Full text: St. Ingberter Anzeiger

Sl. Ingberler AAnzeiger. 
Der St. Fnaberser icee (und datß mit dem Hauptblatte verbuadene Unterhaltungkblatt, mit der Dienttagß⸗, Donnerttagt⸗ und Sonnlag⸗ 
Rummet ericheint wbchentlich vieren al: Dienttag, — nerstag, Samtara and Sonmntag. Abennementepreis vierteljährig 42 Arrrt. oder 
— 12 Silberat. Unzeigen werden mit KKrrr. die dreilpaltige Zeile Blattschrift oder deren Raum berechnet. 
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Deutsches NReich. 
München, 7. Nov. Die in der preußischeu Armee beabsich- 
sigte neue Formation der Attillerie foll nach beyerijichem Mufter 
durchgeführt werden; nach dem deut⸗französischen Kriege hat über⸗ 
Jaupt die preußische Artillerie viele in diesenm Kriege erprodten 
Sinrichtungen der bayerischen Arltillerie angenommen. Auch bezüg ⸗ 
lich der taktischen Friedenseintheilung ist die bayerische Artillerie 
der preusischen vorangegangen, indem eine Treunung der Feld⸗ 
von der Fuß-(Festungs-) Artillerie durchgeführt und erstere den 
Armeckorps· Kommandos unterstellt wurdee.— 
Muüncheen, 7. Nov. Der deutsche Kaiser ließ Döllinger 
anläßlich dessen 80jährigen? Professoren-Jubilaäums durch den 
hiesigen Gesandten den rothen Adlerorden 2. Klasse mit Stern 
überreichen. I 
Munchen, 8. Nov. In der heutigen Sitzung des Ahgeord- 
ietenhauses legte der Finanzminister das Budget für die nächsten 
2 Jahre vor, das in Gesammtausgabe 120878,972 fi. beträgi 
(10,690,632 I. mehr, als das letzie Zudget); eine Steuererhoͤhung 
ist jedoch nicht nothwendig. 5 — 
Mezz, 6. Rovd. Die Entwickelung des Bazaiue'schen Prozesses, 
namentlih die für den Angeklagten oft nichts weniger als gravi— 
renden Zeugenaussagen, regen die Gemüther unserer eingeborenen 
Landsleute außerordentlich auf. Leute, welche auf dem sudjektiv 
leidenschaftlichen Standpunkte des Berichterstatters stehen, und ihrer 
ist nog die Mehrzahl, sind unglücklich bei dem Gedanken einer 
moͤglichen Freisprechung. Vielleicht RNiemand in ganz Frankreich 
und in Elsaß⸗Lothringen ist mehr überzeugt, daß nur Verrath die 
Riederlagen Frankreichs herbeigesührt haben, als unsere Metzer. 
Man darf nur hören, mit welcher innerlichen Lust und Freude 
Alt und Jung von dem einzigen Baume, der vor dem ehemaligen 
Hauptquartier Bazaine's in Ban⸗St. Martin stehen geblieben ist, 
ich erzählen 1, Cet arbre est consorvé pour Baraino!“ — Von 
diesem blinden Hsse frei und ruhig den Werth der einzelnen im 
Prozesse zu Tage tretenden Thatsachen bemessend ist nur eine kleine 
Anzahl der Bevölkerung. Deßhalb war es ihrem Correspondenten 
ehr erfreulich, auch ein solches Urthel zu vernehmen, und er steht 
nicht an dasselbe zu veröffentlichen. „Der erste Fehler, den man 
in diesem Prozesse, nach unserm Gewährsmann, machte, war die 
krnennung eines dem Angeschuldigten schon seit früher Zeit per- 
onlich verfeindeten Mannes als Berichterstatter, d. h. Untersuchungs⸗ 
richter. Die Folge dieses Fehlers war der Umstand, daß bei der 
Prüfung der Frage, ob Verweisung vor ein Kriegsgericht oder 
nicht — abgesehen von etwaigen politischen Motiven — kein ob⸗ 
zeltis richtiges Bild als Grundlage diente. Wollte man in Frank⸗ 
deich für jede Schlappe noch einen Prügeljungen haben, so hätte 
man vor Allem auch den dermal'gen Präsidenten der Republi! 
nicht frei laufen lassen/ geschweige ihm die Leitung eines großen 
Staatswesens anvertrauen sollen. Eine oder zwei Schlachten 
'onnte Mac Mahon verlieren; daß aber einem Marschal von 
Frankreich die Wichtigleit der Vogesentunnels zwischen Zabern 
aud Saarburg entgehen konnte, die jedrr Maréchal de logis“ in 
der Armee wenigstens beim Durchfahren erkennen muß, das ist 
ein unverzeihbarer Fehler. Von dem Sprengen des großen Lützel 
burger Tunnels, über den noch dazu der Rhein-MarneKanal 
fließt, was die Zerstörung sehr erleichtert hätte, hingen die späteren 
Folgen des Krieges gerade so viel oder vielleicht mehr ab, als 
don der schließlichen Kapitulation der Rheinarmee.“ — Eine sol he 
Auffassung aus französischen Mund war uns neu und erscheint 
uns einer Veröffentlichung werth. Wenn unter den Nichtern des 
kriegsgerichts in Trianon auch eine solche Anschauung Platz greifen 
würde, mit welchen Gefühlen müßten sie an einen Urtheilsspruch 
Jehen, dessen eventuelle Bestätigung einem Manne obliegt, der zwar 
ein „loyaler“ Soldat sein kann, dessen Befähigung als Heerführer 
A — 
-TDie Auflösung des Reichstages wird, wie verlautet⸗ in 
Zürze erfolgen. Als Term'n für die Neuwahlen wird — die lehzte 
Woche des Dezember bezeichnete Fir die Berufung des neuen 
Reichstages ist der Anfang des Februar in Au— sicht xX 
J— A. 3.) 
