Full text: St. Ingberter Anzeiger

rragen wir die wichtigsten Erklärungen des Grafen von Bismarck 
ausführlicher nach.“ In Bezug auf, die Stellung- zum Sübden 
prach der Graf:! „Wir sehen in der Adresse das Zeugniß, wel— 
ches der Reichstag dem deutschen Süden gegenüber, dem Auslande 
gegenüber, den Bundes-Regierungen gegenüber, ablegt — von 
den Meinungen und Ueberzeugungen, mit denen die Regierungen zu 
rechnen haben und auf welche die Regierungen rechnen koönnen. 
Wir fassen die Adresse nicht so auf, als ob der Reichstag die Re— 
rungen damit wider ihre eigene Ueberzeugung zu einer schnelleren 
Action, als die Regierungen selbst es für foͤrderlich halten, trei⸗ 
ben und von dem Standpunkte des durch die Zeitungen bekannten 
Circulars vom 7. d. M. herunterdrängen wolle. Indem wir 
uns über unsere Position zur Sache offen dahin ausgesprochen ha⸗ 
ben, haben wir zu erkennen, daß wir unsererseits jeden Druch, 
jedes Drängen vermeiden, daß aber, wenn die deutsche Nation 
in ihrer Gesammtheit, der Süden und der Norden, die Ein⸗ 
heit wollten. dann meiner Ueberzeugung nach, auch keine Regie— 
rung und kein preußischet Staatsmann stark genug ist, es zu hin⸗ 
dern, keiner, will ich sagen, muthig oder kleinmülhig genug, es 
hindern zu wollen. — Als hierauf der oberhessische Abgeordnete 
o. Rabenau an eine von Herrn v. Dalwigk am 4. Juni dieses 
Jahres in der ersten Kammer Hessens abgegebene Erklärung (, daß 
die großherzogliche Regierung allein schon durch die Rücksicht auf 
Preußen abgehalten werden müßte, sofort einen Antrag auf Ein⸗ 
ritt von ganz Hessen in den Norddeutschen Bund zu stellen; sie 
würde dadurch nur Preußen in Verlegenheit setzen“) erinnerie, 
welche hauptsächlich Ursache war, daß die erfle Lammer dem Aus 
schußantrag der zweiten nicht beitrat, bemerkte Graf Bismarck 
„Mir ist die von dem Vorredner angeführte Aeußerung des großh. 
zessischen Staatsminister damals entgangen, sonst würde ich Gele⸗ 
zenheit gehabt haben, auf diplomatischem Wege die Ansichi zu be⸗ 
richtigen, die sie ausspricht. (Hört! hört!) Als preußischer Mi⸗ 
nister der auswärtigen Angelegenheit bin ich sicher, daß die kgl. 
Regierung mit keinem Worte der großherzoglich hessischen zu der 
dieser Aeußerung zu Grunde liegenden Ueberzeugung einen Anlaß 
gegeben hat. Ich würde, wenn Schritte erfolgien, die auf den 
Sinn der damaligen Interpellation von Seiten der großherzoglich 
hessischen Regierung eingingen nicht für Preußen eine Verlegen— 
heit fürchten, viel eher für die übrigen süddeutschen Regierungen, 
deren Stellung durch den Vorgang einer unter ihnen einigerma⸗ 
zen erschwert werden würde. (Hört! hört!) Die Anführung 
wie sie hier der Herr Vorredner aus den Verhandlungen der er· 
sten hessischen Kammer gemacht hat, kann ich als eine gegründete 
Aeußerung, als eine zutreffende von Seiten der großherzoglich 
hessischen Minister nicht ansehen.“ (Bewegung.) 
— Die Post- und Telegraphenverwaltung wird 
bekanntlich am 1. Jan. 1868 Bundessache, dem Vernehmen 
nach wird dieselbe aber schon jetzt dem Bundeskanzler unterstellt 
verden. — Die Rüstungen in Frankreich danern fort 
uind es kann als Detail angeführt werden, daß die französische 
Regierung in englischen und belgischen Fabriken für jedes Chasse⸗ 
potgewehr den doppelten Preis unter der Bedingung zahlt, daß 
1000 täglich abgeliefert werden. Es stellt sich übrigens mehr und 
mehr heraus, daß das Chassepotgewehr in den Händen des fran⸗ 
zösischen Soldaten, der sonst bis zum erdenklichsten Grade der Voll⸗ 
lommoenheit ausgebildet ist, keine vertrauenerregeude Waffe ist. 
