Full text: St. Ingberter Anzeiger

xt. Ingberter Anzeige 
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Amtliches Organ des königl. Amisgerichts St. Ingabert. 
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— e αασανãæà*O X”æ 
M 109. 
26. Jahrg 
Politische Uebersicht. 
⸗Die „Kreuzzeitung“ brachte dieser Tage die 
m sich schon winig glaubliche Mittheilung, der 
daiser habe von der beabdfichtigt gew senen Reise 
gdas Saargebiet wegen der Bewegung unter 
hen Arbeitern im Stumm'schen Werke Abstand ge⸗ 
nommen. Wie dem gegenüber jetzt gemeldet wird, 
weiß man in den Stumm'schen Werken selbsi 
nichts von Unruhen. Es handelt fich bei den be⸗ 
üglichen Nachrichten nur um Verhetzungen, welche 
jon außen künstlich in diese Arbeiterschaften hinein- 
zeiragen werden sollten, bei diesen aber keinen An⸗ 
lang fanden. 
die aus dem nunmehr bekannt gegebenen Inhalte 
der beir ffenden Vorlagen genügend erhellt und es 
wird sich darum die neueröffnete Session voraus⸗ 
ichtlich zu einer besonders belangreichen gestalten. 
Begr iflich erscheint deshalb auch der in allen Krei 
sen der Nanon gehegte Wunsch, es möge die 
Sesfion einen ersprießlichen und normalen Verlauf 
nehmen und jedenfalls ist im Hinbdlick auf die 
unter den Reichsboten vorherrschende arbeitsfreu- 
dige und patrionsche Stimmung die Annahme, 
daß fich jener Wunsch erfüllen werde, voll ge⸗ 
rechtfertigt. 
* Dem kaum zusammengetretenen Reachstage 
praͤsentiren die Fraltionen der Freisfinnigen und 
der Sozialdemokraten bereits ein artiges Bouquet 
don Auträgen und Interpellationen. 
Die Sozialdemokraten beontragen die Aufhedung 
ammilicher Getreidezoͤlle und zahlreicher anderer 
Zöͤlle dom 1. Oktober d. J. ab und auch die 
Freifinnigen haben Anträge auf eine wesentliche 
derabsetzung der Getreidezoͤlle eingebracht, sowie 
noch verschiedene andere Anträge ang,kündigt. 
Außerdem liegen von freisinniger Seite Interpel 
lationen über den Paßzwang in Elsaß-Lothringen, 
Uber den Schweizer Niederlassungsvertrag, über 
die Strafvollstreclung bei poluischen Gefangenen 
aund über die Entscheidung in Zollstreinakei⸗ 
sen vor. 
*Die viel Staubd aufwirbelnde Frage der 
Fonversison der egyptischen Schuld 
teyt nach langwierigen Verhandlungen zwischen 
Frankreich, England und Egypien vor ihrer 
doͤsung. Den eigentlichen Streupunkt bildete die 
Forderung Frankreichs der Raͤumung Egyptens 
darch die englischen Truppen, denn nur in diesem 
Falle wollte Ftankreich der Conversion, an der 
Eangland das meiste Jateresse desitzt, zustimmen. 
Jetzt hat fich aber die franzoͤsische Regierung an⸗ 
ders besonnen, fie will Engliand mit dem Sultan 
Aber die Räumungsfrage unterhandeln lassen und 
tellt dafür gewisse finanzpolitische Bedingungen, 
die gpuischerseits, und also auch mit Einwilligung 
knglauds, angenommen worden find. Die seit 
einer Woche in Paris weilenden Bevollmächtigten 
æ*ãptens und Englands, Tigrane— Pascha und 
Balmer, machten der franzoͤsischen Regierung die 
ezügliche Minheilung und wird die formelle Er⸗ 
edigung der Converfions⸗Angelegenheit demnächft 
rxwartet. 
die Arbeiter und lehnt die Vorlage ab. Aba. 
Clemm tritt dieser Behauptung entgegen. Abg. 
