Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. F 
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iehmen alle Postanstalten, die Zeitungsträger, sowie 
ie Expedition entgegen. 
Politische Uebersicht. 
Es ist eine alte Erfahrung, daß in 
jolitisch erregten Zeiten Sensationsnachrichten, 
elbst wenn sie den Stempel der künstlichen Mache 
muf der Stirn tragen, eine außerordentlich rasche 
Berbreitung und leider auch Glauben in den wei⸗ 
esten Kreisen finden. So war es mit der berüch- 
igt gewordenen „Mordgeschichte“ des Herrn von 
Billaume, so ist es in der Folge mit einer ganzen 
steihe anderer allarmirender Gerüchte gewesen, bis 
iun endlich die,Daily News“ in diesem m hr als 
weifelhaften Spiele gewissermaßen den höchsten 
Triumph darauf gesetzt haben, indem sie meldeten, 
aß Deutschland bei Frankreich wegen der Truppen⸗ 
usammenziehungen in den französischen Ostdeparte⸗ 
nents anfragen wolle — warum schreibt da das 
dondoner Blatt nicht gleich, daß Deutschland dem— 
ächst mobil machen werde 71 Glücklicherweise ist 
diese tendenziöse Nachricht, die jedenfalls nur ge⸗ 
vissen Börsenzwecken dienen sollte, von offiziöser 
eutscher Seite sofort mit dem wünschenswerthen 
stachdrucke dementirt worden und auch in Paris ist 
nau loyal genug, die erwähnte Meldung der 
Daily News“ als eine Schwindelnachricht zu er⸗ 
lären. Bei der noch immer unsicheren politischen 
Lage wird es aber voraussichtlich auch weiterhin 
nicht an ähnlichen allarmirenden Gerüchten fehlen, 
enen gegenüber das Publikum immerhin auf der Hut 
ein mag. Es würde daher auch nicht verwunderlich 
rscheinen, wenn sich das nunmehr veröffentlichte 
Berbot der Pferdeausfuhr aus dem deutschen Reiche, 
welches mit dem 25. Januar in Kraft getreten 
st, wieder neue beunruhigende Gerüchte knüpfen. 
Allerdings mag nun zugegeben werden, daß eine 
erartige Maßregel für die obwaltenden Zeitver⸗ 
zältnisse immerhin symptomatisch ist, aber es darf 
hr auch keine übertriebene Bedeulung beigelegt 
verden. Bereits im Jahre 1878, also zu einem 
Zeitpunlte, zu welchem die eurspäische Lage noch 
nicht so gespannt erschien, wie heutzutage, wurde 
vom Bundesrathe ein Pferdeausfuhr⸗Verbot erlassen, 
ediglich um verhältnißmätzig starken Pferdeankäufen, 
velche damais auswärtige Händler ebenfalls in 
Deutschland machten, zu begegnen. Es handelte 
ich auso 1878 wie jetzt für Deutschland nur um 
ine Maßregel zum Schutze seines Pferdebestandes 
ind somit kann man das Verbot an und fur sich 
nuch diesmal nicht als ein besonders beunruhigendes 
Zeichen betrachten. 
Der direkt aus dem Vatikan informirte Korre⸗ 
bvondent des „Luzerner Vaterland“ meldet: Das 
Abkommen zwischen Preußen uund dem Vatikan 
st nunmehr definitiv abgeschlossen. Preußen macht 
Nn puneto Maigesetzrebision viele (den Katholiken) 
freuliche Konzessionen. Eine vollkommene Revi— 
ion isi noch nicht zugestanden. 
Die französische Börfe ist fortwährend 
natt, da die Baissiers die noch immer umlaufen⸗ 
den beunruhigenden Gerüchte ausbeuten. 
Auch das englische Parlament ist in 
nesen Tagen. am 27. d3. Misg uu seiner neuen 
1 
Sonntag, 30. Januar 67297. 
