Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler Anzeiger. 
. 
—õDB — — 
7 
— . 22 
— — 
— V 
— Im g 6ar'i er Anzeitgze t Ciub das nit dern Hauptolatte verbundene Uaterhaltun söblatt, mit ver Dienskags-, Donnerstags- und Sonntags- 
tkummer) erscheint woͤchentlich vhierr m al: Dirn 3tan: Donner ssstage Samstärg und Spnntah.“ Abonnementspreis vierteljährig 42 Krzr. oder 
ant 18 Silbergr. Anzoeigen werden mit 3 Krzr.die dteispaltige Zeile Blatischrift oder deren Raumt betechnet. 
7 ä ee —B 
MIG 1870. 
— — — 7 — 
Die Regierung der nationalen Vertheidigung. 
Wenn die Maͤnner, welche jttzt als Machthaher Fraakreichs 
‚aftehen, indem sie sich als Repräfentanten der Republckaner des 
andes betrachten, die Aufgabe erhalten hätten, den Republikanis— 
mis in den Augen der Welt recht gründlich zu compromitiren? sie 
zerdienten einen ganz besonderen Ehrenpreis für die groöße Virtüosi⸗ 
aͤt, mit der sie diese Aufgäbe sysen. 
Denn wenn der Republikanismus im Stande ift, Männer an 
g Stellerruder des Stagtes zu bringen, die sa sehr wie die 
Mitglieder der „Regierung der natsonalen“ vertheidigung“ nach allen 
Zeiten hin politische und militärische Tollheiten begehen; — dann 
duß wohl jedes Volk, in, welchem die Repuhlid noch nicht das 
lertschende System ist, ausrufen; „Godt bewahre ins von allem 
hoͤsen, aber besonders vor einer republikanischen Regierung!“ — 
Wohin man in den Zuständen Frankreichs, die von diesen 
Nannern geschaffen worden sind, auch blicken mag: überall wird 
nan die Kennzeichen ihrer staatsmännischen Unfähigkeit finden, —einer 
nfähigkeit, die schon nahe · an Unzurechnungsfaäͤhigkeif streift. 
Anstait für den Foll, daß sie Patis gis Festung dertheidigen 
ifsen wollten, den Sitz der gesammten Regierung von dort weg 
u verlegen, spalteten sie diestlben derart, daß einige der Verwalt- 
mgsressorts in Paris blieben und andere nach Tours gingen, 49 
aaß sie jetzt nicht einmal zu giltigen Beschlüssen kommen können,! 
venn sie nicht in Lustballons zu einer gemeinsamen Berathung und 
Zeschlußfassung zusammentreten wollen! — Die Ressortchefs zu 
kours können ihre Verodnungen nicht zur Keuntniß der Parifer 
ind die zu Paris die ihrigen nicht zu der der Provinzen hringen. 
dommt nun noch hinzu, daß zwischen den beiden außer Verbindung 
chenden Regierungs Domicilen sogar eine Principieuverschiedenheu 
intritt, wie eben jetzt wegen der Wahlen zur constituireuden Ra— 
pnakversammlung, dann geräth die Anarch e die sich bereits über 
frankreich auszubreiten beginnt, in das Stadium det Laͤcherlichkeit 
belches wir sie durch die bekannte Luftreise des Herrn Gambetta 
zetreten sahen. 
VUeberull, wohin wir blicken, finden wir das, gleichzeitig von 
net Revolntion und einem schweren Kriege heimgesuchte Fraukreich 
afolge des leichtfertigen und frevelhaften Verhaltens dieser Regie— 
ung in einem Zustande des Widerstreits, der Verwirrung und der 
iufldsung. 
Sie nennt sich schon seit länger als einem Monat die „Re— 
jerung der nationalen Vertheidigung“; aber zu einer wirklichen 
ertheidigung hat sie bis zu dieser Stunde noch nichts gethan, — 
reilich aus dem einfachen Grunde, well sie unter den gegebenen 
umständen. nichts dafür thun kann... 
Nach der Proclamation Gambetta's ist in Paris alles nur 
tgeñd Erforderliche vorhanden, um die deutschen Heere von Paris 
a vertreiben; — warum vertreibt man fie aber nicht ? Worauf 
barten denn die Pariser? — Etwa auf die beiden Armeen von 
hon und von der Loire, die man mit vieler Mühe in einer 
dStärke vou je 50560, 600. Mannẽ ungeübter und felduntüchtiger 
Nobil- und Nationalgarden zusammengebracht hat? — Aber diese 
nerden Paris nie zu sehen bekommen, da jede von ihnen — wie 
ih in den beiden jüngsteu Gefechten gezeigi hat, — schon vor den 
eutschen Abautgarden davonläufi. 
Wie es überhaupt um die eigentlich militärischen Zustände 
Frankreichs steht, geht wohl zurgenüge daraus hervor, daß kein 
öherer Militär mehr zu finden war, welcher die Verantwortlichkeit 
ir die Kriegsangelegenheiten übernehmen wollte, so daß man das 
kriegsministerium proviforisch dem Minister der Justiz, Cremieux, 
mem alten jüdischen Aobokaten, übertragen mußte, — bis ein aus 
ben Personen bestehender oberster Kriegsraih constituirt ist, der 
bdann zufolge seiner Vielköpfigleit die Verwirrung nur noch ver⸗ 
totzern wird. 