Meyer meint, der Verfafser dieses Gesetzes hobe 
sich einen homunculus tonstruirt, anstatt sich 
m den besieherdeu Einrichtungen za halten. Er 
ieht einen juristisch gebildeten Vorsitzenden vor und 
vünscht die Ecweiterung des Wahlrechts und Aus⸗ 
zehnung desselben auf die Frauen und die Be— 
eitigung det Anwälte. Abg. Miquel befür⸗ 
vortet den Auseschlußz der Anwälte, die Befugnis 
Ur Gemeinden von der Gebührenerhebung Abstand 
u nehmen, wenn sie es wünschen, und die Ver⸗ 
agung der Berufung bis zu einer hohen Wertgrenze 
des Streitodjekts, will aber aus der Bestätigung des 
Vorfitzenden durch die Regierung keine Kardinal⸗ 
rage machen. Einzelne sudj ktive Bedenken könnten 
zarüber in den Hintergruud treten, wenn es ge⸗ 
tinge, auf rasche und billige, von beiderseitigem 
Bertrauen getragene Weise gewerbliche Streitigkeiten 
u schrichten. Abg. Winterer wänscht, die Ge⸗ 
verbegerichte möchten versuchen, als Einigungsämter 
zu wirken. Sigatssekreiut d. Boötticher hebt 
jervor, die Bestrebungen der Regierung bezwecten 
nur, eine Verbdesserung der Lage der Arbeiter. Ein 
Mißtrauen gegen die Arbeiner könne weder aus der 
VBorlage noch aus den bisherigen soziolpolitischen 
Bestr dungen der Regierung gefolgert werden. Bei 
)er Regierungs⸗Bistatigung des Vorsitzenden sei 
nur der Gedanke maßgedend gewesen, daß das 
53. werbegericht einen Teil der Odliegenhriten der 
dentlichen Gerichte auszuüuben hade. Das Ein⸗ 
zernehmen üder eine Rieihe von Einzelheiten sei 
eicht zu erzielen. Die Reügierung hoff, der Gesetz⸗ 
ntwurf werde die Arbeiterdewegung in ein rubiges 
Fahrwosser bringen. Die Vorlage wird einer Kom ˖ 
niffion von 21 Misgliedern überwiesen. Nächste 
Sitzung Montag 1 Uyhr. Dritte Lesung der Er⸗ 
jnzung der Gebührenordnung und Nach⸗ 
ragsetat für Kolonialzwecke. Dem Rechenage 
sing die Druckich ift: „Conférenco internationale 
roncernant ĩs règlement du travail aux Eta- 
blssements industriels et dans les Mines“ zu. 
Berlin, 9. Mai. Ein neues Werßzsusch 
über Ostafrikta ist dem Reichstage bisher nur an— 
zekundigt. Bis heune Abend war dasselbe noch 
nicht eingegangen. Die anderweitigen Nachrichten 
ziesiger Abendblätter find ungenuuu. 
Bern, 9. Mai. Gegenuber der Patiser Nach- 
icht, daß die Schweiz das einzige Land fei, 
velsches eine Fremdensteuer erhebe, wird zu⸗ 
ländigerseils gemeldet: Alle Nirderlafsungsbertiäne 
nit dem Auslande deruhen auf dem Gruudsatz, daß 
Fremde in den einzelnen Kantonen ebenso dehandelt 
verden, wie die einem anderen Kanton angehören⸗ 
)en schweizerischen Bürger. Diese können aber ge⸗ 
näß der Bundesverfossung (Arnkel 45, Ads. 6), 
im Niederlassungsorte nicht anders besteuert werden 
ils die Ortsdürger; es besteht somit keine desondere 
Fremdenst uer. 
Der Waadtländer große Rat genehbmigte 
zas Gesstz über die Gründung einer Universilät in 
Lausanne in seinen Haupibedingungen. 
Paris, 8. Mai. Großzes Aufsehen erregt das 
allgemein verbreitete Gerücht, der Staatsanwalt 
wolle gegen Lesse ps Antlage wegen g'setz⸗ 
widriger Vorgänge in der Panama⸗Angelegenheit 
rhehen. 
