Full text: St. Ingberter Anzeiger

England. 
Lonon, 18 Sept.“ Garibaldif auf!den 80 d. zunt Ke 
formfeste im Krystallpalaste eingeladen, hat wegen möglicherweise 
devorstehender iialienischer. Ereignisse abgelehm 
Amerika. 
New-York, 7. „Sept. Porsiro Diaz drohte militärisch 
einzuschreiten, wenn die zahlreichen Todesurtheile nicht umgewan— 
delt würden. Es wird derichtet, daß Carlos Miramon, an der 
Spitze von 3000 Mann, um seines Bruders Tod zu rächen, 90 
Liberale erschossen habe. 
Eingesandt.) — 
Die Volksbanken. ** 
Es ist dem aufmerksamen Beobachter unserer socialen, vollks⸗ 
wirthschaftlichen Zustände gewiß nicht entgangen, wie seit geraumer 
Zeit vermittelst des Dampfes, der Wissenschaft, insbesondere mit 
Hilfe des Capitals und des Credits, das Kleingewerbe segensreich 
für den Einzelnen wie für das Ganze, in den Großgewerbebetrieb 
übergegangen ist. — Daß aber auch die Folge hievon, der Ar— 
beiterstand, der kleine Handwerker und Gewebtreibende in eine 
schiefe von dem Großbetriebe abhängige Lage gerathen ist. Frei— 
lich sind so eine Menge neuer, aber meistentheils unselbstständiger 
Existenzen geschaffen worden, denen sich außer der Unselbstständig⸗ 
teit auch die Unstätigkeit selbst in den blühendsten Industriezweigen 
zugesellt hat. Unter diesen Verhältnissen hat sich sohin ein schroffer 
Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit erzeugt, welche, den Pau⸗ 
perismus, die furchtbarste Krankheit. der Gesellschaft im Gefolge 
hat, und überall auftritt, wo die verschiedenen Schichten der Be— 
bölkerung den Geboten des Zeitgeistes sich nicht fügen wollen. Die 
Großindustrie mit dem Uebergewichte des Capitals läßt. den Hand— 
werker und kleinen Mann überhaupt nicht aufkommen. Es war 
daher schon lange die Aufgabe der Volkswirthe und Stagatsmäuner 
diese Nachtheile auszugleichen, und ist heute dajer noch eine mo⸗ 
ralische Verpflichtung jedes Einzelnen, an dieser Verbesserung mit— 
zuwirken. 
Ein wirkfames Mittel dagegen, das bis heute die Feuerprobe 
glänzend bestanden hat, sind die Volksbanken, unter denen wir 
die Vorschußvereine besonders im Auge haben, da bereits die Ein— 
leitung zur Constituirung eines solchen hier getroffen ist. 
Was versteht man unter „Vorschußverein,“ welchen Zweck 
hat derselbe und worin besteht seine segensreiche Wirksamkeit? 
Unter Vorschußverein versteht man eine Vereinigung, von 
Personen einer Gemeinde zur Erreichung eines gemeinsamen wohl⸗ 
thätigen nachbezeichneten Zweckes unter gleichen Pflichten und Rech⸗ 
ten, und solidarischer Haft für die durch sie übernommenen Ver— 
bindlichkeiten. 
Diese Vereine bezwecken: 
1). Den Mitgliedern durch den Credit, welchen die Gesammt⸗ 
heit genießt, Vorschüsse zu machen und zu ihrem Geschäftsbetriebe 
wohlfeilere Gelder zu verschaffen; 
2) durch Einlagen der Mitglieder in die Vereins-Casse, 
welche verzinst werden, Gelegenheit zur Ansammlung größerer 
Beträge zu geben (Sparkasse); J 
3) den Geldverkehr unter den Gewerbtreibenden in einfacher, 
wohlfeiler und rascher Weise zu vermitteln. 
