Full text: St. Ingberter Anzeiger

Sl. Ingberler AAnzeiger. 
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Samstag, den 4. Mai, 1867. 
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Deutschland. I 
München, 30. April. Zu Mitgliedern der Kriegslasten⸗ 
Ausgleichungscommission in der Eigenschaft als Vertrauensmänner 
ud ernanni worden der Gutsbesißer Fryr. v. Thüngen in Zeit⸗ 
ofs und der Bankinspector Ehrhardt in München. Das k. Staats- 
dinisterium der Finanzen hat auf berichtliche Aufrage entschieden, 
aß der Z 10 der revidirten Satzungen des Unterstuͤtzungsvereins 
ur das igl. Forstpersonal, wonach die Entlaffung eines Vereins⸗ 
nitgliedes aus dem Staatsforstdienst zur Strafe zugleich den Ver⸗ 
ust der Ansprüche cuf Unterstützung für seine Angehörigen zur 
Folge hat, nur auf die mittelst Ausspruchs des Strafrichters ent⸗ 
assenen Staatsdiener Anwendung findet, leineswegs aber auf 
solche Forstbedienstete, welche unter Belastung des Standesgehalts 
ind Tilels aus administrativen Erwägungen aus dem Staatsdienst 
entfernt werden. 
Mäünchen, 2. Mai. Die „Bayer. Ztg.“ meldet, daß Hr. 
d. Bomhard unterm 1. Mai seines Postens als Justizminister 
enthoben und als Staatsrath im ordentlichen Dienst belassen ist. 
Mil der Verwesung des Jusftizministeriums ist der Staatsrath 
Fischer betraut. 
Speyer. 2. Mai. Hr. Regierungspräsident Pfeufer hat 
zgestern seine Amtethätigkeit begonnen. Derselbe, jetzt 43 Jahre alt, 
ar 1834 zum Secrelär im Ministerium des Innern, 1858 zum 
Polizeiobercommissir ernannut worden. 1862 wurde er zum 
Ppolijeidirektor und Regierungsrath in Augsburg und im Juni 
1866. zum Direllor bei der Kreisregierung von Schwaben und 
Neuburg befördert. 
Dar mnstadt, 30. April. In der heutigen Sitzung der 
weiten Kammer wurden 7 fl. Diäten für die hessischen Mitglie⸗ 
der des norddeutschen Reichstags bewilligt. 
Stuttgari, 29. April. Eine von der nationalen Partei 
veranstaltete, sehr zahlreich besuchte oberschwäbische Versammlung 
jand gestern in Biberach statt und faßte einstimmig folgende Be⸗ 
—D 
1) Nachdem der Nordeutsche Bund sich constituirt und den 
Beitriit der süddeutschen Staaten ausdrücklich vorbehalten hat, 
jalten wir den möglichst baldigen Anschluß Süddeutschlands an 
Jen Rordbund durch das Interesse Gesammtdeutschlands und ins⸗ 
esondere der süddeutschen Staaten selbst für dringend geboten. 
2) Die bedrohliche Lage, in welche sich unser Vaterland durch 
die drohenden kriegerischen Verwicklungen zwischen Frankreich und 
Preußen versetzt sieht, legt der deutschen Nation die Pflicht auf, 
m Süden wie im Norden einmüthig und kampfgerüstet zusammen 
u ssehen, um ihr Recht und ihre Ehre gegen jeden Angriff ener⸗ 
zisch zu wahren. Wir vertrauen daher zu der würtembergischen 
Regierung, daß sie in dieser Frage eine deutsch Haltung einneh⸗ 
me und dem mit Preußen abgeschlossenen Schutz- und Trutzbünd⸗ 
— Ständekam⸗ 
mer aber hoffen wir, doß sie der Regierung die Mittel nicht ver⸗ 
agen werde, deren sie bedarf, um ihre vertragsmäßigen Verbind⸗ 
lichkeiten zu erfüllen und die Wehrkräfte des Landes in kampfbe⸗ 
reilen Siand zu setzen. 3) Wir halten es Angesichts der Gefahr 
hon Außen für die 'erste und heiligste Pflicht aller Patrioten, daß 
ie in dieser nationalen Lebensfrage mit Vertagung aller inneren 
Zwistigkeiten und ohne Unterschied der Parteien einig zusammen⸗ 
lehen. Eine neutrale Haltung Süddeutschlands wäre ein Verrath 
im gemeinsamen Vaterlande und würde unfehlbar zu einer blei⸗ 
zenden Theilung und Zerreißung Deutschlands führen. 