Wohl ist das Gewehr leichter, und zum Laden gehören 3, anstatt 
wie bei uns 5 Griffe, die Treffähigkeit ist auch größer, weil die 
Flugbahn rasender ist, dagegen erweicht sich die Gummihülse sehr 
leicht, denn sie wird warm und dann kledrig, ferner aber ist die 
Reinigung schwer und die Nieten, Schrauben ꝛc. werden leich 
locker und unbrauchbar. 
Verkhin, 28. Sept. Was Süddeutschlaud angeht, so weiß 
man hier, daß bei den Cabinetten von München und Stuttgart 
— 
deutschen Bund zu bemerken ist. Wenn aber der Stuttgarter 
Landtag wirklich das zwischen Preußen und Württemberg abge⸗ 
schlossene Schutz und Trutzbündniß verwerfen wollte, so wäre dies 
wohl ein heroischer Act, aber er wäre mehr als unklug und 
wvürde im Reichstage bei Berathung der Zollvereinsverträge eine 
jehr mißliche Antwort erhalten, welche dem württembergischen Geld 
bdeutel unangenehm werden könnte. In Abgeordnetenkreisen ist 
hierüber nur eine Stimme. 
Berlin, 29. Sept. Der heute hier versammelt gewesene 
Ausschuß des Nationalvereins hat beschlossen, foigende Punkte auf 
die Tagesordung der nächsten Genera versammlung des Bereins 
zu setzen: 1) Geschäftsbericht, 2) Verfügung über die Flottengel 
der, 83) Antrag des Ausschusses auf Aufloösung, des Bereins 4) 
Verwendung des Vereinsvermögens. — Tag und Ort der General 
versammlung werden vom Ausschußvorstand noch festgesetzt werden. 
— Füur den Bundesetat für die Zeit vom 15 Juli 1867 
bis zum 1. Januar 1868 foll zusolge einer Erklärung des Bun 
deskanzleramtes ein außerordentlicher Credit nachgesucht werden. 
Wien, 26. Fept. Wie die Gemeinderäthe von Wien und 
lagenfurt dereits gethan haben, so beabsichtigen auch die Gemeinde— 
bertretungen von Brüunn und Gratz Petitionen um Aufhebung 
des Concordats an das Abgeordnetenhaus zu vichten. Im letzte 
ren selbst circulirt ein Autrag, der die Zustimmung zu dem Aus- 
AMeich zwischen den beiden Reichshälften an die Beseitigung des 
Foncordats geknüpft wissen will, oder genauer ausgedrädt, ein 
Antrag, worin der Reichstag den Ausgleich nicht eher ratificiren 
oll, bis die Regierung ausdrüdlich erklärt haben wird, daß sie 
die Bestrebungen des Abgeordnetenhauses zur Revifion des Con— 
vrdats in keiner Weise paralysiren werde. Der Antrag hat bis 
etzt 830 Unterschriften. Ob er die Majoritätt finden werde, ist 
edoch sehr fraglich. Hat doch der confessionelle Ausschuß der 
dauses bei Berathung des Ehegesetzes beschlossen, sich mit der Noth⸗ 
rivilehe zu behelfen. — Das Scheitern des Verhandlungen mit 
Braf Hegnenberg⸗Dux betreffs seiner Ernennung zum baherischen 
hesandten in Berlin schreibt eine Münchener Correspondenz der 
„N. fr. Pr.“ einem Einspruche Preußens zu. Letzteres habe in 
München in ziemlich klaren Ausdrücken erklaͤrt, daß es die Sen— 
dung des Grafen nach Berlin als ein Zeichen feindseliger Gesin- 
nung Bayerns betrachten müsse 
. Wien, 27. Sept. Das einzige Testament, welches der 
Zaiser Marimilian hinterlassen, setzt die Kaiserin Charlotte zur 
Iniversalerbin ein. Ein in Oueretaro errichtetes Codicill aber 
jestellt den Kaiser Franz Joseph von Oesterreich und den Konig 
Zepold der Belgier gemeinsam zu Vormündern der geistestranken 
aiserin. Nach diesen durchaus zuverlässigen Daten werden alle 
entgegenstehende Meldungen zu berichtigen sein. 
