Full text: St. Ingberter Anzeiger

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f Berlin, 25. April. Heute Nachmittags 8 Uhr fand die 
Vermählung des Prinzen Philipp von Belgien, Grafen v. Flan⸗ 
dern mit der Princessin Marie zu Hohenzollern-Sigmaringen in 
der St. Hedwigskirche hierselbst statt. Dem feierlichen Alte bei⸗— 
uwohnen, war das diplomatische Corps, die hier anwesenden 
Fürsten und Fürstinnen, Generäle, die Minister, die höhern 
Slaatsbeamten befohlen. Die Trauung verrichtete der Fürstbi⸗ 
schof von Breslau. In dem Augenblicke, als das Brautpaar 
die Ringe wechselte, eriönten die Glocken der St. Hedwigskirche 
und erfolgten 12 Kanonenschüsse. Nach Beendigung der Feierlich⸗ 
reit fuhren die Eingeladenen zu einem im weißen Saale des 
Schlosses stattfindenden Galadiner. Die Wagen in welchen der 
onig und die Königin sich befanden, waren mit 8 Pferden be—⸗ 
spanni, alle Jockeys, Kutscher und Bedienten befanden sich in 
hrer Galatracht, die zum Theil dem Ende des 17. Jahrhunderts 
angehörte. Die Allongeperücke und der Puder sind dabei stark ver⸗ 
reten. 
* Barmen, 29. April. Dem hiestgen Freiligrath⸗ Comitee 
ommen von allen Seiten Beitritts⸗Erklärungen zu; von hervor⸗ 
ragenden Personlichkeiten— wollen wir hier nur die Herren Ema⸗ 
nuel Geibel, Friedrich Harkort und Braun in Wiesbaden nennen 
7DieWohnungsnoth zu Pesth für die Zeit der 
Krönung nimmt immer mehr zu, was bei dem immensen Andrange 
bon Fremden für jene Feier natürlich nicht Wunder nimmt 
Gleich allen Staͤnden wird auch die Journalistik des Auslandes 
bertreten sein. Aus Frankreich und England sendet nahezu jedes 
hervorragende Journal seine accreditirten Bevollmächtigten; Deutsch— 
iand bleibt nicht zurück und auch das demokratische Amerika ent⸗ 
sendet aus dem Bereiche der siebenten Großmacht seine Special⸗ 
Vertreter. Für die englische Gesandtschaft ist im Hotel „jur Kö— 
aigin von England“ der linke Flügel des ersten Stocwerkes mit 
der Aussicht auf die Donau um die respectable Summe von 
2800 fl. für 14 Tage während der Krönung gemiethet worden. 
In der Ausstellung auf dem Marsfeld ist heute Löwin 
des Tages die famose britische Schönheit “Betzy-Chique.“ Als 
Als ihr einer der Pariser Höchstgestellten das Compliment machte 
sie spreche französisch wie ein Eugel, remonstrirte die witzige, Miß 
Verzeihen Sie, mein Herr, die Engel sprechen englisch.“ 
— Dem statistischen Ausweise, den Lioyds Büreau in London 
eröffentlicht, entnehnieen wir, daß im Jahre 18606 die Gesammt— 
jumme der Schiffsunfälle sich auf 11,711 belief. In Aubetracht 
der Zeit kommen auf das erste Quartal 4378, das zweite zählte 
1760, und das dritte und vierte figuriren mit 2043 und 3330 
so daß die Anzahl der Unglücke zwischen 1. Januar ind J. April 
das zweieinhalbfache der Summe der— nächsten drei' Monaͤte aus⸗ 
machen. Nach den verschiedenen Classen finden wir unter dem 
Totalbetrage 98 fehlende und 8341 verlassene Schiffe. 1958 Fahr⸗ 
zeuge erlitien Collisionen, doch nur 198 davon sanken und 492 
kamen ohne beträchtlichen Schaden davon. 530 Schiffe scheiter 
ten, 3381 ftrandeien, wovon 1672 wieder flott wurden. Genom 
men wurden 36 und weitere 18 erlitten durch Seeräuberei Ver— 
luste. Durch Feuer kamen 173 und durch schlechte Vertheilung der 
Fracht über das Schiff 600 zu Schaden. 1197 wurden lech, 
748 verloren Anker oder Ketten. 194 beschädigten ihre Maschi—⸗ 
nen oder kamen mit ihren Kohlenvorrathe zu kurz, 2048 büßten 
Segel oder Talelwerk ein. Von der gaunzen Zahl von 11,711 
gingen 2234 Schiffe und in 1846 Fällen das ganze Kargo ver— 
loren. Menschenleben gingen im Ganzen 2614 zu Grunde, von 
denen merkwuͤrdiger Weise die größte Zahl (989) auf das zweite 
Quartal kommt. 10,627 Unfaͤlle kamen auf die Segelflotte und 
die Dampfer sind mit dem Reste (1084) vertreten. Die Seeräuberei 
suchte ihre Opfer ausschließlich unter ersterer Classe, während die 
letztere dafür ein weitaus größeres Procent an Bränden aufzu⸗ 
weisen hat. Fälle von Meutereu vertheilen sich ziemlich gleich⸗ 
mäßig. 
