Full text: St. Ingberter Anzeiger

trifft das Finanzministerium die nothigen Vorkehrungen zur prompten 
Abtragung der vierten Milliarde. Wie „Siecle“ mittheilt, ist die 
deutsche Regierung schon jetzt benachrichtigt worden. daß ihr eine 
erste Einzahiung in Höhe von 200 Millionen aml15. Januar gemacht 
werden soll; die weiteren Ratenzahlungen von gleichem Betrage 
solgen am 15. Januar. 15. März, 15. April und 15. Mai. Es 
dimmt diese Mittheilung mit den bisher von officiöser Seite ge⸗ 
machten Andeutungen überein, nach welchen die franzöͤsische Re⸗ 
gieruͤng zu Anfang Juni in der Lage sein werde, mit Deutschland 
degen der für die fünfte Milliarde zu leistenden Garantien in 
Unterhandlung zu treten. Von der vierten Milliare besitzt die 
Regierung bereils 880 Millionen, welche sie in Wechseln angelegt 
jat, um derart die Störungen zu vermeiden, die durch die Eut ˖ 
siehung einer so großen Menge baaren Geldes auf dem Finanz 
natkte entstehen müßten. — Das Polizeigericht von Nancy hat 
inen dortigen Bürger, der eine von der deutschen Militärverwalt⸗ 
ing während des Krieges ausgeschriebene Patrie Schlagholz aus 
der Staatswallung kaufte, zu einem Monnt Gefängniß und 
15,350 Fr. Geldstrafe und Schadenersatz verurtheilt. 
Paris, 29. Dez. Die legitimistische Unionswill aus Mai⸗ 
and zwei bonapartistische Manifeste erhalten haben, die von einem 
Tomité ausgehen, welches den Titel führt: „Union françaiae de 
a Paix sociale.“ In dem einen dieser Manifeste wird gegen das 
önigthum und die Republik losgezogen und die Arbeiter und die 
Bourgeoisie aufgefordert, sich um das Kaiserthum zu schaaren, da 
dasselbe allein den Einen sociale Verbesserungen gewähren und den 
Andern die für ihre Geschäfte nothwendige Ruhe verschaffen könne. 
Das zweite Manifest ist ausschließlich an die Arbeiter gerichtet und 
st „ODn groupe de proscrits“ unterschrieben. Beide Actenstücke 
stagen das Datum vom 1. Januur 1873. Daß diese Actenstücke 
virtlich von bonapartistischen Comites ausgehen, scheint außer 
Zweifel, da die Imperialisten ungeachtet der conservativen Sprache, 
velche sie in ihren Jonrnalen führen, fortwährend auf die Ar⸗ 
zeiter in socialistischem Sinne einwirken und denselben die schönsten 
und verführerischsten Versprechungen für den Fall machen, daß das 
Kaiserreich wieder hergestellt werden sollte. Das System— welches 
sie heute verfolgen ist ungefähr das nämliche, welches sie von. 1848 
dis 1851 in Anwendung brachten. Uebrigens darf man auch 
aicht übersehen, daß unter den Pariser Communisten eine große 
Anzahl Bonarpartistischer Agenten sich befanden. 
Spanien. 
Nach einer den Londoner Times“ aus Paris zugegangenen 
Madrider Depesche vom 30. v. M. befürchtet man in Spanien 
den Ausbruch eines Alphonsistischen Aufstandes. Die Regierung 
hereitet Maßregeln zur Unterdrückung desselben vor. 
Amerika. 
Newyork, 30. Dec. Nach hier eingelroffenen Nachrichten 
hat der Aufstand auf Cuba wieder groͤßere Dimensionen angenom⸗ 
nen; es fanden zwei erfolgreiche Angrifse der Insurgenten auf 
die Regierungstruppen statt. 
Bermischtes. 
fKaiserslautern, 2. Januar. Die Kaisersl. Zig.“ 
schreibt: „Heute Vormittag erhielten wir den Besuch des kgl. 
