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3 Ingubh erfer Weiner.
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
a „St. Jugberter Anzeiger“ erscheint woͤchentlich funfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonutag; 2 mal woͤchentlich mit Untendauunas
et und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljährlich 1 A6 60 einschließlich Tragerlohn; durcz die Poit bezogen 1 75 Z. einschtiehich
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21. Jahrg.
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V 180.
Samstag, 18. September 1886.
Deutsiches Reich.
gerlin, 15. Sept. Aus verschiedenen An⸗
chen schließen hier kundige Leute, daß auf oppo—
soneller Seite der stille Wunsch gehegt wird und
ĩ man sich schon im voraus darauf freut, den
aͤchstag beschlußunfähig zu sehen. Das Spiel
n nicot ganz ungefährlich, wie nachstehende Aus⸗
mung der „Nationall. Korresp.“ andeutet: „Mag
aich die Einberufung des Reichstags zu so unge⸗
hnlicher Zeit und so kurz nach der langen, mühe⸗
den Session in weiten Kreisen verstimmt haben,
ann man auf der anderen Seite der Regierung
icht unrecht geben, wenn fie angesichts ernstlich
ohter Interessen eine außergewöhnliche Forder
ing an die Vertreter des Volkes stellt. Sollte bei
zn letztern aber die klare Einsicht durch Mißstim⸗
jung und Mangel an Pflichtgefühl verdeckt werden,
ind der Reichstag eine beschlußfähige Anzahl von
sitgliedern nicht aufweisen, so kann man es der
hegierung nicht verübeln, wenn sie eine solche
dotperschaft für die weitere ersprießliche Arbeit auf
egislatorischem Gebiete nicht mehr für geeignet
aͤn. Es wäre also leicht moͤglich, daß der Reichs
agseröffnung eine Reichstagsauflösung auf dem
inße folgte und die Wähler mm kurzer Zeit wieder
die Urne gerufen würden.“
Berlin, 16. Septbr. Der Bundesrath hat
m Antrage Preußens auf Verlängerung des kleinen
*lagerungẽzustandes. für Berlin und Umgegend
eine Zustimmung ertheilt.
Berlin, 16. Septibr. Der Reichstag wählte
„. Wedell⸗Piesdorf wieder zum Präsidenten (mit
I18 Stimmen, 41 Zeitel sind unbeschrieben), von
rankenstein und Hoffmann zu Vigzepräsidenten.
Straßburg, 15. Sept. Die amtliche Zeit⸗
ng bringt den Wortlaut der auf dem gestrigen
gaͤadiner gehaltenen Reden. Der Kronprinz hielt
olgende Ansprache:
Im Namen Ihrer Majestäten des Kaisers und
det Kaiserin spreche ich den hier versammelten
Hertretern dieser Lande die Freude aus, welche
Allerhöchstdieselben empfinden, wieder unter ihnen
u weilen. Gleichzeitig aber habe ich der hohen
denugthuung Ihrer Mojestäten über den herze
sichen Empfang, der Ihnen hier in diesen Tagen
hereitet ward, Ausdruck zu geben. Möge immer
mehr und mehr im Reichslande die Erkenntniß
ich befestigen, daß des Kaisers und seiner Re⸗
gierung unabiässiges Streben auf das Glück, das
glühen und Gedeihen dieser schönen Provinzen
erichtet ist — dann wird es wohl um dieselben
tehen. Ich erhebe mein Glas und leere das—
selbe auf das Wohl von Elsaß- Lothringen und
der Stadt Straßburg.
Auf diese Rede des Kronprinzen erwiederte der
wierliche Statthalter, Fürst v. Hohenlohe:
Ich bitte Eure Majestät und Eure Kaiserliche
hoheit, mir zu erlauben, den Dank des Landes
sur die gnädigen Worte auszusprechen, mit wel⸗
hen Eure kaiserliche Hoheit dasselbe geehrt haben.
Ihre Majestät und Eure kaiserliche Hoheit wollen
n der freudigen und von Herzen kommenden
huldigung, die in diesen Tagen dem Kaiser ent⸗
zegengetragen wurde, das Maß der ehrfurchts⸗
nollen Verehrung erlennen, von der Bevölkerung
zon Elsaß⸗Lothringen für den Kaiser und das
aiserliche Haus beseelt ist. Es ist mir gestattet,
dieses Gefuͤhl tiefer Verehcung zusammenzufassen
neden Ruf: Se. Majestät der Kaiser er lebe
zoch!
