estellt wurde, daß alle Schuld auf den Soldaten fiel, der in
Streit mit den jüdischen Kleiderhändlern und mit der Polizei ge—
rieth. Man sagt, General Stülpnagel habe fich nachdrüdlich gegen
o einseitige Darstellung eines Vorfalls, dessen Hergang eist noch
zu ermitteln ist, verwahrt. Aus den amtlichen Erhebungen wird
auch erst zu ersehen sein, wie groß die Zahl der Verlehten ist.
Namentlich am zweiten Tage der Ruhestörungen ging es sehr leb⸗
zaft zu, und die Polizei rächte sich für die Insullen und Vergrei⸗
ungen, denen sie ausgesetzt war, durch rücssichtioses Vorgehen mit
dem Säbet. Daß der Scandal ein Ende nahm, war hohe Zeit,
denn am dritten Tage kam es sogar zu gewaltsamer Erstürmung
und Plünderung eines jüdischen Kleidermagazins; ein planmäßig
angelegtes Werk, das in wenigen Minuten vollbracht war. Taß
zine socialdemokratische Organisation hintar diesem Treiben stand,
lann gleichwohl nicht behauptet werden; auch wäre es übertrieben,
zon einer „Judenhetze“ zu reden; wiewohl einzelne Judenhäuser
allerdings das bevorzugte Objekt der Tumultuanten waren. Die
nächsie Folge wird sein, daß die städtische Polizei vermehrt und
hoffenzlich auch verbessert wird. Inzwischen ist die Absicht, die
Bürger zur Leistung eines freiwllligen Constablerdienstes anfzu-
jordern. (Pf. P.)
Der E Korrespondent der K. Z. schreibt: Es soll der
oberste Reichsgerichtshef dadurch wieder einen Schritt vorwärts
jethan haben, daß Bahern sich demselben zwar noch nicht in dem-
elben Maße wie Württemberg und Sachsen genähert, cber doch
jeinen Rechtsgerichtshof. der einer Ar Kommission für geseßgebende⸗
Normen gleichkam, so gut wie aufgegeben hat. Bahern soul aller⸗
dings eine andere, schwerlich annehmbare Lösung vorschlagen wol⸗
len, nämlich einen obersten Gerichtshof, dessen Kompetenz aber
zuf die Reichgeseßzgebung beschränkt wäre. Dies wird sicherüch un⸗
zenügend erscheinen. Die Gerichtsorganisalion behalt indessen ihre
zünstigen Auesichten.
Vom Rhein, 27. März, schreibt man dem „Deutsch. Wo—
henblatt“: .Der Bischof von Limburg hat an die preußischen Bi⸗—
schöfe ein Rundschreiben gerichtet, worin er dieselben auffordert, den
Zatholiken den Eid auf die Verfassung zu derbieten, da die neuen
irchenpolitischen Gesetze gegen das Dogma der Autonomie der
dirche sündigten. Dieses Verbot sol schon vor Publikation der
Besetze erlassen werden und dürfte die bischöfliche ultima ratio zun
Verhinderung derselben sein“
Wiesbaden, 2. April. Dem „Rheinischen Kurier“ wird
aus Limburg geschrieben: Das bischöfliche Circular an den preu—
ßischen Episcopat betrifft nicht das Verbot des Eides auf die Ver⸗
fassung, sondern eine Eingabe an das Herrenhaus um Verwer—
fung der vom Asgeordnetenhause beschlossenen Verfassungszusähe,
damit die Verfassung von den Altkatholiken ohne Gewiffensbedenien
auch ferner beschworen werden könne.
Berlin, 31. März. Am 28. März exerzirte zum ersten
Male eine preußische Kompagnie vor den Augen des Kaisers mit
»em Mausergewehre. Die Kompagnie gab in einer halben Mi—
nute 7 Salven, und das Ergebniß der Pͤrüfung wird als ganz
überraschend geschildert. Das Mausergewehr ist bekanntlich die Er
findung eines Württembergers.
