Full text: St. Ingberter Anzeiger

xt. Jugberter isper 
Amtliches Or 2* zeuge r 
gan des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
ber St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wöchentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2 mal wöchentlich mit Unterhaltungs⸗ 
hlan und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet viertelijährlich 1.4 60 einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1.M 75 4, einschließlich 
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V 199. 
Politische Uebersicht. 
In dem gegen die Reichsstagsabgeord⸗ 
aeten Bebel, v. Vollmar und Genossen schwebenden 
ßrozessse wegen Theilnahme an einer verbotenen 
herbindung hat das Reichsgericht die von den 
ingeklagten eingelegte Revision gegen das verur—⸗ 
helende Erkenntniß des Freiberger Landgerichtes 
rworfen. Das Urtheil des letzteren welches Bebel, 
uer, v. Vollmar. Viereck, Frohme und Ulrich zu 
9 Monaten, Müller, Dietz und Heinzel zu je 6 
stonaten Gefängniß verurtheilte, ist somit rechts 
rästig geworden. 
Die Meinungsdifferenzen zwischen dem 
ranzö fischen Finanzminisier Sidi Carnot 
id den Mitgliedern der Budgetcommission wegen 
eerschiedener finanzieller Fragen scheinen wieder 
xigelegt zu sein. Wenigstens wird dersichert, 
Ministerpräfident Freycinet habe Sidi Carnot ver— 
mlaßßzt, seine anfänalich verweigerte Zustimmung 
ur Erhöhung der Alkoholsteuer zu geben und sa 
xßhalb von einem Austritte des Finanzministers 
us dem Cabinet nicht mehr die Rede. 
Die Unterredung, welche der König von 
zechenland in Paris mit einem Berichterstatter 
xs „Temps“ gehabt hat, wird in der franzöfischen 
resse namentlich deßhalb vermerkt, weil Konig 
zʒeorg sfich in seiner Kritik der allgemeinen Lage 
1. A. dahin äußerte, daß keine Macht in Europo 
uuf die Dauer die Suprematie behaupten könne 
diese Bemerkung ist unverkennbar gegen Deutsch⸗ 
and gemünzt, doch denken wir, daß man wegen 
xs geäußerten Mißfallens der griechischen Majestät 
n Berlin nicht sonderlich bestürzt sein wird; im 
lebtigen scheint der Berichterstaltter des „Temps“ 
ie ganze Unterredung für französische Leser erst 
ugestußt zu baben. 
Rußland hat in seiner bulgarischen Politik 
mit den am Sonntag stattgefundenen Wahlen zur 
roßen bulgarischen Sobranje oder Nationalver. 
emmlung, welcher die Erwählung des Nachfolgers 
18 Fürsten Alexander obliegt, eine neue, große 
5chlappe erlitten. Die Wahlen sind durchweg 
m Sinne der Regentschaft ausgefallen; in Bul— 
atien wurden überwiegend die Candidaten der 
egierungspartei und in Ostrumelien überhaupt 
uur ministerielle Candidaten gewählt; das Fiasco 
et Russenpartei ist demnach ein vollständiges. In 
dr Hauptstadt Sofia selbst wurden die Regent⸗ 
aftsmitgiieder Stambuloff, Radoslawow,der 
Ninster des Auswärtigen, ferner der Minister 
ntschow, der Advocat Mezow und 4 Sofiaer 
dürger, also saämmtlich Regierungscandidaten, ge⸗ 
nihlt. Der zu Rußland neigende 2. Regent Kara⸗ 
veloff erhielt nur 17 Stimmen. Soweit bekannt, 
der Wahlact im Allgemeinen ruhig verlaufen; 
ur in Sofia verursachten Gruppen von Landleuten 
kuhestdrungen und in Dubnitza wurden der Re⸗ 
nerungspräfect und 2 ministerielle Candidaten von 
edungenen Banden er mordet. 
Das „Wiener Fremdenblatt“ nimmt fortge⸗ 
eht energisch Stellung zu Gunsten der bulga⸗ 
ijchen Regierung.Eds bespricht die hau. 
ung der Regierung bei den Wahlen in anerken⸗ 
ndster Weise; die Regentschaft habe nun die 
sufgahe, die scharfen Beztchungen zu Kußlaud 3 
Donnerftag, 14. Oktober 1886. 