Ausland.
Wien, 15 Sept. Der „Neuen Freien Presse“
vird aus Rom depeschiert: „Hier ist das Gerücht
Ferbreitet, det neue französische Botschafter in Ber⸗
in, Herbette, sei beauftragt, in Berlin beruhigende
hersicherung über die Haltung Frankreichs im Falle
ines Konflikts Deutschlands mit Rußland abzu⸗
jeben und zu erklären: Frankreich werde sich jeg
ichen Friedensbruches enthalten, wenn seine weitere
Machtentfaltung im Mittelmeerbecken durch Deutsch⸗
land und Oesterreich nicht behindert werde.“ (2)
Ein ungarisches Blatt, das in Beziehungen zu
Herrn v. Tisza steht. der „Nem zet“, charakteri⸗
ict die gegenwärtige politische Lage in
Furopa solgendermaßen:
„Es wäre der größte Irrthum, zu glauben,
daß die Machterweiterung Rußlands und die Ver⸗
ninderung des Prestige von Oesterreich ⸗Ungarn
Deutschland gleichgültig sein kann. Wenn von
zroßen politischen Fragen, von Sympathien oder
lntipathien für andere Nationen die Rede ist, muß
nan immer genau unterscheiden zwischen der Auf⸗
fassung der deutschen öffentlichen Meinung und
jener der deutschen Regierung. Darin aber herrscht
Einmüthigkeit zwischen der deutschen öffentlichen
Meinung und der deutschen Regierung, daß man
Desterreich Ungarn gegen jeden rusfischen Uebergriff
beistehen müsse und daß die Verminderung unseres
Ansehens gleichbedeutend ist mit der Verminderung
des Ansehens der deutschen Macht. Allerdings
herrscht ein Unterschied zwischen der öffentlichen
Meinung und der Regierung hinsichtlich der Motive.
Friere betrachtet unsere Monarchie als einen Vor⸗
hosten deutscher Interessen, gleichsam als ein kleines
deutsches Reich, dessen Deutschthum nur von den
Ungarn und Slaven zerstört wird; die letztere hin⸗
gegen schätzt Oesterreich⸗ Ungarn als einen gleichbe⸗
rechtigten wichtigen Verbündeten, dessen sie ange⸗
sichts der Drohungen des Gallicismus und Slavis⸗
mus dringend bedarf. Das Resultat ist aber ganz
gleichartig hinsichtlich der Thatsache, daß Deutsch
and in der Verletzung unserer Interessen die Ver⸗
etzung seiner eigenen Interessen erblicken würde.
Wenn nun Deutschland trotz der vollkommen kor⸗
cekten Haltung der deutschen Regierung und trot
der Russophobie der deutsch⸗offentlichen Meinung,
die bulgarischen Geschehnisse ziemlich gleichgiltig
hinnahm, so kann dies nichts Anderes beweisen,
als daß sowohl der erste Siaatsstreich wie auch die
Abdankung Alexandecs keineswegs als ein so großer
Frfolg für Rußland und als eine so große Schlappe
rür Oesterreich ⸗Ungarn anzuschen sind, wie dies
nehrere Blätter dies⸗ und jenseits der Leitha ver⸗
fünden. In den meisten und maßgebenden Kreisen
Deutschlands herrscht die kühle Auffassung, daß
—XOVDDDO siavische Groß⸗
macht sei und daß von ihm die vollständige Ab⸗
Filalion und die Verleugnung seines slavischen und
sroßmächilichen Charakters nicht gefordert werden
sonne, ehe es in einem großen Kriege oder in
nehreren großen Kriegen besiegt wurde. Das ist
z eben, was unsere Chauvinisten immer zu ver⸗
gessen pflegen. Sie werfen gewöhnlich die Frage
zuß: wozu die große und mächtige Armee, wenn
wir Rußland den Krieg nicht erklären? Aber sie
rechnen nicht mit der wichtigen Thatsache, daß
Deutschland keinen Krieg will, sondern sowohl das
ffizielle, wie das nichtoffizielle Deutschland den
Frieden aufrecht zu erhalten wünscht, so lange der⸗
ibe ohne Gaͤährdung der mitteleuropäischen In
eressen aufrechterhalten werden kann. —A
aische Presse koͤnnie es von der deutschen, die une⸗
arische össentliche Meinung von der deutschen öffent⸗
ichen Meinung lernen, wie man die Sentimentalität
ur wichtige Fulle aufsparen, dann es aber auch
nicht bei der bloßen Sentimentalität bewenden
assen soll.“
Brüssel, 16. Sept. Die Regierung setzte
»ine besondere Kommission für die Prüfuag des
gahnprojektes Brüssel-Mainz ein.
