Full text: St. Ingberter Anzeiger

Slt. Ingberler Anzeiger. 
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Der St. erelere (und das mit dem Haupiblatte verbundene Unterhaltungüblatt, mit der Dienttagt⸗, Donnerstagt⸗ und Sonnlag⸗ 
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AMS 1844.. Sonnutag, den 23. November — 1873 
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.. Deutsches Reich. 
Neustadi, 19. Nob. (Landrath.) Das Misglied König 
bringt einen Autrag ein, worin Se. Majestät gebeten wird, 3 
MRillionen aus der franzoͤsischen Kriegsentschädigung zur Gründung 
rines pfälzischen Provinzialfonds zu überweisen. Hierauf wird die 
Rechnung der Kreisirrenanstalt pro 1872 und das Budget pro 
1874 referirt und dem Direktor der Anstalt eine perfönliche Zulage 
von 300 fl. per Jahr bewilligt. —8 
Munchen, 19. Nov. Der Finanzausschuß der Kammer 
der Abgeordneten hat in seiner gestrige Sitzung dem Vorschlage 
der Staatsregierung bezüglich der den Beamten zu gewährenden 
Wohnungsgeldzuschüsse und Servisgelder die Zustimmung versagt 
und beschlossen, die Staatsregierung aufzufordern, eine neue Be⸗ 
rechnung aufzusiellen, welcher das Princip der Theuerungszulage 
ju Grunde ltegt. Die in der Sitzung anwesenden Staatsminister 
perhielten fich ziemlich gleichgiltig gegen die Belchlüsse des Aus— 
ichusses mit Ausnahme des Finanzwministers Hra. Verr, welcher 
denselben energisch entgegentrat. (4. 3.)..— 
Bexrlin, 20. Nowb. Die „Kreuzzeitung“ hört betreffs der 
Zeitungssteuer, daß für eine günstige Erledigung dieser Angelegen⸗ 
heit auf dem Gebiete der preußischen Gesetzgebung wenig Aussicht 
porhanden sei, da die entscheidende Stelle an der Lösung der 
Sache auf dem Gebiste der Reichsverfassung im Zusammenhange 
mit der Preßgesetzgebung festhalte. 
— Die, Veutschen Nachrichten“ melden: Das Kriegsmini⸗ 
erium hat dem Gewehrfabrikanien Werndl in Steyer den Äuftrag 
jur Anfertigung von 240,000 Stück Mausergewehren ertheilt. 
herr Werndl hat sich bereit erklärt, wöchenilich mindestens 5000 
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wöchentlich zu steigern. Englische Fabrikauten, sind mit der Her⸗ 
dellung von 200,000 Stück beauflragt worden. Im Ganjen, 
einschließlich dir in den königlichen Gewehrfabteken anzufertigenden 
Bewehre, sollen 2 Millionen Stück hergestellt werden. Die An⸗ 
jertigung selbst ist eine ungemein schwierige, da die einzelnen Theile 
der Gewehre außerordentlich sorgfältig gearbeitet werden müssen. 
ẽEs dürfte deßhalb leicht eine Verzögerung in den Ablieferungs 
fuisten eintreten, wie eine solche quch bereils bei der Lieferung der 
Bisire statigefunden hat. In Berücksichtigung dessen ist für die 
Fectigstellung der gesammten Feldbewaffnung ein Zeitraum von ein 
dis zwei Jahren in Aussiat genommen worden. Die Aptirung 
dez Chaffepotgewehres in großerem Maßstabe ist bisher noch nicht 
in Angriff genommen. a 
— Der bisherige Kommandeur der 22. Division, Herzog 
Wishelm von Mekleuburg-Schwerin, ist zum General à la suite 
der Armee ernanut und wird picht Zwieder nach Kassel zurüdtkehren, 
sondern seinen ferneren Wohnsitz in Berlin nehmen. 
Wie berlautei, foll Köln ausersehen sein, den Sialionsort 
ur die künftige deutsche Nhein Kanonenboot Flotille zu bilden. Die 
Zahl der Fahrzeuge derselben soll nach einer anderweitigen, sjedoch 
vohl noch nicht als authentisch anzusehenden Mittheilung allmäblich 
nuf 12 derartige Boote gesteigert werden, von welchen zwei bereits 
bei der Schiffsbau Gesellschaft Weser in Bremen im Bau begriffen 
ind. In Koͤln, das nach den über seine Neubefestigung veröffentlichten 
Mittheilurgen nächst Metz und Straßburg den driiten Hauptpunk! 
der Befestigung der deutschen Westgrenze zu bilden bessimmt ist, 
würde mit dieser Flotille zugleich ein sehr siarkes Dffensivelement 
ringelegl nerden, indem diese Boote bei nur 85 Fuß Tiefgang 
iner einzölligen Pauzerung und der sehr starlen Geschützausri stung muͤ 
wel 13 Em. Beschützen sich eben so geeignet erweisen würden, 
noch in den meisten größeren Nebenflüssen des Mittel⸗und Niederreihns 
zetwendet zu werden, als bei weiter ausgedehnten Offensivoperationen 
iine keinesfalls zu unterschätzende Mitwirkung auszuüuben. 
Frankreich. 
