Full text: St. Ingberter Anzeiger

Sschon als Vube von 14 Jahren begleitete der Angeklagte 
einen Vater Samuel Levi auf den Viehhandel und. führte bald 
ein das Wort, ging auch spater meistens allein auf Len Han⸗ 
da und schloß Geschäfte ab, so daß man nicht anders wußte, als 
Herde die Sache auf gemeinschaftliche Rechnung des Angeklagten und 
rines Vaters betrieben. Darauf deuteten auch die desfallsigen 
Aeußerungen Beider und wurden dieselben auch öfters am Han— 
zelsgerichte Landau als Solidarschuldner aus abgeschlossenen Vieh⸗ 
handeln verurtheilt. In einer allda durch den Ackerer Jakob 
Feder UI. von Wilgartswiesen anhängig gemachten Klage gegen 
den Angeklagten /auf Zahlung von 156 fl. 85 kr Kaufpreis von 
2.Paar Stieren schwor Letzterer nun in der Sitzung vom 3. 
Mai vor. Is.: 1) daß er fragliche Stiere nur als Gehilfe seines 
dalers gekauft. 2) daß er mit diesem nicht gemeinschaftlich gehan⸗ 
delt, beziehungsweise 8) nicht mit diesem das Geschäft auf gemein⸗ 
chaftliche Rechnung geführt und 9 sich nie zur Zahlung des frag⸗ 
ichen Kaufpreises verpflichtel habe, endlich 5) daß er auch nicht 
z Tage vorher ein Rind und 50 fl. auf die Forderung zu geben 
dersprochen habe. Der darauf abgewiesene Kläger Becker machte 
die Anzeige bei der igl. Staatsbehörde und die gepflogene Unter- 
juchung ergab, daß gerade der Angeklagte die 2 Paar Stiere 
hon demseiben erhandelt, die Ausstellung eines Schuldscheins aber 
ange verschoben hatte, bis dieser endlich am 138. Febr. 1865 
von einem Schwager Beckers geschrieben wurde, der aber aus Ver⸗ 
sehen nur den Vater des Angeklagten als Käufer einführte. Der 
Angeklagte erklärte jedoch damals, dies thue nichts, es sei gerade 
so gut, er unterschreibe doch den Schuldschein; was er auch that. 
dle ihn aberdessen Vater unterschreiben sollte, weigerte sich die⸗ 
ser, und da er auch bald in Vermögensverfall kam, hielt sich der 
Berläufer an den Angeklagten, der auch öfters in Gegenwart von 
Zeugen die Schuld anerkannte und Zahlung versprach. Da— diese 
Zahlung aber micht erfolgte, kam die Sache vor Gericht und erst 
dier erllärte Levi sein Vater sei der Käufer und er habe bloß 
interschrieben, weil sein Vater nicht zu Hause gewesen sei und 
eine Unterschrift von diesem wie dessen eigene anerkanntwerde. 
Der Gerichtshof erkannte den Angeklagten des Meineids schuldig 
md veruriheilte denselben zu einer Zuchthausstrafe von 4 Jahren 
— 
Vermischtes. 
Zweibräcken, 2. März. Heute Vormittag von 92-10 
Uhr war auf hiesigem Marktplatze ein Strafpfahl aufgestellt, an 
welchem das Schwurgerichtsurtheil vom 26. Febr, abhin gegen 
den wegen Tödtung verurtheilten flüchtigen Friedrich Kappel, 29 
Jahre alt, Schmied von Rammelsbach, angeheftet wrde. Es ist 
dies der gesetzliche Vollzug von Contumazialurtheilen, welche eine 
Verbrechensstrafe aussprechen. 
4 Kommenden Mittwoch, 6. März, wird die für Mitteleu— 
ropa in diesem Jahrhunderte letzte ringförmige Finsterniß der 
Sonne eintreten. In unserer Gegend ist die Verfinsterung nur 
eine theilweise, doch immerhin beträchtlich, da sie zehn Zoll beträgt 
umd daher den größten, die in diesem Jahrhundert zu sehen wa— 
ren, zur Seite sieht. Die erste Berührung findet Vormittags 8 
Ahr 37 Minuten statt an der rechten Seite der Sonnenscheibe 
etwas nach unten, Die größte Verfinsterung tritt 20 Minuten 
nach 10 Uhr ein, der obere rechte Theil der Sonnenscheibe ist 
noch als schmale Sichel sichtbar. Die letzte Berührung links etwas 
nach oben, findet um 11 Uhr 42 Minuten statt. 