Zu 1) Jedes Mitglied hat ein Recht aus seiner Vereins- 
Casse baare Vorschüsse sich geben zu lassen, natürlich hängt die 
Höhe desselben von verschiedenen Umständen ab, je nachdem das 
Mitglied durch seiuen Antheil in der Casse, oder durch seine per— 
sönlichen und wirthschaftlichen Verhältnisse eben Credit genießt. 
Welch große Berlegenheit entsteht nicht oft, wenn der Handwer— 
ker z. B. nach außen auf einen bestimmten Tag, an dem er es 
versprochen, Zahlung zu machen hat? Er geht zu verschiedenen 
seiner Kunden, bei denen er sichere Zahlung erwartet, aber — 
er geht leer wieder heim, denn diese sind gleichfalls im Augenblick 
nicht bei Casse. Was machen? Er will zahleun, damit er seinen Credit 
erhält, aber er kann nicht. Er hat zwar noch einige Guthaben bei 
zuten Kunden, aber falsche Scham und oft die Furcht, es mit 
olchen zu verderben, hält ihn ab. Sein letzter Gang ist zum 
Wucherer — seinem Verderben. — All diese Verlegenheiten fallen 
wveg, wenn der Handwerker Mitglied des Vereins ist. 
Aber nicht nur der Handwerker, sondern jeder andere Stand 
ohne Ausnahme wird in die Lage kommen, die wohlthätige Wirk⸗ 
ung einer solchen genossenschaftlichen Verbindung zu erfahren, denn 
zu 2) der Verein hält auch eine Spaärkasse, in der Jeder 
seine Ersparniß sicher gegen Zins anlegen kann, wobei es 
gestattet ist, solche jeden Tag zurückzunehmen. Es ist diese Spar⸗ 
kasse gleichfalls eine große Annehmlichkeit. Denn oft wird Jemand 
zufällig Geld liegen haben, das er vielleicht erst in einigen Wochen 
oder Monaten braucht. Er trägt es zum Verein, erhält seine 
Zinsen und kann es am Tage des Bedarfs wieder abholen. Läßt 
»rx es zu Hause liegen, gehen die Zinsen verloren. gibt er es 
einemn Privaten, somuß er erst lumdigen und der 
Jalt einceen daßs epr ⸗ ireht wieder zurückerhalt. Wenn 
auch diess Vortheiles nich! it großer Natum d, so sind 
aber voch · Bortheil c F — 
Zu 3) Der Vortheih welcher insbesondere für Kaufleute und 
das Handeltreibende Publikum durch Discontirung und Reescomp- 
lirung von Wechseln, durch Einkassirung solcher und Anweisen, 
erwächst, bedarf keines Nachweises, da jeder, welcher davon Ge— 
brauch macht, dies sattsam erfahren hat? 7 
Freilich höre ich manchen fragen, woher denn die Gelder für 
diese Vorschüsse fließen. 
Die Beantwortung dieser Frage ist leicht und einfach: Jedes 
Mitglied legt z. B. monatlich Ufl. so lange in die Casse bis eg 
seinen Stammantheil von etwa 100 fl. eingezahlt hat, die Wohlhaben- 
den thun dies sogleich und so werden schon im 3. Monat, wenn 
wir annehmen, daß 80 Mitglieder ihren Antheil ad 100 fl. ein⸗ 
legen IJ 5000 sJ. 
und 50 Mitglieder monatlich 1ft. alfo in 8.Mo⸗ 
naten 3 flä ... 50 fl, 
ich in der Casse befinden.. 23180 fl. 
vomit schon begonnen werden kanm; ja dies konnte: schon geschehen 
venn wir nur die Hälfie dieses Betrags annehmen. 
Jeder Anfang ist klein und schwor, aber wir sehen doch, daß 
nit vereinten Kräften Großes erzielt werden kann. ———— 
Wir können sicher anuehmen, daß Mancher sein Geld bei 
dem Verein verzinslich anlegen wird, denn wo gibtes eine größere 
Sicherheit als die ist, welche eine Genofsenschaft von: 100 -206 
Bürgern unter solidarischer Haft darbietel. Und wenn die Ver—⸗ 
vendung da ist, muß es für einen solchen Verein mit solcher Ga— 
rautie ein Leichtes sein, von Banken und Geldanstalten Mittel zu 
erhalten. 