—In neuerer Zeit sind zahlreiche Agenten eifrigst bemüht. 
deutsche Auswanderer nach den Südstaaten Nordamerikas zu lo— 
den. Vor solcher Verlockung kann nicht eindringlich genuͤg gewarnt 
werden. Selbst den Südsiaaten sehr günstig gesinnte amerikanische 
Vlaͤllter mahnen die Arbeiter von der Einwanderung äͤn dieselben 
ab, indem sie namentlich auf die Ungewißhett der dorligen Zu 
stände, so wie auf die Eigenthümlichkeiten der dortigen Lebens⸗ 
und Anschauungsweise hinzeigen. Die Grundbesitzer verlangen ein⸗ 
fach deuische Arbeiter, als Ersatz für die frei gewordenen Sklaven 
und schließen mit den Einwanderern in der Regel Contracte auf 
ein Jaͤhr ab, wobei die Zahlung des Lohnes erst nach Ablauf 
des Jahres erfolgt. ——— 
Fabrikation von Telegrammen. Die meisten Zei 
tungsleser legen den telegraphischen Depeschen. welche die Blätter 
bringen, großen Werth bei. Haben wir ja doch dieser Tage ge⸗ 
jehen, weichen Wirrwarr ein einziges Telegramm auf dem Geld 
markl großer Plätze verursachen kann. Daß aber namentlich fran 
oͤsische Blätier Depeschen zu ganz bestimmten Zweden sich selbst 
nachen, also geflissentlich die öffentliche Meinung täuschen, ist eine 
Frfahrungsthaisache, zu der das in Paris erscheinende und für 
das oͤsterreichische Interesse thätige „Mem. diplomatique einen 
neuen Beleg lieferie. Das Blait brachte am 24. April die an 
die Spitze gestellte Mittheilung, daß es in der vorigen Nummer 
in nach Berliner Briefen „componirtes“ Telegramm gebracht habe, 
dessen Inhalt gänzlich erfunden sei. Der Chef des Preßbüreaus 
zaite nämlich den Geranten des „Memorial“ kommen lassen und 
hm die Erklärung der Telegraphendirektion vorgelegt, wonach 
das „Memorial“ eine Depesche, daß Preußen auf Luxemburg 
nicht berzichte, gar nicht erhalten habe; Valfrey gestand nun ein, 
daß man in der Redaktion das Telegramm gemacht habe. Hier⸗ 
auf ließ man ihm die Wahl, vor Gericht wegen Verbreitung 
ialscher Nachrichten verfolgt zu werden, oder den Hergang wahr⸗ 
Jeitsgetreu in seinem Blatte zu erzühlen, und zwar unter dem 
Zekenntniß, daß die Depesche fabricirt worden sei. Erst durch 
sängeres Bitten gelang es, statt des Wortes „fabricirt“ — „com⸗ 
vonirt“ setzen zu dürfen. 6Pf. K.) 
4 Die Raubergeschichten in Italien nehmen kein Ende; fast 
eden Tag liest man in den italienischen Blättern Berichte, ent— 
veder über den Fang einiger Banditen oder über deren sich im— 
mer wiederholenden Üebelthaten. Die Gazetta Ufficiale vom 22. 
