Full text: St. Ingberter Anzeiger

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der St. IAngberter Unzeiger (und das mit dent Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt, mit der Dienstagz⸗ Donnerslagt ⸗ und Sonntags⸗ 
kummer) erscheint wöchentlich vie r n all: Dien stag, Donnerstag, S amstag und Sonntaa. Abonnementspreis vierteliahrig 42 Krir. o⸗der 
12 Silbergr. Anzeigen werden mit 3 Krzr. die dreispaltige Zeile Blattichrift oder deren Raum berechnet. J 
Samstag, den 12. Mä 1870. 
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Deutschland. 
AK. Muͤnhen, 7. März Die“ Münchenet Wahl. ist 
sekauntlich in weit entschiedener Weise liberal ausgefallen, als im 
Nonat November.' Dieses Resultat wurde ermöglicht durch das 
Jusammengehen All'er liberalen Elemente der Hauptstadt. So— 
sald die Fortschriitspartei und die derselben immerhin Nahestenden, 
venn auch nicht angehörigen sonstigen Liberalen ihr Compromiß geschlos⸗ 
en hatten, war für die Ultramontanen jede Aussicht auf Ecfolg 
erschwunden und es haͤtte wohl in ganz München kein Name 
jefunden werden können, der ihnen so viele Schmerzen macht als 
et Name des jetzigen Abgeordneten Wülfert, der in seinen An⸗ 
chauungen über die nationale Frage und über die innete Ent⸗ 
vickelung Bayerns man kann fast sagen Hand in Hand mit der 
Fortschrittspartei gehen wird. In ihrem Aerger beschlossen nun die 
Ultramontänen wenigstens bei der Ersatzmänner-Wahl Etwas aus⸗ 
uüben, wovon sie glaubten, daß es der liberalen Partei unange⸗ 
tehm und ihnen später möglicher Weise von Vortheil sein könnte. 
In der Ueberzeugung, daß unter den von den“ gesammten 
iberalen Urwählern zu Ersatzmäunet“ Vorgeschlagenen der Graf 
Rambaldi ihren Anschauungen am nächsten stehen dürfte, in der 
doffnung vielleicht, daß falls derselbe einmal einzutreten hätte 
r möglicher Weise zu ihnen sich“ halten könnte, haben sie einen 
Theil ihrer Stimmen mit den Liberalen auf diesen“ Namen ver⸗ 
inigt und so wurde Graf Rambaldi erster Ersatzmann. Wir 
jlauben, die Ultramontanen haben sich dabei in denmn Manne 
zetäuscht, und noch sicherer in der Sache. Es haben nämlich auf 
Vorschlag des Centralwahlkomites in München die zu Ersatzmännern 
zorgeschlagenen Männer, in gerechter Würdigung des zweifelhaften 
Werthes der Ersatzmäunerwahl überhaupt, vor der Wahl durch 
samensunterschrift sich verpflichtet, für den Fall des Eintrittes der 
krledignng eines Abgeordnetensitzes in. der Hauptstadt auf die 
lebernahme des Mandates der Reihe nach zu derzichten um so! 
ine Neuwahl möglich und nothwendig zu 
nachen. Sq wird München im Falle Einer der gewählten 
Abgeordneten abzutreten genöthigt sein. sollte, durch eine Neu⸗ 
vahl seine liberale Gesinnung aufs Neue zu documentiren Gele⸗ 
zenhet haben. Wir möchten unsern Gesinnungsgenossen draußen 
m Lande dieses Beispiel in der Hauptstadt auf das Alle r 
»ringendüe zur Nachg hmung empfehlen ! Das Ueble 
der Ersatzmaͤnnerwahl ist läugst erkannt und vieifach beklagt wor⸗, 
den.! Es wäre gewiß in vielen Wahlkreisen für die gute Sache 
don Vortheil, wenn die gewählten Ersatzmänner heute noch 
sich bereit erklären würden, im Falle der Erledigung eines Man— 
zates aus ihrem Wahlkreise, sämmtlich zurücktreten und durch 
Abhaltung einer Neumahl dem Willen ihrer Wahlmänner erneuten 
Uusdruck verleihen zu wollen! — 
Wie weit übrigens die Verbissenheit in der ulktramontanen 
Partei geht und welche Elemente thatsächtich in derselden die Ober 
jand haben, beweist auf das Schlagendste bei der Günzburger 
Wahl die Beseitigung; des von der Augsdurger Postzeitung prote- 
zirten Wahlcandidaten Carl Freiherr v. Thüngen. Derselbe hätte, 
vie vielfach hekannt, gewiß zu den alblergemäßigsten 
klementen, in der parteilosen Kammerpartei gehörte und 
deßhalb mußte er, trozdem sein Name bei den sog. Patrioten 
jewiß einen guten Klang hat und dieselben eine frische, junge 
Krast an ihm gewonnen hätten einem Pfarrer und zwei Bauern 
veichen! — , . 
Ud ünchen, 8. März. Um auch der Familie des Fürsten 
hohenlohe eine Aufmerksamkeit zu erweisen, wurde dessen Genahlin 
geb. Prinzessin , van Sayn Wittgenstein) vom: König und der 
königin Veutserz unter die Zagl-n der Theresienordensdamen 
mufgenommenc.. 235 . 
