Full text: St. Ingberter Anzeiger

„eutschen Staaten augenommen. Dagegen sprach Becher (Stuttgart) 
Namens der süddeutschen Fraction, weil der Antrag Erweiterung 
der Zollparlaͤmentsbefugnisse und Schmälerung der Rechte-der, 
Zammern der Einzelfstaaten bezwecker. 
i¶Wieen.“ Der Graf von Paris, das Haupt des Hauses Or—⸗ 
leans ist hier kingetroffen. Der Herzog von Chartres wird er⸗ 
wartet. Die Prinzen des Hauses Koburg sind, gleichfulls anwesend, 
auch die Konigin der Belgier. Von den älteren Bonrbons befinden 
sich König Franz und die Königin Maria von Neapel in Schön⸗ 
brunn, der Graf von Chambord in Frohsdorf. Mau ssricht von 
einer sich anbahnenden Versöhnung der älteren mit der jüngeren 
Linie der Bourbons und wird unwillkürlich daran erlnnert, —daß 
ihre Parteiführer in Frankreich gemeinsam das Plebiszit bekämpfen. 
J Nb. Korr.) 
Wisen, 2. Mai. Das 5Vaterland“ eröffnet sein heutiges 
Abendblatt mit den folgenden Zeilen: „Wie wir aus kompetenter 
Quelle erfahren, steyt die Ernennung“ des Grafen Andrassy zum 
Reichskanzler in nächster Aussicht. Graf Beust soll eventuell den 
Boͤtschafterposten in London übernehmen.“ Soweit wir die Situation 
zu uͤberschauen vermögen, ist diese Meldung jedenfalls mindestens 
verfrüht, abgesehen davon, daß man uns von sehr guter Seite 
zersichert, Graf Andrassy habe in den letzten Tagen 'erklärt, er 
gedenke unter keinen Umständen“ seinen Posten“in Pesth im Stiche 
zu lassen. 
Frankreich. 
Paris, 4. Mai. Dem „Siecle“ geht von einer Persön— 
lichleit, welche in der Lage ist, gut unterrichtet zu sein, folgender 
Wink zu: „Nehmt Euch in Acht, man wird zwischen dem 6. und 
8. Mai in der Provinz das Gerücht verbreiten daß Paris in 
Feuer und Flaummen steht, daß auf den Straßen das Blut fließt 
und das Land in voller Revolution ist.“ Allerdings fügt das 
Siclle“ hinzu, ist es eine allgemein verbreikete Meinung, daß wir 
am Ende der Plehiszit ⸗Periode einen Theater-Aufzug dieser Ar— 
haben werden. — Der „Reveil“ bringt als Curiosum eine Pro 
ilamation, welche man im Jahre 1848 an allen Mauern in Frank 
reich sah und welche Herr Louis Bonagparte bei seiner Rückkehr 
nach Frankreich an das Volk erließ. Wir entnehmen derselben 
folgende Stelle: „Die demokratische Republik wird der Gegenstand 
meines Kultus sein. Ich werde ihr Priester sein. Nie und nim⸗ 
mermehr werde ich es versuchen, mich in den Kaiser⸗Purpur zu 
hüllen. Mein Herz soll mir in der Brust vertrodenen, wenn ich 
——— 
Auf ewig möge mein Mund verstummen, wenn ich je ein Wort 
eine Lästerung gegen die republikanische Souveränität des franzö 
sischen Volkes ausspreche. Verflucht mill ich sein an dem Tage, 
wo ich aus Schwachheit zugäbe, daß man unter dem Schutze meines 
Namens Docirinen vorbereite, die dem demakratischen Princip zu⸗ 
wider sied, welches die Regierung der Republik leiten muß. Man 
moͤge mich zum Hochgericht verdammen, an dem Tage, wo ich 
strafbar und verrätherisch den Versuch machen würde, eine frevel⸗ 
hafte Hand an die Rechte des Volkes zu legen, si es mit seinem 
Willen, indem ich es tausche, fei es gegen seinen Willen, durch 
Bewalt uud Willtühr.“ 
Paris, 4. Mat. Das Journol „Offiziell* weist auf die 
Taktik der Revolutionäre hin, welche die Verschwörung für eine 
Erfindung der Polizei ausgeben, und sagt, die Pflicht der Regie⸗ 
rung sei es, das Publikum aller Wahlmanöver zu schützen. Die 
Untersuchung sei in vollem Gange und es zeige sich, daß dieses 
neue Attentat mit dem Februar⸗-Complot in engster Verbinduug 
stehe. Die öffentliche Meinung werde bald alle Thatsachen über— 
schauen und beurtheilen können. 
