Full text: St. Ingberter Anzeiger

zpelulant ist nun wieder da, versehen mit reichen Geldmitteln von 
liner Regierung, um viele Tausend dieser für uns so nützlichen 
zögel jusammen zu kaufen und zu exportiren. Es stellt sich heraus, 
ze sich zu diesem Beschäfte schon solche fanden, die den Winler 
ber alle raupenfressenden Vogel zusammenfingen und jetzt per Stück 
jkr. erhalten. Durch dieses Geschäft wird unsere Jugend zu 
inem unmoralischen Geschäft verleitet. Es ist Pflicht der Polizei-⸗ 
rehörde, diesem Treiben auf die energischste Weise Emhalt zu ge— 
hieten.“ Diese Warnung rechtzeitig zu vecoͤffentlichen, mag auch 
jr die Pfalz am Platze sein, deren so wichtiger Obstbau schwer 
schadigt wäre, wenn in solcher Weise die nützlichen Singvögel 
dtoht würden. 
Koͤln, 19. April. Von London aus ist, wie man un⸗ 
nittheilte, die Wiener Weltausstellung, oder praziser ausgedrückt 
ie Wiener Polizei, mit einer eigenthümlichen Collection beschickt 
Horden, nämlich mit einer Sammlung von Photographien, zu denen 
hersonen gesessen haben, die schon vorher viel sitzen mußten und, 
ri's Gott, auch wohl in Zukunft noch viel zu sitzen haben werden. 
ze sind Portraits von gefaäͤhrlichen Gaunern, von welchen ver⸗ 
nuthet wird, daß sie, gleich manchem Industritter aus anderer 
derren Länder, den ungeheuren Zusammenfluß von Fremden in 
oͤsterreichischen Kaiserstadt ihrer Theilnahme nicht unwerth er—⸗ 
achten möchten. 
Koͤln, 21. April. Seit einiger Zeit sind dier falsche, 
emlich täuschend nachgemachte Zehngroschenfliücke in Umlauf. Sie 
ragen die Jahreszahl 1789 und den Buchstaben P. 
Kronach, 22. Apꝛil. Der NQaufmann Weinreich in 
lugsburg war im Herbste vorigen Jahres wegen eines Reats 
egen die Siltlichkeit zu einer viermonatlicen Festungsstrafe ver— 
diheilt worden. Anfangs Januar d. J. erschien denn auch beim 
glatztommando Rosenberg ein feiner Herr, welcher sich als Kauf⸗ 
nann Weinreich legitimirte und auf den auch das der Legitimation 
eigefügte Signalement, namentlich die „gebückte Haltung* gänzlich 
luimate; derselbe wurde denn auch zum Antritt seiner Strafzeit 
aingewiefen. Nun fiel es aber vor einigen Wochen in Augsburg 
us, daß Weinreich, den man auf dem Rosenberg wähnte, dort 
el vertehrie und wurde die betreffende Behörde datauf aufmerk 
am gemacht. Es wurden nun Recherchen hin und her gepflogen. 
vobei es zu Tage kam, daß man statt Weinreich aus Augsburg 
den Sänger und Hofschauspieler Karl Kohl aus Speyer auf dem 
Rosenberge in Haft hielt. Kaufmann Weinreich wurde daraufhin 
n Augsburg verhaftet und mit Begleitung nach dem Rosenberg 
abgeliesert. Der Pseudomann Schauspieler Kohl aus Speyer aber, 
yer seine Rolle, namentlich aber die gebückte Haltung so trefflich zu 
pielen wußte, und welcher als Kaufmann Weinrich in einigen 
Hochen seinet Haft entlassen worden wäre, wurde in Untersuchung 
zenommen und ist seit der Entdedung wieder kerzjengerad. An⸗ 
geblich wollte er durch seine strafbare Handlungsweife nur Stofj 
u einem anziehenden Romane geben. 
fStuüttgart, 28. April. Der Schriftfteller Wolfgang 
Menzel ist im Auler von 75 Jahren heute hier gestorben. 
