Full text: St. Ingberter Anzeiger

rinnere ich mich, Ihr Gesicht vor dem Kriege oft in dieser Ge⸗ 
zend gesehen zu haben.“ Schließlich stellte sich heraus, daß zwei 
er durstigen Ulanen frühere Gäste des biederen Wirths gewesen 
varen; bride wacen Commis in dem nämlichen Geschäfishause 
n Havre gewesen, und pflegten des Sonntags einen Spaziergang 
nach Saint Romain zu machen. Der Correspondent geräth ob 
ieses Geschichtchens beinahe in Ertase und ruft aus: Wie kön⸗ 
nen wir uns da wundern, daß die Deutschen in der Geographie 
Frankreichs so gut zuhause sind, wenn sie Männer für ihre Avant⸗ 
jarde nehmen koͤnnen, denen jeder Zoll breit der einzuschlagenden 
Straße bekannt ist?“ — Der bisherige Correspondent des Daily 
Telegraph“ in Habre hat sein Quartier nach le Mans verlegt 
ind meldet von dort aus unicrmi 18., daß fast sämmtliche Trup⸗ 
den, denen er unterwegs und am letztgenannten Orte begegnete 
Mobilgardisten waren, und daß sie geradezu aussehen wie Schafe, 
zie zur Schlachtbank geschleppt wurden. Ich halte es keineswegs 
ür klug, so fährt er fort, die verwundet aus dem Felde zurück⸗ 
ihrenden Krieger uns diejenigen, die zum ersten Male Pulver 
riechen sollen, zusammenzubringen. Ein besserer Plan zur Ent⸗ 
nuthigung ver jungen Truppen könnte nicht wohl ersonnen wer⸗ 
jen. Je mehr ich von den Leuten sehe, wesche die Franzosen jetzt 
ns Feld schicken, desto mehr komme ich zu der Ueberzeugung, daß 
ie gegen die deutschen Veteranen nicht Stand halten können. Hier 
ind in der Umgegend stehen eiwa 100,000 Mann. Viele Sol—⸗ 
zaten versichern mir zwar, es seien ihrer 150,000, aber ich be—⸗ 
dehe aus der Genauigkeit meiner Schätzung. Die Kirchen und 
ille öffentlichen Gebäude sind mit Truppen belegt, urd viele Tau⸗ 
ende haben vor der Stadt Lager bezogen. Während der nächsten 
»aar Tage erwarten wir in dieser Gegend eine Schlacht. 
Deutschland. 
Karlsruhe, 27. Dez. Prinz Wilhelm ist vorgestern 
Abend hier angelangt; seine Verwundung wird längere Zeit zur 
hei lung bedürfen; die Kugel drang durch den, Mund ein und 
zurch den Gehörgang des rechten Ohrs wieder hinaus. — Man 
pricht von neuen Einberufungen, biszjetzt ist aber eine Entschei- 
—X M 
Worms, 28. Dez. Die „Wormser Zeitung? schreibt: Auch 
Hraf Bismarck hat das Ehrenbürgerrecht der Stadt Worms an⸗ 
zenommen und zeigt dies in nachstehendem, heute aus Versailles 
sier eingetroffenen Schreiben an den Stadtvorstand an: „In der 
hohen Ehre, welche die Stadt mir durch Uebertragung des Ehren⸗ 
zürgerrechts erweisen will, sehe ich ein Zeichen der Anerkennung 
neiner Bestrebungen für die große Sache unseres Vaterlandes, 
velches mir besonders wohl thut. Der Namen der alten Kaiser⸗ 
tadt Worms ist unzertrennlich von den großen Erinnerungen der 
zeutschen Nation« an die alte Reichsherrlichkeit. Die späteren 
Schicksale und die Leidenszeit der altehrwürdigen Stadt bezeichnen 
zie Tage des Zerfalls und der Erniedrigung Deutschlands. Ihr 
alter herrlicher Dom und das neue Monument erinnern an ge⸗ 
chichtliche Momente von der größten, folgenreichsten Bedeutung 
'ür das geistige Leben der Nation. Daß die Stadt jetzt so freu 
zigen, verständnißvollen Sinnes an dem Aufschwunge der deutschen 
Nation Theil nimmt, ist ein Zeihen von dem Geiste, der das 
»eutsche Volk durchweht. Ich weede stolz darauf sein, dieser Stadt 
uls Ehrenbürger anzugehören. v. Bismarck. 
