Full text: St. Ingberter Anzeiger

Berlin, 7. Mätz. Der Prinz Friedrich Karl hat am! 
3. März den italienischen Geschäftsträger, Grafen Puliga, jn be⸗ 
onderer Audienz empfangen und aus dessen Händen die Insig⸗ 
nien des, St. Annunciaten-Ordens nebst einem von dem König 
von Italien an ihn gerichteten Schreiben entgegengenommen, in 
welchem letzteren der König hervorhebt, daß dieser hohe Orden 
hem Prinzen für den so ruhmreichen Antheil an den militärischen 
Thaten des verflossenen Jahres und als ein besonderes Zeichen 
hoher Achtung und Freundschaft von Seiten des Königs von Ita— 
ͤen verliehen worden sei. — Wie mir mitgetheilt wird, ist der 
Artikel der „Prov.⸗Corr.“ über die den Staatsanwaltschaften und 
den Polizeibehörde ertheille Anweisung, nur bei wirklichen Ver—⸗ 
styßen in Betreff der Berichterstattung über die Verhandlungen 
des Reichstags einzuschreiten, falsch verstanden. Das Einschreiten 
ist nicht der discrelionären Gewalt dieser Beamten anheimgegeben. 
Sie sind vielmehr angewiesen, in jedem einzelnen Falle zuvor, 
ehe sie einschreiten, höhern Orts Beticht zu erstatten. — 
. Berlin. 8. März. Mau versichert dex Antrag auf An⸗ 
nahme des Bundesverfassungsentwurfs en bloc werde nicht mehr 
beabsichtigt. 
Wilen, 6. März. Preußen hat jetzt, nach Anleitung des 
betreffenden Schlußprolokolles, die officielle Mittheilung hierher 
gemacht, daß die Hinternisse, welche dem Abschlusse eines revidir— 
en Zolldertrags entgegengestanden, noch nicht gehoben seien. Oe— 
sterreich hat, unmter gleichzeitiger Betonung der unerläßlichen Nö— 
thigung, in jedem Fall endlich Klarheit in die Lage zu bringen, 
diese Mitteilung dem Vernehmen nach dahin erwidert, daß die 
gsterreichischen Bevollmächtigten noch vor Ostern aus Florenz zu— 
rück und dann jederzeit zur Wiederaufnahme der Verhandlungen 
bereit sein würden, deren Ersolg durch Schwierigkeiten diesseits 
nicht bedroht seii. 
Wicen, 8. März. Der Ministerrath beschloß gestern, ohne 
Kücksicht auf die Landtagsoppositjon, die Reçxutirung in diesem 
Jahre schon auf der Basis der allgemeinen Wehrpflicht vorzunehmen. 
Wien, 8. Mürz. Die heute Abend ausgegebenen Zeitun—⸗ 
gen melden: Das Staatsministerium ist aufgehoben uund das Mi— 
nesterium des Innern für die nichtungarischen Länder eingerich— 
jet. Graf Taaffé ist zum Minister des Innern und Baron Beke 
zum Finanzminister ernannt .. J 
— Wien, 9. März. Die „Wiener Abendpost“ dementirt die 
durch Tagesblätter wiederg egebenen. Verordnungen— des Ofener 
Generalcommandos insofern, daß jede Deutimge welche im Wider⸗ 
spruch mit dem kaiserb⸗ Rescript vom 18. Febr. und der Hand 
schreiben vom 19. Febr.“stehe und Mißtrauen zwischen der ober 
sten Militärbehörde und dem ungatischen Ministerium ausstveuen 
könne, weder⸗ den Intentionen jener, noch der Sachlage ent⸗ 
spreche (Allg. 3.), en e 
Pesth, 7. März. Unterhaussitzung.“ Tisza interpellirt 
den Ministerpräfidenten Grafen Andrassy, was et über die Ent— 
stehung der beiden Armeeverordnungen der Generalcoommando's 
in Ofen wisse und welche Stellung das Ministerium ihnen gegen⸗ 
uͤber einzunehmen gedenke? Andrassy erwidert, das Ministeriun 
habe keine amtliche Kenntniß von den Schriftstücken. Das Mi— 
nisterium kenne seine Competenz und halte sich daher blos an das 
Rescript Sr. Majestät, könne deshalb den beiden Erlassen auch 
keine Wichtigkeit beilegen. Betreffs der Einreihung der Recruten 
in ungarische Regimenter wiederholt Andrassy seine frühere Zusa— 
ge und verspricht überdies Schritte gegen die beiden Erlässe. Tis- 
za erklärt sich bis dahin zufrieden. (Allgemeine Zustimmung.) 