22. Jahrg. 
Session zusammengetreten. Einen Hauptgegenstand 
»er Berathungen des Unterhauses werden die von 
er Regierung vorgeschlagenen Gesetzentwürfe gegen 
ie irische Agrarbewegung bilden und wird sich 
ierbei zeigen, inwieweit das reconstruirte Cabinet 
Zzalisbury noch einen Rückhalt am Parlamente 
at. In den nächsten Tagen sollen auch die Ver⸗ 
andlungen zwischen den Gladstonianern und einem 
Theile der liberalen Unionisten über die irische 
zrage wieder aufgenommen werden und falls diese 
derständigung zwischen den feindlichen Brüdern 
och noch zu Stande kommt, wird das Ministerium 
Zalisbury im Unterhause einen harten Stand er⸗ 
alten. 
Im Oberhaus sagte gestern Lord Salisbury 
zei der Adreßdebatte über die deutsch⸗französischen 
zeziehungen: Die Regierung dürfe unmöglich die 
lugen verschließen gegen die Gefahr, welche dem 
Frieden durch die zunehmenden Rüstungen drohen. 
Allen, welche dieser Lawine nahe wären, sei Wach⸗ 
amkeit nothwendig, diese koͤnnte jedoch zum Ver⸗ 
acht führen und der Verdacht endlich den Zusam⸗ 
nenstoß veranlassen. Seit dem Amtsantritt Salis⸗ 
zury sei indessen nichts geschehen, was andeute, 
zaß die Gefahr jetzt größer als früher wäre. Die 
englischen Botschafter in Paris und Berlin meinten, 
die Situation sei gegenwärtig nicht kriegerisch, eher 
ei sie friedlich. 
zeizupflichten, welche die Billigung aller Großmächte 
inde. Die Pforte verständigte Engländ, Rußland 
volle den Herzog von Leuchtenberg als bulgarischen 
Thronkandidaten aufstellaeenn. 
Newyortk, 27. Januar. Ver ‚New PYork 
Zerald“ berichtet über eine Unterredung mit einem 
(ürzlich von Rußland angekommenen Nihilisten, 
velcher nach seiner Angabe in der leßten Zeit sich 
in der Umgebung des Czaren befunden hat. Er 
agt, daß die Nihilisten thätig und gut organifirt 
eien und der Czar nach sechs Monaten ein todter 
Mann sein würde. 
Vermischtes. 
F Metz, 27. Januar. Die „Metzer Zeitung“ 
chreibt: Gerüchte und nichts als Gerlichte. Die 
heiden verflossenen Tage waren in unserer Stadt 
über die Maßen fruchtbar an aufregenden und 
durchweg sehr dunkel gefärbten Gerüchten, welche 
von Mund zu Mund liefen, bald auch zu angeb- 
lichen Thatsachen anwuchsen und bei Au und Jung 
zei Reich und Arm, bei Alt⸗ und Neumezgern ernste 
Beunruhigung hervorriefen. Wenn wir hier in 
Metz, ohne uns deshalb dem mindesten Gefühle der 
ANengstlichkeit zu überlassen, als die der franzbsischen 
Brenze zunächst gerückten Reichslandsbewohner dviel⸗ 
eicht etwas nervoͤser angelegt sind, als weiter rück⸗ 
värts situierte Städtebebollerungen, so mag das 
ielleicht verzeihlich sen. Nachdem nun aber neue⸗ 
tens aus Berlin die bündigsten Versicherungen ein⸗ 
jelaufen sind, daß die Wahrscheinlichkeit eines bal ⸗ 
zigen Kriegsfalles keineswegs vorliegt und selbst 
zas an sich ja bedenklich genug erscheinende Pferde⸗ 
Ausfuhrverbot lediglich als Schutzmaßregel, nicht 
in herausforderndem, angriffslustigem Sinne zu 
neuten ist, möchte es an der Zeit sein, auch unser⸗ 
eits zu einer kaltblütigeren Auffassung der Tages⸗ 
reignisse zurückzulehren, als dies in der ersten 
dälfte dieser Woche der Fall war. Es ist dies 
im so wünschenswerther, als sich im hiesigen Ge⸗ 
chaftsleben bereits ein empfindlicher Druck geltend 
u machen anfing, dessen Fortdauer herbeizuwunschen 
nan in Metz am allerwenigsten Ursache hat. 