Darmstadit, 29. Dez. Die Erste Kammer, worin zuge⸗ 
sen waren: Prinz Alexander, Prinz Karl, sowie alle übrigen Mit⸗ 
lieder, ausgenommen Domkapitular Moufang und Graf Görz, 
niimmt die Bundesverträge einstimmig an. Präsident Graf Erbach— 
Fürstenau erklärt, er stimme bei, weil die Macht der Thatsachen 
tärker, als seine Ansichten. Fürst Isenburg-Birstein, Fürst Isenburg— 
Hüdingen pflichten dieser Motivirung bei. 
Darmstadt, 20 Dez. Im weiteren Verlauf der ersten 
dammersitzung nimmt die Kammer einstimmig das Norddeutsche 
Ztrafgesetzbuch an und bewilligt 3,336,000 fl. zur Fortführung 
zes Krieges. 
Stuttgart, 29. Dez. Die erste Kammer stimmte den 
Berfassungsverirägen mit 26 gegen 8 Stimmen zu. Dagegen 
timmten Neurath, Oettingen⸗Wallenstein, Kühn. 
Saarbrücken, 27. Dez. Aus Versailles, 24., wird be⸗ 
ichtet: Generau Bourbaki soll, wie es in französischen Kreisen 
Jeißt, sich mehr nach Osten wenden; derselse schiene demnach gegen 
Werder vorzugehen. 
Berhlun, 27. Dez. Die preußische Regierung soll entschlos⸗ 
en sein, im Falle Luxemburg nicht die geeignete Initiatide zu 
inem Anschlusse an Deutschland ergreift, das Besatzungsrecht der 
Festung Luxemburg geltend zu machen, welches wieder auflebte, 
iachdem der Vertrag vom Jahre 1867 durch Luxemburg annullirt 
ouꝛde. (N. fr. Pr.) 
Berlin, 28. Dez. Die „Prov.eCorresp.“ meldet: Die 
Berlündigung der neuen Reichsverfassung erfolgt, sobald die Ge⸗ 
nehmigung der Bundesberträge mit den Südffaaten endgiltig erfolgt 
iu. Bald nach der Verkündigung dürfen die Reichstagswahlen 
uusgeschrieben werden. 
FFrankreich. 
Die bisher in Tours erschienene „Corrsp. Havas“, das offi⸗ 
iose Organ der außerhalb Paris befindlichen Regierungsfragmente 
erscheint nun in Bordeaur. Ein ziemlicher Theil ihrer neuesten 
Nummer ist wieder der deutschen Demokratie und ihrer für Frand- 
eich vielversprechenden Haltung gewidmet. Das Beispiel von Muth, 
— so werden die franzoͤsischen Leser belehrt, — welches die Hr. 
Zebel und Liebknecht im norddeutschen Reichstag gegeben, hat seine 
Früchte getragen. Schon erhebt sich in Bahern eine andere be— 
eutende Stimme gegen den Krieg. Hr. Kolb, Abgeordneter der 
Stadt Würzburg, protestirt mit lauter Stimme gegen das, was 
er mit Recht einen dynastischen Krieg nennt. Noch mehr, er hat 
ein Mandat niedergelegt, um seiner Protestation mehr Nachdruck 
zu grben. Und nun wird der Brief dieses Abgeordneten abgedruckt 
ind, wie fich geziemt, von dem franzosischen Regiernngsblatt mit 
eifälligen Bemerkungen begleitet. Daß Hr. Kolb die ganze Scene 
zlos aufführte, um sich interefsant zu machen, und von der ultra— 
nontanen Mehrheit stich gern in der Kammer zurückhalten ließ, 
cheint in Bordeaux noch nicht bekannt geworden zu sein. 
Bordeausx, 22. Dez. Der „Constitutionnel“ sagt in sei⸗ 
ier Weihnachtshetrachtung, daß der Feind mehr als 30 Departe⸗ 
nents mit mehr als 14 Millionen Franzosen besetzt habe. 
