Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Derutsches Reich. I 
München, 3. März. Mit Aniahme des nun für das ge⸗ 
ammte deutsche Heer giltigen ReichsKriegsdienstgesetzes wurde die 
dienstzeit in der Reserpe, welche bis dahin in, Bayern nur 3 
Fahre dauerte, aus 4 Jahre erhöht und konnte deßholb im Jahre 
(872 ein Uebertritt von Reservisten in die Landwehr nicht statt⸗ 
änden; in Folge der starken Einstellungen im Jahre 1866, welche 
iunmehr noch fiebenjähriger Dienstzeit aus der Reserbe in die 
dandwehr übertreten, erhält letzterer einen so bedeutenden Zuwachs 
zaß die im Ariegsdienstzesetze vorgesehenen 32 Landwehrbataillone 
‚ollständig formirt werden können, was im Kriege 1870 noch nicht 
zer Fall fein konnte. Der Uebertritt der Reservisten des Jahrgangs 
1866 in die Landwehr wird gleichzeitig mit der Entlassung des 
dahrgongez 1870 in die Reserve am 1. Juli fd. Is. stattfinden. 
BZerlhin, 3. März. Zu den wahrscheinlichen Regierungs⸗ 
otlagen im Reichstage zählt man die Uebertragung der Civil- 
zandsregister auf weltliche Behörden. Ein Antrag auf Einführung 
Cidilehe im Reiche wird im Reichstage erneuert werden und 
oll jezt Aussichten auf Annabme im Bundesrath haben. Für 
die Rechtseinheit wird von einigen Seiten bis zum Erlaß eines 
Agemeinen deutschen Civilrechts die Einrichtung von drei Senaten 
m obersten Reichsgerichtshof angeregt, einen für das altpreußische 
decht, einen für das rheinische Recht, einen für das gemeine deutsche 
kecht. 
d Berhin, 3. März. Der franzosische Justizminister Dufaure 
prach am Sonnabend in der Nationalversammlung die Befürchtung 
ms, daß die Räumung des Landes das Siagnal zu unausbleib⸗ 
ichen Unordnungen und Ruhekörungen geben werde. Dazu be⸗ 
mectt nun die „Nordd. Allg. Ztg: „Unter der Obhut deutscher 
Waffen, die es pom Selbstmorde zurückhalten, konnte Frankreich 
ich somit bisher seiner innern Wiedergedurt, lia selbst der Vorbe⸗ 
eiuag für die von mancher Seite ersehnten Kämpfe der Zukunft 
widmen. Diejenigen. welche den Beweis der Lebensfähigkeit der 
Republik als erbracht erachten, mögen daher nicht vergessen, daß 
dieselbe dissher in dem monarchischen Deutschland ihre starke 
Ztütze fand. 
Berlin, 4. März. Die „N. Allg. Zta.“ sagt: „Ver— 
handlungen über die Raumung französischen Gebietes mögen be— 
jorstehen; unter keinen Umständen aber wird vor Ausbezahlung 
zer letzten Milliarde Beifort geräumi werden.“ 
Der Abg. Lasker sieht sich, wie dem „Frf. Journ.“ aus 
Berlin geschtieben wird, bei seinen Mühen und Winken ganz und 
zar von seinen nächsten Fraktions Genossen im Stich gelassen, im 
Stich gelassen mit einer gewissen Ostentation. Die Fortschritikpar⸗ 
ei und die Konservativen stehen zu ihm, aber die National Liher 
alen widerstreben ihr. Deren hervorragendere Führer haben kein! 
Interesse daran, Dingen nachgespürt zu wissen, die fie lieber ganz 
ünberührt wüßten. Mit der haute finance sagen sie wegwerfend: 
nieser Lasker wird sich politiftp ruiniren, denn er ist ein sehr mit⸗ 
elmäßiger Volkswirth, von der Börse versteht er vollends nichts, 
und her leßt sich nit folsch angebrochser fittlichet Ent— 
rüstung über die Verhältnisse aus, die ganz in Ordnung sind. 