Paris, 9. Mai. In Verfolg des gestrigen 
Beschlusss der Deputirtenkammer bestimmie die 
Reqgierung, die Finanzinspektoren Massat. Jacquin 
·Der Wechsel in der obersten bayerischen 
deeresleitung kam nicht unerwartet. Schon 
m Vorjahre wurde, wie aus München berichtet 
dird, Herr v. Heinleth durch hartnäciige katar⸗ 
rhalische Liden an die Siropazen des letzten Feld⸗ 
juges und an seine vorgerückten Jahre gemahnt und 
schon damals glaubte man, den Ministerwechsel sich 
vollziehen zu sehen. General von Heinleth, welcher 
im 24. Oktober 1823 in München geboren ist, 
jeiette am 17. August des Vorjahres sein 80jähriges 
Dienst⸗Jubildum. Die Feldzüge 1866 und 1870 
bdis 71 machte d. Heinleih als Generalstabsoffizier 
mit, den ersteren bei der 4. Dwision, den letzteren 
ils Generalstabechef v. d. Tann's beim ersten 
Lme/⸗Korps. Die Verdienste Heinleth's in dieser 
ztellung find oft geschildert worden und bekannt; 
g̊ genügt, zu erwähnen, daß er geschmückt mit dem 
joͤchsten Ehrenzeichen, dem Militar⸗Max⸗Josef 
Dden und dem eisernen Kreuz erster und zweiter 
diosse aus dem Kriege heimiehrte. Am J. Mai 
1888 übernahm Herr von Heinleth das Kriegs⸗ 
Dinitterium. — Der neue Kriegsminißer, General⸗ 
—ILXR 
Pobember 1824. Im Jahre 1848 rat er in 
zayerische Dienste und kam 1870 in den General 
düb. Im Feldzuge 1870/71 war er als General⸗ 
jabsoffizier der 1. Dibifion thätig und erwarb sich 
as Eiserne Kreuz und den Wilitär⸗Max Josef⸗ 
Oden. Herr von Soff tling ist als energischer 
Soldat betannt, seine kriegswissenschaftliche Bildung, 
kine gewinnenden Umgangsformen befähigen ihn in 
ohem Maße zu der Stellung, zu der ihn jetzt 
Sernauen —A 
ufen. 
*Das Ereigniß der Woche, der Zusammen⸗ 
uit des neuen deutschen Parlamenis, 
t durch die dedeuisame Thronrede Kaͤlser 
bilhelms eine markanmie Umrahmung erfahren, und 
veit über die Grenzen des Reichs hindus zeigt sich 
ie tiese Wirktung dieser kansernchen Kundgebung. 
ithereinftimmend hebt z. B. die gesammte Prisse 
rnglandd und Osterrrich Ungarns unter Aus⸗ 
dauclen ¶rdßler Genugthuung den friedlichen Cha⸗ 
nhter der deutschen Thronrede hervor und betont 
hierbei namentlich die Starlung des inneren Ftie⸗ 
dens durch die Fursorge für die Arbeiter wie die 
ẽrhallung des Weltifriedens durch die weitere Ver⸗ 
wedrung der Prasenzstärke des deutschen Heeres. 
an der That läßt sich dieser friedliche Gruͤndton 
—⏑⏑ — 
ait lann sie mit unter die Friedenslkundzebungen 
von maßgebender Stelle eingereiht werden, welche 
de letzte Zeit erfreulicher Weise aufzuweisen hatte. 
Des berbie von ihr angekündigten Aufgaben für 
dn Richstag anbelangt, so sind es deren zwar 
aur verhälmißmäßig wenige, dafür ragen sie je⸗ 
vech durch ihr⸗ Wichtigkeit um so mehr hervpor. 
ED — ELEJ. 
Berlin, 9. Mai. Reichstag. Präfident 
d Levetzow teilt mit, daß das Reichstagspräfi 
zium heute Mittag 121/, Uhr vom Kaisec em⸗ 
fangen worden sei. Seine Majestät habe die Mel⸗ 
zung don der Konftituirung des Reichstages mit 
Zefriedigung entgegengenommen. Der Antrag Auer, 
as gegegen die Adgeordneten Kunert und Schippel 
chwebende Strafverfahren während der Seffion 
inzustellen, wird angenmmen. Erledigt wird 
odann die Ergänzungvorlage zu der Gebühren⸗ 
endnung für Zeugen und Sachverständige in 
rster und zweiter Lesung. Bei Beratung der Vor⸗ 
age über die Gewerbegerichte erklärt Abg. 
zachem (Zentrum) sich mit den Grundsätzen der 
dorlage einderssanden. Jedoch werde man mit ma⸗ 
etiellen Mitteln allein den sozialen Frieden nicht 
choffen. Es bedürfe dazu der Liebesthätigkeit der 
dirche, welche in vollständiger Gleichberechtigung 
nit dem Staate müsse wirken können. Abg. Tuntz⸗ 
ruer (Soz.) bemängelt die hohe Altersgrenze für 
as Wahlrecht als Ausdruck des Mißtrauens gedgen