Auch an neuen diplomatischen Dummheiten läßt' es diese 
gietung nicht fehlen. Während sie von den Deutschen verlangt, 
iz diese —V— 
laboleon; der den Krieg begonnen hat, entthront ist, und sie die 
Erbschaft desselben ablehnt, verweigerte sie die Wiederherausgabe 
von Nizza an Italien, trotzdem dies Gebiet doch auch von Napo— 
legn III. annectirt ist.“ In dem Punkte will sie sich die Erdschaft 
des Kaisers wohl gefallen lassen, was sie jedenfalls auch gethan 
haben würde, wenn Frankreich in dem Kriege siegreich gewesen 
ware und das sinke Rheinufer erobert gehaht hätte— 
Daß der Graf Bismarck dieser Regierung gauf eine so durche 
chlagende Weise gezeigt hat, wie sie fasi zwei“ Mill dnen Menschen 
)em sicheren Hungertode preisgibt. wenn sie Parig nicht eher capi⸗ 
ulfren 10ßt, als bis es durch di⸗ Aufzehrung aller Vorrãthe selberx 
dazu gezwungen wird, scheint gar keinen Eiñͤdruck auf sie zu 
nachen. — Sie fährt fort in ihrer eben so, unsinnigen wie der- 
recherischen Weise ärger, als“ es die deuischen Heere zu thun ge⸗ 
wungen sind, gegen das eigne Land zu wüt hen, so daß man mit 
Recht fragt: welche Strafe denn hart genug sein könnte, um diese 
Maänner gerecht zu bestiafen, wenn das französische Volk — was 
Junz ficher geschehen wird! — endlich zu der Einsicht kommi, daß 
die Fehler und Verbrechen? des Napoleonischen Regiments hinter 
denen der republikanischen, Regierung der nationalen Vertheidung“ 
noch Siriusfernen weil zurückstehen ⸗c zetehen 
eesed —— — Au 
.Zum Bombardement von Paris. 
Die vollständige Einschließung einer so gewaltigen Stadt wie 
Paris mit einer Einwohnetzahl. bon Zwei Millionen ist in der 
Lhat ein wahres Wunder. Dieses hätte man nicht- annähernd 
jeglaubt und zwar mit einem verhälinißmäßig kleinen Heere, wenn 
dasselbe auch die respectable Ziffer von 265, 000 Mannn reprä⸗ 
entirt. Es ist um so mehr darüber zu erstaunen, als ein Kranz 
von vortrefflich angelegten und zum Theile weit vorgeschobenen 
Forts die Cernirung um so schweeriger macht. Wie Ludwig XIV. 
seinen unübertroffenen, Festungser bauer. Vauban besessen, dessen 
System noch heutzutage in der Fortification Anw. ndung findet. 
so besitzt jetzt König Wilhelm seinen denkenden Schweiger, seinen 
genialen Festungszertrümmerer und Strategen Moltke. Nach dessen 
Angaben werden die furchtbarsten Geschütze vor Paris aufgefahren, 
Seegeschütze, Kanonenungeheuer und gezogenen Pombenmörser, 
welche zwei, drei und mehr centnerische Geschosse und bis in das 
Tentrum der Stadt Paris“) schleudern. Man hat in der Nähe 
des Forts Vont Valerien und an mehreren anderen Orten gün— 
stige, hochgelegene und dem Feuer der Forts nicht ausgesetzte 
Punkte gefunden, von welchen man Paris sehr wirtfam beschießen 
kann. Wenn auch Gambetta seine 400,000 Mann Nationatgarde, 
seine 100,000 Mann starke Mobilgarde und 60,000 Mann re— 
zuläre Truppen aufmarschiren und 3800 Geschütze auffahren läßt, 
und wenn er sich mit Victor Hugs und Louis Blanec in sanatisi- 
renden Reden überhebt und unbesiegbar schildert, so werden diese 
vahrhaft lächerlichen Illnsionen der Bevölkerung von Paris bald, 
wie der Sand der Wüste durch den Samum zerstieben, wenn 
rinmal die deutschen Ungeheuer um Paris anfangen' zu brüllen und 
n die neu m Hausmann'sche Quartiere einschlagen. Wenn die 
Pariser glauben, man wolle die Stadt schonen; so haben fie gar 
ehr die Rechnung ohne den Wirth gemacht. Nördlich, westlich ünd 
üdlich von Paris werden allenfallsige Erhebungen des Volkes zu 
Nichte geinacht. So bei Orleans wurde die Loire-Armee durch ein 
»eutsches Corps unter General v. d. Tann total geschlagen und 
Vogel v. Faukenstein wird im“ Süden Frankreichs schon gehörig 
) Der Mittelpunkt von Paris, bemerkt die Post“, liegt eine volle 
Meile von den änßersten vorgeschobenen Befestigungen entfernt, seine Be⸗ 
chietßung mit gezogenen 24-Pfündern und den neuen Morseru ware dahe r 
nicht möglich, deshalb hat man die Riesentanon en, welche nunmehr in den 
Seefestungen entbehrt werden können, herbeigeholt. Es sind dies gezogene 
Z2e und 96⸗Pfünder von 15-517 Fuß Rohrlänge nud 200 Cir. Gewicht 
die 210 resp. 800 Pfund schwere Spißgranaten ca J Meile weit schießen, 
venn man ihnen die nöthige Elevation gibt. Im Seekriege wäre das Shhießen 
iuf solche Entfernungen eiwas unsicher, bei Bombardement des Pariser Häu⸗ 
ermeeres hätte man jedoch nicht auf Fehlschüsse Räcksicht zu nehmen und die 
Wirkung gegen Gebäude muß eine furchivare werden