7 Freiburg i. B. 27. Jan. Bei zwei hie⸗ 
igen Sozialistenführern fand heute Haus⸗ 
uchung statt. Darauf erfolgte, nach dem „F. J.“ 
)eren Verhaftung. — — 
7 Leipzig. Wie das ‚Leipz. Tagbl.“ mel⸗ 
»et, vecrsuchte kürzlich ein siebenjähriger Knabe in 
hiebichenstein sich zu erhängen. Der Kleine hatte 
ich einen an dem Tische befestigken Strick um den 
dals gelegt, wurde aber von Angehdrigen vor dem 
tische knieend, mit dem Kopf in der Schlinge, noch 
echtzeitig aufgefunden. Ueber sein Vorhaben be⸗ 
ragt. erkläͤrte das Kind, es habe sich dadurch dem 
erneren Schulbesuch entziehen wollen. 
7 In Hagen i. Westf. tritt der schneidige 
zreußische nationalliberale Landtagsabgeordnete 
d. Eynern der Kandidatur Eugen Richters 
ntgegen Herr v. Eynern hat um so mehr Aus⸗ 
icht dort gewählt zu werden, als Richter bei der 
etzten Wahl nur mit einer geringen Majoriiät 
zurchgegangen und der nationalliberale Kandidat 
'm dortigen Wahlkreise eine bekannie Personlich⸗ 
eit ist. 
Danzig, 27. Jan. Gestern Abend wur⸗ 
den hier 12 Sozialisten, darunier auch der 
ür die Reichstagswahl aufgestellte Jochem, nach⸗ 
em bereits am Montag zahlreiche Haussuchungen 
zattgefunden hatten, wegen Theilnahme an einer 
heimen Verbindung verhaftet. 
M 
cutsches Reich. 
Müuͤnchen, 28. Jan. Die Nachricht des 
„Gaulois“ wird hier von zuständiger Seite als 
inrichtig bezeichnet, eine Aufforderung an die deut— 
chen Bischöfe seitens des Papstes ist noch nicht 
erfolgt. 
Berlin, 28 Jan. Die soeben erschienene 
nspirirte Kreuzzeitung meint, die Einberufung der 
Keserven sei nicht in besorglichem Sinne aufzu— 
assen; es handelt sich vermuthlich um die Unter⸗ 
veisung der Mannschaften im Gebrauch des Re— 
netirgewehrs. 
»2land. 
London, 27. Jan. Die heute bei der 
Zarlamentseröffnung verlesene Thronrede be— 
eichnet die Beziehungen zu allen Mächten als 
reundliche. Die Königin befürchtet nicht, daß aus 
en noch nicht beigelegten Streitfragen wegen Bul⸗ 
zariens irgendwelche Störung des Friedens Europa's 
yervorgehen werde. Die Aufgabe der Regierung 
n Egypten ist noch nicht vollendet; aber es ist 
in wesentlicher Fortschritt zur Sicherheit der duße; 
en und inneren Rutze gemacht. Die Thronxede 
veist alsdann auf den systematischen Widerstand 
»er Pächter in Irland gegen die Zahlung des 
Pachtzinses hin und kündigt Vorlagen zu wirk⸗ 
amer Handhabung des Strafgesetzes in Irland an. 
London, 27. Jan. Dem Liverpooler Han⸗ 
zelsblatt zufolge, so läßt sich das „Fr. J.“ tele⸗ 
zraphiren, kaufen deutsche Händler auf dem Liver) 
»ooler Markte alle Vorräthe von präservirtem 
australischem Fleisch auf. Die franzoͤsische Re⸗ 
zierung bestellte, dem gleichen Blatte zufolge, 5 
Millionen Pfund geräuchertes Fleisch bei einer 
ẽhikagoer Firraa. 
London, 28. Jan. Dem „Fr. J.“ wird 
»epeschirt: Die „Times“ erfährt, die britische Re— 
rierung habe die Betheiligung an der Botschaf— 
er⸗Konferenz betreffs der bulgarischen Frage 
bafehnt. sich ⸗och hereit erklärt. einer Lösung