Full text: St. Ingberter Anzeiger

daß es unmöglich sein sollte, gegenwärtig einen Throncandidaten 
u finden. 
Echwurgerichtssitzung. 
II. Quartal 1870. —* 
Zweibrücken. Sitzung vom 18. Mai Nachmittags und 
14. Mai. Verhandlung gegen Georg Adam Holtzheimer, 21 
Jahre alt, Tagner von Albisheim, wegen Körperverletzung mit 
nachgefolgtem Tode. Am 18. April letzihin, am Ostermontage, 
war in der Wirthschaft der Witwwe Börtzel in Heidesheim Tanz⸗ 
musik. Der Angeklagte hatte Rachmittags dortsetbst schon getrunken 
und getanzt und gegen Mitternacht kehrte er von Albsheim kom⸗ 
mend in Begleitung seines Freundes, des nachher getödteten Georg 
Philipp Schüller wieder dahin zurück. Gegen 2 Uhr begaben sich 
diese Beiden aus dem Tanzsaale hinunter in das Wirthszimmer 
zur ebener Erde, und tranken da in Gesellschaft mehrerer Burschen 
von Asselheim und Albsheim noch einige Schoppen Wein und aßen 
Toteletten; eiwa um Z3 Uhr entistand nun, ohne daß jedoch aus 
den verschiedenen Zeugenaussagen die Veranlassung hinreichend er⸗ 
hellt, eine Streitigkeit, welche übrigens allen Anwesenden keineswegs 
rnstlicher Natur erschien. Um diese Zeit entdeckte Schüller, daß sein 
Hut zerschnitten war und nun entspann sich ein Streit, der übrigens 
bon den Anwesenden nicht von rechtlicher Natur zu sein schien, und 
äüber dessen nähere Ursache und Verlauf widersprechende Zeugen⸗ 
aussagen vorliegen. Nur so viel geht aus den Zeugenaussagen 
mit Sicherheit hervor, daß im Verlaufe des Streites, an dem 
Anfangs noch ein anderer Bursche betheiligt war, Schüller den Au⸗ 
zeklagten am Halse packte und mit einem Hausschlüssel, den er ir 
der geballten Faust hielt, auf ihn zuschlagen wollte, als er plötzlich 
zu Boden sank. Niemand hatte gesehen, daß der Angeklagte ein 
Messer in der Hand gehabt hatte und Niemand hatte ihn den 
Streich, der den Schüller zu Boden stürzte, führen sehen. In der 
rechten Schläfe Schüller's stack eine Messer, das der Angeklagte 
herauszog und welches später nicht mehr gefunden wurde. Der 
Angeklagle ging hierauf fort, rief im Gange nach Essig und 
Wasser und spornte auch den herbeigerufenen Bader zur Eile an. 
Der tödtlich getroffene Schüller kam nach dem Streiche nicht mehr 
zum Bewußtsein und starb nach anderthalb Stunden. Die Wunde 
war nach dem Gutachten des k. Bezirksarztes Dr. Schunk mit 
mit einem solchen Messer verursacht worden, wie sie die Wittwe 
Börtzel in ihrer Wirtyschaft führt. 
Die Geschworenen erklärten den Angeklagten für schuldig, unter 
Annahme der mildernden Umstände des Excesses der Nothwehr 
und der geminderten Zurechnungsfähigkeit, worauf der Schwurge— 
richtshof denselben in eine Gefängnißstrafe von drei Jahren ver⸗ 
urtheilte. 
— Sitzung vom 16. und 17. Mai. Verhandlung gegen. 
