Full text: St. Ingberter Anzeiger

jedoch Freisprechung, da das Landgericht die Hin⸗ 
weglassung des Wortes „Herr“ zwar als eine Un— 
höflichkeit, nicht aber als eine Beleidigung erachtete 
— Für Pirmasens wurde die Verbrauchs⸗ 
teuer (Octroi) durch die Regierung in der vom 
Stadtrathe eingegebenen Form genehmigt. 
— Medelshteim. Ein seltenes Alter weist 
eine Glocke auf dem hiefigen Kirchturme nach; die⸗ 
elbe trägt nämlich die Vrereh 1412. 
— Neustadt, 38. Okt. (Pf. Pr.) Heuie 
Morgen wurde der Wildprethändler Chr. Cosr⸗ 
nelius von hier, wie verlautet, wegen Betrugs 
und Wechselfälschung nach Frankenthal in Unter⸗ 
uchungshaft abgeführt. 
— Neustadt, 23. Oklt. Die „Pf. Vztg.“ 
erzählt: In den 60er Jahren kam ein hiesiger 
staufmann in Konkurs, welcher während seiner Ge⸗ 
chäftszeit nebenbei ein Depyositenbankgeschäft im 
Geheimen betrieb, und den Darlehern hohe Zinsen 
dersprach, so daß sich eine Menge Leichtgläubige 
nit ihm einließen, im guten Glauben, ihr Geld 
gegen hohe Prozente gut angelegt zu haben. Einige 
Jahre betrieb der Kaufmann dieses Geschäft, bis 
er auf einmal bei Nacht und Nebel verschwand, und 
die Darleher das Nachsehen hatten; leider befanden 
ich unter ihnen meistens Landleute und arme 
Dienstboten, wenn schon der hohe Porzentsatz auch 
die bessere Welt angelockt hatte. Unser Industierit⸗ 
er gründete in Amerika ein neuns Geschäft, das 
sehr rentabel und ihn zum reichen Mann gemacht 
jaben soll. Dieser Tage ist nun ein Schreiben 
von ihm hierhergelangt, worin für seine Gläudiger 
eine angenehme Ueberraschung enthalten ist, indem 
er jedem den vollen Betrag, den er schuldet, nebss 
Zinsen zurückzahlen will. Wenn sich dieses beslätigt, 
so würde eine so ehrliche Handlung, trotzdem Pflicht 
und Ehre fie gebietet, doch alle Anerkennung verdienen 
— Speier, 24. Okt. Am 7. November d. 
J., Vormittags halb 11 Uhr, findet im Saale der 
Brauerei Schultz, Woruserstraße, zu Speier der Ver—⸗ 
bandstag des Pfälzischen Gewerbe-Vereins⸗Perbands 
mit folgender Tagesordnung statt: 1) Berichterstat 
hung des Vororts über die Verbandsperiode 1881 
— 86; Berichterstatter: Verbandssekretär Jung 
aiserslautern; 2) Rechnungsablage pro 1886; 
Rechner L. Eckel-Kaiserslautern; 3) Das Zeichnen 
in der gewerblichen Fortbildungsschule! Referent: 
Andres Zweibrücken; 4) Antrag des Vereins Lud⸗ 
wigshafen auf Trennung der Gewerbekammer von 
der Handelskammer; Referent: Gengler ˖ Ludwigsha⸗ 
fen; 5) Das Submissionswesen; Referent: Guth⸗ 
Neustadt; 6) Neuwahl des Vorortis für die Ver—⸗ 
handsperiode 1886 — 91. 
— Ludwigshafen a. Rh. 22. Olt. In 
der soeben erschienenden Nummer 71 des vom Er⸗ 
inder des Weltsprache- Blattes (Volapükabled) be⸗ 
findet fich folgender Artikel: „Neuer Obervorstand. 
Wegen seines großen Eifers hinsichtlich der Ver—⸗ 
dreitung der Weltsprache in seinem Kreise erhielt 
der Vorstand der Weltsprache-Gesellschaft, Sek⸗ 
tionen Ludwigshafen, Mannheim und Umgegend, 
und zugleich Welisprache⸗Lehrer, Herr Anton 
Colling, Telegraphen⸗-Beamter in Ludwigshafen 
am Rhein, unter dem 11. Oktober dieses Jah— 
ces den Amistittel „Oberborstand für die Pfalz“, 
Rheinbaiern. — Gleichzeitig wurde Ludwigs⸗ 
zafen zum Vorort für die pfälzischen Welisprache⸗ 
Bereine ernann“ (Pf. K.) 
ermiischtes. 
