Full text: St. Ingberter Anzeiger

— abzuhalten, welche die Bismarck'preußische Vergewaltigungspo 
litik verdammen. (Pf. 3.) 
Karls ruhe, 3. Jan. Die hiesige Raths- und Angklage 
zammer hat den Drucker der Schrift: „Nochmal den badischen 
Berrath.“ Hrn. J. Kleebach in Stuttgart und den Commissionär 
herrn K. Auer daselbst, wegen durch die Presse verübter Beleidi⸗ 
zung eines Mitgliedes des Gr. Hauses durch Verläumdung und 
Ehrenkränkung in Bezug auf dessen öffentlichen Dienste als Com— 
nandanten der badischen Felddivision in Anklagestand versetzt und 
zjur Aburtheilung an die Strafkammer des hiesigen Hofgerichts 
verwiesen. 
Frankfurt, 1. Jan. Senator Bernus hat die Entlassung 
rus dem hiesigen Vürgerverbande bereits erhalten und von Frank 
urt in einem Briefe an einen Freund Abschied genommen. Die 
einen Patriotismus klennzeichnende Stelle lautet: „Mich von Frank⸗ 
urt zu trennen, ist mir sehr schwer geworden, und es hat mich 
nanch bittere Stunde gekostet, bis ich mit mir einig war. Das 
Beispiel meinen Vorfahren, (französische Refugiés) die der Freihet 
hrer Ueberzeugung das Vaterland opferten, hat auch mich gestärkt, 
daß ich mir die Freiheit meiner Ueberzeugung wahre, als freier 
Bürger mir ein Vaterland suche, wo ich als freier Bürger mich 
ühlen, als freier Mann dereinst sterben kann, so Gott will. Aber 
ch fühle es täglich tiefer, daß tausend und tausend Fäden der 
Seele mich an meine liebe Vaterstadt fesseln, daß sie meinem Her⸗ 
sen immer das wahre Vaterland bleiben wird und daß der erste 
jreie Luftzug mich ihr wieder zuführt. Ich wünsche von ganzer 
Seele, daß meine Mitbürger meinen Schritt nicht mißdeuten! Der 
zanze Stolz meiner Seele war, mir die Achtung und Zuneigung 
neiner Mitbürger zu erwerben; möcht' ich davon nichts verlieren, 
vas ich mir etwa errunzen habe. Gott segne Frankfurt!“ — 
Der Kurfürst von Hessen, dem es in Hanau denn doch nachgera⸗ 
de etwas zu still hergegangen ist, hat gestern ein Haus des Herrn 
3. Rothschild in der neuen Mainzerstraße bezogen, das er vor⸗ 
läufig auf ein Jayr in Miethe genommen hat. 
Aus Rheinhessen, 5. Jan. Der Rücktritt des baye⸗ 
tischen auswärtigen Ministers Hrn. v. d. Piordten und die mit 
einem Nachfolger, Fürsten Hohenlohe, verbundene Aussicht näherer 
aund natürlicherer Beziehungen zwischen Bayern und Preußen, der 
neuen norddeutschen Centralmacht, eröffnet uns Hessen die Aussicht 
daß auch die Tage des längst von den Zeitereignissen überholten 
Ministeriums v. Dalwigk gezählt seien. Denn trotz der neuen 
Verbrüderung der hessischen Südbunds-Demokraten mit den schwarz⸗ 
roth⸗goldenen Ideen dieses Staatsmannes aus der Beust'schen 
Redeschule, welche die jetzig hessische Kammermajorität geboren 
zat, hält man es hier zu Lande doch nicht für menschenmöglich, 
daß Hr. v. Dalwigk, der sein Olmütz, in Berlin gefunden hat, seint 
„ersprießlichen Dienste“ auch noch für den engeren Anschluß Hes⸗ 
ens an Preußen verwerthen wolle oder auch unr könne. Mit der 
nächsten Haltung Bayerns in der deutschen Frage wird sich aber 
vas Schicksal der „Mainlinie“ entscheiden. Wie unhaltbar die 
etzigen Zustände Süddeutschlands sind, geht u. A. aus der neue, 
ten Erklaͤrung Preußens hervor. wonach das Nesultat der schwe⸗ 
jenden Verhandlungen zwischen Preußen und Oesterreich über die Re⸗ 
jorm des Zoll⸗ und Handelsvertrags vom 11. April 1868 kei⸗ 
eswegs für die süddeutschen Staaten maßgebend sein könne, weil 
ziese Staaten eben „freie“ Staaten wären, und denen somit der 
aationale Hintergrund — belanntlich in wirthschaftlichen Fragen 
jo wesentlich — zum eigenen Schaden momentan fehlt. Diesel⸗ 
»en haben also entweder nur „Ja“? und „Amen“ zu sagen zu 
dem, was Preußen in Wien vereinbaren wird, oder sie müssen sich 
n ohnmächtigem Widerstreben abscheiden von dem großen, uns alle 
jegensreich umfassenden Zollverband mit seiner ig Leitung 
Pf. K. 