München, 19. April. Zwei Offiziere des 12. bahe⸗ 
rischen Infanterieregiments standen vor dem hiesigen Militärgericht 
und zwar Hauptmann Betz wegen Diebstahls, da er einen an⸗ 
scheinend herrenlosen Hund von Sedan mitnahm, rnd Lieutenant 
d. Ehrenwiesen, wegen Beihülfe dazu. Das Gericht verurtheilte 
estern zu 1 Monai Gefängniß, letzteren zu 8 Tagen. Zugleich 
hat der Gerichtshof bei Beiden auf Dienstentlassung erkanni. 
r7Münqen, 22. April. In der Spitzederschen Gant er⸗ 
olgen immer noch einzelne Forderungsanmeldungen; es haben 
ich bei 80,000 Gläubiger angemeldet. 
f(aAnna Boͤdher.) Auf die Nachricht des Schwiebuser 
dreisblattes, die Leiche der vermißten A. Böckler sei auf dem 
Heuboden des elterlichen Hauses gefunden worden, wandte sich die 
‚deutsche freie Zeitung“ direll an den Vater des Kindes und hat 
don diesem die Antwort erhalten, daß die Leiche nicht aufgefunden, 
zuch überhaupt noch keine Spur des vermißten Kindes ermittelt 
porden sei. Die Nacricht russischer Blätter, Anna Böcler sei in 
divland entdeckt worden, hat sich gleichfalls als falsch erwiesen 
fWelch eigenthümliche Verwechslungen in der Welt vorkom⸗ 
nen konnen, zeigt folgender Fall: Im Dorfe H. hatte ein Mönch 
iehr heftig auf die ,Gartenlaube“ raisonnirt, in Folge dessen die 
sommen Zuhörer derart ergriffen sind, daß ein Bauer bei seiner 
küdtehr in seine Wohnung dar nichts Eiligeres zu thun hatte, 
troß der eindringlichsten Gegenvorstellungen seiner mehr in 
inscui befangenen Ehehälfte, die prächtige Laube in seinem Gar- 
en mit starker Hand dem Erdboden gleich zu wachen und die um 
reilvollen Ueberbleibsel zu verbrennen. — Gut ersonnen. 
oniner goe So, dohser gorghuit spuichworitt.in. dat den 
* ire“ 100 Fres. für die Subskription zum Besten dec Ent 
ung don Arbeitern zur Wiener Weltlausstelung eingeschickt 
Riese Gabe aber durch einen beigegebenen Brief verstärlt, den die 
xmpfänger in beliebiger Hoöhe taxiren können. 
London, 24. April. In Leicestershire haben 20,000 
dohlengruben-Arbeiter die Arbeit niedergelegt und verlangten eine 
dohnerhöhung. 
'(Dre Abdankung Brighaem Youngs.) Die 
ereinigten S'aaten von Amerika haben viel Glück. Nachdem das, 
henfer Schiedsgericht ihnen im Alabama-Streite eine Entschadi— 
fungssumme jzuerkannt hat, über deren Verwendung sie nachtträglich 
n einige Veriegenheit geriethen, und aach der Schiedsrichterspruch 
des Devtschen Kaifers in der San Juan-Frage zu ihren Gunsten 
nusfiel, that ihnen jetzt Beizham Young, das berühmte Mormonen- 
haupt, den unerwartelen Gefallen, freiwillig von seinem eigent hüm ⸗ 
iichen Throne herabzusteigen und seine Schritte vom Salzsee nach 
inderen Gesilden zu lenken. Dadurch wicd die Mormonengemeinde 
ihres großen Propheten beraubt und, wofern sie nicht einen Au⸗ 
)ern von gleich starkein Einflusse und gleich hoher Begabung in 
hrer Mitte besiht, dürfte sie rasch auf die Stufe der pielen anderen 
vouitisch-religidsen Setten hinabsinken, an denen Ameiila so reich 
st. — Volle siebenundzwanzig Jahre hatte Brigham Joung das 
Zzepter über eine Gemeinde geführt, die, von tleinen Anfängen 
rusgehend, allmählich zu einer Bevölkerung von über 100,000 
Zeelen anschwoll. Es war im Jahre 1846, als er, mit einem 
däuflein fanatischer Auhänger von Missouri und Illinois verjagt, 
in die dazumal faft unbekannte Wildniß am Fuße der Felsengebirge 
jog, um in dem Thale des Salzsee's eine Niederlaffung zu gründen, 
die er als Despot beherrschte, aber als solcher unlaugbar zu außer⸗ 
ordentlicher materieller Bluͤthe brachte. Wer das in unserer Zeit 
gegenübet den feindiichen Gewalten bewaffneter Macht und geistiger 
Auftlärung vermochte, war auf keinen Fall ein gewöhnlicher Mensch 
ind muß neben gemeiner Schlauheit und noch gemeinerer Nüchsichts⸗ 
osigkeit, Charaktereigenschaften besitzer, die iha zum Führer und 
Hercschet stempeln. Es gitt kaum einen orientalischen Fürsten, 
Fem unbedingier und, bis zu einem gewissen Grade wenigstens, 
reuer gehorcht wurde, als diesem . Manne. Mag er immerhin für 
das malerielle Wohl seiner Gemeinde aus vollen Kräften gesorgt 
aben, den Löwenaniheil des Gewinnes begaielt er doch immer für 
äach. Jedes Ereigniß, selbst das scheinbar ungünstigste, wußte dieser 
chlaue Kopf zu seinem eigentn Vortheil zu verwerthen. Als er 
im Jahre 18538 dem vom Präsidenten Buchanan ernannten Gou⸗ 
Ferneur von Ulah den Gehorsam verweigerte und die amerikanische 
Regierung deßhalb ein nicht unbeträchtliches Heer gegen ihn ent⸗ 
andte, da schien sein Sturz und Untergang unvermeidlich zu sein. 