Berlin, 2. April. Der „Spen. Zig.“ zufolge hat das
hiesige Stadtgericht die Klage des Bischofs von Ermiand gegen
den Fiscus auf Zahlung der gesperrten Temporalien zuüchge⸗
wiesen.
General v. Manteuffel, der in militärischen Kreisen für
einen großen Diplomaten gilt, soll Aussicht haben, nach erfolgter
Räumung Frankreichs den Votschafterposten in Puris zu erhalten,
n welchem Falle Graf Arnim an Stelle des verstorbenen Beren⸗
ttorff nach London gehen würde. Auch Graf Münster wird für
retzteren Posten genaunt.
Frankreich.
Paris, 830. März. Das „Journal oöfficiell“ veroͤffentlicht
folgende Note: Im Laufe des letzten Krieges wurde eine gewisse
Anzabl Jagd- und Luxusgewehre bon den deutschen Militärgutori-
äten in den okkupirten Landestheilen mit Beschlag belegt. Ein
Theil dieser Waffen ist verloren gegangen, ohne daß die deutsche
Regierung eine Spur davon entdecken bonnte; andere werden noch
zur Zeit in den deutschen Arsenalen und Magazinen verwahrt.
Nach einer amtlichen Miitheilung belduft sich die Zahl dieser letz⸗
eren auf 2625 Schieß⸗ und auf 843 Hiebwaffenm. Die deutsche
Regierung hat sich bereit erklärt, sie ihren rechtmäßigen Eigen⸗
hümern, die sich als solche durch schriftliche Beweisc legitimiren
SOnnen, zurückzuerstatten. Diese Tokumente müssen in lürzester
Frist — sei es dirett durch frankirte Briefe, sei es durch Vermit
selung des Ministeriums des Aeubern — dir franzosischen Botschaft
in Berlin eingeschickt werden.
Schweiz.
Bas,el 31. März. Am Sornabend hat, den Baseler
Nachrichten“ zufolge, der Vischof Lachat in Solothurn das Cedi—⸗
cill zu dem Teftament des Fräulein Emilie Lindner aus Bafe/
zusgeliefert. Dasselbe lautet füür das bisherige Verfahren de
Bischofs ungünstig. Deun nach dem betreffenden Legate fin
200,000 Fres. dem Bisthum, nicht dem Bischofe zweds Heran—
bildung erleuchteter Priester hinte lassen. Die Ueberschüsse di
Renten können zur Unterstützung armer Kirchen und kranter unhe.
nittelter Priester verwendet werden. Dus gefammte Kapilal, wel
hes jetzt 285,000 Fres. deträgt, ist durch die erfolgte Oerautgah⸗
der Titel gesichert. (T. N.)
Italien.
Rom, 26. März. Es ist gestern Abend zum dritten Mal⸗
eit zwei Jahren geschehen, daß man Versammlungen in ebangt
ischen Cultlolalen durch Hineinwerfen von Papierbomben zu ftoren
ersucht hat. Zum ersien Male traf dies den Methodistenpredign
Sciarelli, dann den Waldenser Ribeiti, dieses Mal war Gavaij
an der Reihe, der seine drei angekündigten Vorträge über religidje
Drden begann. Man hat den Versuch noch rechtzeitig vereitelt und
die beiden Thäter, einen Schneider und einen früheren Student
eftgeseßzt. Gerade die obigen drei waren es, welche an der dich
ꝛesprochenen theologischen Disputation im vorigen Jahre Theil ge.
ommen haben.
Rom, 31. März. Der Papst empfing in besonderer Ar.
dienz den Prinzen Ludwig don Hessen-Darmstadt nd dessen 6Ge.
nahlin Prinzessin Alice. (T. R.)
Spanien.
Madrid, 2. April. Mehrere Zeitungen erzählen, da
Pbobel in Malaga habe einen preußischen Seeoffizier, der durch die
Ztadt spazirte, entwaffet; die Behörden htten den Degen jedoq
vider herbeigeschafft und ihn dem Offizier unter Entschuldigungn
urückgestellt.
