4 Aussteller vertreeen. 
— Großfischlingen, 10. Sept. Gestern 
rreignete sich hier der bedauerliche Unglücksfall, daß 
ein hiesiger Ackerer seinem Sohn, der ihm beim 
Bolzhacken behilflich war, aus Versehen 4 Finger 
abhackte. 
— Herr Lehrer Ecarius zu Minfeld feiert 
zu Beginn des Winterhalbjahres sein fünfzigjähriges 
Jubiläum. Die „Pf. Pr.“, welche darouf auf⸗ 
merksam macht, erwähnt dabei, daß der Jubilar 
dem pfälz. Lehrerstande seine 8 Söhne zuführte, 
die er zum Theil selbst unterrichtete und die im 
Seminar immer zu den besten Schülern ihrer Kurse 
ählten. Von den 8 noch lebenden Brüdern wirken 
setzt 2 an der Volksschule, 2 an Lehrerbildungs 
anstalten, 1 als Inspektor einer Feuerverficherungs⸗ 
Besellschaft und 1 als Inspeltor einer Feuerver⸗ 
icherungsgefellschaft und 1 als höherer Finanz- 
hdeamter im Reichsland Elsaß⸗Lothringen. 
— Speyer, 10. Sept. (Pf. Pr.) Sicherm 
Bernehmen nach hat der verewigte Herr Kommer⸗ 
ienraih He tzel in Neustadt in seinem Testamente 
inter Anderm in hochherzigster Weise auch unsere 
Stadt mit nachstehenden Legaten bedacht: Der 
Verein zur Erbauung einer Gedächtnißkirche der 
Protestaion von 1529 (Retscherverein) erbält 
300,000 Mark, das städtische Waisenhaus 50,000 
Mark, das neue Diakonissenhaus (Anna ⸗Elisabetha⸗ 
haus Heinrich Hilgard⸗ Villard · Stiftung“) 7O, Od 
Mark, das pfälzische Dienstbotenstift 20,000 Mlk. 
— Speyer, 10. Sept. Heute Vormittag 
qjalb 11 Uhr ereignete sich am Gießhübelbach beim 
geflügelhof ein schwerer Unglücsfall. Der drei⸗ 
jährige Knabe von Polizeidiener Bauer war mit 
noch mehreren Kindern dorthin gekommen und 
zummelte sich auf den dortselbst befindlichen Wiesen. 
Der Knabe kam nun zu nahe an das steile Ufer 
des stark angeschwollenen Baches und siel hinein. 
Da keine erwachsene Person gleich zur Stelle war, 
mußte das Kind ertrinken. Die Leiche wurde später 
aus dem Wasser gezogen. 
Vermischtes. 
FVon der Saar, 9. Sept. (S.3.) Auswärtigen 
Blättern entnehmen wir folgende Mittheilung: Am 
J. Dezember vorigen Jahres wurde in Budapest 
ine Frau Katharine Lampel ermordet. Trotz sorg⸗ 
altiger Untersuchung war es bisher nicht gelungen 
»en Thäter ausfindig zu machen. Noth und Ge⸗ 
vissensbisse scheinen denselben nun zur Selbstanklage 
jetrieben zu haben, denn vorgestern erschien in 
Zurich vor dem österreichischen Konsulat und vor 
em Polizeiklommando der 26 Jahre alte Franz 
Paul Ehrich von Saarburg in Rheinpreußen und 
jenunzierte sich unter genauen Angaben als Mörder 
)er Frau Lampel. — Nach anderen Angaben foll 
khrich aus Saarbrücken stammen. In Pest will 
zie Polizei nichts von der Selbstanzeige Ehrichs 
vissen. Er hatte sich schon dort im Januar als 
Mörder der Lampel gestellt. Die Untersuchung 
rgab aber, daß Ehrich nicht der Morder, am Morde 
überhaupt nicht betheiligt war und sich, aus weich 
Fründen blieb räthselhaft, selbst denungierie 
wurde aufs Beobachtungszimmer des Rochusspinn 
zebracht, aber von dort wieder entlassen. 
Mannheim, 12. Sept. Gestern Vor 
mittag wurde im Gießen auf der Mühlau 
Leiche des beim Baden verunglückten —*& 
xẽrwin Ludwig aus Waldaschaff Gayern) auf 7 
funden. — Am Nachmittag wurde im Neckar F 
Leiche der G6djahrigen Ehefrau Elisabeth Jatde 
aus Ilvesheim geländet. 
