Full text: St. Ingberter Anzeiger

Ht. Ingberler Anzeiger. 
der St. Jagberter Anzeiger (und das mit dem Haupiblatte verbundene Unterhaltungkblatt, mit der Dienbtagt⸗, Donnertiags⸗ und Sonntag 
umme erscheint wochentlich viernal Dienstag, Donner Stag, Samstag und Sonntag. Abonnementspreis vierteljährig 42 Krur. oder 
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Deutsches Reich. 
Speier, 18. Febr. Unterm 11. ds. wurde dem Beschlusse 
des Landrathes der Pfalz, daß bei der k. Rigierung ein fach— 
naͤnnisch gebildeter Kreisscholarch angestellt werde, die kgl. Geneh⸗ 
nigung ertheilt, und es wird nun die Stelle zur Bewerbung 
zusgeschrieben. Der Anfangsgehalt 1400 fl., Dienstalterszulagen 
hon je 200 fl. in den ersten 3 Quinquennien, von 100 fl. 
püter; Diäten und Vergütung der Reijekosten bis zum Betrag 
on 600 fl. 
In München werden sich mehrere Loosbesitzer der Giesin⸗ 
jer Lotterie zu einer Prozeßgenossenschaft vereinigen, um gegen 
zas Comite wegen der staltgefundenen Unregelmäßigkeit Klage zu 
ühren. 
Nürnberg, 20. Febr. Der Bundesrathsbevollmächtigte 
Neumayer murde auf sein Ansuchen seiner Stelle enthoben und 
ziefür Ministerialrath Riedel ernannt. Diese Veränderung be— 
Zeutet ohne Zweifel Bayerns Nachgiebigkeit in der Frage des 
steichsgerichts hofs. 
Berlin, 20. Febr. (Abgeordnetenhaus.) Zu Begiun der 
Zitzung, ehe das Haus in die Tagesordnung eintritt, ergreift 
der Finanzminister das Wort zu folgender Erklärung: Die Ueber— 
qüsse des Vorjahres betragen 20 Millionen. Sämmtliche Ver— 
valtungszweige weisen Ueberschüsie auf. Die Regierung wünscht 
ringend, daß die Ueberschüsse möglichst schnell dem Lande Nutzen 
zringen und schlägt vor, 12 Millionen zu einer außerordentlichen 
Schüldentilgung zu verwenden; dann könnte vom Jahre 1874 ab 
ine Million vom Budget abgesetzt werden. Ueber die seit Schluß 
des Reichstages eingegangene Kriegscontribution sei noch nicht 
disponirt; es sei hierüber die Verständigung des Buudesraths mit 
den Bundesregierungen abzuwarten. — Auf eine Interpellation 
des Abgeordneten v. Schorlemer- Alst wegen Vertilgung des Schwarz⸗ 
wildes erwidert der Minister für die Landwirthschaft, er köͤnne 
noch nicht mit Bestimmtheit sagen, ob das Gesetz noch in dieser 
AD 
Jagordnunge vor. Uebrigens thue die Regierung Alles, um 
Schwarzwildschaden abzuwenden. Die Oberförster seien mit In⸗ 
ttruftionen versehen, Jägerabtheilungen würden aufgeboten und 
diesen Schußprämien von 4 Thalern per Stück bewilligt. — 
». Kölhler hat die Wahl in die Eisenbahn⸗-Kommission ange⸗ 
nommen. 
Die Gesammt-Ausprägung in deutschen Goldmünzen stellt sich 
bis 1. Februar ds. Is, auf 459,252,290 Mark, wovon 345,174,220 
Mark in Zwanzigmarkstücken und 114. 078. 070 Marl in Zehn. 
narkstücken bestehen. 
Frankreich 
Pari?, 19. Febr. In der Prozeßsache des Prinzen Na— 
poleon gegen Victor Lefranc wegen der Ausweisung des Ersteren 
erklärte das Civiltribunal seine Inkombetenz und verurtheilte den 
Brinzen in die Kosten. 
Hier sei eines etwas unglaublichen Gerüchtes erwähnt, welches 
einem Pariser Correspondenten „Daily Telegraph“ zufolge, in 
fficiellen Kreisen von Versailles bezüglich Cuba's eirculiren soll. 
Demgemäß wolle Frankreich „versuchen, Spanien zu zwingen,“ 
Tuba an Nordamerika zu verkanfen, um dadurch der Bank von 
Frankreich 130 Millionen Franck, (aus, einem Anlehen von 200 Millio- 
ien), welche dieselbe fir den König Amadeus zur Bestreitung der 
Unkosten des Krieges gegen die Carlisten geliehen hätte, wiede rzu⸗ 
perschaffen. Die Vereinigten Staaten sollen sich erboten haben, 
Faba für 500 Millionen, zahlbar in zwei Jahren, zu kaufen. 
Der Correspondent des englichen Blattes kann indessen, trotz allen 
gegeniheiligen Angaben, versichern, daß die neue spanische Renie⸗ 
rung den festen Entschsuß kundgegeben habe, Cuba unter allen 
Amständen zu behalten; sie soll dies sogar zum Cardinalpunkt 
ihrer Politik machen. — Wir haben vor einigen Tagen bereits Aehn⸗ 
liches berichtet. — 
Schweiz. 