April hat eine ganze Reihe von Berichten über Gesangennehmung 
der Tödtung von Briganten im den südlichen Provinzen: bei 
Salerno wurden in der Nacht vom 17. April in einem Gefechte 
mit den Carabinieren drei Briganten erschossen, ein sie begleiten— 
des Weib gab sich gefangen. In derselben Nacht wurde an einer 
inderen Sielle ebenfabs ein Räuber erschossen. Bei Catangard 
wvurden in der Nacht dom 20. April sieben Mitglieder von einer 
Zande von neun Räubern gefangen, die einen großen Bauernhof 
zeplündert hatten. Bei Potenza wurde am 19 April eine Bande 
uͤberfallen, wobei der Anführer, il Predicatore genannt, umkam. 
Bei Termini haben drei Cavalleristen zwei berüchtigte Banditen, 
velche seit Jahren die Gegend unsicher machten, versolgt und er— 
chossen, zwei andere sind gefangen, u. s. w. u. s. w. Trotz alle⸗ 
dem blüht das Räuberwesen auf's beste, in den römischen Staalen 
besonders wird es auf großem Fuße betrieben. 
4GDie Sprache des atlantischen Telegraphen). Das Tele; 
zraphiren mittelst des transatlantischen Kabels ist nach einer Me—⸗ 
hode eingerichtei, daß nur Reihen von-Ziffern statt der Buch⸗ 
laben telegraphirt werden. Sämmtliche Woörter und Silben der 
ZSprache, verschiedene, häufigwiederlehrende Sätze und Ausdrücke 
iind in fünf Bänden eingetragen. Jede Seite enthält 10 Zeilen 
die von O bis9 numerirt sind, um jede Zeile ein Wort, einen 
Zatz oder ein Zeichen. Die telegraphischen Signale bestehen nur 
nus Ziffern, welche die Zahl der Seite und die Zeile des Sig⸗ 
nalbandes angeben. Der erste der fünf Bände enthält 10,000 
Seiten, die 00000 bis 99999 numerirt sind. Jede Seite ist mit 
s Ziffern bezeichnet, indem, man z. B. anstatt 12 die Zahl 0012, 
anstait 2435 die Zahl 02435 angibt. Unter den Millionen Sig— 
jalen, die in ihm angegeben sind, befinden sich alle bekannten 
ZIrte der Welt und eine Reihe von Sätzen. Sechs Ziffer rei— 
schen aus, um aus dieser Million von Signalen Eins zu bezeich⸗ 
nen; die fünf ersten geben die Seitenzahl, die letzten die Zeile 
an. Der zweite Band hat auf den Seiten 0000 bis 9999 im 
Ganzen 100,000 Signale, die alle Worte der englischen Sprache 
ind eine Reihe von Sätzen ausdrücken. Der dritte hat 10,000 
Signale auf den Seiten 000 bis 999 und bezeichnet die häufig 
»orommenden Ortschaften, die Monate, Tage, Stunden u. s. w. 
ind eine Reihe von Wendungen, um kommerzielle, industrielle und 
politische Nachrichten auszudrücken. Der vierte Band bezeichnet auf den 
Zeiten 00 bis 95 in 1000 Signalen die einzelnen in der englischen 
Sprache vorkommenden Silben. Der letzte Band endlich hat nur 
100 Signale auf den Seiten 0O bis 9 und drückt die Buchstaben, 
Ziffern ünd Interpunktionszeichen und einige Dienstphrasen aus. 
Je nachdem 2 bis 6 Ziffern hinter einander telegraphirt werden, 
wveiß der Beamte, in welchem der füuf Bände er die Bedeutung 
der Ziffern aufsuchen soll. Die Methode, so complicirt sie anfangs 
erscheint, ist einfach und insoferne von großem Vortheile, weil sie 
ine von keiner andern Meihode erreichbare Schnelligkeit des Te— 
egraphirens ermöglicht. 
Landwirthschaftliches. 
Bienenzucht. Auszug aus einet Denkschrift des Gra⸗ 
ken G. Stosch auf Manze in preuß. Schlesien. — 
Nach verschiedenen interessanten Bemerlungen über die Bie— 
nenzucht im Alterthum, wo dieselbe in groͤßter Ausdehnung betrie 
ben wurde, da damals Honig das einzige Mittel war, Speisen 
ind Getränke zu versüßen, sagt dieser dem rationellen Bienenzüch⸗ 
er wohlbekannte Graf Stosch, die Bedeutung der Bienenzucht für 
Fe Tandwiribichaft hervorbebend, etwa Folaendes: „Die Biene