Untersuchungsrichters in Begleitung des Staatsanwaltes, welcher 
den Zweck hatte, die Nr. 314 unserer Zeitung vom 31. Dezember 
p. J. zu konfisciren. Beanstandet ist der Schluß der politischen 
lebersicht, in welchem anknüpfend an die Ausfälle des Papstes 
zegen das deutsche Reich die Zuziehung des Erzbischofs von 
München zur k. Tafel besprochen wird.“ 
fEnkenbach, 2. Jan. Der Heizer Nikolaus Geiger, 
welcher in der Neujahrsnacht als Bürgergarde mit aufgestellt war, 
erhielt von einem Burschen, dem er das Gewehr, mit welchem 
derselbe geschossen hatte, wegnehmen wollte, mit einem Messer 
einen ledensgefährlichen Stich durch das Auge. 
f(Zur Warnung.) In Gonsßbach bei Winnweiler 
ließ am 21. Dec. eine Tagnersfrau, die ihrem Manne das Mit) 
ragessen brachte, ihre beiden Kinder von 893 und 194 Jahren 
allein zu Hause. Beide schliefen bei ihrem Forsgehen. Als das 
iltesie erwachte, zündete es mit Streichhölzchen die Wiege an, in 
welcher das kleine Kind lag, und als die Mutter nach Hause kam, 
fand sie dasselbe todt; es war verbrannt. 
FIn Lambshieim hat an Weihnachten ein nicht genannt 
sein wollender Israelit an die Ortsarmen ohne Unterjschied der 
Konfession die Summe von 100 fl. vertheilen lassen. 
Mannheim, 26. Dec. Die Fabriken schießen hier 
aachgerade wie Pilze aus der Erde; so ist in der oben bezeichneten 
Gegend in Zeit weniger Wochen eine Kohlensteinfabrik erbaut 
vorden, welche den bei anderen Fabrikationszweigen abfallenden 
Steintohlenther durch Mischung mit Kohlenstaub und Formen zu 
ziegeln verarbeitet, welche entzündet die Eigenschaft haben, langt 
ortzuglühen und in neuerer Zeit zur Heizung der Eisenbahncoupos 
derwendet werden. 
717 Im Baͤdischen sind bereits Stöoͤrche eingetroffen. Danach 
scheint es fast, als bektämen wir gar keinen eigentlichen Wint er. 
Geestemünde, 27. Dez. Folgender Vorfall mag allen 
Zausfrauen zur Warnung dienen: Die Frau des Kaufmannes 
derrn B. hierselbst hatte sich vor ungefahr 3 Monaten eine ganz 
inbedeutende Verletzung an der Hand zugezogen, indem sie sich an 
der Kellerthür „geritzt“ hatte. Am nämlichen Tage hatte sie eine 
Waschfrau in Thaätigkeit. Hievei beschäftigle sich Frau B. mit dem 
Aufidsen der Bläue. Am folgenden Morgen schon war nicht blos 
die verletzte Hand, sondern der ganze Arm bedeutend geschwollen 
und waurde durch den hinzugezogenen Arzt eine Blutvergiftung durch 
im Blaumaterial enthaltenen Kupfergehalt constatirt. Der Behand⸗ 
ung des Arztes ist es gelungen, nicht blos das gefährdete Leben 
zer Frau B. zu retten, sondern auch ihre nunmehr eingetretene 
voͤllige Wiedergenesung herbe izuführen. 
Berlin, 24. Dec. Gessern trafen aus Hamburg 62 
Personen von dem aus Stettin abgegangenen und an der hollän⸗ 
ʒischen Küfle gescheiterten Auswandererschiffe „Franklin“ anf der 
damburger Bahn hier ein, um mit dem um 6 Uhr nach Stettin 
ibgehenden Zuge in ihre Heimath befördert zu werden. Diese 
deute hatten nichts gereitet, als das nackte Leben. Von den ver⸗ 
chiedenen Eisenbahngesellschaften, deren Bahnstrecken sie zu passiren 
Jatten, war ihnen in Anbetracht des vorhandenen Nothslandes freie 
Fahrt bis zu ihrem ehemaligen Wohnort bewilligt worden. 
fPeterssburg, 30. Dez. Die deutsche reformirte 
dirche in der großen Morstoistraße ist gänzlich abgebrannt. 