Dresden, 1. Mai. In der gestrigen Sitzung der Abge— 
»xdnetenkammer erklärte der Präsident Haberkorn, es sei für die 
Vertreter der Einzelstaaten eine unvermeidliche Nothwendigkeit, 
rachdem die norddeutsche Bundesverfassung eine so überwiegende 
Majorität im Reichstage erhalten, alle, selbst. die größten Beden⸗ 
en schwinden zu lassen. Der sächsische Landtag möge seine be⸗ 
ügliche Aufgabe rasch erledigen, damit die jetzigen unsicheren und 
inheimlichen Zustände schnell beseitigt werden. — Das amtliche 
dresd. Journ. bestätigt, daß Sachsen bis zum 1. Juni von den 
reußischen Truppen geräumt werden soll, mit Ausnahme von 
zeipzig, Bautzen und Königstein. — 
erlin. Garnier Pagés und seine Begleiter kehren heute 
30.) nach Paris zurück. Die liberalen Mitglieder des Abgeord⸗ 
ieteuͤhauses gaben ihnen zu Ehren heute Nachmittag ein Abschieds⸗ 
ssen. LoewerCalbe brachte dabei in franzoͤsischer und deutscher 
Sprache ein Hoch aus, auf den Frieden und die Freundschaft zwi⸗ 
scchen dem franzoösischen Volke und dem deutschen Volke, das mit 
zroßem Beifall aufgenommen wurde. Garnier Pagss hielt darauf 
ine längere Ansprache und schloß mit einem enthusiastisch aufge— 
ommenen Hoch auf die freien Völker. 
Berlin 30. April. Dem Vernehmen nach steht der Ab⸗ 
chluß einer Militürconvention mit Baden in Aussicht. Nach Er⸗ 
eichung dieses Zieles werden die hessischen mit den badischen 
Truppen zu einem großen Corps vereinigt, während die ersteren 
jegenwärtig dem 11 Armeecorps (dessen Stab sich in Cassel 
—X 
Berlin, 1. Mai. In seiner heutigen Sitzung beschloß 
das Abgeordnetenhaus die Schlußberathung über die Verfassung 
es Norddeutschen Bundes. Referent ist Abgeor neter Twesten. 
dach der Prob.-Corr. ist die Preußischerseits und Französischer⸗ 
eits angenommene Conferenzbasis: Luremburg verbleibt bei Hol⸗ 
and und wird unter der Garantie der Großmächte neutralisirt, 
ils Ersatz des bisherigen preußischen Besatzungsrechtes. England 
rläßt in den ersten Tagen des Monats Mai die Einladungen 
zur Conferenz. In Folge des Stillstandes der französischen Rü⸗ 
tungen sieht Preußen von seinen Vorsichtsmaßregeln ab. Die 
Zeitungsnachricht von einer bevorstehenden Einrichtung eines be⸗ 
estigten Lagers bei Trier, berũht nach authentischer Privatquelle 
auf Unwahrheit. 
Wien, 28. April. Für die österreichische Flotte geschieht 
etzt viel; abgefehen von dem Baue von Eisenschiffen, sind fort⸗ 
vaͤhrend in Pola Wiener Inspectionen. Bekanntlich hat Oester⸗ 
reich, außer den bei Lissa engagirten acht Panzerfregatten, das 
dinienschiff Kaiser mit Panzer versehen. Als Augenzeuge kann 
ich berichten, daß das kürzlich in der Kölnischen Zeitung als im 
Vaue befindlich erwähnte Linienschiff Oesterreich nahezu fertig ist. 
xs soll 8000 (2) Mann im Nothfalle fassen köͤnnen und ist zu 
dandungen bestimmt. Der Panzer ist acht Zoll, daher außerge⸗ 
voͤhnlich stark, die Armirung besteht aus 120 Monstregeschützen 
ind einem Riesensporne zum Anrennen à la Tegethoff. Nebst 
diesen Schiffen werden in wenigen Wochen Lissa, Tegetthoff und 
die drei Kroͤnungsgeschenke von Ungarn, ebenfalls Panzerfregatten 
fertig. Im Juni oder Juli hat Oesterreich mindestens 13 Pan⸗ 
erschiffe zur Action bereit; demnach so viel als Rußland. 
Fraukreich. 
Paris, 80. April. Auf dem Boulevard des Italiens 
wo die Abendbörse gehalten wird) herrschte gestern Abend große 
Aufregung. Die Thronrede des Königs von Preußen hatte keinen 
zünstigen Eindruck gemacht; dazu kam das Gerücht, Preußen 
abe don Frankreich peremtorisch Entwaffnung vor der Londoner 
Fonferenz verlangt, ja man wollte wissen, Preußen habe bereits 
rei Armeecorps mobilisirt ... und die Rente fiel um 80 Centi. 
An der heutigen Mittagsbörse war die Stimmung wieder beru⸗ 
igter, und die Rente, die einen Augenblick auf 67.75 gegangen 
vaͤr, schloß 67.50. (NRach dem telegraphischen Coursbericht des 
Ir. Journ. war sie am Mittag des 1. Mai auf 67.95 in die 
HZohe gegangen, wahrscheinlich auf die Nachricht hin, daß Preußen 
n die Reutralisirung Luremburgs gewilligt habe. Beiläufig be— 
merken wir, daß das Etendard-Telegramm, das so viel Schrecken 
oerursachte, den betreffenden Artikel des genannten Blattes unrich⸗ 
ig, weil viel zu positiv gefaßt, wiedergegeben hat. Die an sich 
icmnlich unverfaͤngliche Sielle lautet namlich: „Es bleibt noch zu 
estimmen, ob die Verpflichtung zur Raumung vor dem Zusam⸗ 
nentritt der Conferenz eingegangen werden oder nur eine Folge 
jer Conferenz sein soll. Die Discussion über diesen delicaten