Full text: St. Ingberter Anzeiger

der Würzburger Centrums-⸗Wahlmänner wegen Ver⸗ 
fassungs⸗Verletzung einstimmig abgewiesea, da das 
Besetz die Nachwahl eines Wahlmannes nur bei 
Ersatzwahlen, nicht auch schon bei den Hauptwahlen 
vorschreibt. 
Würzburg, 11. April. Die beutige „Baher. 
Landesztg.“ wurde wegen eines Schmähartikels 
gegen die deutsche Kaiserin mit Beschlag 
belegt. 
Ausland. 
Paris, 10. April. Ein Freund Boulangers 
enthüllte heute einem Redakteur des „Soir“ die 
angeblichen Pläͤne des Ex Generals. Derselbe werde 
—XV 
die Revision der Verfassung beantragen. Wird diese 
perworfen, wie anzunehmen ist, so wird die Bou⸗ 
langisten⸗Partei eine Pression im ganzen Lande zur 
Kammerauflösung verursachen. Boulanger, bei den 
Neuwahlen in 30 bis 40 Departements gewählt, 
wird wieder Kriegsminister oder, da unter solchen 
Umständen eine Präsidentenkrisis wahrscheinlich ist, 
Praͤfident der Republik. 
Petersburg, 10. April. Ein Artikel des 
„Grashdanin“, der für Bismarck Partei nimmt, 
bezeichnet die projectirte Heirath des Battenbergers 
als eine englische Intrigue. Die Rückkehr des 
Prinzen nach Bulgarien würde zur Unabhängigteit 
des Fürstenthums und zum Conflict der Fesiland⸗ 
Mächte führen. Bismarck als weitsichtiger Patriot 
erkenne diese Gefahr und habe der Heirath schon 
im Jahre 1885 widersprochen. England werde 
die Entzweiung Rußlands und Deutschlands nicht 
gelingen. Bismarck handelte consequent, als er 
seine Demission anbot. Das englische Heirathspro⸗ 
ject müßte am Fuße des afghanischen Gebirges be⸗ 
antwortet werden. 
Petersburg, 12. April. Das „Journal 
de St. Petersbourg“ glaubt, eine neue hohe Stell⸗ 
ung des Prinzen von Battenberg könnte Restau⸗ 
rationsideen unter den Revolutionären erwecken 
und die friedlichen Beziehungen der Mächte in 
Frage stellen. Derartige mögliche Folgen seien mut 
dem Programm des Fürsten Bismarck und den 
friedlich und freundschaftlichen Versicherungen des 
Kaisers Friedrich kaum zu vereinigen. Deutschland 
werde sicherlich diese Folgen abwägen und verhin⸗ 
dern, daß die Beziehungen beider Länder, sowie 
der Allgemeine Friede gefährdet werde. 
Sofia, 10. April. Eine rumänische Procla⸗ 
mation empfiehlt die Ermordung des Fürsten Ferdi⸗ 
nand als bestes Mittel zur Beendigung der bul⸗ 
garischen Frage. 
New⸗York, 10. April. Karl Schurz reist 
morgen nach Deutschland ab. 
Sokale und pf e Nachrichten. 
*æ St. Ingbert, 13. April. Wie schon seit 
mehreren Jahren regt sich in unserer Arbeiterbe⸗ 
pölkerung mit Beginn des Frühjahrs die Auswan⸗ 
derungslust. So hörten wir, daß gestern etliche 
Familien die Reise nach Amerika angetreten haben. 
— (Für Militäranwärter.) Di⸗Stelle 
eines Sekretariatsgehilfen am Amtsgericht Rocken⸗ 
hausen. Gehalt 1072 Mk.; Kaution ist keine er⸗ 
forderlich. 