Gehen wir deßhalb mit unverrücktem Auge, mit Ausdauer 
und Opferliebe der schönsen Ziele entgegen( und: wire merden ext 
jahren, daß die Bewohner von St. Jugbert wo es giln einen 
edlen Zweck zu fördern, ihren Schwesterstädten nicht zuxückstehen. 
sondern mit der That den Sinn für Fortschritt und gemeinnütz—- 
liche Anstalten beweisen werden. 
Sit. In abort, 20. September 1867. 
VBermischt 
Ludwigshafen, 28. Sept. Zum Octoberfeste in Mün⸗ 
hen ist auch in diesem Jahre ein Extrazug aus: der Pfalz nach 
München projectirt und haben die betheiligten Bahnberwaltungen 
ꝛine Fahrtaxermäßigung von 50 pCt, bewilligt, wenn sich an die⸗ 
sem Extrazuge mindestens 300 Perfonen betheiligen. Im: Falle 
diese Zahl erreicht wird, soll der fragliche Eytrazug am 5. Octo— 
zer wieder nach der Pfalz; zurückkehren. Auf sämmtlichen Stite 
ionen der Pfälzischen Bahnen liegen Anmeldungslisten zur Ein⸗ 
zeichnung auf, welche am 28. September Abends geschlossen wer⸗ 
»en. Von dem Ergebniß dieser Einzeichnungen wird das wirkliche 
Zustandekommen dieses Extrazuges abhängig gemacht. Die An— 
meldungen der Bewohner von Mannheim und Umgegend werden 
bei der Bahnhofverwaltung Ludwigshafen entgegenommen. — 
Wir wollten nicht ermangeln, das Publikum hierauf aufmerksam 
zu machen und wir verweisen auf die in den Pfälzer und Mann⸗ 
heimer Blättern von der Direction der Pfälz, Bahnen hierüber 
zu erlassende Bekanntmachung, in welcher auch die Fahrpreise an 
zegeben sind. 
Die neue Pinakothek in München hat durch deu kunstsin— 
nigen König Ludwäg J., den Gründer, eine große Erweiterung 
und Bereicherung erfahren, Aus Venedig 40, aus Rom 30 und 
aus Athen 33 herrliche Ansichten, 22 Oelbilder aus dem Orient, 
aus dem heiligen Land, Cairo, Ephesus und Damaskus. 
F. (Mordinstrumente und kein Ende!) Der österreichische Waf⸗ 
entechniker, Hauptmann Pistotnik, hat ein Repetirgewehr für 60 
charfe, nacheinander abzufeuernde Schüsse, (ohne dabei aus dem 
Auschlage und Abdrücken zu kommen,) ferner eine Repetirhandka— 
none für 120 Schüsse zu je 5 Geschossen (mit 600 Projrktilen in 
einer Minute), ferner eigenthümlich konstruitte 165, 32- und 
sͤ4löthige Kartätschengeschosse (die ohne Anwendung eines Rohres 
oder Lafette abgeschossen werden können) zum Gebrauche für die 
Infanterie erfunden und bereits in exacten Modellen ausgeführt. 
Am Samstag passirte die ja panessische Gesand— 
schaft mit einem vornehmen Prinzen an der Spitze durch Mainz. 
Die Herrn Japanesen zeichneten sich durch ihre originelle Kleidung 
und ihre Haarzöpfe in außergewöhnlicher Weise aus. Alle waren 
nit Säbeln mit schönen Griffen bewaffnet. Der Prinz trug einen 
Talar von Goldsioff und offene Pantoffeln; fie führten viele Ba— 
zage und Gepäk mit. Vom Bahnhofe aus, wo sie über Dgrmstadt per 
Fisenbahn angekommen waren, fuhren die Japanesen in mehreren 
Droschken nach dem Dampfer „Humbold,“ mit welchem sie die 
Reise zu Wasier bis nach Köln fortsetzten.