Full text: St. Ingberter Anzeiger

Hl. Ingberler Anzeiger. 
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8 39 Dienstag, den 11. März 1873 
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Dert sches Reich. 
München, 7. März. Der k. Oberappellationsgerichts rath 
Dr. G. Schmitt, welcher fich bekanntlich als baher. Komm'ssär 
zei der in Berkin zusammengetretenen Kommijssion zur Berathung 
eß Sirafprozesses füt das denische Reich seit Anfang des vori⸗ 
dan Monats befand, ist gestern hieh r zurückaekehrt. 
München, 7. März. Rach Mittheilungen aus Berlin ist 
die Aufnahme des bayerschen Militär-⸗Geschworenen⸗Verfahrens in 
nie deutsche Militär-⸗Strafgerichts ⸗Ordnung wahrscheinlich. 
In Frantsuort hat sich Behufs Veranstaltung einer März3- 
feier ein Comité von ca. 80 Personen konstituirt. Der 30. 
MRärz, der Jahrestag der Eröffnung des Vorparlements, ist zum 
Tage der Feier ausersehen. 
Goͤrintz, 8. März. Heute feierte der General⸗Feldmar⸗ 
schall v. Steinmetz sein 60jähriges Dienstjubiläum. Der Jubilar 
st, zwie die Norddeutsche. Ztg.“ berichtet, am 5. Maͤrz 1813, als 
das sechzehnte Lebencjahr noch nicht vollendel, aus dem Cadet⸗ 
enhaus in die Armee getreten, und hat bereits die Freiheitskriege 
nitgemacht. 
Wie die „Fr. Pr.“ vernimmt, hat der Direetor der elsaß 
olbringischen Abtheilung im Reichskanzleramte, Geh. OberRe— 
gierungsrath Herzog, die Ernennung zum Unterstaatssekretär im 
dandelsministerium abgelehnt. Neuerdings ist jetzt wieder von 
em vorrragenden Rathe im Handelsministerium, Dr. Jacobi, die 
Kede, wahrend anderer'its verlautet, Dr. Achenbach solle nunmehr 
dennoch den Unterstaatssekretärposten im Cultusministerium mit 
demjenigen im Handelsministerium vertauschen, JZund zwar mit der 
Aussicht auf die Erbschaft des Grafen Itzenplizz. 
dus Süddeutschland schreibt man derꝰ, Koͤm. Ztg.“ 
Die von Berlin verlaut⸗nden Nachtichten, daß man in der Schwur⸗ 
zerichtsfrage einer nochmaligen Erwägung zugänglich sei, hat vom 
Konalen Standpunkt aus nur die größte Befriedigung erwecken 
onnen. Von allen anderen Gründen abgesehen, ist schon die un⸗ 
eugbare Thatsache, daß man in Süddeutschland an dem Geschwo— 
enengericht in seinem bisherigen Umfange festhalten will und 
inen Angriff datauf als einen Act theocetischer Abacigung gegen 
ain bewaͤnrtes vollathümliches Rechts-Inftitut ganz allgemein be⸗ 
rachtet, für einen Staatswann schwerwiegend genug, um nicht 
das neue Deutsche Reich mit dem Gewicht einer jo unpopulären 
Raßregel zu belasten. Und wenn das Schöffengericht alle Vor⸗ 
ge haͤtte, welche seine Nährväter Zachariae und Schwarze ihm 
zuschreiben, ist für den prattischen Politiker zunächst maßgebend, 
Jaße die deuische Nation diese Ueberzeugung noch nicht theilt und 
zie gewohnten Rechtseinrichtungen mit den nöthigen Verbesserungen 
behalten will. Das Volk soll an der Rechtsprechung nach der 
Meinung Aller einen w.sentlichen Antheil nehmen, aber nie wird 
Nes segensreich geschehen, wenn nicht die Institutionen im Ver⸗ 
rauen der Bevölkerung wurzeln. 
Fraukreich. 
Paris, 6. März. Troz offizieller Nachrichten, welche eine 
bollständige Wiederherstellung des Hrn. Thiers melden, war die 
zeutige Abendbörse auf dein Boulevard neuerdings alarmirt; es 
vurden allerhand Gerüchte in Umlauf gesetzt. Die unbehagliche 
Stimmung wurde noch vermehrt durch den Umstand, daß mehrere 
Abendjournale die bisher verbreiteten optimistischen Nachrichten über 
die Raͤumung der occupirten Departements wiederriefen. 
Einer der geistreichsten unter unseren Vertretern der answär— 
tigen Mächte (Nigra mit einem Worte) legte die Rede Thiers in 
folgender Weise aus: „Man meinte, den Ticktack einer Thurmuhr 
in hören, deren Pendel von einem festen Punkte ausgehend, regel⸗ 
maßig nach rechts und lints oscillitt, ohne dabei jemals aus seinem 
Schwerpunkte zu fallen, und welcher genau die Zeit angiebt. 
e niemals war eine Desinitiovn zugleich so geistreich und so 
uichtig. 