— Für die auf den 18. Mai einberufene Ge— 
neralversammlung der pfälzischen Eisen⸗ 
bahnen beantragt die Verwaltung die Ausgabe 
neuer Prioritäten, unter der Voraussetzung, daß die 
Regierung ihre Zinsgarantie darauf ausdehnt und 
zwar für Anlage von Doppelgeleisen bei der Lud⸗ 
wigsbahn um Mk. 8,991,000, der Maximilian⸗ 
bahn Mk. 2,170,000, der Nordbahn Mk. 1,580, 000; 
ferner von Mk. 1,622,300 der Ludwigsbahn für 
schmalspurige Localbahnen Ludwigshafen ⸗ Franken⸗ 
thal⸗Großkarlbach und Ludwigshafen- Dannstadter 
Höhe, sowie von Mk. 504,000 der Marximilian⸗ 
bahn für die normalspurige Localbahn Rohrbach- 
slingenmünster. 
— Landau, 12. April. Gesizzwechsel.) 
Die Bierbrauerei „zum Hirsch“ dahier wurde gestern 
von Frau Witwe Clauß, Besizerin der Stiftbrauerei, 
um 52.000 M. käuflich erworben. 
— Speyer, 10. April. Der südwestdeuische 
Stenographentag oder die diesjährige Wanderver— 
sammlung des südwestdeutschen StenographenVer⸗ 
bandes, welcher die Vereine und einzeln stehen⸗ 
den Mitglieder in der Pfalz, in Hessen, Baden 
und in den Reichslanden umfaßt, findet in Straß⸗ 
hurg am 2., 83. und 4. Juni l. Is. statt. 
— Sppeyer, 10. April. Die Stelle eines 
Rechners der städtischen Sparkasse mit einem Ge⸗ 
* 
yaltsbezuge von 2500 Mk. ist jetzt ausgeschrieben. 
Es wird eine Kaution von 15,000 Mk. gefordert. 
— Speyer, 11. April. Gestern Abend 
vurde der notarielle Akt über die Konstituirung 
der „Oberrheinischen Dampfschifffahrts-Gesellschaft 
Speyer“ abgeschlossen. Die Zeichnung der zu 
50,000 Macrk noch fehlenden 30,000 Mark er— 
olgte im Laufe des gestrigen Tages. Die Eröff—⸗ 
nung der Schifffahrt geschieht in kürzester Zeit. 
An die bei Notar Hepp stattgehabte gesetzliche Be— 
irkundung schloß sich die Generalversammlung der 
Aktionäre an zum Zweck der Wahl des Aufsichts⸗ 
athes. Es wurden in denselben gewählt die 
herren: Banquier Fr. Haid, Vorsitzender; Karl 
r5berhardt, stellvertretender Vorsitzender; Marx 
Idler, Kassier; H. Kaiser, Schriftführer. Als ge⸗ 
chäftsführender Direktor der Gesellschaft wurde 
derr L. Mülberger jun. gewählt. 
— Die Einführung eines Bierpfennigs für die 
5tadt Ludwigshafen war bekanntlich an dem 
Viderstand der Majorität des Stadtrathes gescheitert. 
Der nunmehr zur Einführung beschlossene Lo cal⸗ 
Dalzaufschlag setzt pro Hectoliter Malz eine 
Abgabe von 1Mtk. fest, also die gleiche Höhe, wie 
»ei dem sog. Bierpfennig. Wein wird mit 1Mk. 
20 ppffg. pro Hectoliter besteuert, außerdem wird 
eine Abgabe erhoben von eingeführtem Fleisch ꝛc. 
— Vom Rhein, 8. April. Kaum lassen sich 
die ersten Strahlen der Frühlingssonne blicken und 
chon zeigen sich wieder am Rhein Auswanderer 
in großen Schaaren. Fast kein Tag in der ver⸗ 
zangenen Woche verging, an welchem die rheinab⸗ 
värts fahrenden Personenschiffe nicht mit Europa⸗ 
müden reich bevölkert waren. Am verflossenen 
Freitag waren auf einem Schiff 145 Auswanderer. 
Die meisten derselben haben ihre ganzen Familien 
zei sich und kommen größtentheils aus Württemberg, 
dem badischen Oberland und der Nordpfalz. Das 
steiseziel ist größtentheils Amerika. 