2 Jahrg. 
nildern und unter Wahrung der Vertragsrechte J Nationolversammlung tritt in vier Wochen zu—⸗ 
Bulgaciens die Freundschaft mit allen Mächten zu ammen. 
pflegen. 
Deutiches Reich. 
Muüͤnchen, 12. Okt. Der Prinz⸗Regent hat 
das Protettorat über die katholischen Gesellenver⸗ 
eine Bayerns übernommen. 
Dresden, 13. Oktbr. Lord Churchill 
ioll in der Nähe von Dresden mit dem Fürsten 
Alexander von Bulgarien zusammengetroffen 
sein. 
Berlin, 12. Okt. In der „Nordd. Allg. 
Ztg.“ wird dargelegt, daß durch die Besprechung 
der bevorstehenden Verhandlungen über die Erneu⸗ 
erung des deutsch⸗schweizerischen Handelsver- 
hrages die Verhandlungen erschwert werden könn« 
len. Die Behauptung, durch die Zollnovelle non 
1885 sei indirect der bestehende Vertrag gebrochen 
vorden, wäre unhaltbar, da über keine der von der 
Erhöhung getroffenen Gegenstände irgend eine 
Stipulation mit der Schweiz bestanden habe; da⸗ 
gegen seien die anderen Staaten bekanntlich zuge⸗ 
hilligten Zollermäßigungen auch der Schweiz zu 
gute gekommen. 
Lokale und pfaälzische Rachrichten. 
*St. Ingbert, 14. Okt. Wem an der 
Ausübung seines Wahlrechtes etwas liegt, der ver— 
aume nicht, wenn er es noch nicht gethan, in der 
Waählerliste füt die Landtagswahl 
nachzusehen, ob sein Name in der Liste eingetragen 
st. Die Wählerliste liegt nur noch bis morgen 
— Freitag den 15. Okt. — Abend auf dem 
Bürgermeisteramte hier auf. Wablberechtigt ist 
eder 21 Jahre alte Bayer, welcher eine direkte 
Steuer bezahlt und dea Staatsbürgereid geleistet 
hat; aber nur — wenn sein Name in der Wähler⸗ 
liste steht. 
*St. Ingbert, 14. Okt. Durch Verfüg⸗ 
ung der kgl. Regierung wurde der seither pensio⸗ 
airte Schuldiensterspektant Herr Christian Foos 
don hier mit Wirkung vom 15. dfs. Monats ab 
reaktivirt und mit der interimistischen Führung der 
katholischen Schulverweserstelle zu Haßloch be— 
traut. 
*St. Ingbert, 14. Okt. Kommenden 
Sonntag Abend haben die akliven Mitglieder der 
Feuerwehr im Lokale des Cafe Oberhauser einen 
Ball, zu dem auch die passiven Mitglieder gegen 
ein Entree von 1 Mark Zutritt haben. Eine dies— 
bezügliche Einladungsliste ist bereits in Cirkulation 
gesetzt. 
—*Herbstcontrolversammlungen finden statt: 
zu St. Ingbert am 11. November Vormit- 
tags um 9 Uhr, in Blieskastel am 10. No— 
dember Vorraittags um 9 Uhr. 
* Sit. Ingbert, 14. Okt. Die Ziehung 
»er St. Ingberter Kirchenbaulotterie ist auf 
Dienstag den 28. Dezember, die der Edenkor 
zener auf Montag den 18. Oktober verschoben 
vorden. 
— Die k. Postexpedition Schnappach wurde 
nem pens. Gendarmerie⸗Wachtmeister und Militär⸗ 
mwärter Jakob Sieber in Kusel überwiesen. 
