Full text: St. Ingberter Anzeiger

ↄ* Augheyter Anzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amssgerichts St. Ingbert. 
ler „St⸗Ingberter ee erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn⸗ und Feiertage. 2 mal wöchentlich mit Unterhaltungs⸗Klatt und Mittwochs und * amstags mit 
mn strirten Seilagen. as Rlait kofet vierteljährlich 14 60 4 einschließlich Trägerlohn; durch die Foft bezogen 1.M 75 -, einschließlic 40 Zußtellungsgebuhr Die 
Aurüe?ungsgebühr far die 4gespaltene Garmondzeile ober deren Raum beträgt bei Inseralen aus der Pfalz 10 —, bei außerpfaltzischen und solchen aus welche die Expedition 
Auskunft ertheilt, Ib.⸗0, Neklamen 80 A. Bei 4maliger Cinrudung wird nur dreimalige berechnet. 
X 15. 25. Jahrg. 
Politische Uebersicht. 
Die Plenarberathung des Gesetzentwurfs 
hetreffend die Vereinigung der pfäl zischen mit 
der rechtsrheinischen ImmobiliarBrandver— 
jicherungs⸗-⸗Anstalt im bayr. Abgeordneten⸗ 
zjaus wird auf Wunsch des Min'sters Freiherrn v. 
Feilitzsch zurückgestellt, bis der Minister selbst wieder 
an den Berathungen theilnehmen kann. 
* In den westdeutschen Kohlen⸗ 
revieren gährt es wieder aufs Neue. Aus dem 
AXI 
daß die Bergleute neue Forderungen vordereiteten 
und sollen dieselben auf Einführung einer acht⸗ 
dtündigen Arbeitsschicht und auf Lohnerhöhung um 
b0 Prozent hinauslaufen. Da diese hoch⸗ 
gespannten Forderungen seitens der Grubenver⸗ 
valtungen schwerlich bewilligt werden dürften, so 
deht für Februar ein abermaliger allgemeiner 
Bergmannsstreik zu befürchten. Auch aus dem 
Aachener Kohlenreviere wird von einec Arbeiter⸗ 
bewegung verichtet. Die Bergleute haben hier 
iine ganze Reihe von Forderungen aufgestellt und 
soll hieruber eine besondere Arbeiter⸗Deputation 
mit der Direktion des Eschweiler Beigwerks⸗Ver- 
eins unterhandeln. 
»Der Reichsstag bemüht fich augenschein⸗ 
ich, angesichts der herannahenden Neuwaählen 
eine Arbeiten möglichst zu beschleunigen. Nach- 
dem er schon in voriger Woche den Marine⸗ 
ktat in der Spezialberathung mit zwei Sitzungen 
ibgethan, hat er in dieser Woche zur Erledigung 
des umfangreichen Militär Eiatzs gar nur einen 
Tag, die Montagsfitzung, gebraucht, denn das 
VDiertelstündchen, welches das Haus am Dienstag 
)em Reste des genannten Spezialetats widmete, 
iann eigentlich gar nicht gerechnet werden. Im 
weiteren Verlaufe der Dienstagssitzung räumte der 
Reichstag auch mit der schon lange schwebenden 
Angelegenheit der Wahl des nationalliberalen 
Vertreters für Waldenburg i. Schl., Dr. 
Websly, auf, indem er die Wahl fur ungültig 
erllärte. Die Mittwochssitzung geslaltete sich durch 
die Berathung von Antragen zu dem üblichen 
„Schwerinstage“ und füllte die erstmelige Lesung 
des Rickert'schen Antrages auf Abänderung des 
Wahlgesetzes zum Reichstag beinahe die ganze 
Sitzung aus. Der Antrag bezweckt haupisächlich 
einen besseren Schutz des geheimen Wahlrechtes 
und führten die bezüglichen Vorschläge zu einer 
Ausgedehnten Erörterung der wirklichen oder ver⸗ 
meintlichen Uebelstände im bisherigen Wahlver⸗ 
fahren im Reiche. Die Diskussion endete mu dem 
Beschlusse, die zweite Lesung des Rickern'schen An⸗ 
rages ebenfalls im Plenum borzunehmen. Schließ⸗ 
lich nahm das Haus noch die vom Abg. Rickert 
beantragte Nodeue zur Militärstrafgerichtsordnung 
endguttig an. In der Donnersiogsfitzung erledigh 
)er Reichstag die noch übrigen Theile des Reichs⸗ 
etats, welche bislang die zweite Lsung noch micht 
dassirt hatten. 