Perpignan, 3. April. Die Regierung hat an 31.
März in Barcellona bekannt gemacht, sie habe 40,000 Geꝛrehre
für catalonische Freiwillige angelauft und werde die Hriegzoperation
zegen die Carlisten nachdrücklichsft führen. — Die Carlisten daben
30 Mann eines catalonischen Frciwilligen⸗Bataillons, welche la⸗
itulirt hatten, unweit Betga erschossen
Halifar, 3. April. Neue Ermittlungen über den Un—
ergang des Atlantic ergeben, daß die Zahl der Umge!ommenen
560 (daranter 350 Frauen und Kindech) und die Zahl der Ge
ꝛtteten 415 beträgt, darunter 60 Schiffeͤleule und 15 X
rstex Klasse.
Bermischtes.
Zweibrücken, 2. Bprix. Heute, stand vor dem hie—
igen Zuchtpolizeigerichte der katholische Pfarrer Pfeiffer von Bie—
ingen unter der Anschuldigung der Majestäts beleidigung. Aus den
Aussagen der Belaftungszeugen entnehmen wir Folgendes: Im
Januar vorigen Jahres besuchte der Beschuldigte dͤfters die da⸗
nals franke und nun unterdessen auch gestorbene Ehefrau eines ge
vifsen Jakob Motsch von Biesingen. An zwei verschiedenen Tagen
und war das erstemal in Gegenwart des Ehemanns Moisch. da
mndere Mal in Gegenwart der beiden Soöhne der Veistorbenen
as der Beschuldigte aus einer Zeitung Etwas vor, was nach den
Bedächtnisse der Zeugen dem Sinne nach dahln lautete, der Koͤnig
sabe dem Dollinger in München eine Kirche einräumen lassen.
daran knüpfte der Beschuldigte ungefähr folgende Auslassungen:
„Der Lausbub, der schiechte Kerl, fällt der dem Döllinger zu!
Was soll daraus werden, wenn das Oberhaapt nun auch abfäli?
Diesen bestimmten Aussagen gegenüber blieb dem die Vorfallt
ãugnenden Beschuldigten nur übrig, die Glaubwürdigkeit der Zeugen
uu verdächtigen; was ihm jedoch nicht gelang.
Dagegen konnte der Beschuldigte sich nicht auf das ihm durch
den Bürgermeister ausgestellte, sehr günfige Leumundszeugniz be⸗
rufen, und noch mehr als dieses überraschte die e der
Reihe ven Vorstrafen, darunter eine Strafe wegen Beleidigung
der Abgeordnetenkammer, des Staatsministeriums und des Cuhtus—
ninisters Freiherr von Gresser.
Die Staatsbehörde beantragte neun Monate Gefängniß, des
Artheil des Gerichts lautele auf 4 Monaie Gefängniß. (Pf. P.)
Freinsheim, 1upriil. In dem Hofe des Herra
Philipp Harm dahier steht ein Aprikosenbaum, der gewoöhnlich erst
pat zur Blüthe kommt. In diesem Jahre mocht nun derselbe in⸗
oferne eine Ausnahme, als man an einem Zweige desselben zwei
fast halbausgewachsen, und diei etwas kleinere Früchte bemerlt,
vährend der Baum im Allgemeinen erst zu blühen beginnt.
(D. Anz.)
fNMeisenheim, a. S., J. April. Die ausnahms⸗
veise milde Witterung übt den bedeutendften Einfluß auf die Vege⸗
ation aus. Dies jzeigt sich an den Obstbaumen und Wingerien
insbesondere. Als besonders eclatanler Fall sei erwähnt, daß der
MWingerisschüß Heinrich Mohr bdon Weisenheim a. S. einen Trau⸗
enstock vor seinem Hause besitzt, welcher einen diesjährigen Schoͤl⸗
ing von 131 Fuß Lange bereits getrieben hat, welcher schon
Samen jeigt. (D. Unz.)
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