Full text: St. Ingberter Anzeiger

Wien, 18. Juni.“ Eine allgemeine Amnestie für das nicht 
ungarische Oefterreich foll doch noch, aber erst nach Vollendung 
des Verfassungswerkes für diese Reichshälfte erlassen werden.— 
Penh, 18. Juni. Gestern wurde in der Deputirtentafel 
das mit der königlichen Genehmigung versehene Exemplar der Ge⸗ 
setzesartikel über Aenderung der 1848er Gesetze und über die ge— 
meinsamen Angelegenheiten vorgelegt. Eine Deputation beider 
Tafeln sprach dem Königspaar den Dank des Landtags für die 
Amnestie und für die Bestimmung des Kronungsgeschenkes (zu 
einer Stiftung für Honveds) aus. Am Abend fuhren die Maje— 
ftäten durch festlich beleuchtete Straßen zur Rückreise nach Wien 
mm den Bahnhof, wo sie die Mitglieder der beiden Landtagstafeln 
owie die Spitzen des Landes- und Gemeindebehörden zum Ab— 
chied versammelt trafen. Ju Laufe des Tages hatten sich meh⸗ 
rere der anwesenden fremden Gesandten dem Helden des Ausglei⸗ 
ches, dem Herrn Deak, vorstellen lassen. Hr. v. Beust: hatte 
vor seiner schon vorgestern erfolgten Abreise nach Wien eine drei⸗ 
ffündige Unterredung mit dem Primas von Ungarn im Prima— 
tialpalaste gehabt. — 
—Be'st h, 15. Juni.“ Im Deak-Club legte heute Somssich 
einen Gesetzvorschlag vor weogen Ausdehnung des Wahlrechts auf 
die Juden. Der Minister erwiederte, im Herbste werde die Ju— 
denfrage, verbunden mit einem Incolatsgesetze erledigt werden. 
Agram, 12. Juni. Die politisch Compromittirten Croa- 
tiens wollen von der in Pesth erlassenen Amnestie keinen Ge— 
oruuch machen, weil Croatien kein Nebenland Ungarns mehr sei. 
In Fiume hat die ungarische Partei eine bedeutende Ruhestörung 
oeranlaßt. 
Lemberg, 12. Juni. Die Zugeständnisse ides Herrn v. 
Beust an die Polen, deren schon Jerwäͤhnt wurde, sollen darin 
estehen, daß alle vom Lemberger Landtag gefaßten, die Autono⸗ 
nie Galiziens betreffenden Beschlüsse vom Kaiser sanctionirt wür⸗ 
den. Darnach bekäme Galizien einen Hofkanzler, einen galizischen 
Schulrath, die polnische Sprache als Amtssprache in Amt und 
Gericht, ein eigenes Obergericht in Lemberg, Erweiterung des 
Wahlgesetzes ꝛc. Zum Hofkanzler (oder nach Anderen zum ga— 
izischen Minister ohne Portefeuille) würe: Graf Alfred Potocky 
veftimmt.. c 
Luremburg, 11. Juni. Die Staändeversanm m⸗ 
unmg ist zum Behuf der Genehmigung des Londoner Vertrags 
om LI. Mai dieses Jahres auf den 18. ds. Mtis. einbe⸗ 
rufen. 
Frankreich. 
Paris, 10. Juni. Der Koͤnig von Italien wird nicht hier— 
Jer Fommen. Er soll geäußert haben, er besäße nicht einmal das 
dhige Geid, um III. Tlasse fahren zu können. Der Pring Hum— 
zert hat diesen Entschluß dem Kaiser Napoleon mitgeiheili. Heute 
rüh ist auch der Prinz Napoleon angekommen. 
