Full text: St. Ingberter Anzeiger

»t. Ingherter Amzeiger. 
Amiliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
— 
a „St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wöchentlich funfmal: An Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2 mal wöchentlich mit Unterhaltungs⸗ 
jatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blait koftet vierteljährlich 146 60 einschließlich Traͤgerlohn; durch die Poft bezogen 1 75 H, einschließlich 
90 Zustellungsgebu hr. Die Einrückungsgebühr fur die 4gespaltene Garmondzeile gder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 4, bei außerpfälzischen und solchen, 
auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, 13 I. Reklamen 80 . Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet. 
P 83. 
Politische Uebersicht. — 
zine Begegnung, die in voriger Woche zwischen 
oeutschen Kronprinzen und dem Grafen 
on Paris in Genuag stattgefunden hat oder 
hen soll — eine offiziöse Mittheilung liegt hier— 
t allerdings nicht vor — ist namentlich in 
mnzösischen und englischen Blättern mit einem 
wissen Nachdrucke hervorgehoben worden. Speziell 
Standard“ weist auf die zwischen beiden 
tsilichkeiten bestehenden verwandtschaftlichen Bande 
Nund sagt hierbei allerdings, daß letztere das 
sammentreffen erklärlich machten. Alsdann meint 
c das englische Tory-Blatt, es sei immer be⸗ 
uptet worden, die Thronbesteigung des Grafen 
r Paris würde das Signal zu einem Kriege 
ischen Frankreich und Deutschland geben. Der 
utsche Kronprinz und das Haupt der königlichen 
amilie in Frankreich hätten nun offenbar durch 
e Zusammenkunft der Welt zeigen wollen, daß 
—D 
tart sei, wie jemals und es spreche dennoch 
te jetzige Begegnung gerade nicht für die erwähnte 
chauptung. — Ob die Freundschaft zwischen dem 
utschen Thronfolger und, dem orleanistischen 
ronprätendenten wirklich eine so innige ist, wie 
c,Standard“ andeutet, mag dahingestellt bleiben; 
denfalls sind die Schlüsse, welche das englische 
latt aus der angeblichen Zusammenkunft der 
iden fürstlichen Persönlichkeiten zieht, sehr will⸗ 
irlicher Art und lohnt es sich nicht, ihnen beson⸗ 
ers entgegenzutreten. 
seuerdings ist viel von Reformen auf dem 
zviete des juristischen Studiums die Rede 
und soll es sich bestätigen, daß diese Reformen 
icht nur auf Preußen, sondern auch auf das Reich 
rstrecken werden, dagegen soll es mit der gleich— 
alls angekündigten Reform des Medizinal⸗ 
vesens in Preußen noch gute Wege haben. 
Der „Times“ zufolge ist in ofsiziellen Kreisen 
n„derblüffendes Gerücht“ über einen Plan ver— 
reitet, nach welchem die Verwaltung Bulgariens 
mder Art der Schweizer Republik einge⸗ 
ichtet und ein Bundesstaat hergestellt werden soll 
ater der Garantie der Signatarmächte des Ber⸗ 
mer Vertrages. Die Pforte soll diesem Projekte 
icht abgeneigt sein, wenn alle Interessen, welche 
es Schutzes bedürfen, gegen spätere Angriffe sicher 
estellt werden. 
ach Berichten von Missionären ist der Skla⸗ 
enhandel im östlichen Afrika in einer Voll- 
mmenheit organisirt, die geradezu Staunen erweckt. 
die armen Opfer bestehen fast ausschließlich aus 
tindern im Alter von 6 bis 15 Jahren zumeist 
übschen jungen Mädchen, welche für die mohame— 
anischen Harems bestimmt sind. Weder Frankreich 
och England, welche Kolonien am rothen Meer 
end auf dem Wege nach und in Abessynien haben, 
jun diesem Sklavenhandel irgendwie Eintrag; im 
zegentheii war Abu Bakr Pascha, der größte 
ztlavenhändler am Golf von Aden, lange Zeit ein 
evor,ugter Schützling Englands, und das erste, 
oaz die von England eingesetzte neue Regierung 
on Harar that, war, die Sklavenjagden gegen die 
mwohnenden Stämme wieder in der alten Weise 
mzufuhren. 
Samstag, 9. Oktober 1886. *. 