Frankreich. 
Paris, 8. März. Das Militärproject fixirt die Dienst- 
zeit im stehenden Heere auf 5 Jahre und in der Reserve auf 
4 Jahre. Junge Leute. die nicht im stehenden Heere dienen, 
tommen während der Dauer von 4 Jahren zur Reserve und ge— 
hören dann weitere 5 Jahre zur mobilen Nationalgarde. Zur 
letzteren kommen auch die von allem Militärdienst Befreiten und 
die in der Reserve dienenden jungen Leute. Die gegenwärtig noch in 
der Armee dienenden Soldaten haben nach Ablauf ihrer Dienst⸗ 
zeit noch zwei Jahre in der mobilen Nationalgarde zu 
dienen. 
Paris, 9. März. Der Marineminister hat, wie der kleine 
Moniteur meldet, von dem Gegenadmiral de la Roncière nach— 
tehende von Vera⸗Cruz, 28. Febr. datirte Depesche über New— 
Orleans erhalten: „Sechstausend Mann sind eingeschifft und 
abgefahren. Der Gesundheitszustand ist gut. Ich hoffe, daß die 
Räumung am 8. März vollendet sein wird.“ 
Paris, 10. März. Der heutige „Moniteur“ theilt mit, 
daß der Marquis Chateaurenard zum französischen Gesandten am 
vürttembergischen Hofe zu Stuttgart ernannt worden ist uud daß 
zer bisherige französische Gesandte zu Stuttgart, Graf de Dam 
emont, nach Brasilien gehe. 
4 
9. Englaund. 
Londonz A März., Dem' Dämon des krnischen d Wahn- 
sinnes haben leider blutige Opfer? gebracht werden müssen. Die 
segierung fühlte fich durchaus sicher, da sie —*8— von 
sedem Anschlage und jedem Ereignisse durch Spione frühzeitig ge⸗ 
ug benachrichtigt zus werden. So begann sie denn auch seit der 
Verhaftung des Generals Massey, bei welcher durch begleitende 
Umstände vielfacher Verdacht erregt wurde, sofort umfangreiche 
Borsichtsmaßregeln zu treffen, indem sie von Dublin und Cork auß 
Truppen nach mehreren Richtungen ahsandte. Am Dienstag Abend 
zersammelten sich auf einem Platze Dublins Hunderte verdächtiger 
Menschen. Sie waren mit Pistolen, Büchsen, Säbeln, Dolchen 
zewaffnet, meist junge Leute von etwa 20 Jahren. Dreißig der⸗ 
elben wurden von der Polizei arretirt, worauf die iübrigen in der 
stichtung nach Tallaght abmarschirten. —Bei letzterem Orte, etwa 
7 englische Meilen von Dublin, kam es zu einem Zusammensto⸗ 
zen zwischen 200 Constablern und etwa 1000 Feniern von de— 
ien einige Feuer gaben. Die Polizei erwiderte das Feuer; fünf 
Fenier wurden verwundet, einer getödet und 83 gefangen genommen, 
ugleich sechs Wagenladungen fenischers Munition erbeutet. Unter⸗ 
yessen ward Lord Strathnairn mit einnem Hochländerregiemente 
ind mehreren Geschützen ausmarschirt, um der Polizei zu Hilfe 
‚u kommen; er schickte am Mittwoch Morgen gegen 200 gefangene 
Fenier nach Dublin. In Drogheda bemächtigten selbigen Tages 
die Fenier sich des Markthauses und feuerten aus den Fenstern 
ruf die Polizei. Doch blieb die letztere in der Uebermacht und 
zahm vierzig Aufrührer gefangen. Bei Kilmalloch wurde eine 
Zolizeistation von 200 Feniern angegriffen; die 22 Constabler 
zertheidigten sich mit ihren Fenerwaffen, und nach dreistüudigem 
dampfe räumten die Angteifer den Platz mit Zurücklassung von 
14 Gefangenen und 8 Todten: auch fielen der Polizet 40. Vvan⸗ 
jsen und 20 Doppelgewehre in die Häuder Aehuliche Scenen und 
einzelne Verwundungen ereigneten sich an den Polizeistationen bei 
dilbaha und Ardagh; bei Middleton in der Grafschaft Kork wur 
de ein Costabler erschossen, einer werwundet nud zwei andere mit⸗ 
Jeschleppt; bei Castlemartyr mußten die Fenier sich, nachdem ihr 
Anführer gefallen, zurückziehen. 22 
Cork, 8. März. Die auf die Verfolgung der Empörer aus⸗ 
gesfandten Truppen sind zurückgekommenn Die Empörer, welche 
Ballincollig dreitansend an der: Zahl bedrohten, sind entflohen. 
