Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler ZAnzeiger. 
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M 184 e eeeee Sountag, den 27. November ——— 1870. 
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uu Münschen, 23. Nov. In hiesigen Regierungskreisen scheint! 
nan des nahen Falles von Paris ziemlich gewiß zu sein. Von 
Versailleg aus ist an die Direltion der: Verkehrsanstalten die Weis— 
ang ergangen 200. Wagen'mebst dem möthigen Perfonale so bereit 
zu halten, daß sie auf gegebenen Befehl sofort nach Paris dirigigt 
werden könnencen Diese Wagen sollen die ausschließliche Bestimmung 
jur Einfuhr von Proviant haben. Aus dieser Maßregel eutziffert 
nan hesonders in militärischen Kreisen eine dem Falle vonParis 
nothwendig vorangehende große Altioo. 
München, 24.. Nov. Nach neuester, Information wird eine 
Reise des Königs nach Versailles für jetzt nicht erfolgen. 34 
Saar hberücken, 5, Nop. Die Pariser Forts sind seit 
drei Tagen sehr schweigsam. 
Mestz, 24 Norp. Soeben hat Thionville eapitulirt. 
Die Uebergabe erfolgt morgen um 11. Uhr früh. Die Besatzung 
ist über 3000 Mann starkkk. J 
n Verssailles, 24. Nov.(Offiziell.) Der Großherzog von 
Meklenburg fehzt heute seinen Vormarsch fort. Recognoscirungsge⸗ 
fechte haben bei Neubille, Bois Communund Maißzieres stattge— 
unden . J v. Podbielsky. 
BStuttgart. Bei uns in Wiltttemberg hört man jetzt Land 
ruf Land ab nichts als Wahlreden. Ein echtet würtembergischer 
Voltsmann muß schon eine gute Lunge haben. Unter 3 bis 4 
Wahlreden per Tag geht es nicht ab. Von Landleuten hört man 
nicht selten ihee Berwunderung über diese Reden aussprechen. So 
agte mir ueulich ein einfacher Landmann; „Man glaubt gar, nich 
daß dies dieselben Männer sind. Bei der vorigen Wahl kannte 
hre Wuth gegen Preußen keine Grenzen, und jetzt sagen sie uns, 
ie wollten auch eine deutsche Einigkeit, es pressire aber doch nicht 
o arg, denn für Deutschland sIi gesorgt, die Verträge würden je 
zehalten und wenn's zum Krieg kommt, stehen wir alle ja zusammen. 
— Wir Bauetn wissen aber rechtgut, daß die ganze Geschichte 
m einem Haar hing. Hätten die Schwarzen in Vahern ihren Plan, 
neutrul zu bleiben, durchgesetzt, so wäre es bei uns in Württem— 
zerg gerade so gegangen.“ Hat doch unser Abgeordneter Meyer 
in der Kammer selost gesagt; NRachdem Bayern beschlossen, seine 
Lruppen marschiren zu lassen, könne man auch in Würtiemberg 
nichts auderes thun. Die Herren in Stuttgart sollen nicht länger 
Aauben. dat wir ein so kurzes Gedächtriß haben.“ — Es scheint 
mir, daß die Herren sich doch nicht sicher fühlen, deshalb wird 
aus einer andern Tonart gesungen. Ja bei Wahlen nimmt es 4 
ceine Demokratie mit der Reinheit nicht so genau. Man will ge⸗ 
vählt sein, helf wer helfen meag. * — 
Unterrichtete Militärs, schreibt ein Berliner Correspondent des 
„Schw. M.“, versichern mit Bestimmtheit, daß es zu einer Be— 
chießung von Paris jetzt gar nicht mehr kommen werde. Be— 
anntlich glaubt nan im Hauptquartier Gewißheit darüber zu 
raben, daß bis längstens Mitte Dezember der Hunger die Ueber⸗ 
abe erzwingen werde. und deßhalb soll der König das Bombar— 
ement, gegen das er sicht von Anfang an sträubte, definitiv auf— 
egeben haben. Man wird diesem Entschsuß um so mehr beipflichten 
nüssen, als die Beschießung und der von thr unzertrennliche Sturm 
uf ein paar Forts auch auf unserer Seite leicht noch viel VBlut 
ätte kosten können. Auch würde das Bombardement der Wellver⸗ 
nügungsstadt ohne Zweifel einen starken Schmerzensschrei in ganz 
curopa hervorgernfen haben, eine Rüchsicht, die gegenüber der mi— 
tärischen Nothweudigkeit allerdings nicht ins Gewicht gefallen wäre, 
etzt aber, wo wir das Ziel zu erreichen sicher sind, immerhin einiger 
Zeachtunrge werth ist. 