(T. R.) 
rConstantinopel. Gottlose Zeit! Jetzt sind die 
Türken schon ganz und gar von unserer zweifelsüchtigen Zeit an⸗ 
jefressen und iassen Religion Religion sein. Ganz ohne Schen 
zringt die „Turquie“ den Speisezeitel, welcher bei den Feierlich⸗ 
eiten der Vermählung Izzet Beys, des Sohnes weiland Fuad 
Baschas, mit der Prinzessin Azizé durchgegessen und getrunken 
vorden ist, und führt dabei Weine an. Und damit man sieht, 
zaß die Türken, wenn sie einmal ins Sündigen gerathen, schon 
recht“ sündigen, seien die Weine auch hier verzeichnet, welche die 
Söhne Muhamed's getrunken haben: Madeira, Barsac, Chateau 
Hquem, Lafitte, Nargaux, Rheinwein Metternich, (früher Johan⸗ 
nisberger genannt), Steinwein, Moẽt und Chandon, Veuve⸗Cli⸗ 
quot, Rivqjalte, Chprer, Alicante und Portwein. Und denen ist 
Wein verboten! 
fLondon, 27. Dec. Während der Stürme im Monat 
Dezember fiel es nicht wenig schwer, die Mannschaft des Leucht⸗ 
chiffes von Seven Stones in der Nähe von Landsend abzuldsen. 
Endlich gelang es doch, und die Bemannung weiß von einer 
wundersamen Geschichte zu erzählen. Sie behaupten, daß am 18. 
November 2 Uhr Vormittags etn Meteor über das Leuchtschiff 
hdinzog, explodirte und in unzähligen Feuerlugeln scheinbar fich 
nuflöste. Das Deck war dick mit Asche bestreut und die beiden 
deute auf demselben waren eine Zeitlang in Folge der Erplosion 
janz ohne Besinnung. Der eine blieb sogar einige Tage krank. 
Die Leute im Schiffe hoörten zwar das Geräusch, haben aber das 
Phaänomen nicht gesehen. 
Pecing. Ueber die Hochzeit des Kaisers von 
Th ina erhalten die „Dailh News“ aus der Feder ihres Spe⸗ 
iaiberichterstatters in Pecking weitere int⸗ressante Details, die sich 
nuf die Feier innerhalb des Palastes beziehen. Als die Braut den 
Palaft erreichte, wurde sie an der Thür der gelben Särfte, in 
er sie getragen worden, von den Kaiserinen des Ostens und 
Westens empfangen. Sie überreichten ihr ungemünzte Gold- und 
Ziuberstücke, sowie eine Vase, die Weizen, Mais, Reis, Smaragden, 
Zophire, Rubinen und andere Symbole von Productionen der 
krde enthielt. Dann stieg sie aus der Sänfte auf einen kleinen 
soldenen Sattel und betrat die Wohnstätte ihres künftigen Gatten. 
xẽs heißt, daß der Kaiser schlief, als die Braut aukam. Er mußte 
jeweckt werden, worauf er rasch die nothwendigen Gebete sprach. 
Die Ceremonie der Frisur des Haares der Braut, wie solches von 
erheiratheten Frauen getragen wird, fand am mächsten Tage statt. 
Am dritten Tage nach der Hochzeit erschien der Kaiser und die 
daiserin in prachtigen Costumen. Die bei dieser Gelegenheit ge⸗ 
ragenen Kleider wurden in Peking verfertigt. Sie sind mit 
BZerlen und allen Arten Edelsteinen besetzt, und losten, wie man 
agt, jedet 180.000 Lstrl. 
Frau Luca hat in Newy⸗r!l fül breißigmaliges Auf— 
relen 47,478 Dollars erhalten; also pr. Abend 1,582 Doll. 
Jußerdem hat sie Haus und Equipage kontraltlich frei. Ihr Erfolg 
⁊ — ziffermäßig nachgewiesen — gtidtzer, als derjenige der 
hwedisqh franzoͤsischen Sangerin, Frl. Nilson.