Die Truppen haben keinen einzigen Gefangenen gemacht. 
Dublin, 8. März.Die Fenier, welche sich auf dem De⸗ 
rils-Gebirge versammelt hatten, fünfzehn Meilen von Tipperary, 
sind botr den Truppen zersprengt wordentei n * 
Dubliem, 9. März. In der letzten Recht⸗igingen“ etwa 
3000 Empsrer auf den Weg, um sich nach der amweit ECoork 
defindlichen Pulverfabrik zu begeben, bei Aunäherung der Truppen, 
aber zogen sie sich zurüuch. ι — —— 
Es sind Verstärkungen nach Tipperary entsandt worden, wo 
nan einen Kampf erwartet. 21 , 
Die Fenier eoncentriren ihre Macht zwischen Limerik und Cork. 
Der Freman“ von Dublin veröffentlicht einen Artikel, worin 
gesagt ist, der Fenianismus habe noch nicht seine schreckliche Onr 
ganifation gezeigt... —— 
London 9. März. Walpole erklärt, die Verhängung des 
Kriegsrechtes über Irland fei noch nicht beschlossen; Reuigkeiten 
seien unerheblich. Dublin sei ruhig; Fenierbanden ständenbei 
dimerick und haͤtten Waffen aus Pächterhäusern geraubtu:—Im 
Iberhause wirft der Herzog von Argyhll den englischen Ktriegs⸗ 
chiffen Ungastlichkeit gegen kretische Flüchtlinge vor. Lotd Derbdy 
habt die Nothwendigkeit strenger Neutralität in diesem von griechi— 
scher Seite angestifteten und genährten Aufstande hervor und be⸗ 
obt die Mäßigung der Türkei und ihre Bereitwilligkeit, den Be⸗ 
chwerden der Kreter abzuhelfen. —, 
Italien. 
Nom, 2. März. Den erst nachtheiligen Eindrücken der Ne⸗ 
de Napoleons auf die römischen National-Lieberalen sind nach und 
nach beruhigendere Erwägungen gefolgt, welche nun die Presse 
in allen Einzelnheiten weiter ausführt. Sie erklären sich demnach 
uͤr überzeugt, er werde die legitimen Wünsche und Forderungen 
her heutigen päpstlichen Unterthanen nicht zu den gemeiunen Atten⸗ 
aten der Demagogie wider die weltliche Herrschaft des heiligen 
Stuhles werfen. Daß diese Stimmung die Regierung beängstiget 
liegt auf der Hand. Von denen, welche am Ruder stehen und 
nur von Represivmaßregeln Hilfe erwarten, wird nach allen Sei⸗ 
en hin polizeilich gearbeitet; die Verhaftungen auf blosen Ver⸗ 
zacht hin mehren sich täglich. In amtlichen Kreisen spricht man 
pon 132, die in dieser Woche vorgelommen wären. 
Florenz, 8. März. Prinz Humbert wird im Monat 
April einige Hauptstüdte Europas besuchen und sich nach Paris, 
Berlin, Petersburg und Wien begeben. Der Tag seiner Abreise 
st noch nicht festgesetzt.