Full text: St. Ingberter Anzeiger

1866 das Siegel der englischen Gesandtschaft erbrachen und 
gewaltthätig die Koffer derselben öffneten, um mehrere Millionen 
— 
hörig, bestimmt waren, die Dividenden der englischen Schuld zu 
zahlen, wegzunehmen. Diefe Millionen verschwanden plötzlich. 
Kiemand als die Generale Marquez und Miramon, thätig unter⸗ 
ffützt vom General Moran, der auch Mitglied von Ew. Majestä 
Regierung ist, hat die im Jahre 1859 in Tacubaga und den be⸗ 
nachbarten Orten begangenen Mordthaten an friedlichen und wehr⸗ 
losen. Meuschen zu verantworten. Es ist nicht unsere Sache, in 
unserer gegenwärligen Stellung zu sagen, ob es politisch oder 
menschlich sei, einen so nutzlosen Widerstand fortzusetzen, welcher 
Interessen gefährdet, die Ihrer Sorge wohl werth sind. Aber es 
ist unsere Pflicht, im Namen des Gesetzes wirksamen Schutz für 
die Unterthanen unserer Regierungen zu verlangen, und dieser 
Schutz kann nur durch die Entlassung der genannten Offiziere er⸗ 
langt werden; und sollte diese Entlassung unmöglich sein, so er— 
fordert es unsere Pflicht zu proiestiren — (wie es hier von uns 
geschieht) — gegen alle etwaigen Acten der Gewaltthätigkeit, die 
gegen Personen oder Eigenthum gedachter Unterthanen begangen 
erden sollen.“ Das Actenstück trägt die Unterschriften des fran— 
zösischeu, preußischen, spanischen, belgischen, englischen und italie— 
nischen Gesandten, 
Vermischtes. 
1 3weibrücken, 23. April. Bei der heute Nachmittag 
durch den hiesigen Stadtrath vorgenommenen Wahl eines Bürger⸗ 
meisiers wurde der seitherige 2. Adjunkt Herr Keller zum Bür⸗ 
germeister und an die durch diese Wahl erledigte Stelle eines 2. 
Adjunkten Herr J. Bruch gewählt. 
4 Zweibrücken, 25. April. Diesen Nachmittag um 28 
Uhr ereignete sich bei dem Abbruch des Thurmes der ehemaligen 
Marimilianskirche ein Unglücksfall, indem der Baumeister und 
Mitunternehmer Jacob Philipp von Hornbach durch einen herab⸗ 
geworfenen Stein erschlagen wurde. 
FBei einer am 20. ds. auf Wildschweine veranstalteten 
Treibjagd wurde im Gemeindewald von Hengstbach von dem 
Ackersmann Konrad Klein von Mittelbach ein Keuler, 200 Pfund 
schwer, erlegt. 
Wiesbaden,. 215 April. Die herzogliché Familie von 
Nassau wird demnächst ihren Aufenthalt in der Schweiz nehmen 
Stuttgart, 20. April. Wie man hört, will die Re— 
gierung die Errichtung der Apotheken frei geben. EEine nicht un⸗ 
„edenkuͤche Maßregel!) 
1, 7 Breslau, 18. April. Vorgestern starb auf seinem 
Schlosse Otimachau an einem Herzübel im kräftigsten Mannes 
alter der Freiherr Wilhelm v. Humboldt-Dacheröden, der Sohn 
des genialen Gelehrten und edlen Staatsmannes Wilhelm v 
Humboldt. 
Wien. Der Humorist Oettinger gibt folgende Charakteri— 
ttik der europäischen Hauptstädte: Amsterdam marchandirt; Athen 
conspirirt; Berlin medisirt; Brüssel debattirt; Dresden achherrjeet 
»der wundert sich; Dublin bettelt; Edinburgh träumt; Florenz 
zafft; Frankfurt zählt; Genua lacht; Hamburg ißt; Hannover 
schläft; Kassel schnarcht; Konstantinopel badet sich; Kopenhagen 
schminkt sich; Leipzig liest (aber blos sein Tageblatt); Lissabon 
schmollt; London gähnt; Lyon arbeitet; Madrid raucht; Mainz 
freut sich auf den Carneval; Manchester packt; Mannheim flucht; 
Marseille singt; München trinkt; Neapel schwitzt; Parlermo fächelt 
ich Kühlung zu; Paris plaudert; St. Petersburg schweigt; Pesth 
chwatzt; Rom betet; Stockholm amüsirt sich; Turin schmückt sich; 
Venedig liebt; Warschau seufzt; Wien verdaut. 