GBGenf, 19. Febt. In der Sitzzung des Großen Rathes 
wurde das Gesetz, betreffend die Wahl der Geistlichen durch das 
Volk, mit 75 gegen 8 Slimmen definitiv angenommen. Die Be—⸗ 
⸗athungen verliefen sehr stürmisch. Anläßlich eines von den katho— 
ischen Geistlichen des Kantons in sehr beleidigenden Aus vr ücken 
zegen die Kantonal- und Bundesregierung abgefaßten Vrotestes 
zing die Versammlung zur einfachen Tagesordnung über. 
Spanien. J 
Madrid, 20. Febr. Nach einer Depesche aus Berlin ist 
zie deutsche Regierung entschlossen, die spanische Republik anzuer⸗ 
ennen, sobald ihr das Rundschreiben Castelar's zur Kenntniß 
gebracht fein wird. Die schweizerische Regierung hat einen ähnlichen 
Beschluß gefaßt. — Die Ruhe ist nicht gestört warden. 
u Das „Journal des Debats“ meldet, als Amadeus seiner 
Zemahlin den Entschluß abzudanken mitgetheilt, habe diese ausge— 
⸗ufen: Endlich kann ich ruhig schlafen! 
Berliner Humoristische Wochenschau. 
Schauerliches für den Wochenschauer hat sich in den letzten 
ieben Tagen in Berlin se viel begeben, daß wir kaum wissen, 
vo uns, noch viel weniger wo dem Geheimen Eisenbahn⸗Concessions⸗ 
ind jetzt ganz rathlosen Justizrath Wagener der Kopf steht. Zu⸗ 
nächst haben wir über zwei nicht weg zu leugnende Wunder zu 
»erichten: In der Brunnenstraße 138 fand eine, dem Hungertode 
nahe Frau, wahrscheinlich als himmlischen Lohn dasür, daß sie 
hren Mann vermocht hatte, gegen Sydow zu stimmen, zwölf frisch 
zebackene Landbrode unterm Thorweg, und in der Holzmarktstraße 
36 wurde ein Mann, jedenfalls Anhänger von Lisko, speckschwar⸗ 
en⸗knusprich gebraten aus dem Bonnschen Kalkofen geholt. Ein 
Mann im feurigen Ofen, ohne daß die Polizei erfahren hätte, ob 
x Sadrach, Mesech oder Abed Nejo geheißen. „So etwas 
nacht warm,“ sagte der castilische General Inquisitor Thomas 
de Torquemada, im Jahre 1481 zu Salamanca als er 498 
Fuden, wegen ketzerischer Meinungen „im Dienste Gottes und 
zhrer Hoheiten des Königs Ferdinand und der Isabella,“ auf 
iinmal verbrennen ließ; ein auto da fé, welches den sonst vor⸗, 
etzt leidtrzgenden Rath beim Staats Ministerium, Herrn Wagener 
vohl nur um deshalb mit Betrübniß erfüllen wird, weil Lasker 
uiicht ad majorem dei gloriam die 500 in Salamanca schon 
»amals voll gemacht hat. — Die von dem „jüdischen Abgeordneten 
vie ihn der frommchristliche Strosser nennt, beantragte Untersu⸗ 
hungs⸗ Commission gegen den dummerwiztzigen Gründer des kleinen 
teactionärs wird jetzt zu enischeiden haben, ob der Letztere blos 
eicht gebacken wie Landbrod, oder gezwiebelt und scharf gebraten 
vie englisches Beafsteat werden soll. PRöglich auch, daß der olym⸗ 
ische Mars ibn schützt, wie die Tochter des Zeus, Aphrodite, 
en Hector, die nach Homer „sorgete, daß er geschleift und die 
Zaut doch ihm nicht geritzt ward.“ Die Hittze der mittelalterlichen 
S„cheiterhaufen ist auch dem Cardinal Rauscher in Wien zu Kopfe 
estiegen und es ist ein Glück, daß wir nachträglich noch harten 
frost belommen haben, sonst würden wir wohl in Verlegenheit 
erathen sein, wegen der nöͤthigen Eisumschläge für seinen Volks⸗ 
reund,“ in welchem Lasker ein jüdischer Winkel Advokat genannt 
vird, weil er in allen Winkeln herumsiöbert, um etwas Ungerechtes 
m Lager der Gerechten aufzufinden. Wir ersuchen den ehrwür⸗ 
igen Herrn Rauscher, aus dem vermuthlich der „Cardinal“ ge⸗ 
)rochen hat, die Worte Mephisto's, aus dem zweiten Theil des 
Faust“ in Bezug auf die Winkel in seinem Winkelblatt valdigst 
uch zum Abdrucd zu bringen: 
„In Winkeln bleibt noch vieles zu entdecken, 
Bar viel Erschrecklichsten im engsten Raum; 
Ihr thut sehr wohl, die Sünder zu erjschrecen, 
Sie lagen gar zu tief im sjüßen Traum.“ 
Herr Wapdner hatte übrigens des Spruches gedenlen sollen: 
Wer sich mit Schustern befaßt, darf sich über Pech nicht wun⸗ 
zern.“ Jetzt kann man nur sagen: „Die Wagener ˖Oder ˖ Eisenbahn 
deingeschustert.“ 
Obgleich Wien Manch? In uUns auszust Unn hat, wirden wir 
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