Aus Kurhessen bringt die „Rhein. Zig.“ eine Corre⸗ 
pondenz, worin das Urtheil preußischer Offiziere über die disher 
hestandenen⸗ kurhessischen Militäreinrichtungen, den jetzt bestehen⸗ 
den preupischen gegenüber, als ein sehr günstiges dorgestellt ist. 
Auch die Sildung der Unterosfiziere lasse nichts zu wünschen üb⸗ 
rig und in manchen Gegenständen seien dieselben den preußischen 
an Kenntnissen überlegen. In derselben Correspondenz wird Kla⸗ 
ge geführt, über den preußischen Diensteifer beim Einüben der 
Mannschaften, der sehr oft all zu handgreiflich wird. 
Dresden, 4. Jan. Die „Const. Ztg.“ erfährt, daß sowohl 
Herr, v. Varnbüler wie Herr. v. Dalwigk sehr bald das Schid⸗ 
jal Herrn v. d. Pfordten's theilen werden. XF 
Verlin, 3. Jan. Der „Staatsanzeiger“ publicirt eine 
königliche Verordnung, betreffend die Uebertragung der Verrichtun⸗ 
gen des gesetzgebenden Körpers in Frankfurt a. M. auf die stän⸗ 
dige Bürgerrepräsentation, bis ein neues Gemeindeverfassungsgesetz 
erlassen seir wird. — Die „Kreuzzeitung“ sagt: Die Zeitungsge⸗ 
rüchte über die Ernennung des Generals v. Moltke zum Marine⸗ 
minister sind unbegründet. — Die Frankiurter Gnmnasien wurden 
den altpreußischen gleichgestellt. — Die „Rordd. Allg. Zig.“ de— 
mentirt die Nachricht über einen Austausch der Provinz Hanan 
gegen Rheinhessen. Nach demselben Blatt wird die Regierung un⸗ 
verzüglich das nassauische Jagdrecht abschaffen. 
Wien, 4. Jan. Nach einem Privattelegramm der „Hamb. 
Nachr. von hier hat der König von Italien einen telegraphischen 
Neujahrsgruß an den Kaiser gesandt, der von diesem sofort auf 
demselben Wege auf das Herzlichste erwidert worden ist. — 
„Das „Neue Fremdenblatt“ iheilt mit: „Der Staatsminister 
Zelcredi unterbreitete dem Kaiser einen Antrag, daß allen wegen 
PBreßvergehen und Preßverbrechen Verurtheilten, daher vom acti— 
den und passiven Wahlrechte Ausgeschlossenen, die Rechtsfolgen nach⸗ 
zusehen find. 
Agram, 5. Jan. In Folge aus Wien eingelangter Ordre 
hat der croatische Landtag seine Sitzungen einzustellen. Heute fin⸗ 
det die letzte Sitzung statt. 
Frankreich. 