xkr aber verfiand es, diesem Exekutionsheere das Vordringen in 
die Wildniß so sehr zu erschweren, daß es auf halbem Wege vor 
ẽrschöpfung und Hunger schier zu Grunde ging. Nun trat er 
reiwillig mit klugen Versöhnungsanträgen auf und dieseldige Armee, 
»ie ausgezogen war, um ihn zu stürzen, mußte sich glücklich schätzen, 
haß er sie vom Verhungern rettete und ihnen Lebensmittel lieferte 
ind zwar gegen einen Preis, um den ihn jeder moderne Kriegs⸗ 
ieferant des Ostens und des Westens hätte deneiden mögen. Nicht 
ninder schlau benahm et sich, als die Pacific-Eisenbahn dem Salz⸗ 
ee allmählich nahe rückte und alle Welt sich mit der freudigen 
Prophezeiang trug, daß das Pfeifen der ersten Lokomotive der 
Zrabgesang des Mormonenthums sein werde. Nicht genug an 
»em, daß er die betreffende Gesellschaft vermochte, den. von ihm 
elbet angegebenen Weg für ihre Bahn zu wählen, verschaffte er 
ich überdies noch den Baubontrakt, der seinen Gemeindeangehoörigen, 
or Allem aber ihm selbet, gewaltigen Nutzen dra ate. Und als 
chließlich in Utah reiche Minenschätze entdedt wurden, die Tausende 
on Abenteuerern lüstern machten, sein friedliches Gebiet zu über⸗ 
hwemmen, da war er wieder allen Andern voran, um die günstige 
Helegenheit für sich auszubeuten. Viele von den ergiebitsten Berg⸗ 
wetken nahm er jeitig als sein Eigenthum in Beschlag, viele von 
der anderen, zweifelhafteren Gehalts, ließ er durch seine Agenten 
an fremde Bergwerks-Gesellschaften verlaufen und stecie den Altien⸗ 
erlös gemüthlich in seine reiche Kasse. — So kam es, daß er ein 
ingeheures Vermögen sammelte, welches vielfach auf nicht weniger 
als 70 Millienen Dollars geschätzt worden ist. Die Summe mag 
uübertrieben sein, und ungenau ist wahrscheinlich auch die telegraphische 
Angabe, daß er sein ganzes ungeheures Vermögen unter seine sechs⸗ 
ehn Frauen und sechzig Kinder vertheilte. Andererseits aber kann 
ein Zweifel darüber herrschen, daß sich an Reichthum mit ihm kein 
weiter Mensch in Amerika messen kann, und daß er seldst nach 
länzender Versorgung seines patriarchalischen Hausstandes noch ein 
Jjewaltiges Vermögen mit sich nehmen wird. — Was auch immer 
Ziesem eigenthümlichen Manne zur Last gelegt werden muß, in 
seiner Gemeinde genoß er ohne Widerrede beispielsloses Ansehen. 
Er herrschte mit Sirenge und verlangte unbedingten Gehorsam, 
aber die sich ihm unterwarfen, müssen eingestehen, daß er ihnen 
ein System von Fleiß und Sparsamkeit eingeimpft hat, durch wel⸗ 
hes sie zu großer materieller Wohlfahrt gelangten. In ihrer An⸗ 
iedelung gab es kleine Armyuch und keine Prostitution. Und wenn