21. Jahrg. 
— 
Deutiches Reich. 
Berlin, 7. Okt. Die offizielle „Nordd. 
Allg. Ztg.“ erklürt die Zeitungsnachrichten der 
affiziösen „Kreuzzeitung“, wonach an Stelle des 
Hilitärseptenats eine andere gesetzliche Grundlage 
»er Heeresstärke treten solle, als auf willkürlichen 
xẽtfindungen beruhend. Im Schooße der Regierung 
änden keinerlei diesbezügliche Erwägungen oder 
Lerhandlungen statt. 
Sofia, 6. Okt. Ein hervorragendes Mitglied 
der Regierung, welches mit dem Korrespondenten 
der „Daily News“ ein Gespräch über das Verhält⸗ 
niß Bulgariens zu Rußland, die Mission Kaulbars 
und die nächste Zukunft hatte, erklärte, daß Ruß⸗ 
and von jeher die Absicht gehabt habe, Bulgarien 
zu einer russischen Provinz zu machen. Rußland 
jabe dabei die Taktik befolgt, durch Unruhestiftung 
mm Innern die jedesmalige Regierung: zu stürzen 
ind da die jetzige Regierung die Fahne der Unab⸗ 
Jängigkeit hochhält, will es auch gegen sie Unruhen 
servorrufen. Zu diesem Zwecke habe der russische 
donsul in Rustschuk dem Brigade-Kommandeur das 
»ekannte Rundschreiben des Baron Kaulbars vor⸗ 
gelegt und ihn aufgefordert, für die russischen For⸗ 
derungen gegen die Regierung aufzutreten, als auch 
n die Armee die Redvolution zu tragen. Eben 
deßhalb verlange Kaulbars einen Aufschub der 
Wahlen, um zu verhindern, daß eine Sobranje ge⸗ 
vählt werde, welche der Regierung ein Vertrauens⸗ 
votum ertheilt. Desselben Zweckes wegen reise 
daulbars durch das Land und rege die Gemüther 
auf, und aus demselben Grunde habe die russische 
Regierung die an sie gestellte Anfrage Bulgariens, 
y ein Vertreter in Petersburg genehm sein würde, 
ibgewiesen, weil die russische Regierung sich sträube, 
die Wahrheit zu erfahren und durch ihre Agenten 
gzefärbte Berichte wünsche. Aber gerade deßhalb 
nüfse die Regierung darauf bestehen, daß die 
Wahlen stattfinden. Sie sei bereit, ein Zugeständ⸗ 
niß in Betreff der Sobranje zu machen oder die 
Zobranje vier Wochen durch Wahlbestätigungen zu 
veschäftigen und auf jede Weise die Fürstenwahl 
nach dem Wunsche Rußlands hinzuziehen, bis die 
ßroßmächte einig seien. Kaulbars habe die Ver— 
chiebung der Wahl auch deßhalb verlangt, weil er 
rotz der bindenden Versicherungen an eine Wieder⸗ 
vahl des Fürsten Alexander glaube. Ein solches 
Mißtrauen sei ungerechtfertigt, denn Alexander 
viederwählen, hieße sentimentale Politik treiben. 
Bulgarien wuürde den russischen Kandidaten aczep⸗ 
iren, jedoch niemals den Fürsten Niktta von Mon⸗ 
enegro oder den Prinzen Karageorgievitsch. König 
darl von Rumänien habe viele Anhänger im Lande, 
aber seine Wahl sei unmöglich, weil Rußland nie 
einen Hohenzollern auf dem bulgarischen Thron 
dulden werde. Die Regierung habe keine andere 
Absicht, als unter Wahrung der Freundschaft zu 
Rußland Bulgariens Unabhängigkeit zu schützen. 
kingelaufene Depeschen bestätigen die Vermuthung, 
daß Kaulbars nach Petersburg zurückkehrt. 
(Fr. 3.). 
Ausland. 
Brüuͤssel, 6. Olt. Aus dem Hennegau kommen 
ortgesetzt ungünstige Nachrichten. Die Streikbe⸗ 
degung greift um sich; die Kohlengräber in Gilly 
rgriffen den Arbeitsleiter und warfen denselben zwei 
Sziodwerke tief hinab. Die Erregung der Arbeiter—⸗ 
nassen ist eine derartige, daß jeden Augenblick der 
Ausbruch ernster Unruhen befürchtet wird. 