Paris, 12. Juni. Der „Siecle“ erklärt: 1) eine Allianz 
wischen dem demokratischen Frankreich und dem moskowitischen 
Czarismus sei unmöglich; 2) jede Revision des Pariser Vertrages 
von 1856 würde den dem vordringenden Barbarenthum entgegen 
gestellten Wall umstürzen; 8) eine Allianz zwischen den für Ver— 
heidigung der Volksrechte bewaffneten Nationen Frankreichs und 
Deutschlands würde für das Wohl der Menschheit wünschenswerth 
ein unter der selbstverständlichen Bedingung jedoch, daß die na— 
ionalen Anforderungen gegenseitig befriedigt würden. Wer die 
ranzoͤsische Denkweise kennt, der weiß, daß hiermit die Zurücker⸗ 
tattung der Rheingränze gemeint ist, für welche Meister Havin 
yom Siecle seine Allianz feilbietet. Mit mehr Sinn bemerit ein 
anderes Blatt, die Opinion nationale, daß der Prager Friedens— 
yertrag in Betreff der Garantie / welche er auf franzosischen An— 
rieb einem neuen Rheinbund gewähren jollte, durch die August 
erträge des worigen Jahres bereits zerrissen ist, dies ist eine Thatsa— 
he / an welche die Franzosen nur mit schlecht verhaltenem Grimm 
»enken können. — Das neue Blatt „La Situation“ bekauntlich 
durch Geld des Exkoͤnigs von Hannover ins Leben gerufen / zeigt 
eine Tendenz doch etwas zu ungeschickt. Es erregt selbst unter 
den Franzosen ein Lächeln, daß es in diesem Organ noch immer 
zin „Königreich Hännover,“ eine „Freie Stadt Frankfurt“ ꝛc. 
ziebt. Die Originalcorrespondenzen aus Hannover, 
Wieshaden, Hamburg zc. scheinen sfämmtlich hier angefertigt, zu 
werden. 
Pariz, 13. Juni. Die zahlreichen Besprechungen und 
Berathungen der Diplomalen während der Anwesenheit der Mo— 
aarchen haben eine gewisse Zuversicht erzeugt, daß gemein haftliche 
Festsetzungen der französischerussischen und preußischen Staais— 
nänner die Wiederkehr ernstlicher Schwierigkeiten zwischen den 
eitenden Machten des Continents vorerst verhůten werden. — Heute 
Abend findet in den Tuillerien eine intime Vereinigung zum Ab— 
chiede von dem König von Preußen statt. Der Czar hat außer zahlreichen 
Irden über eine Million Fraͤnken an die verschiedenen Wohlthä— 
tigkeitsanstalten vertheilt. Der · Abmg von Preußen“ Wird nicht 
veniger thun. 7*87 — 7 
Paris, 14. Jumi.“ Auf dem großen Ball Pder preußi— 
schen Gesandtschaft hat der König von Preußen, Andem er sich zu 
den dort anwesenden Oesterreichern wendete, auf die Gesundhein 
des Königs von Ungarn (d. h. auf das Gelingen des Ausgleichs 
mit den Ungarn) geirunken. — Der Abg. Jules Favbre ist an 
einem Blutsturze verstorben. 
Paris, 16. Juni. Im nichtam tlichen Theile zeigt der 
Moniteur an, daß der Kaiser die Solde rhöhung von 4 Centimes 
äglich auch auf die Marinetruppen ausgede hnt hat und daß vom 
10. d. M. an diese Verfügung in Kraft treten wirdr. 