München, 8. Märzen; Zu den interessanten Sitzungen, 
relche der bayerische Laudtag seit seinem Zusammentritt vor fast 
sehn Wochen gehalten? hat, gehört die gestrige. Bei einem sehr 
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khätigkeit der Staatsschuldentilgunzs⸗Commission, euntwickelte sich 
ein auschauliches Bild von den financiellen Capacitäten auf- der 
cechten Seite des Hauses. Der Referent, Ministerialrath Diepolder, 
»er auch Zollparlaments Abgeordneter ist, hatte in seinem gedruckten 
steferate in einem wenig passenden orakelhaften Tone von ge⸗ 
vissen Bedenken geredet, welche sich an den Abschluß der jüngsten 
kisenbahn⸗Anleihe geknüpft hätten und die durch eben so wenig 
ingegebene Ausführungen des Mimisters beseitigt schienen. Solche 
llgemein and dunkel gehaltene Actenstücke, deren Tragweite ganz 
inberechenbar ist, glaubt man auf liberaler Seite nicht hingehen 
assen zu sollen, da neben der möglichen Verdächtizung der init 
zen Finanz ⸗Opperationen bettauten Staatsbeamten, welche 
»arunter verstanden werden konnte, dergleichen unbegründete 
Jeußerungen“ geeignet sind,“ den Staatscredit? zu schädigen. 
Dieser Auffassung gaben namentlich die Abg. Marquardsen und 
Fischer Ausdruck und erzielten damit allerdiags einen unver hofften 
Erfolg.n Die clerikalen Vertreter Lucas und Huttler, nament⸗ 
ich Ersterer, gab als Vorstand des Finanz-Ausschusses eine solche 
Füsle von finanzpolitischen Ungeheuerlichkeiten und „Bedenken“ 
uum“ Besten, daß die dazwischen eingeschobene sachliche Aut— 
einandersetzung des Finanzministers, sowie die spätere Rede 
des Handelsminitsers v. Schlör wie Stimmen aus einer 
inderen Welt erschienen. Wo freilich die verkehrte Welt sich 
zefand, deuteten die beiden Redner von der Ministerbank nur 
nit leisen Zügen an, während der Abgeocdnete Fischer die 
inanzielle Weisheit der Herren Lucas und Huttler mit etwas 
erberem Pinselzeichnete und das einsichtsvolle Schweigen des 
steferenten nach Gebühr verherrlichte. Wenn der schlagfertige 
Zürgermeister von Augsburg noch die Befürchtung äußerte, daß 
die finanzwissenschaftlichen Träume des Herrn Lukas den bayerischen 
Staatscredit schädiger können, so glauben wir, daß Herr Lukas 
zurch seine Rede dieser Gefahr jede Spitze abgebrochen hat, wie 
)enn in der eigenen' Partei der geistliche Finanzmann sehr bald 
ls enfant torribls vegriffen wurde. Aehnlich ging es in derselb en 
8ersammlung einem zweiten Gelehrten des Patriotismus, dem 
zeistlichen Lycealprofessor Greil, nicht minder Mitglied des Finanz⸗ 
usschusses, der von den bayerischen Finanzen auf den General 
o. Spruner kam, darüber vom Präsidenten zur Sache zurückge⸗ 
rufen gegen Spruner fortreden wollte und an die Kammer' 
appellirte, aber von den eigenen Freunden zur Ruhe gestimmt 
vurde, während einige der Fortschrittler ihn aus guten Gründen 
jern hätten weiter reden lassen. Vermuthlich setzt es heute Abend 
m Club der patriotischen Herren etwas ab, oder die Herren sind 
inter sich viel lammhafter, als in den Kammerverhandlungen er— 
ichtlich wird. 
Der K. Correspondent des Pfälz. Kur. schreibt aus Mün— 
hein, dd. 8. Mäcz: Bei den Tiraden gegen unser auf allge— 
neiner Wehr⸗ und Dienslpflicht beruhendes neues Wehrgesetz wird 
mmer als Ideal einer Wehrverfassung das Milizsystem gepriesen, 
vie es in der Schweiz besteht und wie es in den Vereinigten 
Staaten Nordamerika's bestehen sob. 
Diese haben nämlich gar kein derartiges Institut, sondern 
eine stehende Armee von 70,000 Mann, die aus geworbenen 
MNannschaften besteht; ein Miliz, wie man sie für uns verlangt, 
xistirt dort dicht, und hat auch noh nicht existirt. Bis zum 
lusabruche des großen Krieges zwishhen den Norde und Südstaaten 
zestand ein reguläres Heer von 40,000 Mann, dessen größter 
Theil auf die Seite der Süodstaaten trat, wodurch es diesen bei der 
vollkommen hinreichenden Zahl von in der Militärschule zu Westpoint 
zebildeten Officieren gelang, in der ersten Zeit die in der Eile 
usammengerafften undisciplinirten, schlecht bewaffneten, wenn auch 
in Zahl weit überlegenen Massen des Nordens nicht allein im 
Schach zu halten, sondern sogar bis vor die Thore Washingtons 
ju treiben. Die Nordstaaten gingen, als sich keine Menschen mehr 
ur Geld verkaufen wollten, nicht alleit zu dem Conscriptions⸗ 
vesen zurüc, sondern gestatteten sogar Stellvertretung, welch' letztere 
ei uns denn doch ein überwundener Standpunkt ist. Wäre der 
stegierung von Washington gleich bei Beginn der Zwistiekeiten