Full text: St. Ingberter Anzeiger

4 Am 26. Oltober⸗beging der General⸗Feldmarschall Grof 
Molike seinen 74. Geburisstag. 5557755 77* 
— TDer berühmte Trompeter von Mars la Tour, ver aus 
zen Händen des Prinzen Friedeich Karl das eiserne Kreuz empfing 
aind von Freiligrath so hertlich besungen worden, ist einem harten 
Ichicksal anheimgefallen. Er wurde brustkrank und ist als Invalide 
nit einer jährlichen Pension von 8 Thalern enllassen worden. 
Die Garienlaube“ sucht jetzt einen passenden Posten für ihn und 
empfiehlt ihn dem Milleide des deutschen Volles.. 
FDer Acrbeiter Julius Reinke, der in diesen Tagen vor det 
unften Criminale Deputation in Berlin erschien, ist ein Mensch von 
o gutmuͤthigem Aussehen und verirauenerweckendem Wesen, daß 
nan sich schlechterdings wundert, wenn man hört, daß er schon 
nehrfach mit dem Strafgesetzparagraphen, der von dem Mein und 
Dein handelt, in Konflilt gerathen und deßhalb bestraft worden 
st. Er scheint eine besondere Vorliebe für Hühner zu haben, und 
zuch jetzt ist er angellagt, im Auzust v. J. einem Herrn Lisen 
nIder Wollankstraße Rr. 8 ein Paar Hühner vom Hofe entwendel 
u haben. Neinke — nomen est omen — ist seiner Thai in 
zollem Umfange geständig und hat nur die eine Bitte an den Ge 
richtihof, es gnädig mit ihm zu machen, da er jetzt ein fleißiger 
Mann sei, und alle Tage arbate. — Vors.“ Me tamen Sie 
aber dazu, die Hühner zu stehlen, wenn Sic Arbeit haben? Sie 
wußlen doch, daß nach Ihren mehrfachen Bestrafungen Sie beim 
Rückfall eine erhebliche Strafe reffen mußte. — Ang.: Sehen 
Sie, Herr Gerichtshof, det will ick Ihnen sagen. Schon wie ick 
aoch ein gonz kleener Junge war, den Muiter uf'm Arm trug. 
jonntie ack leen Hühn uf'm Hof seten, ohne daß ick mit de Hände⸗ 
ens danach ançelte und an die Puttkhünerken mene Freude hatt. 
Sehen Sie, das muß bei mir also 'ne angeborene Schwäche in 
ie Hände sind, denn es ist so geb'ieben. Ik lann Ihnen keen 
huhn sehen, ohne daß icks haden möchte. Nee, es is mir ganz 
inmöglich, es gehen zu lassen; wenn icks kriegen kann, muß ics 
jaben. — Vors.: Das ist eine sonderbare Leidenschaft! [Alektrys- 
nokleptomanie würde man die „Kiantheir? wifsenschaftlich zu nennen 
jaben.J] — Ang.: Ja, Herr Gerichtsbof, des hab ick wir ooch 
const gedacht. Id habe mir schoust gesoagt: „Julius, fei ein 
Mann, du hast jetzt deine schöne Arbcet, wat gehen dir denn die 
dummen Putthühner an? Aberst nee, so wie ick eens sebe, plagt 
nir der Deibel ann ick muß et haben.“ — Bors.: Haben Sie 
sonst noch etwas anzuführen? — Aug.; Blotß um dies Eene 
noͤcht ick biten: Herr Gerichtshof seien Sie vernünftig und 
geben Sie mich blos 'ne kleeze Strafe, denn ganz ohne, det weeß 
qt ja, kanun's doch mal nich ibgehen. Ick will ooch keen Huhn 
nehr ansehen. — Der Gerichtsdof bewilligte dem Angeklagten 
nit Rücsicht auf sein offenes Geständniß und die Reue, die er an 
den Tag legt, mildernde Umstände und erkennt, obgleich er sich im 
wiederhoͤlten Rückfalle befindet, auf vier Monote Gefängniß. 
