Full text: St. Ingberter Anzeiger

finanziellem und vollswirthschaftiichem Gebiete zugleich mannigfache 
VBersuchungen und Gefahren in dem gesammten Verkehrsleben 
erzeugt und die Neigung zu raschem, leichten Gewinn in weiten 
Zreisen verbreitet haben, desto mehr wird es in der That eine 
gemeinsame Pflicht aller Derer, welche zur Arbeit für das Wohl 
zes Sigats berufen find, der Ausdehnung jener Gefahren durch 
Starkung der öͤffentlichen Moral einen Damm entgegenzusttzen. 
Dies vor Allem ist die große Bedeutung des Weck und Mahnrufs, 
velchen der Abgeordnete Lasker in so eindringlicher Weise hat 
dernehmen lassen, und diese Bedeutung ist zunächst unabhängig 
hon den Personensragen, um welche es sich bei den bezüglichen 
Borgängen handelt. . . .. Der Abgeordnete Lasker hat in 
dankenswerther Weise wiederholt und „mit wahrhaftem Stolze“ 
hervorgehoben, daß alle seine Untersuchuagen ihm ein Anzeichen 
virtlicher Corruption in den Beamtenkreisen nicht ergeben haben. 
Weunn er schwere Anschuldigungen gegen einen hochstgestellten Beamten 
erhoben hat, so beziehen sich diese nicht auf den Kreis der eigent 
lichen autlichen Wirksamkeit desselben, sondern auf eine Thätigkeit, 
welche er als Privatmann geübt haben soll. Allerdings wird durch 
diese Anschuldigungen die Würde des Beamten so schwer getroffen, 
daß es sich bei der unerläßlichen weitern Untersuchung der Ange ˖ 
legenheit in Wahrheit um die Ehre des gesammten preußischen 
Beamtenstandes handelt. Zunächst liegt nur die schwere und 
scharfe Anklage vor, und der Minifterpräsident mußse darauf 
Ainweisen, daß es vor jedem weitern Schritte geboten sei, vor 
illem auch den andern Theil zu hören; — aber mit Recht durfte 
Braf v. Roon zugleich für die Regierung das Vertrauen in An— 
pruch nehmen, daß sie selbst eben so ernst und tief wie alle Pattio⸗ 
en davon durchdrungen sei, daß unser Beamtenthum nicht corrum⸗ 
hirt werden oder auch nur corrumpert erscheinen dürse. Es ist 
ijerner gegen die Eisenbahnverwaltung der Vorwurf erhoben 
vorden, daß sie durch Mangel an Umsicht und Kraft dem Ein— 
eißen der erwähnten Schäden Vorschub geleistet habe. Auch in 
diefem Punkte wird es eine Ehrensache für die Regierung sein, 
zuich vollständige Darlegung aller ihrer Schritte die Bedenken in 
Betreff der Vergangenheit mögliust zu entkräften und gleichzeitig 
dem Lande volle Beruhigung über die fernere feste und klarbe⸗ 
vußte Führung des wichtigen Verwaltungszweiges zu gewähren. 
Wenn die Staatsregierung hoffen darf, durch ihr eigenes Verhalten 
n beiden erwähnten Richtungen das Vertrauen der Landesver- 
retung neu zu · beleben und zu stärken, so wird es gewiß auch 
zelingen, bei der weiteren gemeins men Wahrnehmung der Interessen 
Res Landes Schritte zu vermeiden, welche mögßlicherweise neue tiefe 
Beunruhigung und Erregung ohne einen entsprechenden Nutzen 
ꝛxzeugen könnten. Der ernste, patriotische Geist, in welchem die 
Frage bisber behandelt worden ist, darf als Bürgschaft gellen, 
daß auch über das weitere Vorgehen eine vertrauens volle Ver— 
tändigung zwischen der Reçierung und der Landesvbertretung erreicht 
verden wird.“ 
Aus Berhin, 12. Febr, bringt die „Allg. Zig.“ die 
Nachricht, der Handelsminister Graf Itzenplitz habe sein Eutlaf⸗ 
jungsgesuch eingereicht. Anderswo haben wir darül er noch nichts 
elesen. 