— Edenkoben, 11. April. Die auf gestern 
einberufene Versammlung zur Berathung über die 
anläßlich des Besuches S. K. H. des Prinz— 
Regenten zu veranstaltenden Empfangsfeierlich⸗ 
leiten wurde durch Herrn Bürgermeister Völcker 
nit der Mittheilung eröffnet, daß nach amtlicher 
stachricht die Ankunft des hohen Gastes am Frei⸗ 
rag, den 4. Mai, Abends 8 Uhr 35 Min. am 
Bahnhof hier erfolge. 
Vermischtes. 
FMuünchen, 10. April. In heutiger Sitz- 
ing der Abgeordnetenkammer wurde die für die 
Beschäftswelt ꝛc. wichtige Frage der Aufhebung 
»der thunlichsten Beschränkung des Ha usirhan⸗— 
dels besprochen. Staatsminister Frhr. v. Fei⸗ 
litz sch erklärte, daß nach Auffassung der Staats⸗ 
regierung eine thunlichste Beschränkung des Hausir⸗ 
jandels im allgemeinen Interesse erwünscht sei. 
Diesen Standpunkt nehme dieselbe schon seit ge- 
aumer Zeit ein und habe demselben wiederholt 
Ausdruck gegeben, so durch Erhöhung der Steuer 
ur den Gewerbebetrieb im Umherziehen und eine 
Reihe von Erlassen an die Kreis-Regierungen. Die 
hunlichste Einschränkung sei schon früher beabsich⸗ 
igt gewesen und noch beabsichtigt, und wenn die 
dlagen trotzdem nicht verstummt seien, so liege dies 
heils an der Gewerbesrdnung, theils aber auch, 
wie er gestehen müsse, am Publicum. Die 
hayerische Regierung sei mit dem Antrage, die Be⸗ 
ürfnißfrage auch für den Inländer maßgebend zu 
nachen, nicht durchgedrungen. Der ambulante Ge⸗ 
werbebetrieb, der am Platze eine Niederlassung habe, 
falle nicht unter die Bestimmungen über den Hau⸗ 
sirhandel; ebenso sei der Verkauf auf Märkten und 
Messen freigegeben. Das Publicum sei leider noch 
so leichtgläubig, daß es den Hausirern lieber ab⸗ 
kaufe, als den seßhaften Händlern. Es müsse dem 
Publicum allmählich klar gemacht werden, daß es 
beim Hausirer theurer als irgendwo anders kaufe. 
Wenn an einem Locale den Haufirern durch An- 
schlag der Eintritt verboten sei und sie dennoch ein⸗ 
treten, so seien sie nach der Gesetzgebung strafbar 
und auch hievon müsse mehr Gebrauch gemacht 
verden. Man müsse den Hausirern das Leben so 
schwer als möglich machen, dann werde die Sache 
dald besser werden. Bezüglich der Abzahlungs- 
Beschäfte seien Verhandlungen im Gange, die 
offentlich nicht resultatlos verlaufen und die Mög⸗ 
ichteit geben würden, diesem Geschäftsbetriebe von 
Reichswegen Einhalt zu thun. Jedoch müsse auch 
sier wie beim Haufithandel das Publicum mitwirken. 
F München, 10. April. Gestern stand ein 
Offizier des Infanterie-Leibregiments, der Sekond⸗ 
eutenant Karl Graf Verrinde le 
vegen „Misbrauchs der Dienstgewalt 
Militärbezirksgerichte. Der junge —8 — 
am 3. Januar da. Is. beim Lrergenn 
meinen Notz, als dieser eine falsche Wendin — 
mit den Worten: „Bursche, passen Si— pr pi 
den Ohren gezogen, so daß Noß einen n al 
meter langen Riß mit starker Blutung —9* 
in Folge dessen drei Tage revierkranf wat, 
Verri hatte deshalb bereits vom Regimeneh 6 
deur zwei Tage Stubenarrest erhaln 36 
Irdre wurde aber vom Kriegsminhee 
zthoben und die Sache vor das —T 
zerwiesen. Graf Verti gibt an, daß * o 
zelegen habe, dem Notz Schmerz zu ben * 
zuch habe er, als er die Blutung demen, rn 
elbst die Meldung durch Nozz veranlaßt. 8 
ruditeur Baust betonte nun heute, daß n 
ungen von Untergebenen in keinen duen 
huldet werden dürfen. Der Vertheidigertn 
anwalt Angstwurm verlangte Zreisprhun 
eine Mißhandlung vorliege. Die —c 
ejahten die Schuldfrage, jedoch mit dem 9 
„ohne daß Schmerzgefühl oder eine Verlehun 
ichtlich habe verübt werden wollen“, nan 
Lieutenant zu drei Tagen Stubenarrest —E 
vurde. 
