Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler Zcnzeiger. 
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Nro. 21. — ESamstag, den 16. Februar 1867. 
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Deutschlaud. 
München, 12. Febr. Die Linke hat folgenden Antrqg 
ingebracht: „Cie hohe Kammer wolle beschließen Es sei an 
Seine Majestät den König die allerehrfurchtsvollste Bitte zu richten, 
em gegenwärtig versammelten Landtage einen auf freifinnigen, 
Grundsätzen beruhenden Schulgesetze Entwurf vorlegen zu lassen.“ 
Muͤnchen, 13. Febr. In der heutigen Sitzung der Kam⸗ 
mer der Abgeordneten brachte der Kriegsminister Frhr v. Prankh 
hen Gesetzeniwurf die „Weheverfassung des Koͤnigreichs“ betr. ein 
uind bemerkte dazu 
Im allerhöchsten Auftrage Se. Maj. des —X— 
ie Ehre, Ramens der kgl. Staatsregierung einen Gesetzentwurf: 
Die Wehrverfassung des Königreichs betr.“ dem versammelten 
dandtage und zunächst diesem hohen Hause vorzulegen. Indem 
ch mich diesesAuftrages hiermit eniledige, erlaube ich mir, hiexan einige 
migemeine Bemerkungen zu knüpfen. Die kriegerischen Ereignisse 
es vergangenen Jahres haben den meisten europäischen Staaten 
Beranlassnng gegeben, eine Reorganisation ihres Wehrsystems ins 
Auge zu fassen. Auch in Bayern wurde dies als unabweisbar 
annt und das Kriegsministerium erachtet es als seine dringen⸗ 
te und wichtigste Aufgabe, auf das Enlschiedenste in dieser Rich— 
ung vorzugehen. Bei dem bisherigen Wehrjystem; Bayerns ge⸗ 
angte durchschnittlich nur etwa die Hälfte der Anzahl der waffen⸗ 
uͤhigen Jünglinge zu militärischer Rusbildung. Die nach Erfül— 
ung ihrer Dienstpflicht im stehenden Heexe im die Reserve über⸗ 
retende Mannschaft hatte keine Formation; die Entwöhnung vom 
Waffendienste befähigte diefelbe nicht zur sofortigen Verwendung 
in Rachtheil der bei der Raschheit, mit welcher die Kriege der 
Neuzeit zur Entscheidung kommen und gebracht werden müssen, 
oppelt schwer wiegt. Durch die Ersatmannstellung war dem 
vohlhabenderen Theile der Bevölkerung die Möglichkeit geboten, sich 
dem Heeresdienste zu entziehen; nur durch die Zurüchstellung konnte 
in großer Theil der intelligenteren Bevölkerung entweder gat 
nicht oder doch keinenfalls rechtzeitig zur Deckung des Bedürfnis⸗ 
es an Chargen verwerthet werden. Diese Nahᷣtheile sind sehr 
chwerwiegend, um — auf dem bisherigen Systeme fort bauend — 
ine Verbesserung der Wehrkraft des Landes anbahnen zu können 
ind die Erwägung: wie diesen Nachtheilen zu begegnen, führt 
von selbst auf Durchführung der allgemeinen Wehrpflicht. Je tie— 
er jedoch eine derartige Reorganisation in die bürgerlichen, finan⸗ 
iellen und militärischen Verhaͤltnisse eingreift, desto mehr tritt die 
pflicht hervor, ein bereits erprobtes Sysiem hiefür als Grundla⸗ 
Je zu wählen. Das Milizsystem, auf welches des Näheren zurück 
sukommen ich voraussichtlich noch Gelegenheit haben werde, setzt 
jolche Verbindungen voraus, wie sie sür Bayern nicht gegeben 
iind, und welches daher anzunehmen weder raihsam noch möglich 
st, so ersprießlich es auch zur Schonung der Finanzen des Staa⸗ 
es scheinen mag. Dagegen hat sich Preußens Wehrsystem, her⸗ 
orgerufen und erprobt durch die großen Ereignisse am Beginne 
mseres Jahrhunderts — neuerdings bewaͤhrt und unsere Ver— 
asffungs⸗ Urkunde stellt bereits die Grundlage für eine Reorgani⸗ 
ation nach diesem Systeme sest: gewiß also Grund genug, gera⸗ 
ze dieses Wehrsystem als Grundlage zu wahlen. Bei der aber 
nicht unbedeutenden Erhöhung der persönlichen und finanziellen 
deistungen, welche die Durchführung dieses Wehrsystems erfordert, 
zrachtete es das Kriegsministerium als Pflicht, alle mit Durchfüh— 
rung dieses Systems nur immer moͤglichen Erleichterungen eintre— 
len zu lassen. Schließlich darf ich übrigens nicht unerwaͤhnt lassen, 
vie die durch die Keserve-Bataillone in Aussicht gestellte Erhöhung 
der Wehrkraft erst nach einigen Jahren zur bollen Geltung kom⸗ 
men kann und daher unter den zur Zeit gegebenen Verhältnissen 
um so mehr auf eine möglicht rasche und kräftige Entwickelung 
her im stehenden Heere ruhenden Kräfte Bedacht genommen wer—⸗ 
den muß. Ich empfehle hiemit diesen Gesetzentwurf Ihrer Prüfung 
und Würdigung.“ 
Muünshen, 13. Febr. Der von dem k. Kriegsminister, 
VBeneralmaior Frbrn. v. Vrankb. in der gestrigen Sitzung der 
Kammer der Abgeordneten vorgelegte Gesetzentwurf, die Militär— 
Bersassung des Königreichs betre ffend, lantel wörtlich: 
Seine Majestät der König haben nach Vernehmung Aller⸗ 
yöchst Ihres Staatsrathes mit Beiraih und Zustimmung der 
dammer der Reichsräthe und der Kammer der Abgeordneten be⸗ 
chlossen und verordnet, was folgt:;:; 
Art. 1. Jeder Bayer muß die ihm nach den Gesetzen oblie⸗ 
gende Militärdienstpflicht persönlich ableisten. Die Stellvertretung 
st aufgehoben. Die bei Erscheinen dieses Gesetzes bereits in 
wWirksamkeit stehenden Einstands-⸗Verträge mit dem sich daraus er— 
sebenden gesetzlichen Folgen und Wirkungen bleiben jedoch bis zum 
Ablaufe der festgesetzten Einstandszeit in Kraft. 