Gohes Alter.) Kronau (Baden). Am 20. Febr, starb 
dahier die ledige Maria Josepha Laubach in dem ungewöhnlich 
hohen Alter von 124 Jahren. Ueber ihren Geburksort ist nichts 
Raͤheres bekannt. Bis vor Kurzem war dieselbe noch gesund, 
munter und guter Dinge und konnte sich überhaupt nicht erinnern 
je krank gewesen zu sein. Selbst in strengem Winter war diese 
arme Person — welche ausweislich des Rathsprotokolls schon im 
Jahre 1855 als almosenbedürftig — 
ag gekleidet; ihre Nahrung, die oft aus einem Gemisch von allen 
möglichen Speisen in einem Gefäß bestanden, erhielt sie von mild⸗ 
thätigen Ortseinwohnern. 
p Die große Bär und Hermann'sche Druckerei in Leipzig, 
in welcher 13 Schnellpressen arbeiteten, ist am 10. Februar durch 
Feuer bis anf den Grund zerstört worden. Dadurch erlitt das 
aͤus dieser Officin hervorgehende in 60,000 Exemplaren verbrei— 
tete illustrirte Familienblaitte, Omnibus“ eine momentane Stock— 
ung, welche jedoch wie wir exfahren, darch das hilfsweise Eintre⸗ 
ten von. drei anderen Leipziger Buchdruckereien und energische 
Heaßnahmen Seitens der Verlagshandlung des. „Omnibus“ bald 
gehoben sein wird. J 
pSaarbrücken, 26. Febr. Die französ. Ostbahn-Gesell 
schaft wird während der Pariser Welt-Industrie-Ausstellung, jeden 
Donnerstag Morgen, wenn eine Betheiligung von mindestens 
100 Personen vorhanden ist, einen Special⸗-Train von Forbach 
ibgehen lassen, der am Freitag, Morgens gegen 6 Uhr in 
Paris eintreffen wird. Die Fahrpreise betragen für- die zweite 
Zlasse 27 Fr. 50 Ct., für die dritte Klafse nur“ 18 Fres. Be— 
kanmlich hal auch das preußische Handelsministerium Einrichtun⸗ 
jen gekroffen, um den Besuch der Ausstellung durch Ermäßigung 
bes Fahrpreises auf den diesseitigen Eisenbahnen zu erleichtern, 
indem alle unter Staatsverwaltungi stehenden Eisenbahnen ange— 
viesen sind, das Personengeld für Hin- und Rückreise in 1., 2. 
ind 3. Wagenklasse bis auf 50 prCt. zu ermäßigen, falls, die 
Anschlußbahnenen auf eine gleiche Ermäßigung eingehen, Die für 
)en bezeichneten Zweck auszugebenden Billets sollen 4 Wochen 
hültigkeik haben und auch eine Unterbrechung auf gewissen Zwi⸗ 
chenstation zulassen. Die Billets der franz. Ostbahncbaben 10 
Tage Gültigkeit. 
7 Cin wohlgemeinter Rath wird aus Paris mitgetheilt 
nelcher darin besteht, die Besucher der Pariser Universal⸗Ausstel⸗ 
ung darauf aufmerksam zu machen, sich bei Zeiten und minde— 
tens einige Wochen vor der Abreise eines Obdaches in Paris 
u versichern; denn trotz der vielseitig getroffenen Vorbereitungen 
ur Aufnahme der zahlreichen Fremden, wird mancher in dieser Beziehung 
Invorbereitete sich mit einem mangelhaften Nachtlager, vielleicht 
jar mit einem Sessel die Nacht begnügen müssen. Um diesem 
lebelftande abzuhelfen und um dem auswärtigen deutschen Publi⸗ 
um an die Hand gehen und nützlich zu sein, hat das Office 
JIniversél, Bonlevard Magenta Nr. 16 in Paris, dessen Besitzer 
in seit 24 Jahren in Paris ansässiger Deutscher ist sich veran— 
aßt gesehen, in den angenehmsten Stadttheilen von Paris meh—⸗ 
ere hundert, theilweise in Privathäusern befindliche, anständige 
Familienwohnungen contraktlich an sich zu bringen, welche zu den 
festen Preisen von 8, 4 und b Franken per Zimmer, reichere zu 
6,8 und 10 Franken täglich abgegeben werden können. 