FIn Flonh eim (Hessen) hat eine geistes. 
ranke Person ihr ein halb Jahr altes Kind al— 
Spielball benutzt, es in die Höhe geschleudert un 
ihm mit einem Stein das Gehirn eingeschlagen 
f Vom Niederrhein, 10. Sept. Geftern 
ist in Mühlheim an der Ruhr eine entsetzliche Blut. 
that verübt worden. Der dortige Taglöhner Buß 
mann hat seiner Frau mit einem Brodmesser den 
dals abgeschnitten. Der Mörder entfloh, wurd⸗ 
aber alsbald verhaftete. 
Castel, 12. Septbr. In unserem Bahn— 
hof hat sich gestern Abend ein schrecklicher Unglüd 
all ereignet. Gegen 9 Uhr wollte sich der Hülfs. 
»eamte S. der nassauischen Bahn, im Bahnho— 
über die Schienen begeben, als eine Rangierloio 
motive den Unglücklichen erfaßte und zu Boden 
riß. Die Räder der Lokomotive gingen ihm über 
den Kopf und den Arm, so daß der Tod sofor 
eintrat. Der Mann, der die Feldzüge 1866 und 
1870 miigemacht hat, hinterläßt eine Wittwe und 
fünf Kinder. 
Aus Württemberg. In Ludwigsbur— 
hat fich ein 15 Jahre alter Lehrling aus Siebes 
kummer erschossen. Derselbe wollte sich ins Her, 
schießen, traf aber den Magen und hatte unsäglich 
zu leiden, bis er der Verletzung erlag. 
F In einem stattlichen Wirthshause ar 
der Rottach laßt ein oberbaherischer Jäger sich 
Kartoffelsuppe geben. Er beschwert sich, weil im 
Teller ein — Kinderstrümpfchen sich findet. „Na 
iagt die Wirthin, „das ist doch nichts Unreines? 
„Na, na, na“, erwidert der Jäger, „aber es nimm 
viel Platz weg.“ 
. Ein Londoner Nachrichteamt hat neuerding 
verbreitet, daß die Deutschen ein Protectora 
über Crepi an der Ober-Guinea⸗Küste 
hergestellt, und die Häuptlinge einen Vertrag unter 
jeichnet, worin sie dasselbe anerkannt hätten. Ago⸗ 
tini sei von den Deutschen bereits annektirt, Sa 
lagha, worin die Straße durch die Länder führt 
werde hächst wahrscheinlich dasselbe Schicksal theilen, 
und auf diese Weise dürfte der Handel von der 
Colonie zwischen Accra und Quildale nach den 
außerhalb gelegenen Districten Bay Beach und 
Bagridale abgeleitet werden. In Hamburger 
Rhederkreisen wird die ganze Darstellung 
für höchst unwahrscheinlich erklärt. 
Der Dampfer „Nachtigal“, Kommandan 
Lieutenant zur See Vanselow, ist am 6. Septbt 
in Kamerun einffetroffen. 
F Berlin, 18. Septbr. Der Afrikareisend 
Robert Flegel ist gestern in Braß an der Niger— 
mündung in Afrika gestorben. 
iur— Eine eigenartige Polonisirun 
ist kürzlich von einem polnischen Grafen bewirk 
worden. Besagter Graf bezog seit vielen Jahren 
seinen Wein aus Mainz, und er bezog viel Wein 
denn großartige Gastfreundschaft und große Gelage 
gehören in der polnischen Aristokratie zu den alter 
hewohnheiten. Jetzt aber hat der Graf seinen 
Lieseranten in Mainz geschrieben, er werde keir 
daß und keine Flasche mehr von ihm nehmen 
venn er, der Weinhändler, nicht polnisch an ihr 
chreibe und seine Preislisten polnisch drucken lasse 
Natürlich thut's der Weinhändler. 
Die Körpergrößedes Menschen.« 
am Morgen und am Abend.) Daß det 
erwachsene Mensch des Abends kleiner ist, als des 
Morgens, weiden Wenige wissen, es ist dies aber 
vissenschaftlich festgestellt. Beim letzten deutscher 
Thirurgentongreß hielt Dr. Merke von Rostoe 
inen Vortrag über die Beobachtungen bei Groͤßen 
messungen. Der Redner hat bei Messungen, di 
r an sich selbst vornahm, bemerkt, daß er Morgen— 
m Beite fünf Centimeter größer war, als Abend 
tehend. Ein gut Theil dieses Unterschiedes lomm 
chon auf Konio der Einsenkungen, welche die Ge 
eute erfahren in dem Augenblict, wo der Körpen 
ich aufrichtet und das Gewicht der oberen —W 
heile auf die unteren drückt. Bei den Kniegelenler 
al Dr. Merkel derattige Einsenkungen bemerkt, di