Paris, 3. Mai. Der „Rappel“ veröffentlicht ein Manifest 
Garibaldi's an die französische Atmee, aus dem man nur nicht 
ersieht, in welchen Zusammenhang es mit der augenblicklichen 
Krisis steht. Garibaldi eiklärt lediglich, daß er, obwohl kein 
Freund des zweiten Kaiserreiches, doch nie die edeln Söhne Frank— 
reichs gehaßt habe, selbst wenn sie im Dienste der Tyrannei 
maschirten ... 
In SaintiQuentin' haben gestern ernstliche Unruhen 
stattgefunden. Die Verhaftung eines Mitgliedes der Internationale 
rief einen Auflauf der Arbeiterbevölkerung hervor; man versuchte 
das Gefängniß zu stürmen, und es kam zu einem Kampfe mit der 
Gendarmerie und der Nationalgarde, in welchem mehrere Gens— 
darmen schwer verletzt wurden. 
Gestern nahmen auch die Vorlesungen an der medicinischen 
Schule wieder ihren Anfang. Professor Tardien hatte einiges 
— zu üherstehen, konnte aber seine Vorlesung dennoch 
halten. 
Vermischtes. 
fSit. Ingbert. In unserer Nachbargemeinde Ens heim 
hat sich anuch eine freiwillige Feuerwehr gebildet, welche bis jetzt 
chon 80 Mitglieder zählt. Wir wünschen dem edlen uneig 
nützigen Streben dieses Vereins den besten Ersolg. 
7Die nächste Schwurgerichtssitung der Pfalz wird am 
Mai ecdffnet und dauert bis zum 16. Mai inckh.“ Die zur Abu— 
theilunge kommenten Fälle sind 7 und zwar: am9. Mu 
Philipp Friedrich Kurz.« 39 Jahre alt, Barbier von Altriph. 
vegen Diebstahls; 2) am 10 Mai: Anna Maria Schmidt, Witiw 
Graf, vom Drehenthalerhof, 84 Jahre alt, wegen Kindsmordz 
3) am 11. Mai,: Joseph Hubert Ziegler, 81 Jahre alt, Buch 
hrucker in Neustadt, Redakteur des Neustadter „Auzeigers“ und de 
Lambrechter Thalboten“, wegen Preßvergehens; 4)? am 12. Mas 
Philipp Rohr, 43 Jahre alt, gewesener Redakteur der „Pfaͤlzischen 
Volkszeitung“ und des „Pfälzer Demokraten“ in Kaiserslauiein 
benfalls wegen Preßvergehens; 5) am 13. Mai: Johann Stdh 
20 Jahre alt; Kübter von Mackenbach, wegen Ecrpressung;6) .an 
rämlichen und am folgenden Tage: Georg Adam Holzheimer, 2) 
Jahre alt, Tagner von Albisheim, wegen krimineller Körperver— 
letzung — in der Nacht vom letzten Ostermantag auf. Diensta 
»erübt, in Folge deren »der Verletzte starb; 7) am 16. Mau 
Friedrich Menges, 48 Jahre alt, Bäcker von Flomersheim; Wil— 
jelm Lutz, 42 Jahre alt, Bäckergeselle allda, und Franz Joseph 
Breunig, 33 Zahre alt, Müller von Frankenthal, wegen Theil— 
nahme an dem betrügerischen Bankerott des Jakob Wagner von 
Frankenthal, welcher am 21. August v. J. in contumatiam n 
1 Jahren Zuchthaus verurtheilt worden isft. 
FWorms, 3. Mai. Heute früh versuchten hier die Zim 
mergefellen „Strike“ zu machen, indem sie die Arbeit eiustelllen 
Abkuͤrzung der Arbeitszeit von Morgens 6bis Abends 6 Uhr. 