— Ein badisch⸗elsässisches Haus verkauft in der 
A 
mehr inländischen und ausländischen Losen — auf 
sog. Raten Zahlung. Es ist dringend abzurathen, 
ich darauf eiuzulassen. Einmal sind diejenigen, 
denen diese Loose angeboten werden, kaum in der 
Lage, zu prüfen, ob die Lose auch in Preußen zu⸗ 
gelassen sind. Sind sie das aber nicht, so tritt 
zerichtliche Strafe ein, wena der Ankauf der Loose 
herauskommt. Sodann werden die Ankäufer, ohne 
es zu merken, übervortheilt. Es ist vorgekommen, 
daß der Verkäufer für 6 Loose im Werthe von 
170 Mk. sich 32 Zahlungen von je 8 Mk. oder 
256 Mlk. geben ließ. Als die 32 Raten bezohlt 
waren und die Loose endlich in den Besitz des 
Käufers übergehen sollten, hatten dieselben einen 
Kurswerth von nur 135 Mk. Der Ankäufer hatte 
mithin 121 Mk. und die Zinsen verloren. 
5Ie Birkenfeld, 22. Okt. In dem Tunnel 
dei Hoppstädten stürzte ein Hilfsbahnwärter, der 
nuf einer Leiter stand, um eine Laterne anzuzünden, 
gerade in dem Augenblicke auf die Schienen, als 
in Zug beranbrauste Der Unalückliche. dem hbeide 
Beine abgefahren wurden, verschied schon nach 
wenigen Minuten. Er hinterläßt eine Frau mit 
fünf Kindern. 
F Kassel, 25. Okt Aus Hessisch Lichtenau 
st Großfeuer gemelder und von hier Hülfe requi⸗ 
zirt worden. Die Kirche und 20 Hauser sind. 
vie die Fr. Ztg.“ meldet, niedergebrannt. 
f Mainz, 22. Otlt. Der durch den neu⸗ 
ichen Brand in der Lederfabrik von Michael, Meyer 
uind Denninger dahier angerichtete Schaden heziffert 
ich für die Immobilien aͤuf 152,000 Mk., für 
Baaren ꝛc. auf ca. 600 000 MJ. 
F Mainz, 20. Oktober. Vor Kurzem erließ 
in reich begüterter Fabrikbesitzer in drei großen 
zlättern ein Ausschreiben nach einer Lebensgefährtin 
hristlicher Konfession, von welcher kein Vermögen, 
agegen angenehme Erscheinung, liebenswürdiges 
Besen, heiteres Naturell, Sinn für Häuslichkeit, 
zjute Erziehung und Bildung, eine geachtete Familie, 
herlangt wurde. Auf diesen Heirathsantrag sfind im Ver⸗ 
aufe von nicht ganz zwei Wochen beiläufig 2000 
Ifferten, zumeist mit Photographien, eingegangen. 
F Frankfurt, 22. Okt. Ein Mädchen von 
4 Jahren verschluckte aus Unachtsamkeit ein Ein⸗ 
efennigstück. Der Arzt bemühte sich, das Geldstück 
o rasch als möglich auf natürliche Weise aus dem 
Zörper zu entfernen, was nicht glückte. Gestern 
Mittag ist nun das Mädchen gestorben. Die Ob⸗ 
zuktion der Leiche ergab Vergiftung durch Grün— 
pan, der sich im Magen gebildet hatte. 
F Ein junger Goldarbeiter, welcher durch seine 
nußerordentlichen Kenntnisse in Juwelen und Gold⸗ 
irbeiten und durch seine Erfolge als Reisender sich 
)en Kredit verschiedener Gold- und Juwelen ;Firmen 
rworben, ist nach Amerika durchgegangen. Zwei 
danauer Häuser soll er um 50,000 Mt. geschädigt 
aben. 