Art. 2. Die Conscriptionspflicht tritt künftig in jenem Jahre 
in, in welchem der Pflichtige sein zwanzigstes Lebensjahr zurück— 
egi, so daß derselbe mit dem 1. Januar des darauffolgenden Jah— 
es in die Militärpflichtigkeit tritt. Die nach 88 41 und 46 des 
Heeres⸗Ergãnzungs⸗Gesetzes vom 15. August 1828 wegen nicht. 
erreichten Normalmaßes, schwächlichen Körpers oder heilbarer 
Krankheiten zeitlich Zurücgestellten sollen, wenn die Hindernisse 
ihrer Beiziehung sich im darauffolgenden Jahre noch nicht gehoben 
vaben, im zweifolgenden Jahre nochmals untersucht werden. Erst 
wenn auch bei dieser dritten Untersuchung die Untauglichkeit er— 
tlärt ist, findet die Befreiung vom Waffendienste statt. Diejenigen 
pflichtigen, welche zwar nicht zum Wafsendienste, jedoch zu sonsti⸗— 
jen militärischen. Dienstleistungen verwendbar sind, können zur 
dienstleistung als „Nichtstreitbare“ beigezogen werden, und zwar 
ur Diensileistung in Militärkanzleien, Werlstätten und ähnlichen 
cFtablissements, sowie bei den Sanitäts und Verpflegs⸗Abtheilungen. 
Art. 3. Sämmliche jährlich zuwachsenden zum Waffendienste 
auglichen Militärpflichtigen sollen in das Heer eingereiht und in 
»en Waffen geübt werden. Das Loosen und somit auch das Tau⸗ 
chen der Nummern, ferner der Tausch zwischen Brüdern ist auf⸗ 
jehoben. Die in 88 47 und 48 des Heeres⸗ Ergänzungs⸗Gesetzes 
enannten Pflichtigen sollen zur Infanterie als Ersatzmannschaft 
ingetheilt und nach ein monatlicher Uebungszeit in Friedenszeit beur⸗ 
audt werden. Gleiches Verfahren hat unter billiger Berücksichti⸗ 
jung häuslicher Verhältnisse einzutreten, wenn sich d den 
ährlichen Zugang eine den formalionsmäßigen Bedarf des Heeres 
iberschreitende Zahl Pflichtiger ergibt. 
Art. 4. Der freiwillige Eintritt in das Heer — mit freier 
Wahl der Waffengattung vor Eintritt des Zeitpunkies der wirk— 
lichen gesetzlichen Dienstpflichtigkeit — ist bei Erfüllung der übri⸗ 
zen gesetzlichen Bedingungen mit zurückgelegten 16. Lebensjahre 
ulässig und kann dadurch die gesetzliche Dienstzeit sowohl im 
Zeere als in den Reserve-Bataillons entsprechend früher zurückge⸗ 
egt werden. Jungen Leuten von nachgewiesener höherer Schul⸗ 
ildung, welche die Pflicht, fich aus eigenen Mitteln zu verpflegen 
ind zu kleiden übernehmen, wird unter gleichen Voraussetzungen 
die Begünstigung zugestanden, daß sie im Frieden schon nach Ab⸗ 
sauf einer einjährigen Dienstzeit auf Verlangen in den Staud 
der Kriegsreservisten des stehenden Heeres versetzt werden, von 
wo sie nach weiterer dreijähriger Dienstzeit zu den Reserve⸗ 
Hataillons übergehen und dort nach Maßgabe ihrer Fähig— 
iten und Verdhältnisse die ersten Ansprüche auf die Offi— 
aersstellen erlangen. Die Zurüchste ll ung der im 8 49 des 
ʒeeresergänzungsgesetzes bezeichne ten Pflichtigen ist dagegen aufge⸗ 
soben, doch kann solchen vorzüglich befähigten jungen Leuten, wenn 
e mittellos sind, auf Ansuchen au snahmsweise waährend der ein⸗ 
ihrigen Dienstzeit die Gelde und Natural⸗Verpflegung nach den 
eeres⸗Vorschriften bewilligt werden. 
Art. 3. Militärzöglinge oder Schüler, welche in den mili⸗ 
rärischen Bildungs- und Lehr-Anstalten auf Kosten des Staats 
interhalten und unterrichtet werden, sind verpflichtet, — außer 
hrer allgemeinen und persönlichen Dienstpflicht im stehenden Heere 
jur jedes Jahr, während dessen sie diese Wohlthat genossen 
jaben, je zwei Jahre, soweit sie aber einen Theil dieser Kosten 
Abst getragen hoben, je ein Jahr im stehenden Heere zu dienen.