F Leider übermittelt der ostafrikanische Tele— 
graph eine betrübende Meldung; ihr zufolge 
tein dem, Besin den Emin Paschas plößz · 
lich ein Rückfall eingetteten, so daß sein Zuͤ⸗ 
tand eine abermalige Verschlimmerung aufwast. 
Es wäre ein Uberaus tragisches Geschick, wenn 
Kmin Pascha, nachdem etim Innern Afrikas so 
diele Gefahren überwunden, und nachdem er auch 
von seiner gegenwärtigen schweren Krankheit bei— 
nahe genesen war. derselben nun doch erliegen 
ollte; hoffen wir, daß die nächsten Meldungen 
iber Emin wieder günstiger lauten! 
* Der jüngste Sireik der belgischen Berg⸗ 
arbeiter gilt infolge der Nachgiebigkeit ihrer 
Arbeitgeber als beigelegt. Die Grubenb'esitzer der 
ebiere von Charleroi und Mons hielten am Montag 
n ersterer Stadt zwei Versammlungen ab, in deren 
rster beschlossen wurde, im Prircip in die Herab⸗ 
ninderung der Arbeitszeit einzuwilligen. 
* Die Verhandlungen der Ausgleichs⸗ 
'onferenz in Wien wurden gestern beendigt. In 
zechischen Kreisen herrscht eine befriedigte Stimm- 
ing über das Resultat derselben, auch die Errungen⸗ 
chaften der Deutschen werden als werthvoll be⸗ 
eichnet. Der deutsch böhmische Parteitag ist des⸗ 
jalb verschoben worden, weil vorerst die Ergebnisse 
der Konferenz dem Plenum der deutschen Abge- 
yrdneten vorgelegt werden sollen. 
* Das am Montag (13. Januar) gefeierte 
ufsische Neujahrsfest hat keinerlei politische 
dundgebung des Zaren, dafür aber zahlreiche Be⸗ 
oͤrderungen und Ordensauszeichnungen in den 
kreisen der höheren russischen Würdenträger ge— 
racht. Auch die Neujahrsbetrachtungen der Peters⸗ 
zurger Blätter sind weniger der großen Politik, als 
ielmehr den innern Angelegenheiten des Zarenreiches 
jewidmet und diese Zurückhaltung ist für die all⸗ 
jemeine Lage entschieden ein günstes Zeichen. 
Deutsches Reich. 
Berlin, 17. Jan. Reichs tag. Erste Lesung 
der ostafrikanischen Dampfervorlage. 
zamberger bekämpft die Vorlage. Er sagt, die 
Ddampferlinie werde so wenig rentiren wie die 
stafrikanische; die verlangten neun Millionen wären 
ein ins Wafsser geworfen. Durch die inzwischen 
rrichtete englische Linie über Aden-⸗Mombas sei 
dem Bedürfnis vollkommen genügt. Staaitssekretär 
Stephan erwidert, die Regierung sei bei der 
Borlage lediglich von gewissenhafter Erwägung der 
wirklich vorliegenden Interessen des Vaterlandes 
zeleitet. Die oflasiatischen und australischen Linien 
hätten sich ausgezeichnet bewähtt, und Verhandlungen 
vegen Verdoppelung der Linien seien mit dem 
„Lloyd“ eingeleitet; sogar die englischen S immen 
Zriesen die wahrhaft phänomenalen Erfolge der 
Zeutscheasiatischen Linie. Der „Norddeutsche-Lloyd“ 
jabe in den vierziger Jahren mit zwei Schiffen 
angefangen und besäße heute mehr als hundert. 
Die Hamburgamerikanische Packetfahrt entwickie fich 
ihnlich; alle Nationen wetteiferten, um in Afrika 
esten Fuß zu fassen. Es handle sich um ein volks⸗ 
hümliches Uaternehmen, welches das ganze Voll 
nit patriotischer Freude begrüßen werde. Hobrecht 
»eantragt, die Vorlage der Budgetkommission zu 
iberweisen und warnt, die Kolonialpoluik allzu 
ehr in den Parteistreit hineinzuziehen. Windit- 
orst hat zwar nichts gegen die Kommissionsberatung 
viderspricht aber der Bewilligung; nicht der Staat, 
ondern die Interessenten sollten das Geld für 
olche Unternehmungen schaffen. Der nächste Reichs— 
ag sollte die Sache prüfen. v. Helldorff ist für 
zie Vorlage, da die Dampferverbindung allgemeinen 
Interessen diine. Nobbe ist für Kommissions⸗ 
eratung; das Hauptinteresse der Kolonialpolitik 
iege in Ostafrika. Virchow ist auch für Kom⸗ 
nissionsberatung, da die Entwicklung der Handels— 
eziehungen zu Afrika nicht schlechthin auszuschließen 
väre, indessen sei die geforderte Summe zu hoch. 
dachdem Oeche 1häuser noch für die Vorlage 
ingetreten, wird dieselbe an die Budgethom⸗— 
nissron verwiesen. Das Haus erlediate schließ⸗ 
lich noch einzelne Petitionen. Nächste Sitzung 
morgen 1 Utzr; Rest der zweiten Etatsberatung; 
Wehrpflicht der Geistlichen. 