Paris. Die preußische Riesenkanone aus der Krupp' 
schen Fabrik in Essen ist bereits gestern hier angekommen. Man 
begann sofort mit der Aufstellung, konnte jedoch heute mit dem 
riesenhasten Mordinstrumente noch nicht fertig werden. Dieser Ka— 
nonen-Leviathan übertrifft in der That alles andere seinesgleichen 
in der Ausstellung. 
ꝓ Eine ergötzliche Episode erzählen Pariser Blätter bei Ge— 
legenheit der Eröffnung der Ausstellung. Der Gesandte Siams 
Jatte sich beim Herannahen des kaiserlichen Paares platt auf die 
Erde gelegt und verlangte absolnt, daß der Kaiser und die Kai— 
erin uͤber seinen Rücken hinwegschreiten sollten. Da dies jedoch 
nicht geschah, so kam das ganze kaiserliche Train zum Stillstand 
und man mußte dem siamisischen Krieger verständlich machen, daß 
die Majestäten nicht geneigt seien, sich über seine Person hinweg- 
usetzen. Als aber alles gütliche Zureden nichts half, ergriffen 
einige handfeste Beamten den edlen Mandarin, hoben ihn in die 
Luft und stellten ihn wieder sanft auf seine Beine nieder. 
Paris, 23. April. Ueber eine kleine Kupferkanone des 
Obersilieutenants Martin de Brettes gehen mir die folgenden ver— 
aßlichen Data zu. Herr Martin de Brettes war in der vom 
daiser vor einem Jahre in St. Cloud gegründeten Feuerwaffen— 
Fabrik unter Leitung des Generals Fayé, Commandanten der 
jolytechnischen Schule beschäftigt. Das Geschütz besteht aus drei 
idjustirten Theilen, die getrennt in verschiedenen Manufacturen 
ingefertigt werden. Die in den Festungsgräben in Paris neuer— 
ings angestellten Versuche sollen ganz uüͤberraschende Resultate er— 
jeben haben, die der Zerstörung einer ganzen Bataillonsfront 
zurch nur eine Ladung eines einzigen Gefschützes gleichzuachten ge— 
wesen seien. Die Projectile sind Standrohrkugeln (. hiscalers.“), 
deren sichere Treffähigkeit sich bis auf 1800 — 2000 Meter er— 
ttreckt. Vermittelst einer sehr ingeniös eingerichteten Drehscheibe, 
die ein Artillerist handhabt, sei man so im Stande, 40 bis 50 
Schüsse in der Minnte (7) abzufeuern. Bei den nahe von Mon⸗ 
rouge abgehaltenen Versuchen war die Kupferkanone mit einer 
dülle bedeckt, so daß die Anwesenden wohl die zerstörende Wir— 
ung, nicht aber das Instrument sehen konnten, das dieselbe her⸗ 
jorgebracht. 
fBern, 17. April. Die Seen von Murten, Biel und 
deuenburg schreibt man aus jener Gegend, bilden zur Stunde 
einen einzigen See. Vor einigen Tagen war der Wasserspiegel 
5 Fuß über dem gewöhnlichen Niveau. Links an der Landstraße 
ist Alles bis nach Nidau unter Wasser; rechts davon erstreckt sich 
die Wasserfläche eine Stunde weit. Der Torfstich ist hier dieses 
Jahr rein unmöglich, ebenso ist auch keine Aussicht auf eine Heu— 
ernte vorhanden. Somit ist für jene Gegend fast Alles verloren. 