Bruͤssel, 16. Sept. In hiesigen militärischen
Zreisen verlautet, die Wiederaufnahme der Vorar⸗
hbeiten für die Maas⸗ Befestigung sei auf direkte
Finwirkung Deutschlands zurückzuführen. Die Reise
des Generals Vandersmissen nach Mezz wird
nit der Angelegenheit in Verbindung gebracht.
Paris, 15. Sept. Präsident Grevy kehrt
jegen Ende des Monats nach Paris zurück und
bird in dem Ministerrath vom 1. Oktober den
Vorsitz führen. —- Die Gerüchte von Personalver⸗
inderungen im Ministerium sind falsch. — Dem
„Temps“ wird aus Rom gemeldet: Das von
dobilant bearbeitete neue Gelbbuch über Bulgarien
nthält den Wortlaut von Depeschen, aus denen
ervorgeht, daß Rußland von der beabsichtigten An⸗
rriffspolitik erst zurüdgetreten, nachdem es feststand,
zaß ein Einvernehmen herrsche, sich jeder Besetzung
gulgariens durch Rußland zu widersetzen. Eine
Depesche des italienischen Gesandten in Wien stellt
est, daß am Ballplatz die Nachricht von der Ab⸗
ankung Alexanders ganz unerwartet gewesen. Graf
dolnoky ließ bei dem Fürsten Bismarck anfragen,
ib er die russische Politik billige. Fürst Bismarck
intwortete, die Abdankung des Fürsten sei das
inzige Mittel, die Besetzung Vulgariens durch Ruß⸗
and zu verhüten und europäische Verwicklungen zu
ermeiden
Moskau, 15. Sept. Die „Moskauer Zig.“
veist die Annahme zurück, Rußland wolle die von
ihm befreiten Orientländer annektieren. Im Gegen⸗
heil erheischen es die Interessen Rußlands, daß
eine fremde Einmischung dortselbst stattfände.
sticht Englands Gedanke sei es, daß die kleinen
Drientstaaten unabhängig würden, eher sei dies
stußlands Gedanke. England hätte keinen Grund
nit Rußland zu streiten, wenn es auf diesen Ge⸗
anken thatsächlich gekommen wäre. England be—
ibsichtige aber gar nicht, die Unabhängigkeit slavischer
sationalitäten im Orient sicher zu stellen, sondern
aus ihnen eine antirussische Koalition zu bilden,
ie ihrer Volksthümlichkeit und ihres Glaubens zu
entreißen und sie der Vernichtung preiszugeben.
Petersburg, 14. Sept. Odessaer Blätter
nelden, daß drei englische Kriegsschiffe zweiter Re—
erbe heimlich unter der Handelsflagge durch die
dardanellen gefahren und unter der Kriegsͤflagge
iuf der Reede von Odessa vor Anker gegangen
eien. Unter den Schiffen befinde sich die „City
f Manchester“, welche mit zwei Kanonen armiert
st. Zwei HDrittel der Mannschaft und der Kapitän
jehörten der englischen Kriegsflotte. Die hiesigen
Zlätler verlangen die Entfernung der Schiffe aus
dem Schwarzen Meere.
Sofia, 15. Sept. Kaulbars ist zum diplo⸗
matischen Bertreter Rußlands hierselbst ernannt.
In der österreichischen Politik scheint ein Umschwung
in bulgarenfreundlichem Sinne eingetreten zu sein,
vodurch die Ansicht an Boden gewinnt, daß Oestere
reich eine russische. Besetzung nicht zugeben werde.
Sofia, 15. Sept. Soeben zogen die ostru—⸗
nelischen Regimenter, welche hier in Garnison