Full text: St. Ingberter Anzeiger

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cdmischen Pontifexr, und. das fünfte, über die Unfehlbarkeit des 
päpstlichen Lehramtes, als rechtsgültig und für jedes Mitglied der 
zatholischen Kirche verbindlich anzuerkennen“: Bis jetzt herrscht in 
dieser Beziehung noch große Ungewißheit und Verschiedenheit der 
Ansichten. Während die Einen behaupten, alle diejenigen, welche 
auch nur dem leisesten Zweifel über die Göttlichkeit und Wahrheit 
des neuen Dogma's über die Unfehlbarkeit und die höchste Macht⸗ 
fülle des Papsies Raum geben und welche auch nur den oberfläch— 
lichsten Verkehr wit den öffentlich Excommunicirten unterhalten, 
seien schon ipso facto der Censur der Excommunication verfallen 
behaupten die Anderen, nur dann werde man von der sogenannten 
stirchenstrafe betroffen, wenn man offenen Widerspruch“ gegen die 
fraglichen Decrete erhebe und sich an dem altkatholischen Gottes⸗ 
dienste betheilige. Im Falle die Bischofs-Conferenzldie Ansicht der 
Ersteren als die richtige und für die kirchliche Disciplin maßge⸗ 
hende bezeichnen sollte, sehe sie sich einer Schaar von Excommuni—- 
cirten gegenüber, die nicht nach Hunderten, sondern vielleicht nach 
Millionen zählt. Es wird aber nicht genügen, einfach von Ex⸗ 
rommunication zu sprechen, es wird auch nothwendig sein, den 
Grad dieser Kirchenstrafe für die einzelnen Häretiker näher und 
genau zu bestimmen. Denn nach allen canonischen Verordnungen 
ist es sowohl für den Excommunicirten wie für den Geistlichen, bei 
welchem der Excommunicirte beichtet, unbedingt erforderlich, zu 
wissen, in welchen Grade der Excommunication der Betreffende sich 
befindet. Von der Excommunication der ersten Stufe koͤnnte jeder 
Priester, von der zweiten der Bischof, von der dritten nur der 
Papst lossprechen.“ Ve 
Berhin, 3. April. Den Besuch des Königs von-Bayern 
am hiesigen Hofe erwartet man zum Monat Mai und zwar zu 
der Zeit, wo auch die Prinzessin Karl, der Prinz Friedrich Karl 
und der Prinz Albrecht Vater von ihren Reisen zurückgekehrt sind. 
Nach dem Voranschlag für den Etat der Reichsma— 
rineverwaltung für das Jahr 1873 betragen die eigenen 
Einnahmen 24,893 Thlr.; dazu kommt ein Zuschuß aus Anleihe⸗ 
mitteln von 2,016,100 Thlrn. so daß sich die innahme auf 
2,040,393 Thlr. beläuft. Die Ausgaben sind auf 4,5551,015 
Thlr. (gegen 1872 mehr 745,969 Thlr.) an fortdauernden und 
4,871,110 Thir. (gegen 1872 mehr 298,031 Thlr.) an einma⸗ 
ligen und außerordentlichen veranschlagt. Zum Bau von Kriegs 
schiffen und zur Armirung find angesetzt 83,181,145 Thlr. oder 
912,066 Thlte. mehr als für 1872, wovon allein 1,800,000 
Thlr. zum Weiterbau der Schifse „Großer Kurfürst', „Friedrich 
der Große,“ „Louise?, Freya“, „Thusnelda“ u. s. w. in An⸗ 
spruch genommen werden. Es sind folgende Indienststellungen be⸗ 
absichtigt: je ein Geschwader in Ostasien, im Atlantischen Oceau, 
in Westindien und Central-⸗Amerika und im Mittelländischen 
Meere und verschiedene Uebungsschiffe. In der Kieler Zig.“, im 
„Hamb. Corr.“ und in der „Flensb. Nordd. Zeit.“ finden sich 
uübrigens bittere Klagen über die Disziplin der Marine. J 
Das Vorgehen der Regierutg wegen der EXcommuni— 
kationen wird, nach offiziösen Andeutungen in der Presse, auch 
dort erfolgen, wo jene Waßregel nicht öffentlich stattgefunden hat, 
weil auch in diesem Falle die bürgerliche Stellung des Betroffenen 
davon Schaden erleidet. Sollte die Versammlung in Falda sich 
wirklich auch mit den Excommunicationen beschäftigen, so sieht ein 
Innehalten des Klerus nach den bisherigen Erfahrungen wohl 
taum zu erwarten. Die feststehenden Entschlüsse der Regierung 
sollten indessen auf jener Seite doch einiges Nachdenken veranlassen. 