FUeber die traurigen Folgen des Quistorp'schen Concurses 
qreibt man der „Elb. Ztg.': Der Rentier Riedel in Stralsund, 
in daselbst geachteter Nann, hatte ein Vermögen von circa 
20,000 Thlr. in Quistorp'schen Werthen angelegt und diese für 
12,000 Thlr., welche Summe ei zum Ankaufe von Ländereien 
edurfte, bei einem dorligen Credit ⸗Institute lombarditt. Da brach 
as Gebäude der Questorp'schen Schöpfung zusammen, und die 
Folge davon war, daß an R. die Aufforderung erging, die fast 
Jänglich entwertheten Papiere gegen Baarzahlung von 12,000 
Thaler in Empfang zu nehmen. Dies zu thun, war der Aufge⸗ 
orderie außer Stand, und am vorigen Frestag fand man, wie 
die Ger.Ziq.“ berichtet, den Unglückiichen in den letziten Zügen 
liegend, mit geöffneten Pulsadern im Stadigraben. Am Montag 
rug man die Leiche zur letzten Ruhestätte. In dem eiwa 6000 
rinwohner zählenden Wolgast, dem Geburtsort Quistorp's, herrscht 
durch den Sturz des Letzteren namenloses. Elend. In jeder Fa⸗ 
nilie liegen die Aktien des Gründers aufgeschichtet: alle Gewerb⸗ 
reibenden sind Quistorp'sche Aktionäre oder Besißer Quistorp'scher 
Wochsel, die 3.i t eingeloöst worden sind. Die vielen in Wolgaft 
efindlichen Fabriken, welche zu den Quistorp'schen Unternehmungen 
gehören, sind seit dem Taze der Zahlungdeinstellung geschlossen 
ind circa 1000 Arbeiter brodlos. 
f In dem Städtchen Rhoden bei Arolsen sidd — nach der 
d. M. Z. — am 22. d. 75 Gebäͤude ein Raub der Flammen 
jeworden. Neben dem Verlust der reichen fast gar nicht versicher 
ien Ernte ist auch, dem Vernehmen nach, das Leben einiger Kinder 
zu deklagen. Wie man dernimmt, ist auch diesmal wieder das 
anvorsichtige Umgeten der Kinder mit Feuer die Ursache des schred⸗ 
ichen Unglücks. 
* Aus Lnz, 27. Ott., eraäͤhlt die dorllge, Tagekposte: 
Deute gegen 2 Uhr Morgens trug sich ein erschütterndes Ereigniß 
im Haufe Nr. 4 in der Walterstraße hier zu. Det Schauspieler, 
dert Schuman, und Fräulein Remmark, welche einander in kür⸗ 
ester Zein ehelichen wollten, hatten dafselbst eine gemeinschaftlicht 
Iohnin * TlLenate⸗⸗varstessun XX 
zelde beschäftigt waren, gingen sie in das Gasthaus-, zu den drel 
Mohren;““ wo sie in Gesellschaft Anderer einige heitere Stunden 
ubrachten. .Auf dem Rückweg, entspang sich ein kleiner Wort⸗ 
wechsei zwischen den beiden Liebenden welcher sich nach der Heim⸗ 
tehr zu einer erregenden Szene gestaltete, in Folze deren Fräulein 
stemmark einen Revolver ergriff. und sich in Gegenwart des Herrn 
Schuman eine Kugel durch die Brust schoß,— worauf sie augen- 
zliclich niederstürzte. Schumann raunte zu dem auf demselben 
Flur wohnenden Schauspi.ler Lowe, der unterdessen auf der Un⸗ 
zlüdsstätie blieb, wahrend Schuman zum Dr. Win terniß eilte, 
uͤm ihn zur Hilfeleistung aufzufordern. Dr⸗r Wunternitz begab sich 
sofort zu der Unglüclichen, welche er, auf detß Beoden siegend, zwar 
noch lebend, aber hoffnungslos fand. Tie Kutgel war zwischen 
der zweiten und driiten Rippe linkerseits m die Brust dedrungen 
und mußte daselbst ein großes Blutgefäß verlet haben. An eine 
Reitung war nicht zu denken, und die Unglückliche starb einige 
Minuten nach der Ankunfte dez Aritet.“ Au die Erklärung des 
detzleren, daß an eine Rettung nicht — sei, ergriff Schumau 
n. Rebolper, Aum sich ebenfalls zu iodlen, wurde aber an der 
zfůttrung dadurch geh ndert, daß bie Hecren Löwe und Dr. 
Vnternitz herzusp angen und ihm den Revolver entwanden. Dr. 
Zinterniß iieß sofert die Polijei von dem Vorfalle benachrichtigen. 
2 die Leiche nach der Todienkammer schaffte. Schuman wrrrde 
holijeiliche Verwahrungshaft genomnen. Wir betrauern in der 
Berblichenen, welche von der Natur 3 allen Vorzügen des Geistes 
und Korpers ausgestattet war, eine der taleutvollsten Künstlerinnen 
unseres Bühnenpersonatss ··. 
Pacis, 29. Ott. Der Brand des Opernhauses ist bewäl⸗ 
igt. Der großte Theil des Gebaͤudes, welcher den Saal, die 
Buhne, das Foyer. die Magazine umfoßt, ist ganz und gar zer⸗ 
idei. Die Burcaux nach der Rue Drouot siud verschont. 
