St. Ingberler Anzeiger.
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Donnerstaq, den 15. Dezember 1870⸗
Telegrammee.
Versailes, 12. Dez Der Königin Augusta in Berlin.
Nach viertägigen Gefechten bei Beaugench, die jedesmal siegreich
für uns endigte; wenn auch bei“ der Ueber nacht des Feindes kein
hedeutendes Terrain gewonnen wurde, ist der Feind unerwartet
gegen Blois und Tonrs abgezogen, mahrscheinlich in Folge bedeu⸗
sender Verluste, die er erlitten, während die unserigen gering
varen. Sehr viele Ueberläufer melden sich dort; ebenso bei Rouen.
Die Mobilgarden werfen vielfach Waffen und Ausrüstungsgegen⸗
stände-fort und gehen nach Hause; abcer, es bleihen immer noch
genug übrig. Heute völliges Thauwetter,
Wilhelm.
Versailles, 12. Dez. (Officiell) Vor unserem um
Beaugency stehenden Corps ist der Feind am 11. zurückgegangen;
unsere Truppen verfolgen ihn. Die Beschießung von Montmedy
jat heute begonnen. Feindliche Abtheilungen sind heute vor La⸗
Fere erschienen. v. Podbielsky.
Versailles, 18. Dez. Blos, (Bezirlshauptstadt im De⸗
oartement Loire und Cher, mit circa 18000 Einwohnern am rech⸗
en Ufer der Loire), ist von den diesseitigen Truppen am 13.
vbesetzt worden J v. Podbielski.
Darmstadt, 13. Dez. Prinz Ludwig an den Großherzog:
St. Germain (gegenüber Blois), 11. Dez.: Zwei Bataillone des
4. Regiments haben am 9., Abends Schloß Chambord gestürmt.
1 Verwundeter. Gefangen gemacht viele Ofsiziere, an 200 Mann.
Bespannte Geschütze, 14 Munitionswagen, mehrere andere Wagen
erbeutet. Ueberhaupt ist der Verlust der letzten Tage bei stetigem
Vormarsch gering.
Straßburg, 12. Dez. (Officiell.) Pfalzburg hai sich
heute auf, Gnade und Uugnade ergeben und wird morgen früh
10 Uhr besetzt. 36 v. Hartmann.
Straßburg, 13. Dez. In Pfalzburg gefangen genom⸗
men: 52 Offiziere, 1839 Mann und 685 Geschütze erbeutet.
Graf Bismarck⸗Bohlen.
Deutschland.
—Mäünchen, 11. Dez. Graf Tauffkirchen gedenkt, wie wir
yören, von dem Posten eines Civilkommissärs in Rheims zurück⸗
utreten und sich wieder nach Rom auf seinen Gesandtenposten zu
zegeben . N. N). —
München, 12. Dez. In den öffiziellen Mittheilungen
des Kriegsministeriums (Nr. 89) über die Kriegsereignisse bezüglich
zes Antheils des bayerischen J. Armeecorps (v. d. Tann) an den
Hefechten gegen die französische Loire-Armee läßt die Fassung des
Telegrammes annehmen, daß der angegebene Verlust von 133
Offizieren und beiläufig 3000 Mann das bahyerische Armeecorps
illein betreffe, während die genannten Zahlen den Verlust der
gesammten unter dem Großherzoge von Mecklenburg stehenden Armee
zezeichnet; es trifft sonach verhältnißmäßig das bayerische Armeecorps
wa nur die Halfte des gemeldeten Verlustes. W
München, 13. Dez. In heutiger Sitzung der Abgeord
netenkammer verweigerte die ultramontane Kammermajorität dem,
Austrittsgesuche des Demokraten Kolb die Genehmigung.
Saarbrückn, 13. Dez. Gutem Vernehmen nach sollen
jeute preußische Truppen in Luxemburg emgerückt sein, die luxem⸗
zurgischen Truppen hätten sich nach der belgischen Grenze zuruck⸗
jezogen.
Dresden, 13. Dez. General v. Fabrice soll vom König
von Preußen zum Generalgouverueur der besetzten Provinzen des
ördlichen Frankreich ernannt sein.
Wien, 11. Dez. In Berücksichtigung der von mehreren
Labinetten geltend gemachten Erwägungen ist die Eröffnung der
Londoner Konferenz bis zum Januar vertagt. (A. 3.)
Frankreich.
Bordeaux, 12. Dez. Gambetta meldet, er sei gestern
ach Tours zurückgekehrt, nachdem er die Armee des Generals
Thanch verlassen. Letzterer decke die Loirelinie bisher mit Erfolg.