F. München, 11. April. Der kh. Mu 
amtsrichter Selling von Lichtenfels, duse 
Bemogeln im Kartenspiel berühmt geworden d 
nachdem er in zwei Instanzen freigesprochtn 
den, von der Disziplinarkammer am Obeth 
gerichte zu sechs Monaten Dienstessuspensin 
300 Mark Geldftrafe verurtheilt. 
F München, 11. April. Der puh 
regelmäßig wiederkehrenden sozialen Frühinge 
aomen gewordene Zufluß italienischer Arbeitn 
Deutschland, welchem der ebenso regelmaßig u 
zinn der rauhen Jahreszeit sich einstellende F 
luß entspricht, hat nunmehr seinen Anfon, 
nommen. Fast täglich bringen jetzt besonden 
veitertransportzuge der Gotthardbahn Tausenden 
die Alpen, die zum Theil allerdings schuqg 
chweizerischem Boden Halt machen, im Grohn 
veiter nordwärts wandern. Bekanntlich fu 
italienische Arbeiter auf deutschem Boden dih 
Verwendung zur Vornahme von Erdarbeiten 
dergleichen, überhaupt zu Verrichtungen ren! 
hanischer Natur, zu deren Bewältigung dien 
jeimischen Kräfte nicht hinreichen. 
Die Selbstmorde in Großstid 
eigen nach den Zusammenstellungen der statsii 
Uemter keine Tendenz zur Abnahme. So 
im vorigen Jahre auf 10,000 Seelen in br 
4,56 Selbmorde, in Dresden 4.08 in Han 
3,63, in Leipzig 3,28, in Wien 3,23, in Chr 
3,20, in Würzburg 8,01, in Nürnberg 260 
Breslau 2,83, in Berlin 2.67, in Augsburh! 
m München 2,82, in Altona 2,28 in Stur 
2. 15, in Magdeburg 1,99, in Elberfeld 1.7 
öln 1,46 und in Regensburg, 1,11. 6 
tand auch im Vorjahre an der Spitze, wie Ro 
zurg, Köln und Elberfeld am Sqhlusse der— 
Dresden und Augsburg zeigen seit 1884 ein 
Zunahme der Selbstmorde. 
In Ingolstadt hat sich der Second 
enant im Ingenieurkorps Max Schaupert in 
Wallgraben mittels einer auf die Brust ge 
ind dann entzündeten Dynamitpatrone erst 
Der Körper des Todten war furchtbar zerschu 
fWuürzburg, 10. April. Militaͤrhe 
ericht. Der Ersaßreservist des k. 17. JInfert 
stegiments in Germersheim, Heinrich b⸗ 
ediger Schuhmacher von Neustadt a. H., 
27. August d. Irs. zu einer 10tägigen Ut 
ingerückt, am 2. September unter Preisgabe mi 
jrarialischer Monturstücke von seiner Abth 
sesertirte, sich nach Frankreich begab und sit 
im 5. Februar ds. Is. wieder beim Reht 
tellte, wurde wegen militärischen Vergehen 
Fahnenflucht und Preisgabe von Dien stgegenft 
u 7 Monaten Gefängniß und zur Versetzun 
die 2. Klasse des Soldatenstandes verurthen 
Wegen gleichen Vergehens hatte sich zu vetan 
sen der Kanonier des k. 2. Feldattillerie n 
ahier, Johann Bopp, led. Backer von Kir 
1. E., welcher sich am 26. Juni 1886 von 
in Landau in Garnison liegenden Batterie 
nüchtig entfernte, sich in Frankreich, Italien 
der Schweiz herumtrieb und am 27. Fedbr. 
hei Lörrach aufgegriffen wurde. Er —8