1) Friedrich Menges, Bäcker in Flomersheim, vertheidigt durch 
hrn. Anwalt Keller; 2) Wilhelm Lutz, Bäckergeselle bei Menges 
hertheidigt durch Hrn. Braun; 8) Franz Joseph Breunig, Muͤhl— 
bursche von Frankenthal, vertheidigt durch Hrn. Anwalt Gros 
Alle angeklagt der Theilnahme an einem betrügerischen Bankerott 
Als Vertreter der k. Staatsbehörde fungirt der 2. Staatsproku⸗ 
rator Herr Munzinger. — Der Bäcker Jakob Wagner, ein Baden ⸗ 
ser, kam im Jahre 1868 nach Frankenihal und fing dort mit sehr 
wenig Kapital ein Bäckergeschäft an. Das Geschaͤft ging schlecht, 
Wagner kam in Folge dessen sehr bald vollständig in Rückgang 
und schließlich suchte er im Februar vorigen Jahres das Weite, 
nachdem er sich das nöthige Reisegeld durch Veräußerung von 
citca 25 Säcken Mehl, das er kurz vorher auf Kredit gekauft, 
derschafft hatte. Am 21. August vorigen Jahres wurde er vom 
Schwurgerichte wegen betrügerischen Bankeroits in contumaciam 
zu 4 Jahren Zuchthaus veruriheilt. An diesem betrügerischen Ban⸗ 
keroit des Wagner haben die Angeklagten dadurch Theil genommen 
daß sie bei der Veräußerung des Mehls — und Breunig außer⸗ 
dem bei der Verschleppung anderer Mobilien — mitgewirkt haben 
und zwar in folgender Weise: Der Angeklagte Breunig kam am 
Tage vor der heimlichen Abreise des Wagner in dessen Auftrag 
mit Mehlproben zu Menges und bot ihm gegen gleich baare Zah—⸗ 
lung das Mehl, das er bei Wagner aber nur bei Nacht abholen 
könne, zum Kaufe an. Menges ging auf den Handel ein, bezahlte 
dem Breunig den Kaufpreis und schickte dann seinen Bäckerburschen 
Lutz mit seiner Fuhre nach Frankenthah, um das Mehl bei ein— 
brechender Nacht zu holen. Er selbst ging auch mit, kam aber 
schon um 8 Uhr nach Hause, während Luß mit der Fuhre in 
Frankenthal blieb und erst um 11 Uhr, als man vor Entdeckung 
sicher zu seir glaubte, das Mehl bei Wagner auflud und nach 
Flomersheim zu Menges fuhr. Dort wurde die Fuhre schon er 
wartet, das Mehl gleich in andere Säcke gefüllt und die leeren 
Säcke in die Wohnung von Breunig verbracht, der sie des andern 
Morgens auf Umwegen zu Wagner bringen ließ. 
Die k. Staatsbehörde fand den Beweis der Absicht, zu. dem 
belxügerischen Bankerott mitzuhelfen, besonders in der Heimlichkeit, 
mit der man das Mehl verhandelt und nach Flomersheim 
bracht habe, und in dem Leugnen der Angeklagten. Außerdem am 
habe der Angeklagte Breunig, der stets in Gesellschaft des Waghe 
zewesen, dessen Lage und Vorhaben sehr wohl gekannt. 
Die Vertheidigung stützte sich namentlich darauf, daß ühn 
jaupt kein betrügerischer Bankerott vorliege, da Wagner kein Hu 
delsmann gewesen sei und folglich keinen Bankerott habe moqhe 
können. Wo aber keine Hauptthat vorliege, könne auch von Thul 
nahme keine Rede sein. Außerdem hatten die Angeklagten an 
nicht die Absicht gehabt, das Verbrechen des Wagner, wenn 6 
olches vorliege, zu unterstützen; insbesondere fehle bei Lutz 
en dieser habe vielmehr nur die Befehle seines Herrn au 
zeführt. 
Die Geschworenen erklärten Menges und Bräunig fürschm— 
dig, den Luß dagegen für nichtschuldig, worauf die beiden Ersuh 
ju je 2 Jahren Gefängniß verurtheilt wurden. 
Mit diefer Sache waren die Verhandlungen für das 2. Qu 
al zu Ende. 
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Vermischtes. 