ANAuf der Themse schlug in Folge einer Koll sion mit einem 
or Anket liegenden Dampfer ein Nochen um, don dessen 9 Ju⸗ 
jassen sieben ertrankten. ... 
7 Korfu, 27. Okt. Gestern hat auf der Insel Zanke ein 
Vbeben statigefunden. Viele Häufjer find beschädigt. (T. N.) 
In Pompeji, wo man eifrig mit den Ausgrabungen fort 
ärt, ist wieder eine interefsante Enideckung gemacht worden. In 
der ersten Region bei der Porta Stabige hat man nämlich den 
Tdaden eines“ Gerbers ausgegraben, mit ellen Werkzeugen seines 
ee die beinahe ganx denienigen der heutigen Arbeiter 
gleichen. 
—n wirebhschaftliches. 
(Mitgetheill von der böheren landwirthschastlichen Lehranstalt in Worms.) 
Zur Kartoffelernte. Die Klagen Uber starke Faulniß der Kar⸗ 
joffeln mehren sich sehr. namentlich da, wo die Kartoffeln auf mehr schwerem, 
rassem, oder auf stark in Mistdünzung stehendem Voden gewachsen find, 
jeigt sich die Kartoffelfäule stark. Indessen heißt es immer noch: „abwarten“, 
hevor fich die ganze Gidße der Calamität, erlennen läßt. Immerhin dürfte 
z jezt doch an der Zeit sein, üuber die Verwendung der bereits angefaulten, 
der doch zur Fäulniß fich neigenden Kartoffeln Einiges zu sagen. Herr 
—öA Annhaͤuser zu Monsheim machte uns darauf aufmerksam, 
daß jeyt schon viele der aastößigea Kartoffeln zur Verfütterung kämen und 
daß in Foige des Kochens und Zerlleinern desselben gar leicht ganze. wenn 
zuch kleinere Kartoffeln oder groößere Kartoffelstucke mit in dem Fnutter ver⸗ 
zleiben und so entweder, wie es jungsthin geschehen jei, zu förmlichen Er- 
tickungen führten oder doch, wenn solche Kartoffeln die Schlundröhre des 
Viehes schwer passiren, zu so starken Erschütterungen deß Körpers Veran⸗ 
aßfung geben, daß trächtige Thiere leicht zu Fehlgeburten veranlaßt werden. 
Daher sei es zu empfehlen, diese für die Verfütterung bestimmten Kartoffeln 
vor dem Kochen auf der Rübenmühle zu zerkleinern. Herr Annhäuser hat 
dieses Verfahren eingeführt und erklärt sich mit den erzielten Refultaien sehr 
ufrieden. 
Für Hausfrauen. Sehr oft hoͤrt man die Klage, daß die zum 
Rahmen hingeseie Milch nicht volllommen ausrahmt, daß sich vielmehr ein 
roher Theil der Fetilugelchen mit dem Kasestoff mischt und so einen vor 
refflichen Handkase bilden hilft, aber den Erlös für Butter wesentlich schma⸗ 
leri. Es durfte den Hausfrauen nicht uninteressant sein, einen Hauptgrund 
ennen zu lernen, der diese unvolllomment Rahmausscheidung veranlaßt, 
owie ein Mittel zu erfahren, das geeignet ist, diesem Umstande zu begegnen 
rrfahrungsmäßig ist die Milch der Kuhe, welche nahe am Troceenstehen fich 
zefinden, also hochträchtig sind, weniger suß, als die Milch der frischmelkenden 
Zuͤhe. Es ruhrt dieses naturlich von einem Mangel an Milchzucker her, der 
manchmal so auffallend ist, daß die Milch geradezu einen bitterlichen Geschmad 
jat. Es solite daher als eine Hauptregel gelten, die Milch der frischmelkenden 
und der allmelkenden Kühe nicht, wie es noch vielfach geschieht, zusammen⸗ 
suschutten, um sie gemischt rahmen zu lassen, vielmehr sollte man die Milch 
der hochtrachtigen Kuhe für fich allein rahmen lafsen. Da aber die vollkom⸗ 
menere oder weniger volllommene Rahmaussche idug auch mit dem Gehalte 
in Zucker im Zusammenhang steht, so ist empfohlen worden, der zum Rah⸗ 
men ausgesehten Milch altmeikender Kühe per Topf eine Weye voll fein 
gepulverten Zucker ugeßen Mit diesem Mittel angestellte Versache haben 
uͤberraschend gunstige Resultate geliefert und verdienen daher die all eineine 
Beachtung. J 
Dienstesnaqhrichten. 
Der Präparandenlehrer M. Leibig in Speyer wurde zum Hauptlehrer 
in der kath. Praparandenschule in Blie⸗ktastel eruannt. 
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