F Laufen, 28. Okt. In dem benachbarten 
Nüllheim wurde anläßlich des Umbaues der alten 
ztadtkirche in eine Markthalle in dem Knopfe des 
churmes eine gut verlöthete Bleikapsel vorgefunden, 
pelche eine Urkunde über den Bau des Thurmes 
nthielt. Für weitere Kreise hat der Inhalt des 
schriftstückks wenig Interesse. Nur das Folgende 
nöge wörtlich aus demselben hier angeführt werden: 
Der. anno 1788 erfolgte außerordeniliche kalte 
Binter, wo vom 6. Dezember bis 16. January 
.789 bey einem q— bis 4 Fuß hohen Schnee die Kälte 
mmer anhaltend und streng war, daß nicht nur 
die Reben durchgehends gänzlich erfrohren, sondern 
nuch fast alle Bäume, die nicht auf hohen Bergen 
tunden, hauptsächlich aber auch die Nußbäume, 
dor Frost zersprungen und zu Grunde gegangen 
ind, wobey noch als ein fast niegrhörtes Beispiel 
anzuerkennen ist, daß der Rheinfluß bei Neuenburg, 
wvo er sehr stark lauft, vom 4. bis 16 January 
1789 völlig zugefrohren und mit einer so harten 
Fisdecke überzogen gewesen, daß Menschen und 
biehe ohne Gefahr darüber gehen konnten; wie 
hann auch solche Zeit viele Hundert Persohnen 
iber das Eis gegangen und sogar Mastochsen über 
olches in's Elsaß getrieben worden sind.“ 
F Stuttgart, 21. Ott. Die Millionen⸗ 
erbschaften find doch kein leerer Wahn. Zu dieser 
für ihn hocherfreulichen Ueberzeugung dürfte ein 
im Cafs Marquardt zu Stuttgart bediensteter Kellner, 
ein geborener Wiener. kommen. Der Großonkel 
desselben verstarb nämlich vor langen Jahren in 
öln a. Rh. mit Hinterlassung eines Vermögens 
»on 15 Millionen Mark, auf welches, da sich da⸗ 
nals keine Erben meldeten, der preußische Fiskus 
die Hand legte. Die drei Neffen des Erblassers, 
darunter der Vater unseres Kellners, ein Schneider⸗ 
neister in Wien, erfuhren erst später, daß ihr 
Onkel, der als verschollen galt, als reicher Mann 
gestorben sei; fie machten ihre Ansprüche geltend, 
und jetzt ist die Erbschaft ihnen zugesprochen. Auf 
inseren Kellner fällt der dreißigste Theil derselben, 
.twa 800,000 fl. Er hat unser diesen Umständen 
zegreiflicherweise nicht mehr Lust, den Stammgästen 
)es Café Marquardt den braunen Trank der Le⸗ 
dante zu serviren, sondern gedenkt sich in Wien 
u etabliren. 
München, 283. Okt. Die auf die Königs— 
atastrophe zurückzuführenden Preßprozesse haben 
nit der gestern durch das oberfränkische Schwur⸗ 
jericht erfolgten Verurtheilung des Redakteurs 
S„chulttz vom „Bamberger Journal'“ zu 1 Monat 
ßefängniß ihren Abschluß gefunden. Die sämmt 
ichen angeschuldigten 7 Redakteure wurden verur— 
deilt; der politischen Richtung nach gehören 53 zur 
stramontanen. 2 zur demokröotischen Noartei i⸗ 
Gesammtsumme der Strafen beträgt 13 M 
und 14 Tage, zuc höchsten Strafe mit ern 
Befängniß wurde das „Münchener —E 
ur geringsten Strafe mit 14 Tagen die *8 
J itung“ in Freising verurtheilt. Amder. 
Münmchen. 23. Ott. Nach eingekomme 
elegraphischer Mittheilung wurde gestern Min F 
Hendarmerie⸗Stationskommandant von —* 
in Prittiching (in der Nähe der Eisenbahnse n 
Mehring an der München-Augsburger Linie pr 
einem Handwerksburschen schwer verletzt. Dec —6 
velcher hiebei einen Sabelhieb über den Kopf 
nielt, führt verschiedene Legitimationen auf 
Namen Leopold Capen, Bäcker und Müller 
dalberstadt und auf den Namen Anton Mag 
vchmiedgeselle aus Steinach bei sich. Einen 
Zeugrüsse ist in Fridolfing (bei Tittmoning) ausge. 
ellt. Signalement 18 dis 20 Jahre aun, un, 
Statur, brauner Rock, graue Hosen, kleine Kopf 
dedeckung. (Es ist dies schon der dritte derartig 
Fall, der heuer in Bayern vorg-kommen ist.) 