Paris, 8. März. „Sp. Z.“ Der „Temps' ersährt aus 
— daß die preußische Intendantut Weisung erhalten, alle 
rxintäufe einzusellen. — Dlozaga ist nach Marseille gegangen, um 
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Amadeus zu begrüßen, wenn er dort landet. — Ordre“ bestätigt 
daß der kaiserliche Prinz zur Wiener Ausstellung geht. 
Aus Nanch wird mitgetheilt, wir wissen nicht, mit wie 
viel Gewähr: Die Verhandlungen zwischen General Manieuffel 
und den französischen Behörden wegen des Unterbringens der 
23,000 Mann, die sich in den beiden nach Abzahlung der vierten 
Mill iarde zu räumenden Departements befinden, in den zwei noch 
hesetzt bleibenden Departements sind augenblidlich eingestellt, weil 
in Paris eben Unterhandlungen im Ganzesind, um die Besatzungs⸗ 
ruppen nach Zahlung der vierten Milliarde auf 25,000 Mann 
zu vermindern. Da alle Aussicht auf Erfolg dieser Verhandlungen 
»orhanden ist, so hält man es für unnüzß, sichh schen jetzt über die 
oben erwähnten Maßregeln zu benehmen. 
Privatnachrichten aus Versailles melden, Thiers könne 
m Lande selbst die Anleihe der fünften Milliarde abschließen, so 
jroß ist der Wunsch, daß die fremde Occupation aufhöre. Ver—⸗ 
Jandlungen mit Deutschland haben noch nicht statigefunden, am 
venigsten in formeller Weise. VBon allen Seiten ist bestatigt, 
zaß es vor Ende des Jahres schwerlich zu der schließlichen Räu— 
nung kommen wird. (K. Z3.) 
Versailles, 8. März. Ron den 15 Commissären, 
velchen seitens der Nationalversammlung die Prüfung des Hau— 
delsvertrages mit England übertragen worden ist, gelten 7 als 
Begner des Vertrages, und nur 8 als Anhänger desselben. — 
Der Präsident der Republik hat heute den deutschen Botschafter, 
Graf Arnim empfangen. (W. T. B.) 
Italien. 
Rom, 6. März. Heute läuft hier das Gerücht ein, der 
hayerische Gesandte am päpstlichen Hofe werde demnächst ganz 
abgerufen und rüste sich Rom zu verlassen. Der Popst soll über 
die jetzigen Fürsten sehr entrüstet sein und geäußert haben, solche 
Throne müßten verschwinden. Er werde sich sicher mit einer 
europäischen Universalrepublik leichter vertragen als mit diesen 
Marionetten von Königen. 
England. 
London, 8. März. Die Gerüchte von einer projeckirten 
Berlobung des Herzogs von Edinburg mit der Tochter des Kaisers 
von Rußland, Großfürstin Maria Alexandrowna sind troß aller 
Dementi's wohlbegründet; die Verlobung wird bald veröoffentlicht 
werden. 
Bermischtes. 
r Ausel, 7. März. Gestern wurde in hiesiger Stadt eine 
altkatholische Kirchengemeinde gegründet. — In der gestrigen 
Sitzung des Polizeigerichts wurde der katholische Pfarrverweser 
Zaplan Joseph Deckenbrock von hier wegen Ehrenlkränkung zu 5 
Thaler Geldstrafe verurtheilt. 
Frankenthal. 8. März. Vier und fünfzig Ein— 
wohner von Lambrecht, größtentheil? Tuchweber, welche wegen 
Landesfriedensbruchs anfänglich vor das Schwurgericht verwiefen 
waren, wurden durch Beschluß des Appellhofes zu Zweibrücken 
vor das hiesige Zu tpolizeigericht zurückgewiesen und gelangen am 
1. April nächsthin zur Aburtheilung. (R. W.) 
Fraukenthal, 7. Maͤrz. Herr Präsident v. Möhl 
ritt unter Verleihung des Civilverdienstordens in Ruhestand. 
München, 7. März. Hr. v. Völlinger erhielt am 28. 
b. Mis. zu seinem 74. Geburtstag ein königliches Handschreiben. 
Fs werden heuer 50 Jahre, daß VDöllinger seine Lehrtbätigleit am 
Lyceum zu Aschaffenburg begann. 
7Muünden, 8. Marz. Der NKoͤnig hat für die dieses 
Frühjahr in Aschaffenburg statihabende Blumenausstellung einen 
Beitrag von 100 Marl aus seiuer Kabinetskasse bestimmt. 
Aus Stade wird gemeldet, daß der vom dortigen Schwur⸗ 
zerichtshof wegen sechs vershiedenet Giftmorde zum Tode vecur—⸗ 
heilte Woltmann zu einer Zu thausstrafe auf Lebenszeit beanadigt 
worden ist. Mit dieser Begnadigung dürfte die ialtsche Aufheburg 
der Todesstrafe in Preußen woyl als eine dollendete Thatach