Wie schon einmal bemerkt, erinnert man sich eines solchen Wasser⸗ 
standes seit 1818 nicht mehr; den der Jahre 1831 und 1852 
läßt er weit hinter sich. 
xNeger! Die neueste Statistik der Negerbevölkerung New— 
Yorks spricht durchaus nicht für die beliebte Theorie von der 
gJeistigen Unfähigkeit der farbigen Race. Die Neger, jetzt nur 
10,000, vor 16 Jahren 16,000 an der Zahl, gehören zu den 
riedlichsten und ordentlichsten Einwohner der Stadt und stehen 
n dieser Beziehung hoch über den dortigen Irländern. Unter 
hnen sind 20 Geistliche, ebensopiel Aerzte und Apotheker, 2 Notare, 
2große Kaufleute, 1 Advokat, 50 Schullehrer, 6 gewerbsmäßige 
Redner, 25 Musiker, 20 Schuster, 30 Schneider, 500 Kutscher, 
90 Wirthe, 2300 Kellner, Köche und dgl., 400 Anstreicher, 500 
Wäscherinnen, 100 Ammen, 20 Weissager, 200 Prostituirte und 
250 Diebe. Zwei Zeitungen werden von Farbigen herausgegeben 
und eines schwarzen Poeten erfreut sich die Stadt. Dreizehn Ne— 
ger sind im Besitze eines Vermögens von mehr als 40,000 Dol⸗ 
kars. Der Schulen für Neger gibt es sieben. Man zählt 82 
Ehen zwischen Schwarzen und Weißen und obwohl die Irländer 
im lautesten ihre Feindschaft gegen die Neger an den Tag legen, 
sst doch der eine Theil in fast allen Mischehen irischer Abstim— 
nung; so nahe berühren sich Haß und Liebe. Die besten Köche 
ind die besten Diener und Mägde sinden sich in den Vereinigten 
Staaten unstreitig unter den Farbigen. 
4 Ein Lokalblatt Cincinnati's theilt folgendes Curiosum mit: 
Am Samstag Abend kündigte die Congregation der christlichen 
AInitarier in Hoplings-Hall an, daß sie in Ermangelung eines 
eigenen Pastors den Oberrabiner der Synagogen von Broadway 
und Sirthstreet, Herrn Dr. Max Lilienthal, ersucht habe, auf der 
hristlichen Kanzel aushilfsweise zu fungiren und in der Kirche 
zu predigen. Se. Ehrwürden waren so gefällig, dem Ansuchen 
zu willfahren! Die Kirche war gedrängt voll, da man den Rabbi 
zu einem christlichen Auditorium sprechen und für Christen und 
nit denselben beten hören wollte. Nach dem üblichen einleitenden 
Besange bestieg der Rabbiner die Kanzel und hielt ein Gebet, in 
velchem er von der Zusammengehörigkeit und Gleichheit der Men— 
chengeschlechter sprach, zum Schlusse das Herannahen des Zeite 
ouͤnktes erflehend, der alle Menschen von Irrthum befreit und nur 
einen Gott anbetend zeigen würde. Es wurde sodann statt des 
Fobangeliums das fünfundvierzigste Capitel Jesaias vorgelesen, 
vorauf der Rabbi eine Predigt über die religiöse Freiheit hielt; 
Bewissensfreiheit hieß es in der Rede ist nur da öglich, wo 
Ztaat und Kirche vollkommen von einander getrennt sind.. 
— Der kürzlich in Cincinnati verhaftete Falschmünzer, Karl 
Urich, den ein Washingtoner Blatt den König der Falschmünzer 
renni, ist ein Deutscher. Col. Wood, der Chef der geheimen Fi— 
ranzpolizei, war ihm seit einigen Monaten auf der Spur. Alrich 
jesteht zu, daß er den Credit der Regierung zu ruiniren bezweckte, 
indem er seine Fälschungen massenhaft an den Markt bringen 
vollte. Sachverständige erklären seine Nachahmung der 100 Dol— 
ar Noten der National-Centralbank von Boston und der Natio— 
ialzCentral⸗Bank, von New-York für die vollkommenste Fälschung, 
velche jemals geliefert worden. Man glaubt iudessen und Ulrich 
zersichert es selbst, daß er noch wenig von seinen Fälschungen 
in Umlauf gesetzt habe. Er ist auf dem Weg nach New-York, 
wo sein Prozeß stattfinden wird.