Full text: St. Ingberter Anzeiger

urtheilen. Zwei Tage verbarg ich mich in den 
Rninen eines Klosters, dann wurde ich entdeckt 
und hier in den Kerker geworfen, zu verfaulen, 
zu sterben.“ 
„Unglücklichr Mann!“ seufzte Boyd. 
.Das ist noch nicht das Schlimmste,“ 
entgegnete Haughton zähneknirschend, „ich hatte 
Ungft und Qual erduldet, aber eb war wichts 
m Vergleich mit dem, was folgte. Vor un⸗ 
gefähr sechs Monaten wurde ein Maun wegen 
Hdordes eines Spiones hierher gebracht. Die⸗ 
ses Verbrechen schien mir nicht so gräßlich, 
ud als er freundliche Beziehungen mit mir 
anzuknüpfen fuchte, kam ich ihm gern entgegen. 
Es war ein erigentzünilicher Mensch, aber ein 
quter Gefellichafter. Nach und nach: vertraute 
er mit, daß er Hoffnung habe zu entloxmen, 
weil ein Mädchen, das ihn liebte, alle Mittel 
zu seiner Befreiung in Bew gung setze. Tage 
lang besprachen wir den Plan und versrauten 
ans zulezgt: all unsere Erlebnisse. Ich erzählte 
ihm von dem Kapitale, das seit Jahren bei 
rem Banquier in London für mich bereil lag, 
pon den Werthpapieren, die ich unter dem 
alten Olivenbaum im einjamen Garten des 
zerfiörten Nonnentlosters vergraben hatte. Noch 
jetzt kocht mir das Blut, weng ich paran dente, 
vie listig xr mich ausfragte, und wien bald 
sich in meinem Leben nichts mehr fand, c was 
er nicht wustte. Endlich warde ihm Nachricht 
pon außen.“ Wie das geschah hade ich nicht 
erfahren, vermuthlich wurde ine Woche be⸗ 
tochen und ex betam eine feine Säge und 
leichten Eisendraht, stark geuug, um eine Lei⸗ 
ter dacaut zu flechten. Ert theilte mir dat 
Programm mit und versprach wich mutzunehe 
men, weil er, meine Hülfe hrauche. Zwei 
Wochen lang arbeiteten wir Tag und Nacht 
leise und vorsichlige In derersten dunkeln, 
stürmischen Nacht sollten wir uns bertit halten. 
Der große Schuppen an der anderen Seite 
des Gefängnisses sollte angezündet werden, da⸗ 
mit die Aufmertsamkeit aller Bewohner sich 
dahin lenke. Es war für uns feine leichte 
Aufgabe, die durchfeilten Stäbe auszuheben, 
imd die Brüstung des Gebäudeßs zu erreichen, 
pon wo aus wir uns an der Leiter hinab⸗ 
lassen sollten in die Wogen der See. Wir 
zatten Muth, denn wir wußten, daß unß 
unten ein Boot erwarte, um uns an Vord 
rines befreundeten Schiffeßs zu führen. Wit 
erreichten in der sieckfinsiern Nacht glück lich 
bie Brüstung und bemerkten bald das Signal, 
welches anzeigte,“ daß das Boot bereit rud 
die Leiter besestigt fei. Ich land zuerst deren 
Hacken und war selig im Vorgefühte naher 
Erlbsuag. VLoß? mich zuerst hinunter,“ flü⸗ 
erte mein Gefährte“ Das hielt ich für recht, 
venn seine Freunde bewerkstelligten das Entoe 
tommen. Ich kioch zurück und er fand nach 
einiger Zeit die Leiter. Im Gefängniß bließ 
Alles still, aber den Feuerlärm uuf der an⸗ 
dern Seite hoͤrten wir deutlich, uad die dunkte 
Rothe erhellte den nächtlichen Himmel immer 
mehr. Echnell, schnell !n rick id äugstlich. 
„Ja,“ flüsterte er, —AAmein Fuß ist auf der 
Leiter, lomm her, danut ich mich auf Deiner 
Schulter stühe.“ Bebend vor Freude und 
Hoffnung suchte ich so gut als moͤglich das 
Gleichgewicht zu halten und beugte mich ihm 
migegen, Er pachtte mich sestund zischte: 
„Glaubst Du, alter Narr, ich werde Dich 
mitn ehmen, nachdem Du mir sagtest, wo Deine 
Papiere sind, und ich gerade ein solch hüb⸗ 
sches Sümmchen brauchen kann de Met diesen 
Worten gab ar mir einen h⸗eftigen; Stohß und 
jch stürzte hinuater wie ein Stein; Gontallein 
weißz, was in dem gräßlichen Moment durch 
neine Seele zog.“ Det Foll hatte mich: zer⸗ 
melmen muüͤssen, wenn do nicht auf einen der 
Pfaͤhle, an welchen die Sotdaten ihre Mautel 
krocka eten,“gefallen wäre.: Da hing ich nun 
wulflos, und doch nur mit dem Sinen We⸗ 
danten, des Elenden Flacht zu gindern. Ich 
qrie do lange ich tonnte, dis äch heiser war 
und in Folge des abnärts hämgenden Kopfeü 
meime Sainue qchwanden. Nemaud hörte eich, 
oder eigeutlich Niemand entdeckte, woher das 
ARV 
mich eudlich fand, hing ich mit Rauem Gei 
fichte geschwollenen Augen und hervorhzüngren 
der Zunge scheindar leblos am Pfahle Kein 
Wart deschreibt meine Wuth,“ als ich wiedei 
zu mir bam. Ich geberdete mich wie ein Tob« 
jüchtiger, so daß man mich in den unterit⸗ 
dischen Kerker brachte, wo ich wie ein wildes 
Thür drüllte. und aus meinem halb wahn⸗ 
snigen Zustanbe nur erwachte, um ihm zu 
luchen, der inzwischen wothl in England Je⸗ 
landet war und mein Hab und Gut verpraßle,