— Der Roaichskanzler beantragte beim Bundesrathe, der Ein⸗ 
adung der amer ikanischen Unionsregierung zur Theilnahme an der 
ür 1876 in Philadelphia beabsichtizten Ausstellurg von Kuast 
ind Industrie-Erzeugnissen und Produkten des Laund⸗ und Berg 
zaues Folge zu leisten, sowie der Einsetzung einer besonderen 
Ausstellungs · Commissioan und Bevollmächtigten zu der Commission 
in Philadelphia zuzustimmen. 
Frankreich. 
Par.is, 8. Nov. Heute Morgen haben fämmtkiche Mi⸗ 
aister ihre Eallafsung angeboten. Der Marschall hat sich indessen 
zeweigert, sich von einem Ministerium zu krennen, das im Besitze 
eines Vertrauens ist. Es bleibt aber dabei, daß nach der Ab⸗ 
dimmung über die Vollmachtsverlänzerung alle Minister ihre Vor 
ef u les zurüdstellen werden. 
Versailles, 8. Nov. Heute wurden die letzten drei A 
der Kommission für den Antrag Changarnier's gewählt: Laboulaye, 
déon Say und Rénufat, alle drei dem linken Centrum angehö— 
rend. Die Kommission wird heute Abend zusamm entreten, um sich 
zu lkonstituiren. 
Spanien. 
Nach den neuesten Depeschen hätten die Karlisten über die 
Regierungstruppen einen erheblichen Sieg erfochten. Von den 
letzteren soll dabei der Befehlshaber, General Moriones, verwun⸗ 
det, General Rivera getödtet und 86 Offiziere gefangen wor⸗ 
den sein. 
Uamischtes. 
fIn Pirmasens find bereits Schritte zur Errichtung einer 
xsten Gymnasialklasse geschehen. Der Stadtrath hat für die betr. 
Ztelle 1200 fl. Gehalt und Wohnungẽ ents chäͤdigung ausgeworfen. 
Die Gehalte der Voltsschullehrer wurden vom Stabtrathe um je 
70 fl. erhöht. 
Kaiserslautern, 5. Nob. Eien Prozeß, der schon seit längerer 
Zeit in hiesiger Stadt viel von sich reden gemacht hat, kam gestern 
por dem Zuchtpolizeigericht hier zur Verhandlung. Es war Dies 
rine Verleumdungsklage, welche der Banquier Joseph Kehr gegen 
den Banquier Jakob Möser angestrengt hat. Die beiden Porteien 
varen persönlich erschienen, Ersterer durch Anwalt Neumayer, 
Letzterer durch Anwalt Frenckel verbeistandet. Die Veranlassung 
zur Klage war die, daß Piöser mündlich sowohl als schriftlich in 
Briefen an verschiedene Banlhäuser die Behauptung aufgestellt und 
zas Gerücht verbreitet haben soll, daß Kehr mehrere Accepte nicht 
zrompt habe einlösen können, resp. nicht eingelöst habe. Kehr be⸗ 
jaup et, durch diese, wie er sagt unwahre Nachrede in seinem 
Beschäft beeinträchtigt worden zu sein. Als Zeugen waren geladen 
nehrere Direktoren solcher auswärtiger Banthäuset, sowie fast dat 
jesammte Personal der hiesigen Bankhäuser ron den Chefs bil 
u den Lehrlingen. Die Verhaudlung“ begann Nachmittags um 
/a6 Uhr, und um 8 Uhr'waren 20 Zeuzgen verhört. Da aber 
jerade einige Hauptzeugen (die Direktoren der Mitteldeutschen 
dreditbank und der Oesterreich sch-Deutschen Bank in Frankfurt, 
owie der Geschäftsführer des Bankhauses B. Schlachter in Saar⸗ 
zrücken) nicht erschienen waren, wurde die Fortsehung der Ver— 
dandlung auf den 3. Dez. vertagt. IJ (GKais. Zig) 
7 ———— Der Stadtrath hat den Gehall der hie⸗ 
igen Lehrer, der jetzt mit 600 fi. anfängt, und auf 900 fl. fieigt, 
in der Art aufgebessert, daß künftig der niederste Gehalt 700 fl. 
zetragen und derselbe von 5 zu 5 Jahren um 50 fl. erhöht werden 
soll bis zu 950 fl. Die bisher angestellten Lehrer, erhalten vom 
1. Januar an alle mindestents 800 fl. 
7 Metz, 3. Nor. Der „Courier de la Mos.“ berichtet: 
Am letzten Freitag gegen 193 Uhr ewpfand ein? große Anzahl 
jon Leuten in Nancy das Gefühl eines Stoßes, welhes mit den 
dei Erdbeben vorlommenden“ Etschütterungen Aehnlichtkeit haite. 
Man verlot sich in allerl ei Deutungen des fremdarligen Ereig-