— ODamburg, 27. Sept. Nach der „Flensb. Norddeutschen“ 
oll es, den Wünschen der schleswig-holsteinischen Vertrauensmän; 
aer entsprechend, bestimmt sein, daß vorerst für die Elbherzogthü— 
ner nur eine einzige Regierungsbehörde mit dem Sitze in Schles— 
wvig eingerichtet werden soll. 
Frankreich. 
Paris, 24. Sept. Im Elsaß sind in Folge der anhal⸗ 
enden Geschäftsstockung zahlreiche Fabriken geschloffen, und der 
Pothstand nimmt derart überhand, daß in vielen Orischaften die 
dirchweihen unterbleiben mußten. 
Paris, 26. Sept. Der päpstliche Nuntius hat dem Kaiser 
Napoleon den Dank des Papstes Pjius für Garibaldies Verhaftung 
ausdrücken lassen. In Rom ist man — nicht mit Unrecht — 
der Meinung, daß die von der italienischen Regierung ergriffenen 
Maßregeln hauptsächlich dem Einfluß des Tuileriencabinets zu 
verdanken seien. 
Paris, 27. Sept. Die „Epoque“ will von einem in ge⸗ 
sreiztem Tyone“ gehaltenen Depeschenaustausch zwischen Paris und 
Berlin wissen; das „Journal de Paris“ dagegen von einem neuen 
Circular, das Herr von Moustier an die franzoͤsischen Diplomaten 
im Auslande in „sehr fester, obgleich gemäßigter“ Sprache zu 
cichten im Begriff stehe. Der „Gazette de France“ zufolge hätte 
Derr Rattazzi als Gegengefältigkeit für Garibaldi's Verhaftung 
die Erlaubniß verlangt, eine Anleihe auf den Markt von Paris 
zu bringen. 
Italien. 
Turin, 47. Sept. Diesen Nachmittag fand eine Kundge⸗ 
bung statt. Dem Präfecten wurde eine Bittschrift überreicht, weiche 
die Befreiung Garibaldis und Rom als Hauptstadt verlangt. 
Der Präfect erwiderte, daß er die Bittschrift dem Ministerium 
rinsenden werde. 
Florenz, 27. Sept. Die öffizielle Ztg. schreibt: Gari⸗— 
haldi hat den Wunsch ausgedrückt, nach Caprera zurückzukehren; 
da die Regierung diese Absicht entsprechend der ihrigen fand, hat 
sie sofort ihre Bewilligung ertheilt. Garibaldi ist diesen Morgen 
auf einem Staatsdampfer abgereist, 
Neaqapel, 26. Sept. Einige Hundert Personen durchliefen 
die Straße Toledo unter dem Rufe: „Es lebe Garibaldi!“ Den 
Kundgebungen wurde darauf auf friedliche Weise ein Ende ge⸗ 
nacht, Andere Agitatoren rüchten gegen das französische Cou⸗ 
ulat an; doch versperrte ihnen eine Schwadron Cabvalerie den 
Weg, worauf die Demonstration aufgelöst wurde. Acht Leute 
wurden verhaftet. 
Snanien. 
Madrid, 27. Sept. Die politischen Flüchtlinge vom letz⸗ 
hen Aufstand werden amnestirt, wenn fie sich binnen 80 Tagen 
teslen. — Der itg!ienische Gesandte Corti hat der Königin sein 
Beglaubigungsschreiben überreicht.. — Die Cortes werden wahr⸗ 
schennlich am 1, November zusammentreten. 
Amerika. 
Vera⸗Cruz, 13. Sept. Juarez empfing den öjteereichi⸗ 
chen Admiral Tegethoff gut und wird angeblich Maximiliau', 
Leiche gegen Vorzeigung der zum Empfange derselben ermächtigenden