Bambetta fügt hinzu, er halte die Lage für ziemlich gut, so daß
er geglaubt habe, sich von der Armee Chancy's entfernen zu dürfen,
um sich nach Bourges zu begebene wo er sehen wolle, wie es mit
der zweiten Armee stehe.
Holland.
Haaq, 12. Dez. Ueber den Inhalt der preußischerseits
zetreffs der Neutralität Luxemburgs hierher gelangten Note aus
VBersailles von 83. d. verlautet von unterichteter Seite Folgendes:
Sraf Bismarck begründet seine Beschwerden zunächst mit dem Hin—
weis auf die bekannten Manifestationen, denen auch weitere that—
ächliche Vorgänge entsprochen hätten. So habe man Lebensmittel
»ür die frauzoͤsischen Heere durch Luxemburg passiren lassen, nicht
nur ohne Erschwerung, sondern selbst unter Begünstigung Seitens
der Polizei und Douanebehörden; entflohene französiiche Offiziere
eien durch Luxemburg offen und unbehelligt auf Grund von Ge—
eitscheinen gereist, die der franz. Consul ausgestellt habe; Letzterer
abe außerdem ein förmliches Werbe büreau.
England.
London, 12. Dez.“ Dem Vernehmen nach reduciren sich
die angeblichen Bemühungen Gambetta's zur Herbeiführung eines
Waffenstillstandes darauf, daß derselbe Lord Lyons bedeutete, Frank⸗
reich könne ohne eine regelrechte constituirte Regierung den Londoner
Tonferenzen schwer beiwohnen. England möge daher einen Waffen⸗
tislstand vermitteln. Dasselbe war jedoch erfolglos, da Gam⸗
etia die Verproviantirung von Paris zur Bedingung des Waffen⸗
stillstandes machte.
Vermischtes.
Ludwigshafen, 18. Dez. Abermals muß der Privat-
züter⸗Verkehr in Folge massenhaften Güterandranges vom 15. bis
26. Dezember geschlossen werden. Nur auf Brennmaterialien, wie
dohlen und Coaks, findet dieser Ausnahmezustand keine Anwendung.
Am Dienstag, 18. Dez., fand auf der Bahnstrecke zwischen
daiserslautern und Landstuhl eine Entgleisung statt, in Folge
deren die Locomotive und mehrere Wagen des Zuges 6 beschädigt,
yon den Passagieren aber außer einigen unerheblichen Contusionen
siemand verletzt worden ist.
Worms, 12. Dez. In einer gestern abgehaltenen außer⸗
ordentlichen Stadtrathssitzung wurden die Herren Grafen Bis⸗
marck und Moltke durch einstimmigen Beschluß der anwesenden
Mitglieder als Ehrenbürger hiesiger Stadt ernannt.
F.Aus Gumbinnen berichtet der „Bürger⸗ und Bauernfreund“
Der Vizefeldwebel Meyer, bei den 41ern, rettete vor Mezieres mit
Lebensgefahr ein zweijaͤhriges Kind, das mit einem Eselsfuhrwerke
in die reißende Saronne gestürzt und schon über hundert Schritt
'ortgetrieben war. Diese eine That hat die Stimmung der Land⸗
dewohner um Mezieres sehr zu Gunsten der Preußen geändert.“
fLondon, 10. Dej. In der Birmi nghamer Patronenfabrik
and eine fürchterliche Explosion statt, wobei 17 Personen geiddtet
and 100 verwundet wurden.
F In Tor g au wurde am 7. Dez. ein französischer Ser⸗
Zzeant von einem Wachtposten im Barackenlager erschossen. — In
Zeditz Gestreich) tödtete am 8. Dez. ein Mädchen ihren
75jahrigen Vater, weil er ihr intimes Verhältniß mit einem dem
Trunke ergebenen Burschen nicht dulden wollte. — In Pest h
verwundete ein Unteroffizier ohne alle Veranlassung einen wacht⸗
habenden Konstabler sehr schwer mit dem Säbel
Literarisches.
Für Ssraßburgs Kinder! Eine Weihnachtsbescheerung
»on Deutschlands Dichtern. — Anter diesem Tilel erschienen vor
wenigen Tagen die während des gegenwärtigen Krieges entstandenen
patriorischen Lieder unserer hervorragenderen Dichter durch ein
esonderes Bändchen repräsentitt. —
Friedrich Bodenstedt, Karl Gerok, Nudolf Gottschall, Her⸗
nwann Grieben, Julius Grosse, Karl von Holtei, W. Jenfen,
hermanu Lingg Oswald Warbach, Alfred Vreißner, G