Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler Anzeiger. 
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der St. Inaboerter Angzeiger (und das mit dem Hauptblatte verbundene uUnterhallun zeblatt, mit der Dienziags⸗, Donnerttagt⸗ und Sonnia 
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Deutsches Neich. 
München, 8. Febr. Die wiederhoit verzdgerte Abreise 
des Oberappellationsrathes Hr. Schmin't nach Berlin wird nun 
Diendtag erfolgen. Derselbe hat als Bevollmächtigter Bayerns 
in den Berathungen des Eutwurfes einer Gerichtsverfassung Theil 
zu nehmen. — —F 
Aus Nürnber g schreibt der Korr.“ vom 5. Febt.: „In 
Anwesenheit des Schriftfühbrers des geschaftleitenden Ausschufses der 
deinschen sozial -demokratischen Arbeuerpartei, Yort aus Hamburg 
fand am 58. ds. eine Verfammlung von Delegirten der soꝛial⸗ 
denno kratischen Partei aus Nürnberg und Fürih statt. Die Ver⸗ 
fammlung, welcher auch die HH. Memminger und Dr. Mool 
deiwohnten, verlief resultatlss. da die Vermittlungsversuche zum 
Ausgleiche des ausgebrochener Zwistes ver geblich waren·“ 
Die „Germ.“ schreibt:. Unser Reichskanzler hat zwar das 
stolze Wort gesprochen, daß „er nicht nach Canossa gehen werde,“ 
im sich untet Peus IX. zu beugen. Aber wir wollen ihm nun, 
eilden unsere kirchliche Gesetzgebung, die von allen „liberal“ re⸗ 
volutionaren Elementen ersehnten uͤnd bewunderten Forischritte 
macht, sogar Recht geben; er bereitet sich sein Canossa selbst im 
eigenen Vaterlande, und dem Statthalter Christi, Pius IX., einen 
herrlichen Triumph auf deutschet Erde!“ 
Im Widerspruch mit früherer Meldung wird versichert, daß 
über eine höhere Besteuerung des · inlandischen — und imporlirten 
Tabals definitive Bejchlüsse det Reichssteuercommission nicht vor⸗ 
egen. Die Veschlußfassung -ist bis mach“ Durchberathung des 
Gesetzentwurfs arsgesetzt. (Die frühere Meldung entsprang wohl 
hlos einem frommen Wunsche der Freunde jener Erhöhung ) 
Wie der „Karbsr. Zig.““ aus Wien mitgetheilt wird, sollen 
hinnen Kurzem wieder Enthüllungen“ von größerer Autoritaͤt 
als die Gramont;, bevorstehen, welche die Politik Italiens 
hor der Zeit des deutschkranzösischen Nrieges zu illustriren bestimmt 
rien, um in Preußen und Deutschland Mißtrauen und Groll gegen 
Italien zu erwecken. Bekanntlich ist vor ziniger Zeit schon in der 
„A. A. Ztg.“ die Frage zur Sprache gekommen. Ganz Neues, 
Feint man, würden auch diese Enthüllungen schwerlich bringen, 
denn daß⸗Frankreich und Italien seiner Zeit üder eine tev. ntuelle 
Fooperation gegen Deutsch land verhandelten war längft bekannt. 
Neues konute aber moglicherweise durch die Aufdecung der. Diffe · 
tenzen geboten werden, an welcher jene Cooperalion scheiterle, und 
bon weichen man bisher nur“ im Allgemeinen weiß, daß sie mit 
der NRoͤmischen Frage im engsten Zusammenhange gestanden: — 
Warten wir also ab! 5 
vi e thFrautveich 1 
Der Prinz N polrcon hatte dieser Tage eine Uniexredung 
mit einem enghischen Stnatsmanne, in welcher er. sich zZiemlich 
offen über die Bongpartistische Partei und seine eigene! Projecte 
dussprach?. Aus den Mittheilungen, welche derseibt machte, geht 
hervor, daß der Prinz nicht die heringfste Lust hat, den kaiferlichen 
Prinzen als das Oberhaubt der Bona bartistischen Portei anzuer⸗ 
jennen. Er hält ihn weder körperlich noch geistig fur fähig, eine 
soiche Rolle zu spielen, und findet außerdem, daß der „pauvre 
petit bambin“ — so nannte er ihn — eine zu schwöchliche 
Tonstitut ion habe, um den Stürmen, von denen das jugendliche 
Aiter immer begleitet ist, lange widerstehen zu kͤnnen. Natürlech 
detrachiet sich der Prinz als den legitimen Chef der bonapartistischen 
Partei und glauht, daß dieselbe große Aussicht habet wieder; ablß 
Ruder zu o imen: neber die derwittwete Kaiserin sprach et 
sich ziemlich mißachtend aus. Er beklagte und bemitileidete sie. 