Berlin, 17. Jan. Die Budgetkommission 
des Reichstages berieth die Anträge der Abgg. 
Dw, Richter⸗Baumbach und Kalle, betreffend die 
Verbesserung der Lage der unteren Beamten. Sie 
ehnte die Anträge nach längerer Debatte ab und 
nahm den Antrag des Abg. v. Huene an, der 
Reichskanzler wolle: 1) spätestens in der nächsten 
Tagung einen Nachtragsetat vorlegen, demzufolge 
»ereits für 1890 91 eine angemessene einmalige 
Erhöhung der Bezüge der unteren und mittleren 
Beamten eintrete nund 2) demrächst ein dauernde 
Aufbesserung der Bezüge dieser Beamten von dem 
Ftats iahre 1891 92 ab herbeiführen. 
Ausland. 
London, 17. Jan. Kaiser Wilhelm 
rückte in einem Telegramme an den Herzog von 
Fambridge anläßlich des Todes Napiers seine 
iefgefühlte und aufrichtigste Theilnahme für die 
Fönigin und die ganze britische Armee aus. In 
stapier verlor die englische Armee einen ihrer tüch⸗ 
igsten Generäle und tapfersten Soldaten. Sein 
Broßvater und Vater schätzten die persönlichen mili⸗ 
ärischen Eigenschaften Napiers hoch. Der Kaiser 
interzeichnte das Telegramm als „Admiral of the 
leet.“ Der Herzog von Cambridge kele⸗ 
zraphirte an den Kaiser seinen herzlichen Dank 
London, 17. Jan. Der Meldung einer 
Telegraphen-Agentur zufolge wird Portugal die 
uropäischen Mächte zu einer Konferen z einladen 
uind falls dies scheitert, den langen Weg der Ver—⸗ 
sandlungen mit Großbritannien wegen der Gebiete 
wischen Nyassa und Zambesi einschlagen. Der neue 
Minister des Aeußzeren wird die diplomatischen 
Vertreter im Auslande entsprechend instruiren und 
hat schon den Berliner und Wiener Gesandten nach 
dissabon beschieden. 
Brüfsel, 16. Jan. (Kammer.) Der 
Finanzminister brachte einen Gesetzentwurf ein über 
die Errichtung einec Hilfskasse sür die Opfer der 
Arbeit anläßlich des Ragierungs⸗Jubildums des 
Königs. Der Grundstod soll zwei Millionen be⸗ 
ragen. 
Brüssel, 16. Jan. Neuerdings ist in meh⸗ 
reren Kohlengtuben der Umgegend von Char— 
deroi die Arbeit eingestellt worden. 
Bern, 17. Jan. General Herzog hat wegen 
hdohen Alters dem Bundesrath seine Entlassung als 
Waffenchef der Artillerie eingereicht. 
Paris, 17. Jan. Der morgen abzuhaltende 
Ministerrat wirdüber die Besetzung der Stelle 
»es Direktors der Post und Telegraphie entscheiden. 
kin Unterstaatssekretar soll, wie jetzt verlautet, 
nicht ernannt werden. — Heute wurde die Leiche 
»er Frau Kestner zum Bahnhofe übergeführt. 
Ftwa 3000 Personnen, darunter alle Minister, der 
Präsident des Senats, Abgesrdnete und die elsaß⸗ 
othringischen Vereine gahen ihr Geleit. Präsident 
Farnot hatte sich durch den Oberst Lichtenstein 
jertreten lassen., Reden wurden am Bahnhofe nicht 
zehalten. Um 6 Uhr ging die Leiche nach Thann 
m Elsaß ab. 
Paris, 17. Jan. Dem „Figaro“ ist aus 
dondon gemeldet worden, Portugal habe 
Ddeutschland gebeten, die Einberufung 
iner europäischen Konferenz zur Beileg- 
ang des englisch-portugiesischen Streitfalles anzu⸗ 
cegen. Diese Meldung findet hier Beachtung und 
vird, was den erwähnten Schritt Vortugals an—⸗