Die „Germ.“ beginnt die Veröffentlichung von Fästnachts 
Hirtenbriesen mit dem des Bischofs von Paderborn. Wer Sinn 
ur Fastnachtsgenüsse hat, wird dieses Eladorat zu würdigen 
vissen. Hr. Bischof Conrad von Paderborn cotirt darin u. A. die 
Worte Jesu: „Ich bin ein Wurm und kein Meusch.“ 
Der preußische Militärbevollmächtige in Petersburg General 
d. Wer der soll zu einem miliärischen Cemmando berufen 
werden und an seine Stelle der Oberst v. Böhn, Commandeur 
des ersten Garde-Regiments zu Fuß, nach Petersburg kommen. 
Der russische Generallieutenant und Generaladjutant v. Al 
hedynski, weicher am 10. d. Mefrüh von Petersburg hier eintraf 
uind Vormittags vom russischen Botschafter v. Oubril empsangen 
purde, hat sich bereits am Abend desselben Tages zum Kron 
drinzen nach Wiesbaden begeben. 
Der bisherige persönliche Adjutant des Peinzen Albrecht, 
Rittmeister, Graf v. d. Schulenburg, ist zum Hofmarschall des 
Brinzen ernannt. 
Die „Süddeutsche Reichsposi“ behandelt die wichlige Frage, 
vie der geschäftliche Verkehr mit der Reichsregierung und den 
inderen dertschen Verdündeten auf einen Fuß zu bringen sei, der 
dem Werthe der Sache entspricht. Es ist jedenfalls“, sagt es, 
„kein auf die Dauer mönlicher Zustand, daß unsere Minister und 
Ressorlchefs einen wesentlichen Theil des Jahres in Berlin zubringen 
oder sich auf dem ohnehin dee Abkürzung sehr bedürftigen Wege 
‚wischen der Isar u d der Spree befinden. Für die deutschen 
Angelegenheifen müssen wir uns einen eigenen Mittelpunkt con⸗ 
truren, von wo aus die Angelegenheiten Bayerns im Reiche 
zearbeitet und sowohl in Berlin, wie bei den Bundesgenossen 
zerlreten werden. Der Chef dieses Ressorts müßte dann der erste 
JenolIImächtiate Baherns im Bundesrathe sein, ihm bätte die In— 
ruirung unserer übrigen Vertreter sowohl in Berlin wie in den 
anderen deutschen Haupstädten obzuliegen. Er mußte das sichtliche 
Band zwischen Bahern und dem Reiche sein.“ 
Ein interessanter Auftritt hat im österreichischen Herrenhaus 
zei Berathung über die Lehrfteiheit der Universität stattgefunden. 
Baron Lichtenfenfels, ein alter, streng katholischer Herr, einer der 
höchsten Würdenträger, des Staates und Vertrauter des Kaisers, 
hzrach gegen die päpstliche Unfehlbarkeit und ihre Urheber, die Je⸗ 
suiten los. Er erinnerte den anwesenden Cardinal Rauscher daran, 
daß er selber anfangs ein Gegner dieses Glaubenssatzes gewesen 
und sie in einer Schrift als „Hochverrath am Staate“ erklärt 
habe. Habe sich der Cacdinal auch später betkehrt, so dürfe doch 
der Staat die Warnung nicht in den Wind schlagen. Es dürfe 
in den Schulen nichts gelehrt werden, was dem Rechte des Staates 
viderspreche, die Greuzen zwischen Staat und Kirche seien durch 
Besetze genau zu regeln und den staatsgefährlichen Wühlereien der 
Jesuilen und Römlinge müsse scharf entgegengetreten werden u. s. w. 
Das Herrenhaus brach in stürmischen Beifall ans und die amt⸗ 
iche Wiener Zeitung veröffentlicht die Rede des Alten Wort für 
Wort. Durch Oesterreich ist sie gefahren wie ein Lauffeuer. Man 
nuß sagen, daß ein Katholik schärfer und eindrucksvoller gegen 
die Unfehlbarket und die Jesuiten sprechen kanu, als ein Prote⸗ 
tant, weil er weniger in den falschen Verdacht geräth, gegen den 
datholizismus selbst zu fprechen. Ein merkwürdiges Gegenbild zu 
em preußischen Herrenhaus ist dieses beifallrufende österreichische 
Zerrenhaus doch! 