Dieseide habe sich immer mit ihrem Puhz, was sie gut verstanden. 
und dann mit Angelegenheiten beschäfuigt, von denen sie nichts 
verftanden habe. Was er ihr noch brbonders vorwarf, war, daß 
ie es sei, der man den letzten Krieg zu vetdaulen haben. Der Exr⸗ 
daiser scheint üorigensdie Ansichten seines Vetters über Eugenie 
detheilt zju haben. Man fand nomlich nach dem 4. September 
inler den Tuilerlenpapieren ein Schreiben der Gräfin Theba, 
delches sie dor ihrer Heitalh an Louis Napolon gerichtet, un 
ihm für ein Piano zu danken, das er ihr zugesandt, Das Schreiben 
war äußerst geistreich abgefaßt, ein wahres Meisterwerl, und der 
Exkaiser gerieth darüber in das höchste Entzücken. Sechs Jahre 
paͤter ersuhr er nun, daß dieses Schreiben von der Kaiserin nur 
bgeschrieben worden war und daß der wahre Verfasser Prosder 
Merimé gewesen. Der Exlaiser bemerote diezs auf dem Schreiben 
ndem er folgende Worte hinzufügte: Hélas! Cette lettre m'a 
ju mon mariage.“ (Ach, dieser Brief hat mir meine Heirath 
ingetragen!) Ueber die Prinzessin Clotilde, seine Gemahlin, sagte 
der Prinz nur wenig. Aus seinen Worten ging jedoch hervor, 
aß fie nicht für die Rücktehr nach Frankreich ist und ihren 
Soͤhnen die nicht so gefährliche Ehre wuͤnscht, den Thron Frank⸗ 
eichs zu besteigen. I 
Thiers Auseinandersetzungen mit der Dreißiger⸗Commission 
eschaftig n fortwährend die französische Presse in erster Linie. 
das „Journal des Debals“ nennt es verlorene Zeit und Mühe, 
vena Thäersdie Verhandlungen mit dem Ausschusse weiter 
ührt; und das Blatt ermahnt die Nationalversammlung. die 
Zache selber in die Hand zu nehmen- da die Delegation die 
Assemblée im Lande um Ehre und Ansehen bringe. Das soll 
augenblicklich das allgemeine Urtheil aller Unbefangenen in Frant · 
reich sein; indem Thiers bei seiner Boischaft bleibt hat er sich 
der Majorität des Volkes versichert, wozu uͤberdies noch lommt, 
aß er durch feine tetzte Aeußerung; nur ein ganz kteiner Bourgeois 
u sein, ẽ den man wegen seiner Uebung in den Geschäften und 
iner politischen Erfahrung ins Auge gefaßt habe, die ganze 
Bourgeosie auf seine Seite gebracht hat. Die Legitimisten sind 
deßhalb außer sich vor Aerger. Der „Soir“ secundirt Thiers 
dabei recht wacker, indem er allerlei Scheechbilder beim Aufhoͤren 
der Occupation in Aussicht stellt, um die energischen Schritte des 
Prafidemen zu rechtfertigen, zu denen er etwa zu schreiten sich 
veranlaßt sehen moͤchete.— 
Avenir National“ schreibt: Marschall Mac Mahon 
jat den Offizieren der Armee von Versailles angezeigt, daß nächstes 
Frühjahr Versuche im Großen mit der Truppen· Mobilisirung 
gemacht werden sollen, um die Corpsführer an diese Operationen 
zu gewöhnen. 
oen hat unter dem Titel Los Deépravés einen 
Nonco gejchrieben.“ Der „Rappel“ wollte denselben verdffentlichen, 
die Regierung verweigerte aber ihre Ermächtigung.“ Sie will die 
Verdcinlichung des Romans, ußeeinem Buche)zpigebeü, und 
auch dies nur, wenn der Name des —AV 
31 England. 2 
Losndon, 7. Febr. Lord Granville in Ankwort an Car⸗ 
jarvon dedauert in Betreff des Dampferd Murillo den Mangel 
ines Auslieserungsvertrages mit Spanien. Die Verhandlungen 
ur Herbeiführung eines solchen Verktages mit Dänemark und den 
hereinigten Staaten sind weit vorgeschritten. die Vertagung des 
Zenats in Washington habe Die noch ausstehende Ratification des 
Berirages mit Amerika vorzögert; in Frantreich siu die Nothwen⸗ 
Higtkeit diplomatischer Intervention in soichen Auslieterungsfaällen 
erschwunden. Die Regierung wird dem Partlament die Corre⸗ 
pondenze mil Spanien über den Dainpfer „Murillo“,“ der den 
Untergang der Northfleet“ verschul ete, vorlegen. 
Die Konigin hat auf Vorschlag des Herrn Gladstoue 
ʒekl Winwen: des ertrunkenen Kapitäns der ‚Northfleet“, Frau 
Znswles. in“ Anerkennüng des heldenmüthigen Vetragens ihres 
herstorbenen Gatten bei demn, Untergauge dieses Sch ffes eine Jah⸗ 
resbension von 50 () Ostrn. aus der Civilliste ausgesetzt. 
n.Schweiz. ι“ 
duurch den Strike der Goldarbeiter in Gein fwurden 460 
Arbeiser beschäftigungälos: 880 derselben wanderlen nach Pforz- 
eim, Hanau und Paris aus; der Rest von 130 schickt sich nun 
leichfalls zur Reise an, da die (38) Arbeitaeber sich nicht zu 
kongessionen verstehen. 77 7