7 Paris. Ein Prozeß aus der voraehmen Welt macht 
etzt hier viel Aufsehen. Der Herzog v. X. einer der ältesten Na— 
men Frankreichs, hatte ein colossales Vermögen durchgebracht und 
zlieben ihm nuͤr noch 15,000 Ir, Rente; damit konnte er aber 
sein Leben und Hauswesen nicht fortführen, er beschloß also zu 
—X——— 
rinirien Herzog eine reiche Frau zu finden. Endlich fand sich 
eine Familie aus industriellen Kreisen deren Tochter gern Herzo— 
zin sein wollte; die Hochzeit wurde gefeiert, der Ehecontract sicherte 
dem Herzog eine persoͤnliche Rente von 75,000 Fr. Ein hübsches 
Vermoͤgen und ein unerwartetes. Aber der Herzog wollte Geld 
ohne die Frau. Er verschwand also am Tage der Hochzeit selbst 
uud hinterließ nur folgendes Briefchen; „Werthe Dame! Sie 
haben Herzogin sein wollen. Sie haben mich um meinen Titel 
jeheirathet, ich Sie um das Vermögen, das der Contract mir zu— 
ichert und über welches ich frei disponiren kann. Wir lieben uns 
iljo nicht. So seien Sie denn Herzogin, lassen Sie mich reich 
ein, und jeder von uns lebe, wie es ihm gefällt. Ich lasse Sie 
rei, gwähren Sie mir die gleiche Gunst. Empfangen Sie die Ver⸗ 
ficherung der wahren Hochachtung Ihres getreuen Gatten und 
nein Testament, Herzog v. X.“ Ariiger und liebeswürdiger kann 
man nicht schreiben, dech aber sind weder die derlassene Dame noch 
hre Familie sehr entzückt davon, im Gegentheil, sie wollen die 
onderbaren Bedingungen nicht annehmen und haben einen Schei⸗— 
dungsprozeß angestrengt, in welchem die beiden berühmtesten Advo— 
raten plaidiren werden. 
— Schon seit längerer Zeit war man der Verbreilung falscher 
Joldener Zehn⸗ und Fünffrankenstücke von Genf aus auf der Spur. 
hor Kurzem ist es der dortigen Polizei endlich gelungen, die Falsch⸗ 
nünzer zur Haft zu bringen. Dieselben wurden in einem rings 
hon ärten umgebenen hübschen Hause auf dem Grand Pre ent— 
zeckt, in welchem sich im Keller ein sehr großes, schön gearbeitetes 
Mänzwerk vorfand, während in der ersten Etage ein Graveur⸗ 
Atelier und auf dem Boden die eigentliche Münzwerkstätte aufge— 
chlagen war. In letzterer wurden außer chemischen Ingredienzien 
Metallen und Matrizen für Fünf- und Zehnfrankenstücke noch 
eine große Anzahl falscher Goldstückr vorgefunden, so daß es an 
Beweisstücken zur Ueberführung der Uebelthäter, zweier Italiener 
und eines angeblichen Dieners, nicht fenlt. 
F In England hit man Schieß-Papier papierpoudre, er⸗ 
funden. Es wird bereitet, indem man gewöhnliches Papier in 
eine concentirte Aufloͤsung von Kupfer-Salpeter, Chlorate, blau— 
gesäuerte Potasche und Cromat-Potasche taucht; dazu kommt dann 
noch Kohle und Stärkmehl. Die in London damit gemachten 
Frperimente haben gute Resultate geliefert; es entzündet sich nur 
in Berührung mit Feuer. Man kennt das Gefährliche der Mani— 
zulation mit unserm Pulver, und daß die Schießbaumwolle bei 
iner Temperatur von kaum 60 Graden sich schon entflammt. 
die Einführung des Papier⸗Pulvers bann uns denmnach vor vielen 
chrecklichen Katastrophen bewahren (aber leider noch nicht vor Krieg)