Paris, 2. Jan. Der hiesige Correspondent der Wiener 
Presse“ schreibt: „Die hiesige Schriftstellerwelt ist in großer Auf⸗ 
egung über ein bevorstehendes Duell zwischen den Herren Henri 
de Rochefort, dem bekannten geistvollen Chronisten, und Paul de 
Tassagnac, der seit einiger Zeit alle Welt in den Spalten des 
„Pays? mit seinen Invectiven überschüttet. Ein gehässiger Artikel 
des Letzteren war die Veranlassung zu der Her rusforderung, die 
auf die allerschärfsten (7) Bedingungen ftattfand. Die beiden Zeu⸗ 
gen des Herrn Rochefort, die Herren Parotte und Thiery, Lieute⸗ 
zant im Garde Zuaven⸗Regiment, beständen zunächst auf dreima⸗ 
igem Kugelwechsel aus eine Entsernung don 15 Schritten. Die 
Zeugen des Herrn de Cassagnac, Herr Roy de Ledignan, ebenfalls 
Lieutenant im selben Regiment, und Herr Delatouche, Secretär 
des Hrn. Granier aus Cassagnac sen., bestritten diese Bedingungen, 
und man einigte sich schließlich auf eine Distanz von 30 Schritten, 
mit der Erlaubniß für jeden Combattanten, fünf Schritte vorwärts 
zu schreiten. Das Duell sollte heute auf der belgischen Gränze 
staftfinden; Herr Giraud, Oberst der Zuaven, verweigerte jedoch 
einen Offizieren die Erlaubniß zur Abreise, und da Herr de Cas⸗— 
iagnac den Zweikampf durchaus nicht in Frankreich ausfechten 
wollte, sahen sich die Combattanten zur Wahl neuer Zeugen 
genöthigt. Weitere Nachrichten liegen über die Angelegenheit 
uicht vor. 
Paris, 3. Jan. Die „France“ erzählt Folgendes, um zu beweisen 
vie in Holstein die Stimmung gegen Preußen ist: Ein Preuße 
sprach gegen ein Mitglied der holsteinischen Stände seine Freude 
nmis, die Holsteiner bald an der Seite der Preußen im norddeut⸗ 
chen Parlamente sitzen zu sehen. „Ja“, antwortete der Holstei⸗ 
ner, „Sie werden uns mit den Schleswigern in der Fraction 
der Polen finden.“ 
Paris. 4. Jan. Wie nunmehr gemeldet wird, hat das 
zeabsichtigte Journalisten-Duell zwischen Cassagnac und Rochefort 
auf beigischem Boden wirklich stattgefunden und soll der Letztere 
verwundet sein. 
Paris, 4. Jan. In den östlichen Departements organi⸗ 
siren sich jetzt regelrechte Compagnieen von freiwilligen Schützen 
zur Abwehr eines eventuellen Einfalls der Preußen. Wie sich die 
Zeiten ändern? Die Regierung begünstigt diese Regungen des 
kriegerischen Geistes, weil sie Nutzen für ihre Armeereformpläne 
daraus · zu ziehen hofft. Trotz aller Versicherungen des „Abend⸗ 
moniteur“, daß die Erinnerungen von 1815 verwischt seien und 
das Verhältniß Frankreichs zu Deutschland sich auf das Freund⸗ 
chaftlichste gesialten werde, sieht man es dennoch nicht ungern, 
venn das Andenken frisch erhalten bleibt, daß die Preußen im 
Jahre 1815 ssich ganz besonders unangenehm gemacht und sich 
ils die bittersien Feinde gezeigt. Auf diese Thatsache, deren sehr 
iatürliche Erklärung man verschweigt, weist auch der „Internatio⸗ 
nal hin, der auch noch jetzt in befreundeten Beziehungen zum aus⸗ 
värtigen Amte steht. Das Blatt hofft übrigens, daß die Bil— 
umg der Freiwilligencorps der Preußen als peremtorische Ant⸗ 
vort auf ihr hochmüthiges sans gèêne dienen werde. Ein Stoß⸗ 
eufzer über die offenen Grenzen fehlt natürlich nicht, und doch 
vird Preußeu anzeklagt, es sae in Deutschland unausgesetzt Haß 
jegen Fraukreich. Als wenn nicht die tolle Grenzen⸗Manie der 
Franzosen zur Erklärung des wohlberechtigten Mißtrauens des deut⸗ 
chen Volkes ausreichte. Edgar Guinet, der im , Temps“ eine 
Neihe von Artikeln über die deutschen Angelegenheiten von deut⸗ 
jchem, französischem und europäischem Gesichtspunkt beginnt, bleibt 
ebenfalls auf einem einseitigen Standpunkt, wenn er den Vor— 
wurf wiederholt, Preußen habe den deutschen Kosmopo litismus in 
rin reizbares und unangenehmes Nat'onalgefühl verwandelt. In den 
Augen eines Deutschen kann diese Anklage nur ein Compliment 
für Preußen sein. Die französische Phantasie will übrigens jetzt 
vieder ganz bestimmt vermessende und aufneh:nende preußische In⸗ 
renieur⸗e in den ästlichen Propinzen entdeckt hahen — Dem Staats-