7 Unter den Monumentalbauten, welche derzeit in unsen 
RPheinpfalz in der Ausführung begriffen sind, nimmt die neu 
atholische Pfarrkirche in Zweibrücken eine hervorragende Siellun 
in. Dieselbe wird nach den Plänen des Architecten Franz Jath 
Schmitt aus Worms gebaut und wurde der Bau im Somm— 
vorigen Jahres in Angriff genommen. Die neue Kirche steht ir 
ehemaligen Schloßgarten und parallel dem alten herzogliche 
Schlosse, dem jetzigen Justizpalaste, einem stattlichen Bauwerke au 
der Mitte des vorigen Jahrhunderts. Im Fundamenl waren übe 
250,000 Kubikfuß Mauerwerk erforderlich. Anfang Decembe 
borigen Jahres war dasselbe bereits vollendet. Im Winter wurden 
die Steinmetzarbeiten in den Bauhütten betrieben und jetzk win 
am Aufbau der dreischiffigen gothischen Kirche gearbeitet, und schen 
in zwei Jahren soll dieselbe dem Goltesdienste übergeben werden 
Die Kirche erhält drei gleich hohe Schiffe und ein Querhaus, übe 
der Kreuzung erhebt sich ein 270 Fuß hoher Thurm, der gan 
in Stein ausgeführt wird. An den Ecken der Kirche werden sr 
tekleinere Treppenthürmchen aufbauen. Der ganze Bau wird 
dem fchönen weißen Vogesenfandstein ausgeführt, welcher an Schön 
heit dem weißen Marmor vom Untersberg nicht nachsteht, an Daus 
und Weiterbeständigkeit ihn aber übertrifft. 
Laut Ordonnanz des Präsidiums des kgl. Appellation 
gerichts der Pfalz vom 179. Mai beginnen die Assisen für de 
III. Quartal 1870 am 16. Auzust unter dem Präsidium du 
Herrn Appellrathes Molitor.“ 
7 Rach einem im Amtsblatte der Pfalz Nr. 34 veröffentlich 
Programme tagt die diesjährige 13. Wanderverfammlung bar 
erischer Landwirthe am 830. und 81. Mai zu Passau. Die Pfälz 
rdandwirthe, welche der im Juni 1862 zu Neustadt a. d. H. stal 
zehabten 6. Wanderversammlung beiwohnten, müssen doch woh 
sügestehen, daß sich bei derselben vielfach Gelegenheit bot, sa 
Wissen zu bereichern, daß diese von nahezu 50 Guftsbesitzern ar 
den rechtsrheinischen Kreisen Bayerns besucht war, welche, r 
önnen es hier wiederholt aussprechen, unsere schöne Pfalz höd 
hefriedigt verlassen haben und sich heute noch mit Vergnügen 
die schönen Tage erinnern. Es wäre nun an der Zeit, daß die 
Wanderversammlung wieder bei uns tagte, da sie alljöhrkich ein 
anderen Kreis wählt, und sicher würde man für 1871 die Pfa 
als Versammlungsort mit Freuden bestimmen, wenn sie einen ode 
nehrere Vertreter nach Passeu absenden wollte. Im Jahre 186 
ewilligten die Bezirksceomite's von Frankenthal Germersheim un 
Speyer je 25 fl für einen Delegirten nach Straubing, und sithe 
hdedarf es nur der Anregung, lum die verehrlichen Bezirkscomite 
auch heuer zur Bewilligung der zur Reise nöthigen Mittel zu der 
anlassen und rechtzeitig Delegirte zu wählen, welche spätestens ar 
29. d. Mts. nach Passau abreisen und dorten die Landwirthe zur 
Besuche der Pfalz im Jahre 1871 einladen. 
F Wie der Kaiserl. Ztg.“ geschrieben wird, ist am 18. Ne 
durch die Unsitie des Schießens bei den Hochzeiten ein entsehzliche 
Unglück in Reichenbach⸗Stegen (Kanton Landstuhl) hervorgeruse 
worden. Als das Vrautpaar nach der Trauung aus der Kirte 
trat, feuerte ein junger Bursche einen Schuß ab! aus Versehen hen 
er den Ladstock stecken lassen und derfelbe fuhr der Braut in der 
Dinterkopf. Die Verletzung, welche dieselbe davon getragen, ir 
eine so schwere, daß an ihrem Aufkommen gezweifelt wird. 
F Der Verwaltungsrath der Pfälzischen Vahnen hat sich be 
eeit erklärt, eine Verbindungsbahn zwischen dem Bahnhof uu 
Speyer und dem Rheine auf Rechnung der Pfälzischen Ludwig⸗ 
bahn gegen eine Zinsgarantie des Staates von 413. Procent der 
AUnlagekapitals herzustellen und zu betxreiben. 
Saarbrüden, 19. Mai. Ein schauerliches Ereign 
»as sich in früher Morgenstunde zugetragen hat, bildet heute de 
Tagesgespräch in Et. Johann.“ Man fand nämlich die Fre