Madrid, 6. Oki. Gestern wurde der Königin 
m Theater eine große Ovation dargebracht. Aller⸗ 
deits erscholl der Ruf: „Es lebe die Königin, es 
ebe Alphonso der Dreizehnte.“ Die Strafe der 
um Tode verurtheilten Aufständischen wurde in 
Verbannung nach den Präsidios und lebenslängliche 
Finschließung umgewandelt. 
London, 6. Ott. Der Generalrath des 
ozialdemotratischen Bundes erließ ein Manifest, 
porin mit dem Hinweise auf den in dolge der 
mmermehr zunehmenden Arbeitslosigkeit herrschen⸗ 
jen Nothstand der beschäftigungslosen Arbeiter von 
zondon aufgefordert werden, sich dem Aufzuge des 
zordmajors am 9. Nov. anzuschlietßzen und derge⸗ 
talf dem Lande ihre Lage und die daraus sich er⸗ 
Jjebenden Gefahren zu zeigen. 
London, 7. Okt. Die hervorragenderen 
Morgenblätter, insbesondere die vom Ministerium 
Zalisbury inspirirten torystischen, sind überzeugt, 
aß Lord Randolph Churchill eine Entrevue mit 
em Fürsten Bismarck haben werde. Das W 
neint, wenn ein Minister nach Berlin gehe, ohne 
gismarck zu sehen, so sei das, wie wenn jemand 
nach Rom gehe ohne St. Peter zu sehen. Allge⸗ 
nein ist man der Ueberzeugung, daß neue diplo⸗ 
natische Transaktionen in Betreff der bulgarischen 
Frage im Zuge seien. 
Konstantinopel, 6. Okt. England ließ 
rotz der rufsischen Einwendungen die bevorstehende 
xkrnennung Sir White's zum Botschafter bei der 
Türkei notificiren. 
Sofia, 5. Oltbr. Die ö sterreichische 
Regierunqg verweigert dem in Deutschland be⸗ 
tellten bulgarischen Kriegsmaterial die Durchfuhr, 
vodurch die betroffenen deutschen Häuser, Krupp 
für Geschütze und Artillerie Schießbdedarf, Gruson 
ur Grauagien, die Rottweiler Pulverfabrik für In⸗ 
anterie⸗ Patronen, in arge Verlegenheit gesetzt 
verden. Diese Belästigung der deutschen Industrie 
ist um so unerklärlicher, als kein anderer Staat 
derartige Schwierigkeiten macht. v 
Die von der bereits mehrfach erwähnten, in 
Sofia abgehaltenen Volks-Versammlung 
angenommene Resolution lautet folgender⸗ 
maßen: „Die Versammlung beschließt: 1. Der 
gegenwärtigen patriotischen Regierung das voll⸗ 
Dünmene Vertrauen auszudrücken und dieselbe zu 
itten, die bisherige nationale Politik fortzusetzen 
ind 2. die Regierung zu versichern, daß das ganze 
Volk jederzeit bereit ist, sie zu unterstützen und Gut 
ind Blut“ für die Freiheit, Selbstständigkeit und 
Unabhängigkeit Bulgariens zu opfern.“ 
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Lokale und pfälzische RNachrichten. 
--Psfarrer Blaul von Neuhäusel wird 
)emnächst ebenfalls den pfälzischen Kirchendienst 
berlassen und eine Pfarrstelle in Frankfurt a. M. 
übernehmen. Weiter gedenken dem „Fr. K.“ zu⸗ 
folge noch fünf Geistliche aus dem Kirchendienste 
der Plalz in nächster Zeit auszuscheiden, um in 
Rheinhessen Pfarreien anzutreten, die den Geist⸗« 
iichen bedeutendere Vortheile als jene der Pfalz 
bieten. 
Zu Dennweiler-Frohnbach gerieth 
am Montag der Ackerer Friedrich Doll auf der 
deimfahrt vom Kartoffelacker unter seinen Wagen, 
vahrscheinlich beim Einlegen des Hemmschuhs. Ein 
Rad ging ihm über den Kopf und der Tod war 
die Folge. (G8us. Ztg.) 
— Edenkoben. Als Bauplatz für die neue