Wie die „Germania wissen will, ist Triiser als Metropo— 
litansitz für Elsaß⸗Lothringen in Aussicht genommen. 
Hamburg, 30. März. Seit acht Wochen striken in 
Hamburg sämmtliche Schiffbauergehilfen. Alle Einigungsversuche 
— 
augekommene reparaturbedürftige Schiffe haben andere Nachbarbäfen 
aufsuchen müssen, um reparirt werden zu können. 
Frankreich. 
Paris, 1. April. Nächsten Samstag geht der erste De 
portirtenzug nach Neu⸗ Caledonien ab. Alle Notabilitäten der Kom— 
mune sind darunter und es wird keine Ausnahme zu Gunsten 
Rocheforr's gemacht werden, dessen Sohn, Dauk der Fürsorge 
Mad. Edm. Adam's in dem Lyceum von Nizza untergebracht wurde. 
Am 1. d. M. hat sich in Versailles die permanente Com— 
mission der Nationalversammlung zum ersten Male seit Vertagung 
der Assemble versammelt, wobei Herr Th rers abermals Gelegen⸗ 
heit nahm, sehr zufriedenstellende Erklärungen über die inneren 
Zustände Fraukreichs und die ‚Gesammtlage Europa's zu geben 
Von der letzten Rede Thiers“ in der Nationalversammlung, wel ˖ 
cher von mancher Seite auch die Bedeutung eines Manifestes 
beigelegt wird, sind übrigens die Pariser Journale nicht sehr er— 
baut. Die ‚„Liberte“ meint, daß man dieselbe studiren und dabei 
zwischen den Zeilen lesen müsse. Daß Thiers in diesem neuesten 
chetorischen Ergusse den „Frieden“ so ganz besonders betonte — 
zwöhf Mal ver — und dennoch zugleich ankündigte, daß Fruu 
reich eine außerst starke Armee haben müsse, hat gerade Mißtraue 
erregt. Auf das große Publikum hat die Rede des Präsidente 
der Republik nur wenig Eindruck gemacht; man liest sie und 
meint, es sei immer die alte Leier. 
Paris, 2. April. Die Civilliste des Ex-Kaiserseg 
liquidirt. Rouher wird als Ergebniß der Liquidation drei Millio 
nen nach Chiflehurst bringen. — In den hiesigen: diplomatischen 
Kreifen beschäftigt man sich viel mit dem angeblichen Plane de 
Neutralisirung Dänemanrts. Man erzählt, Rußlant 
protegire diese Idee, England zögere; Deutschland und Ofterreid 
hätten sich noch nicht ausgesprochen. 
Paarri 8, 3. April. Im Prozeß Trochu erkannte die Jurh 
daß nicht Verlaumdung, sondern nur gröbliche Beleidigung vor 
liege. Villemessant und Vitu wurden demgemäß zu einem Mong 
Besängniß und 3000 Fres. Geldbuße dverurtheilt. 
Mit welchem Eifer die französischen Of fizirere ihre ge 
stige Vorbereitung für die Revanche betreiben, davon zeigt der 
Umstand, daß die Zahl der den Kursus der deutschen Sprache be 
fuchenden Offiziere von über 100 allmählich auf 9 herabgesunfen 
ist, worüber der Kriegsminister offiziell sein Mißfallen ausge 
prochen hat. 
BHolland. 