Der Stadtmagistrat Munchen hat der Firme 
A. u. B. Schuler den nördlichen Schrannenpabill 
zur Abhaltung der Edenkobener Gewinnziehung fh, 
Mittwoch den 17. November überlassen. 
F (Eine Berlinerin unter den Siouf 
Indianern), Ein fiebenzehnjähriges Mädchen 
ie Tochter ehrsamer Eltern aus der Potsdame 
Vorstadt, wollte mit Einwilligung ihrer Eltera bos 
untzem nach Stettin reisen, um dort angeblich 
ein Konfektionsgeschaft einzutreten. In Wahrhei 
st aber nun der Zweck der Reise ein anderer ge 
vesenn, denn die Schöne hat sich mit einer Freur— 
din dem Gefolge der Siour-Indianer, die vop 
Berlin nach Stettin gezogen und von dort nach 
zopenhagen aufgebrochen seien, angeschlossen. Di⸗ 
Eltern nahmen sofort die Hilfe der Polizei in 
Anspruch, die sich bereit erklärt, in dieser Ange— 
egenheit das Möglichste zu thun, und hofft, die 
unge Dame in Kopenhagen zu erreichen und fie 
von dort — per Schub allerdings — nach Berlin 
in das elterliche Haus zurückbringen zu können. 
f Vor dem Schwurgericht in El ding hat sich 
der Landbriefträger Friedrich Leiskau aus Strazewo 
wegen kaum glaublicher Unterschlagungen zu dver— 
antworten. Auf mehrere eingegangene Beschwerden 
heim dortigen Postamt wurde beim Angeklagten 
3aussuchung gehalten; bei derselben wurden ir 
seinem Koffer 1291 unbestellte Briefe vorgefunden 
Außerdem hat derselbe gegen 1000 Mark unter 
ichlagen. Das Urtheil lautete aui 2 Jahre k 
Monate Zuchthaus. 
7 Einer von einem militärischen Mitarbeile 
der „Kreuzzeitung“ gegebenen vergleichenden Ueber 
icht über die Heeresstärke der europäischen 
Sroßstaaten eninehmen wir die folgender 
Aufstellungen. In Wirklichkeit ist es bekannt 
ich nicht möglich genau nach Zahlen die End— 
umme derjenigen Leute festzustellen, über die ein 
Staat im Falle des Krieges zu gebieten hat, do 
Abgange, die Bereitwilligkeit der Bewohner, sich zu 
den letzten Reservebildungen, Landstucm u. s. f. 
zu stellen, vorher kaum annähernd zu berechnen 
iind; doch stellen sich etwa folgende Resultate für 
die Armeestärke der verschiedenen Heere Europa 
heraus: Es beträgt die Friedensstärke der deut⸗ 
schen Armee mit Offizieren: 445,424, die Kriegs 
tärke 1,519,000 Köpfe. Dazu kann man den 
Landsturm wit 1 Million, von dem etwa nu 
500,000 (für die Festungsbesatzungen) als allen 
falls mitzurechnender Faktor anzusehen sind, zählen. 
— Die Friedensstärke der österreich · un jarischen 
Urmee: 286.422, die Kriegsstärke 1,077.000 
stöpfe. Dazu kommt der Landsiurm, der, auch 
auf eine Million berechnet, zum großen Theil aber 
militärisch unausgebildet ist. — Die Friedensstärke 
der russischen Armee beträgt: 807, 242, die Kriegs 
stärke 2,000,000 Köpfe, dazu kommt ebenfalls ein 
Aufgebot von etwa 1 Million irregulärer und äl— 
terer ausgebildeter Mannschaften. — Die Friedens 
stärke der französischen Armee beträgt 828, 824 
die Kriegsstärke etwa 1.950,000 Köpfe. Diet 
Franzosen glauben in einer Armee 2 Linie (Land⸗ 
turm) noch eben so viel aufstellen zu können, doch 
hann man annehmen, daß die Zahl der wirklich 
Eintretenden eine bedeutend kleinere ist. — Die 
Friedensstärke der italienischen Armee beträgt 
215,000, die Kriegsstärke 2,400,000 Köpfe, in 
velcher etwa 1 Million Landsturm ähnlicher Ver⸗ 
zände mit eingegriffen sind. 
F* Wien, 24. Okt. Der ehemalige Reichs 
kanrsee und Botschafter Graf Beust ist heutt