Fraukreich 
Paris, 12. Febr. Ich vernehme aus sicherer Quelle, daß 
n der vorigen Nacht eine Versammlung von Orleanisten bei dem 
derzog von Aumale stattgefunden hat, in der angeblich 20 Mill. 
Francs gezeichnet wurden, um den Herzog von Montpensfier in 
Spanien gegen die Republik zu unterstützen. 
Parus, 12. Febr. Prinz Alfons, Sohn Isabellens, 
von Wien gestern abgereist und wird heute in Paris erwartet. 
Paris, 13. Febr. Olozaga, der spanische Gesandte, hat 
der neuen Regierung in Spanien seine Demission einger eicht. 
In Betreff der Grawont'schen Enthüllungen wreten neue 
Momente zu Tage. Das Pariser „Uniders? veröffentlicht näm lich 
einen Auszug aus einem Briefe eines der letzten Minister Na po— 
eo's Dl., aus dem hervorgeht, daß einBündniß zwischen Oest rr eich 
ind Frankreich im Jahre 1870 darum nicht zu Stande gekommen 
ei, weil Graf Beust verlangte, daß Rom den Italienern über⸗ 
assen werde, wozu Napoleon sich nicht ntshlies n bonnte. Wenn 
JZesterreich jenes Verlangen wirklich an Fränkreich gestellt hat, so 
annS mau allerdinzs annehmen, daß es einem Bündniß mit letzte⸗ 
zem ausweichen wollte und damit wurde auch Graf Beust wieder 
n einem b'esseren Lichte erscheinen! 
Die Verhaftungen der Communisten dauern sort. Vierzig 
neue Verhaftsbefehle wurden erlassen. Sie waren gegen so lche 
Fommunisten gerichtet, welche aus dem Auslande zurüdcgelommen 
varen. Nur ein geringer Theil konnte ausgeführt werden, die 
neisten waren gewarnt worden und hatten sich in Sicherheit 
ebracht. 
Gestern war beim Grafen Apponhi, österreichischem Votschafter 
zroßes Diner zu Ehren der Prinzen von Orleans. Von denselbes 
varen anwesend: der Herzog von Alencon, Herzog von Aumaoale, 
derzog von Nemours, Fürst Czartocisli und dessen Gemahlin, die 
eine Tochter des Herzogs von Ldemours ist. 
England. 
London, 11. Februar. IJa einem heute im Camnon 
Ztreet Hotel abgehaltenen, zahlreich besuchten Meeting zur Be— 
prechung kirchlicher Fragen, kam eine Resolution zur Annahme, 
velche sich für die Trennung des Staats von der englischen Hoch⸗ 
irche aussprach wie solche in Irland bereits durchgefübrt sei. 
Auf den Vorschlag Maill's wurde beschlossen einen in diesem Sinn⸗ 
zehaltenen Antrag noch in der gegenwärtigen Session dem Parla⸗ 
mente zu unterbreiten. (W. T. B.) 
Schweiz. 
Bern, 12. Febr. Der Bundesruth hat die Ausweisung des 
vom Papste zum apostolischen Vicar für Genf etnannten Pfarrers 
Mecmillod aus der Schweiz beschlossen. 
Spanien. 
Madrid, 12. Febr. Vie Cortes ernannten eine Commis- 
ion zur Begleituug des Königs bis zur Grenze. Es dheißt der⸗ 
elbe wolle heute abrersen. In den Cortes wird der Abschnitt über 
yeststellung einer republikanischen Regierungsform und Uebertragusng 
er Regierungsgewalt an die Versammlung mit 256 gegen 32 
Zztimmen angenommen. Zorilla beanttragt die Ernennung einet 
segierung vor der Abstimmung, Rivero widerspricht und verläßt 
den Präsidentensitz und den Saal. Figuerola übernimmt das 
Bräsidium. — 
Madrid, 12. Febr. Nachdem die Abdankungsbotschaf 
»a HKönigs im Conagreß verlesen war, wurde dessen Verzicht auf