dleine Ungehörigkeiten kommen überall vor, aber sie bilden nicht 
die Regel, und sie hervorheben, ohne sich an das Ganuze zu halten 
us thnen Kapitel schlagen wollen, während doch das Kapilel als 
olches der moralischen Kritik spottet, heißt aus der Mücke einen 
klephanten machen, und bei diesem Sonderlings-Prozeß mag Las⸗ 
ser sein eigener Anwalt sein, wir folgen ihm nicht, wir haben 
nen weiteren Blick, wir sind große Politiker zu Diensten des 
Fünsten Bismarck, aber nicht zu Nergeleien gegen Herrn von 
Itzenplitz, geschweige denn gegen Bismarchs früherrn und Graf 
Roon's jeßigen ersten vortrugenden Rath. So die National Libe- 
ralen, von denen Viele, und nicht die einflußlosesten längst darüber 
nachdachten, wie sie Laster's auf gute Manier sich entledigen 
önnten, und siehe da der Fall mit der Untersuchungs- Kommission 
st rechtg eigentlichg dazu angethan, dem Abgeordneten für Mag⸗ 
deburg, der noch immer für den Geschmack gewisser Leute viel —9— 
weit links steht, die Folgen seiner Separaisiellung innerhalbe der 
igtional liberalen Fraklion begreiflich zu machen. Die Bennigsen, 
ie Miquel, die Braun, sie waren immer. Dieselben, die sie heute 
ind, aber Lasker kann es in der öffentlichen Meinung nicht her- 
ibsetzen, wenn er vielleicht demnächst von der „Spener'schen“ eint 
ersteckte Rüge empfängt.: 
Bezüglich des aeuen deutschn Münzgesetzentwurfe 
vird vielfach darüber Klage geführt, daß das neue Münzsystem 
ür die Silbermäünzen zweĩ große Lücken lasse, nämlich zwischen 1 
und 5 Groschen (2110 und 3 Mart) und ebenso zwischen den 1 
Mark und 5 MWarkstücken. Das Reichskanzleramt soll die Pre⸗ 
jung von 2142 Marklstücken (entsprechend den englischen 22/0 Schil⸗ 
ingstücken) vorgeschlagen haben. Hoffentlich gelingt eß im Reichs- 
ag noch das 29/, eventuell das 2 Markstück sowie das Fünftel⸗ 
narkstück (2 Gr.) durchzubringen. 
Durch das Reichskanzleramt vorgenommene statistische Er⸗ 
nittelungen über die Ausführung des Jesuitengesetzes ergaben, 
daß in Preußen nur wenige Jesuitenniederlassungen existiren. Die 
in Bayern und Elsaß-Lothringen bestandenen Niederlassungen 
vurden fämmtlich aufgelöst; dagegen bestehen noch elf Kasegorisen 
don verwandten Orden und Congregatienen mit verzweigten Nie- 
derlassungen und vielen Mitgliedern. Der Justizausschuß ist mit 
der Frage befchäftigt, wie weit das Jesuitengesetz auf diese an- 
vendbar ist, da die Ansichten in Regierungskreisen darüber sehr 
ibweichend sind. 
— Die Apotheker köonnen wieder eine Weile ruhig schlafen, 
schreibt die „Mont. Ztg.“ Aumn in der nächsten Reichstagssession 
vird die Angelegenheit der Freigebung des Apotheker Gewerdes 
den Reichstag noch nicht beschäftigen. Das Reichslkanzleramt will 
»ie Frage, welche wegen der Entschädigung für Ablssung der 
Privilegien große Schwierigkeiten bietet, erst noch einer weiteren 
xẽx71wägung unterziehen. 
Frankreich. 
Die Cuarlisten erhalten ungeachtet der Beschwerden Olozaga's4 
fotrtwährend Zuzug aus Frankreich. Vor zwei Tagen trat wieder 
ine bewaffnete Bande, deren Mitglieder sich bis dahin in der 
Imgegend von Biarritz und St. Jean de Luz aufgehalten hatten, 
uuf spanischen Boden über, ohne im Mindesten behelligt zu werden. 
Zie trug die Uniformen der franzoͤsischen Ex Nationalgarde, welche 
yon den Carlistischen Agenten jetzt vielfach angekauft werden. Es 
ollen sich auch viele Franzosen in den Banden befinden. 
Seit der Heirath des Fürsten Czartorysli mit der Prinjessin 
Margarethe von Orleans ist das Hotel Lambert wieder einer der 
Jänzeundsten Mittelpuulte der französischen Aristokratie geworden. 
Bei einer Mufikgesellschaft, die daselbst vor einigen Tagen statt⸗ 
and, waren die Koͤnigin Isabella, Madame Thiers und die 
Bräfin von Paris zugegen, und Jemand bemerkte, als er die 
Benannten beisammen sah: „Voila le passé, le présent et avo- 
ur.“ (DSiehe da, die Vergangenheit,“ die Gegenwart und die 
Zukunst. 
Spanien. 
Die Carlisten sind in die Nahhe der Grerzstalion Irun 
porgedrungen, wo große Angst herrscht. Die Regierung schickt 
deshalb, was sie schon längst hätte thun sollen, eine Besatzung 
rach Irun und läßt es befestigen. Die Bande Olle's, 20090 Mann 
lart, marschitt durch Lecumberri nac Navarra. Die, Anhänger 
Don Carlos in Madrid behaupten, ihr Körig werde binnen drei 
Tagen in Pamplona sein; einstweilen aber befindet ssch noch der 
veneral Pavia daselbst, um seinem Nachfolger Nouvilas den 
Iberbefehl zu Übertragen. Pavia berichtet übrigens, daß die 
dachricht, Don Carlos fei in Spanien eingedrungen, falsch sei. 
Dent „Diario Espanol“ zusolge wäre der Prätendent ein paar 
Tage auf spanischen Boden gewesen, dann aber nach Frankreich 
zurückgekehrt.) Auch sagt Pavia, die Carlistenbanden wagten nicht 
inmal, Truppenabtheilungen von 25 oder 30 Mann anzugreifen, 
and verlegten sich einfach auf's Plündern und Marodiren. 
Der AUnverief“ meisdet. daß viele Spuyiet bon hoher