Zum Kapitel der Armeelieferungen schreibt die „Fr. Z.“, daß 
twals die Hälfte der gelieferten Heilitärcigarren aus Runkel- 
übenblätter“ bestanden habe. Die baherische Kegierung hat deshalb 
iuch von Cigarren-Sendungen Umgang genommen, und läßt ihre, 
Truppen mit gutem' Rauchtabak versehen. — 
—Berlin, 23. Nov. Der neue deutsche Bund, dessen Gebiet 
as 25 Stäaten bestehs,e hat auf einer Gesammtfläche von 9900 
Quardratmeilen mit iuschlütßz des General ⸗Goubernements von 
Elsaß und Lothringen über 40 Millionen Einwohner. Der Bundes— 
rath verfügt nach dem nunmehr geficherten Eintritt Württembergs 
nund Baheins in den Bund üder 56 Stimmen; davbon führt 
Preußen 170 Stimmen, Bayern 4 Stimmen, Württemberg 4, 
Sachsen 4, Baden3, Hessen 8, Mecklenburg⸗Schwerin 2, Braum 
schweig 2, die übrigen17. Staaten je eine Stimme. Der Reichs⸗ 
lag des deutschen Bundes wird nach dem Hinzutritt von Württem- 
erg und Bavern aus 8383 Abgeordneten bestehen, von denen 
Hessen 8 Baden 14, Württemberg 18 und Bayern 48 in den 
Kteichstag senden. Ueber das Preßgesetz, welches dem Reichsstage 
vorgelegt wird, hören wir, daß daselbe als Prinzip die Beseitigung 
der Zeitungs Kautionen und der Stempelfteuer aufstellt und Preß 
prozesse vor die Geschwornengerichte verweist. 
Berxdin, 24. Nov. Bei der heutigeu Eröffnung des Reichs⸗ 
rages drückte Prasident v. Delbrück in seiner Erdffnungsrede zu— 
nächst das Bedauern des Königs darüber aus, dem Reichstage nicht 
dersönlich aussprechen zu können, welchen Antheil derselbe durch 
eine nationale Haltung und die einmüthige Bewilligung der Mittei 
in dem glücklich geführten Kriege habe. Redner conftatirte im 
oeiteren Verlaufe seiner Rede, daß die Verzögerung des Friedens— 
ibschlusses lediglich die gegenwärtigen Machthaäber Frankreichs ver⸗ 
chulden, welche, anftatt die deulscherseits freigestellte Wahl der 
Zolksvertrelung vorzunehmen, es vorziehen, die Kräfte der franzö- 
sischen Nation einem aussichtslosen Kampfe zus opfern. Die 
Andrücke, welche der gegenwärtige Krieg bei der französischen 
Ration hinterläßt, lasfen einen Herneutenn ngriff von Seiten 
der Franzosen befürchten, sobald diese sich stark fühlen. Die Frie⸗ 
densbedingungen müssen daher vornehmiich darauf gerichtet sein 
Deutschland durch vertheidigungsfähige Grenzen zu sichern, die füd— 
veutschen Brüder von dem Drucke einer drohenden Stellung Frank— 
reichs zu befreien. — Die erste Frucht der deulschen Siege ist das 
Werk der Einigung zwischen dem Norddeutschen Bunde und Baden 
ind Hessen, nämlich die zwischen den genannten Staaten derein— 
harte, vom Bundesrathe einstimmig angenommene Verfassung des 
»eutschen Bundes; sie wird dem Feichstage vorgelegt, ebenso die 
zuf gleicher Grundlage mit Bayern kingetroffene Verständigung. 
Die Uebereinstiumung mit Württemberg über das zu erstrebende 
Ziel läßt hoffen, daß gleiche Uebereinstimmung über den Weg zum 
Ziele nicht ausbleiben wird. — Die Thronkede fchloß mit dem 
Hinweis auf den würdigen Abschluß der Legislaturperiode, die durch 
)ie Berathung der Verfassung die Grenzen zwischen Norde und 
Züddeutschland aufhebt. 2 n 
Frankreich. 
Die „Nordd. Allg. Zig.“ schreibt: Im weitern Verfolg der 
vahnwitzigen Maßregel, welche einige sranzösijche Logen des fran— 
zösischen und schottischen Ritus gegen die Brüder Wilhelm, König 
von Preußen, und Friedrich Wilhelm, Kronprinz oon Preußen, 
genommen und worüber wir seinerzeit berichtet haben, theilen wir 
mit, was der „Rappel“, das Organ der Familie Hugo und auch 
ein wenig des Herrn Louis Blauc, über diese Angelegenheit fal⸗ 
badert: „Bruder Wilhelm ist küuftig vogelfrei. Alle Freimaurer 
sind autorisirt, auf ihn zu fahnden und hn zu ermorden, Es fragt 
ich nur, wie dieser Urtheilsspruch ausgeführt werden wird.“ Ein 
Freimaurer, vor dem ich mir erlauble, cinige Zweifel in den Ernst 
eines solchen Verdikles zu setzen, erwiderte mir; Lachen Sie nicht! 
Das Urtheil des maurischen Tribunals ist derartig schrectlich, daß 
Bonaparte den italienischen Krieg nur aus der alleinigen Ursache 
umternommen hat, um sich' der gegen ihn von den Logen in Ne— 
apel und Mailand ausgesprochenen Exkommunikation zu entziehen. 
Pianori und Orsini waren Freimaurer!!)... 
England. 
Eine Broschüre Lord Russills, des ehemalizen Ministers des 
Auswärtigen, über den, Krieg, ist erschienen. In zwei Abschnitten 
tellt die Broschüre die militärischen und politischen Zustände im 
französischen Kaiserreiche dar. Mit Bezug auf den Krieg selbst und 
die Annexionsfrage bewisskommnet der Staatsmann die Ausfich