(Das niederländische Unabhängigkeitsfest. Ganz Hollan— 
feierie am 1. April ein Nationalfest, den 300. Jahrestag de 
Tinnahme der. Festung Brielle durch die „Wassergeusen“, der zu— 
gleich als Geburtstag der holländischen Unabhängigkeit betrachte 
wird. — Nachdem 1568 die Häupter, der Grafen Egmont und 
Hoorn auf dem Schaffote gefallen, Graf Ludwiz von Nassau be 
Gröningen total geschlagen und der Prinz von Oranien zur Ent— 
lassung seines Heeres gezwungen war, schien der niederländisch 
Aufstand gänzlich besiegt zu sein. Nur die Geusen allein führten 
als das Land ihnen verschlossen war, zur See den Krieg gegen 
die spanische Herrschaft weiter. Gestützt auf die friesischen Hafen⸗ 
orte, heimlich unterstützt von England und den franzößfischen Refor— 
mirten, führten die „Wassergeusen“ mit eben soviel Tapferkeit als 
Grausamkeit und Ruchlosigkeit einen hartnäckigen Seeräuberkrieg 
zegen die spanische Macht. Nachdem denselben durch die spanische 
Diplomatie die englische Unterstützung wenigstens theilweise entzogen 
war, beschlossen sie, einen größern Eiufall in die holländischen Pro— 
binzen zu unternehmen. Nach mehreren verunglückten Anschlägen 
gelang es der Geusenflotte unter Anführung des Grafen Wilheln 
non der Mart am 1. April 1572 in die Maas und vor daß 
kleine befestigte Slädtchen Brielle zu kommen, dessen seanische Be— 
satzung kurz zuvor nach Uttrecht zur Verstärkung der dortige 
Garnison abgezogen wrr. Die Einnahme geschah, ohne daß vor 
beiden Seiten ein Mann gefallen wäre und die Stadt wurdt 
hauptsächlich auf den Rath des hochherzigen Amsterdammers de Ryl 
hehauptet. Mit der Einnahme von Brielle aber hatten die Geusen 
die erste feste Stellung im Lande gewonnen; eine nach der anderen 
der übrigen holländischen Städte folgte, bis endlich nach achtzig⸗ 
ährigem erbittertem Kriege im Frieden zu Münster die „Staaten“ 
als eine politische Macht von ganz Europa anerkannt wurden 
Das ist die historische Seite des holländischen Aprilfestes. Es gibt 
aber auch eine politische! Der Triumph der holländischen Unab⸗ 
hängigkeit über die spanische Herrschaft ist ein Stück des Sieget 
des germanischen Unabhängigkeitssinnes über die romanische Welt 
herrschaft und die holländischen Ultramontanen hatten sehr Unrech 
gegen die Feier zu protestiren, weil dieselbe eine Feier des Siege 
der einen Konfession über die andere sei. Nicht den spanischer 
atholizismus bekämpften die protestantischen Geusen, sondern di 
Fremdherrschaft, den verhaßten spanisch⸗päpstlichen Despotismus 
der auf dem niederländischen. Volke so unsäglich schwer lastete 
Deswegen ist auch die politische Seite des Festes die hervorragend 
diese feiert das niederländische Volt ohne Unterschied der Konfessio 
uund auch Deutschland darf mit Sympathie auf den kleinen tapferr 
Bruderstamm hinüberdlicken, der an seinem Theil wacker mitge 
tämpft und mitgeblute: hat in dem großen Kapipfe germanische 
Freiheit gegen romanische Erxoberung. 
Mustland. 
Einer Correspondenz der „K. Z.“ zufolge beschäftigt sich? 
russische Regierung gegenwärtig eingehendfmit einer Reforr 
der Steuergesetzgebung. Bisher ruhte in Rußland die ganze Steuer 
last auf den unbemitlelten Klassen; die Offiziere, jBeamten, Adel 
gen ꝛc. waren steuerfrei und diese Last drückie um so schwerer, ah 
die Gemeinden für den Steuierbeitrag des Einzelnen haftbar wartn 
so daß oftmals dieselben für Verstorbene oder Verschollene zahlen 
mußten, bis eine neue „SeelenRevision“ die —X 
richtig stellte. Es sollen nun die bisher privilegirten Klassen eber 
alls in billigem Maße zur Besteuerung herangezogen wer den; de 
Reformprojelt ist den Landstandsversammlungen bereits zur Bequ 
ichtung vorgelegt worden und es ist eine ebenso merkwürdige