ttatt wie gewöhnlich von 5 bis 7 Uhr, und Erhshung des Lohne! 
von 1efl. 8 ke. auf 1fl. 12 kr. per Tag war die Losung bei 
diesem epidemisch wirkenden Lasaleanischen Mandver. Die parlamen 
arischen Unterhandlungen führten zu dem Nesultate, daß die Ar— 
zeitszeit unverändert, der Arbeitslohn jedoch um 4 kr. per Taj 
erhöht wurde, worauf sämmtliche Gesellen wieder zur Arbeit zu 
rückkehrten. 
4 Der Schillerverein in Marbach am Neckar läßt soeben zu 
endlichen Errichtung eines Schiller Denk nals in der Geburts stad 
des großen Dichters einen Aufruf an das deutsche Volk ergehen. 
Die Mitel zu einem Standbilde des Unsterblichen gedenkt man 
durch nichts Geringeres aufzubringen, als durch Gründung einer 
— Schiller Lotterie. 
Schiller, ach! und Lolterie! 
Wo bleibt da die Poesie? 
f In dem doppelt unglücklichen Hessen, wie Walded diese 
durch den norddeutschen Bund in zwei Hilften gespaltene Groß⸗ 
jerzogthum nannte, besteht noch immer ein Regulativ, wonach den 
Zeamten das Tragen einer „unanständigen Bartform“ verboten jst 
n gesetzlicher Kraft. Unter unanständiger Bartform versteht man 
nach auhentischer Interpretation einen Vollbart und einen Schurn 
hart. Die Beachtung dieses Verbots wird streng überwacht und 
nur unter ganz besonderen Umständen Dispensation davon erlheil 
vie dies Rkürzlich in zwei Fällen geschehen ist. Se. königlich 
Hoheit der Großherzog hat nämlich dem Advokatanwalt Faldei 
in Mainz das Tragen eines Vollbartes allergnädigst gestatteh 
Finem anderen Beamten, dem Landgerichtsassessor Becker in Groß 
Gerau, dem die dortigen Erderschütserungen in die Glieder gefahren 
sein mögen, ward das Tragen eines Bartes gestattet, jedoch nu 
muf die Dauer eines Jahres 11 Wenn diese Thassachen nicht kürzlit 
in Hessischen Blättern gestanden hätten, ohne widerlegt zu werden 
so würde man dieselben für kaum möglich gehalten haben. 
. Ein Pariser Restaurant vongroßem Ruf wu 
lezthin der Schauplatz einer hochsomischen Scene. Ein Herr, du 
migenscheinlich den gebildetsten Stäuden angehörte, hatte sich ein 
Diner ferviren lassen, das er mit vollsten Kecht hätle erbärmlit 
nennen können; indeß beklagte er sich nicht. nur ließ er, als a 
eine Mahlzeit beendet und dem geschmeidigen Kellner ein gute: 
Trinkgeld gegeben hatte, den Wirth rufen. Dieser kommt, ein 
Zerviette unter dem Arm und das süße⸗ste Lächeln auf den Liphen. 
sofort hetbeigetänzelt. Seine Frage nach den Wünschen des geehrlen 
Baftes wird im Entstehen unterdrückt, denn dieser letztere preh 
den verblüfften Wirth krampfhaft in seine Arme und sagt unlen 
immer wiederholten Umarmungen und gerührtem Schluchzen 
Leben Sie wohl, Herr Warlh. leben Sie wohl! Einmal habet 
bei Ihnen gegessen, und — nie sehen Sie mich wieder!“ Sprad⸗ 
und verschwand spurlos. Das Lachen der anderen Gäste und di⸗ 
verlegene Gesicht des Wirthes mag man sich voirstellen. 
f(Rechtame.) In einem Piriser B'at liezt mem solgend 
—Neclhime: „Gestern wurden die Passanten in Auftegung verseh! 
—9* sie einen Herrn auf dem Pflaster der *straße hinshlagen sehen 
Dian vermuthete einen Gehirnschlag, doch erfahr man, daß dier 
Herr ein Besucher des Modemagazins von X. und derart überd