Paris, 18. Nov. Der schweizerische Gesandie Dr. Kern 
jat Herrn v. Broglie eine Note UÜberreicht, durch welche die Schweiz 
ine eventuelle Rebision des zwischen ihr, Frankreich, Italien und 
helgien v stehenden Muͤnzvertrages beantragt. Ein Korrespondent 
der „Koͤldischen Zeitung“ kann über die Sache folgendes Nahere 
miuheilen: Die Schweiz fühlt sich namentlich durch die Annahme 
»er Goldwährung in Deutschland mit einer Silberüberschwemmuͤng 
zedroht, welche ihr erheblichen Schaden zufügen würde. Sie ha 
daher hei dem franzosischen Ministerium des Auswärtigen bean⸗ 
ragt, es möge eine Kommission der vier genannten Staaten zu⸗ 
ammentreten, zunächst, um zu prüfen, wie weit die Entwerthung 
)es Silbers jetzt bereits gedichen ist. (Als der Münzvertrag ab⸗ 
zeschlossen wurde, nahm man das Verhältniß Gold zu SEilber, 
vie 13 152; jetzt wird es jür London auf 1: 16 angegeben.) 
Dann soll dieselbe sich über die bevorstehende fernere Entwerthung 
iußern und Vorschlage in Erwägung ziehen, welche geeignet 
vären, dem drohenden Schaden zu vegegnen. Als solche find 
zum Beispiel hingestellt:“ Die Fixirung eines Maximums, über 
welches hinaus kein Staat Silbergeld prägen darf, die Festsetzung 
eines Maximalbetrages für Zahlungen in Silber, und in letzter 
Instanz die Emführung der reinen Goldwährung. Herr v. Broglie 
hat geanwortel, er habe die Vorschläge der Schweiz dem Finanz- 
minister zur Bearbeitung überwiesen. Die Konferenz wird wohl 
jedenfalls zu Stande kommen. Broglie ist, wie man hört, der 
Boldwährung günstig gestimmt. Finanzminister Magne der ge⸗ 
mischten. Sollte jeßterer auf die Voeschläge der Schweiz nicht 
riug hen mollen. so würde sich dieselbe geodihigt sehen, aus dem 
lateinischen Münzverbande auszuscheiden und auf eigene Hand die 
Goldwährung einzuführen. In Belgien findet die Absicht vielen 
Anklang, ohne weitere Verhandlungen die Konvention zu kündigen 
und zur Goldwährung überzugehen. Man geht dabei. von der 
Varaussezung aus, daß Frankreich die doppelte Waährung beibe⸗ 
halten und Belgien somit als Vermittler zwischen ihm und dem 
Osien und Norden sehr vortheilhafte Bankiergeschäfte machen wüede. 
Paris, 20. Noo. Die Deputirten frafen heute Nacht ersi 
um 3 Uhr 10 Miunuien von der entscheidenden Sitzung in Ver⸗ 
'ailles über die Verlängerurg von Mae Mahons Gewall hier ein. 
Der St. Lazarebahnhof war sehr ftark von Polizei besetzi. Das 
Innere war schon um 121 Uhr durch die Polizei geräumt 
worden und Niemand wurde dort zugelassen. Die Rue d'Amsterdam 
war ebenfalls durch Polizeiagenten abgesperrt, mehrere Leute 
wurden verhaftet. Andere Vorsichtsmaßregeln waren ebenfalls ge⸗ 
roffen. Starke Reiterpatrouillen durchzogen ohne Aufhören die 
Bonlevards und die übrigen Straßen, und alle Wachtposten, be⸗ 
onders die in den außenliegenden Stadttheilen, waren verdoppelt 
worden. Paris blieb aber vollständig ruhig, obgleich die Rach— 
richt, daß „Frankreich jetzt wieder eine Dictatur babe,“ überall 
das Blut erregte; Gruppen bildeten sich, um die Ereignisse zu 
besprechen. Größer war die Aufregung in Versailes. Die Re— 
publikaner waren aufgebracht über den Abfall eines Theiles des 
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großer Zuversicht auf den Sieg gehofft batten. Die Bonapartisten 
zielten dieses Mal nicht zusammen. Zechs stimmten für Mac 
Mahon, sechs dagegen und sechs enthielten sich der —xx 
47 K. K. 
—Paruis, 21. Nov. Der,„Moniteur“ meldet, daß Graf 
Chamdord seit einer Woche in Frankreich verwejle. verselbe hade 
natürlich diele Arhänger empfangen, seine Neise trage aber keinen 
ausgesprochenen politischen Charaller, Graf Chambord pJ habe in 
der letzten Krisis Deputirten der Richten volle Freiheit gelassen. 
-— Der Winter hat begonnen und bietet die sprichwoͤrtliche 
Wohlthätigkeit der Bewohner der Hauptstadt Alles auf, um der 
zroßen Noth der Armen zu steuern. In allen Siadtvierteln, selbsi 
in den elegantesten, sind die von der Kaise in Eugenie eingeführten 
Sparküchen eröffnet wordent Die großen Familien haben an den 
Präfelten namhafte Summen geschickkt und werden hiesüc Bong 
für Brennmoterial und Brod beschafft. Mildthätige Damen gehen 
in allen Häusern he um, um Kollekte zu halten und hofft man, 
daß man der Noth steuern kann. Die Selbstmorde lassen nich 
nach. Gestern wurden nieder drei angezeigt. — Card nal Bong 
harte wird in Paris erwartet. — Dem Vernehmen nach son