Bordeaurx, 28. Dez. Einer amtlichen Bekanntmachung 
ufolge wird die Post von jetzt ab Briefe für Paris annehmen. 
Dieselben werden durch geheime Mittel, welche von der Regierung 
zatentirt sind, befordert werden. Dieselben dürfen das Gewicht 
»on 4 Grammen nicht xübersteigen, das Porto kostet einen Franken; 
uuf der Adresse muß der Vermerk stehen: Nach Paris Moulin 
ur Allier. 4 J 
Brest, 24. Dez. Der „Phare de la Loire“ theilt mit, daß 
n einem der dieser Tage angekommenen Züge sich 60 Kranke und 
Berwundete befunden hätten. Den meisten dieser Leute fehlte 
nichts. Die Aerzte erklären, daß Furcht ihre einzige Krankheit 
Jewesen sei. 
England. 
London, 28. Dez. Aus Havre wird officiell gemeldet: 
Das linke Ufer der Seine ist von den Franzosen geräumt. Eine 
iemlich bedeutende preußische Truppenmacht zeigt sich bei 
Ivetot. 5 
Spanien. 
Madrid, 28. Dez. Heute Abends 72 Uhr auf dem Weg 
on dem — nach dem Kriegsministerium schossen einige 
Nänner in der“ ulcola⸗Straße in den Wagen Prims. Dieser und 
in Adjutant sind verwundet; die Wunden Prim's sind jedoch 
islang nicht gefährlich. Die Ordnung wurde nicht gestört, da die 
degierung alle Vorsichtsmaßregeln auwandte, um die Ruhe zu er— 
salten und die Mörder festzunehmen. Der Vorfall rief den größten 
wwillen hervor. 
Bermischtws. 
— In der baherischen Verlustliste Ne. 44 finden wir folgende 
zfälzer verzeichnet: Gefechte vor Orleans am 1. Dzbr. Verwundet: 
zecker Jakob von Niedermiesau, Bezirksamt Homburg. Am 1. Dzbr. 
Todt: Woll Jakob aus dem Bezirksamt Pirmasens. Verwundet: Roth 
Jompeus von Kirrweiler, Bezurksamt Landau; Schuwer Jakob von 
Irmesheim, Bezirksamt Zweibrücken. Am 2. Dezember. Verwundet: 
deulist Jakob, Corporal von Rimschweiler, Bezirksamt Zweibrücken; 
Blatz Johann von Neustadt a. H.; Kneib Heinrich von St. Ing⸗ 
ert. Schlacht bei Beaugench am 8., 9. und 10. Dez. Am 8. 
Ddezbr. Todt: Herzler Heinrich von St. Johann, Bezirksamt Berg⸗ 
abern; Münchschwander Johann von Otterberg, Bezirksamt Kai— 
ersslautern; Verwundet: Day Ftiedrich von Schifferstadt, Bezirksamt 
Speyer; Ableiter Jakob von Speyer; Runk Jatob von Erlenbach, 
Zezirksamt Germersheim. Am 8. Dezember. Verwundet: Marchant 
karl von Blieskastel, Bezirksamt Zweibrücken. Verwundet: Schle— 
urg Heinrich, Oberfeuerwerker von Dernbach, Bezirksamt Bergzabern. 
Volkgwirthschaft Handel und Veckehr. 
Auf den in Frankreich okkupirlen Bahnlinien besinden sich 
zunmehr keine österreichischen Wagen mehr und sind dieselben sämmt⸗ 
sich zurückgeleitet worden. — Die bei Tours gesprengte Loirebrücke 
vurde von einer Abtheilung der bayer. Feldeisenbahnabtheilung 
nnerhalb weniger Stunden wieder hergestellt. Die Linie Besangon- 
zyon ist in Restauration begriffen. — Der schweizerische National⸗ 
ath genehmigte gleich dem Ständerath den mit Bayern und Oester⸗ 
reich abgeschlossenen Vertrag in Betreff der Bodenseegürtelbahn. — 
Mittellosen Ehefrauen und Eltern verwundeter Soldaten wird aus 
en bayerischen Staatsbahnen freie Fahrt zu den Lazarethen ge— 
vährt werden, soferne diese Letzteren sich im Inlande befinden und 
die Dringlichkeit des Besuchs nachgewiesen ist.