J England. 261 
London, 15. Juni. Im Unterhaus interpellirke gestern 
Abend Labouchere wegen der, bon England mit übernommenen 
Garantie für die Neuträlisirung Lurxemburgs. In seiner Ant— 
wort darauf sagte der Minister Lord Stanley?! „Vielemeinen 
die Luxemburger Frage sei nur ein Vorwand gewesen, der Ab— 
schluß des Tractates werde die Gereiztheit nicht mildern und 'ri⸗ 
nen späteren Kriegsausbruch nicht verhindern. Ich dagegen glaube, 
»s gebe jetzt nichts, was den Krieg unvermeidlich, ja nur wahr⸗ 
cheinlich mache. Zeit gewonnen, ist viel gewonnen die Aufregung 
chwindet täglich, tausend Gründe sprechen beidersseits für, keiner 
gegen den Frieden. Preußen braucht weder Zuwachs seines Kriegs- 
ruhmes, noch Deutschland größere Einigung-⸗ da etzteres gesichert 
st; es braucht nur Muße, um sie zuconsoldireu? Franukreich 
vünscht kein deutsches Venetien, keine Grenzbericht ig ung. Die Be— 
iehungen beider Staaten zu einander“ sind seit dem Conferenz⸗ 
chluß fortschreitend freundlicher gewordeü, das frühere Mißtrauen 
chwindet und, obwohl kein Prophet, glaube ich nicht,/ daß der 
Friede jetzt gefährdet ist. England übernahm die Garantie als 
einziges Friedensmittel. Das Parlament wird im gegebenen Falle 
durch Verweigerung oder Bewilligung der Krieg skosten die Aus⸗ 
ührung der von England übernommenen Garan tieverpflichtungen 
renehmigen oder verhindern können. * 
J Schweiz. e e aeete 
Bern, 12. Juni. Nachdem der Kantonsrath vbo n Solo— 
hurn die Verminderung der Feiertage beschlossen, fordext. die ka— 
holische Geistlichkeit von den Kanzeln, herab das Volk zu der ihm 
Jesesetzlich zustehenden Einsprache („Veto“) auf, obwohl die päpst⸗ 
liche Curie bereits den großen Fabrikanten, ausdrücklich ge stattet 
jat, an den abgeschafften Feiertagen arbeiten zu lassen. Warum 
soll aber diesen der Landmann, der Handwerler und Taglöhner 
nachstehen? . t ”e 
Italien ⏑— 
Florenz, 14. Juni. Eine Verständigung über die Kir 
hdengüterfrage zwischen dem Ministerium und der“ betreffenden 
Tommission der Deputirtenkammer ist wahrscheinlich. — Es gehl 
das Gerücht daß der Papst sehr krank sei.. 
Florenz, 15. Juni. Die Deputirtenkammer hat heute 
einen unlängst gestellten Antrag anf parlamentarische Untersuchung 
über die Verwendung der geheimen Fonds während der ersten 
pier Monate voun 1867 mit 162 gegen 114 Stimmen verworfen. 
— Die Ungewißheit über das Schicksal des vom Fin anzministen 
eingebrachten Gesetzentwurfes und des Vertrages mit Erlanger 
dauert fort. Außer Hrn. Brasseur ist nun auch Hr. Landau, 
der Vertreter Rothschilds, mit Angriffen aAuf die Loyalität dee 
—A 
Amerika 
Nach Berichten aus den Vereinigten Staaten steht es mu 
den Finanzen derselben nicht besonders gut.“ In einem Berichte 
des Finanzministers klagt derselbe über die vermehrten Ausgaben, 
iber Mißwachs im vorigen Jahr und: über Geschäftsstille, was 
einen nahmhaften Ausfall in den Einkünften und eine zeitweise 
Zunahme der Staatsschuld in Aussicht stelle. Wie groß die Ge— 
chäftsstockung ist, geht daraus hervor, daß die Staatseinnahmen 
nus der Einkommensteuer um 50 Prozent, d.' h. auf die Hälfte 
zefallen sidd. J J 
New'⸗York, 25. Mai. Jefferson Davis kam während der 
Nacht hier an, bezog in aller Stille in dem NeweYork-Hotel, dem 
Züdländer⸗Hauptquartier, seine Zimmer, beschränkte sich am fol— 
zenden Tage, ohne das Haus zu verlassen, auf den; Empfang 
seiner nähern Bekannten und vermieth gewandt jede Gelegenheit 
zu Demonstrationen, welche sein Leben bedroht hätten. Er reiste 
—— 
jespielt“ — Unter den vom 1. bis zum 14. Mai angekommenen 
12,926 Zwischendeck-Einwanderern waren nur 3500 mit Ham 
»urger und Bremer Schiffen gekommmen. Die Irländer sind also 
am meisten vertreten. Sie sind hier in New-PYork so stark, daj 
sie ihre Leute in den Wahlen leicht durchsetzen und in dieser frü— 
her ausschließlich protestantischen Stadt, wie es imlängst geschehen