— Gescheid des Reichs-Versicher⸗ 
ingsamtes.) Hinsichtlich der Versicherungs· 
flichtigkeit der Bierbrauereien hat das Reichsber⸗ 
icherungsamt aus Anlaß von Katasterbeschwerden 
iuf Grund des 8 1 Abs. 53 des Unfallverficher⸗ 
ingsgesetzes beschlossen, daß von den ohne Dampf⸗ 
kessel und Motoren und mit weniger als zehn Ar⸗ 
beitern betriebenen bayerischen Bierbrauereien die— 
jenigen, welche mindestens 1000 hIJ. Malz jährlich 
verbrauchen, in der Regel als Fabriken, diejenigen 
mit geringerem Malzverbrauch als Handwerkshetriebe 
zu behandeln sind. — 
— Wie der „Anzeiger“ aus Pirmasens, 
13. Olt. mittheilt, ist gestern das dem Bierbrauer 
Ldudy gehörige noch im Bau begriffene Wohnhaus 
im Innern zusammengestürzt und hat den mit dem 
Bau beauftragten Baumeister Ludwig Jung und 
einen Arbeiter unter den Trümmern begraben. Der 
Finsturz wurde dadurch herbeigeführt, daß eine 
Tragmauer im Keller, auf welcher eine schwere, 
die oberen Gebälke tragende Eisensäule ruhte, wich, 
worauf alles Gebälke sammt den darauf ruhrenden 
Scheidewänden herunterbrach, während die Außen- 
mauern mit dem Dache stehen blieben. Der Bau—⸗ 
uinternehmer Jung ist, zwar schwer verletzt, aber 
ebend aus den Trümmern herausgeschafft worden. 
Der Zimmergeselle Schwarz von Kröppen, wie man 
agt, Vater von 5 Kindern, konnte leider nur als 
Leiche ausgegraben werden. Vier weitere im Ban— 
Ausland. 
Wien, 12. Oktbr. Gestern sind neuerdings 
sechs Mitglieder der anarchistischen Verschwörung 
berhaftet worden. Einer von ihnen war gelegent⸗ 
lich der Stellmacher⸗Affaire schon sechs Monate 
lang in Untersuchuagshaft gewesen. Die Namen 
der Verhafteten werden der Untersuchung wegen 
noch immer geheim gehalten. — Einzelne der Ver⸗ 
dafteten gestehen, wie die Polizei versichert, daß 
auch ein Attentat auf den Kaiser geplant war. 
Die offiziöse russische Ankündigung, daß die 
zJewählte Sobranje und deren eventuellen Beschlüsse 
russischerseits nicht Anerkennung finden würden, 
vird hier — wie dem Fr. Journal depeschirt 
vird — als Grund zu ernsten Differenzen mit 
inderen Mächten angesehen, welche hierin einen 
eclatanten Eingriff in die inneren Verhältnisse des 
Vasallenstaates einer fremden Macht erblicken müßten. 
Lord Randolph Churchill hat auch heute mit kei— 
nerlei offizieller Persönlichkeit Verkehr gepflogen. 
Wien, 13. Okt. Aus Genua wird 
„iesigen Blättern gemeldet: Drei Individuen 
dersuchten unter verdächtigen Umständen in 
die Villa des Lord Carnavon in Torifino 
inzudringen, woselbst der deutsche Kronprinz 
vohnt. Sie wurden verhaftet und es stellte 
ich heraus, daß es drei Franzosen 
sünd. Dieselben gaben vor, daß sie dem 
dronprinzen eine Bittschrift überreichen woll⸗ 
ten. Bei ihrer Durchsuchung wurde keine 
Bittschrift vorgefunden und ist es noch unge—⸗ 
wiß, ob dieselben nicht ein Attentaf beob⸗ 
sichtigt haben. 
Sossia, 11. Olt. Die Wahlen haben überall 
den Sieg der Regierungsparthei ergeben. Als das 
Wahlresultat spät Abends hekannt gegeben wurde, 
ezrhob sich in der ganzen Stadt großer Jubel. 
Volkshaufen durchzogen, National⸗Lieder singend, 
die ganze Nacht die Stadi. Die vom russischen 
donsul geworbenen Montenegriner haben mit den 
Bauern, in deren Gesellschaft sie gestern die Wah' 
zu fstören versuchten, die Stadt verlassen. — Di—