St. Ingberlker Anzeiger.
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Sonntag, den 25. Ju ni 1876.
Deutsches Reich.
Was den diplomatischen Stand der orientalischen Frage be⸗
cifft, so handelt es sich, wie man der „Carlsruher Ztg.“ ausa
zerlin meldet, gegenwärtig für die Drei⸗Kaiser ⸗Mächte nicht um
men Vorwand jur Jatervention, sondern um den nachdrücklichen
Schutz der Verträge.“ Man nimmt h'er auf Grund sonst be—
dährter Informationen an, daß in Ems über diese Angelegenheit
ind über die militärischen Eventualitäten an der türkisch-serbisch⸗
nontenegrinischen Grenze Verhandlungen gepflogen werden, zu welchen
raiser Alexander die Iniative ergriffen hat. Von derselben Seite,
on der diese Mitthelungen herrühren, wird lebhaft bestritten, daß
ze Friedensl'ebe des Cjaren so weit gehe, daß er die Mission
tußlands im Ocient und die Traditionen seines Hertscherhauses
en Forderungen Englands opfern werde. Der russische Kaiser
all sich namentlich gegen den Vorwurf englischer Blätter verwahrt
aben, daß ihn das Schicksal Nikolaus J. und der Ausgang des
eriintrieges vor jedem; Zusammenstoß mit irgend einer Macht
arückschrecke. Et äußerte sich vor wenigen Tagen, daß Rußland
einen Esroberungskrieg wolle, aber daß es auch nicht das Vor⸗
rängen einer andern Macht im Orient zugeben werde.
Ausland.
—.. vourg, 19. JZuni. In den Docs von Kronstadt
orrd jetzt auch während der Nacht gearbeilet. Das nach dem
Mittellaͤndischen Meere bestimmte Panzerschiff „Peter der Große“ ist
einahe vollständi ebenso die Dawpf⸗Fregatte „Rur'k?.
die Monitor⸗-Flotille ist unter der Flagge des Contre⸗Admirals
Janafidin an Bord des Panze Batterieschiffes „Perwenez“ auf die
lußenrhede gegangen. Der Besuch der Docks und Kriegshäfen von
dronst adt ist Privatversonen ohne jede Ausrahme nicht mehr ge—
attet. (B. u. 9.3.) *
Dem Senat in Washington liegt ein Geseß-Entwurf zum
inwandererjchutze vor, der in unerträglicher Weise die amerikanische
ufsicht und Rechtipcechung auf deutsche Schiffe erstrecken soll.
)eutschland könnte sich einen derartigen Ueberfall un so weniger
efallen lassen, als es nur allzu wahrscheinlich ist, daß dahinter
ichta steckt, als ein neuer Plan, Parteigenossen mit fetien Pfrün⸗
en zu versorgen. Die Reichsssrezierung denkt deßhalb,, wie es
deint, daran, die vor fünf oder sechs Jahren abgebtochenen
rhandlungen mit den Vereinigten Staaten wegen eines Auswan⸗
erer · Verirages wieder aufzunehmer (H. C.)
Rermischtes.
fSt. Ingbẽril, 25. Juni. Ein Dienstlnecht der seinem
Henstherrn in Hagenau mit Chaise und Pferd (im Werihe von
a. 900 Pe.) durchgebrannt war und dieselben gestern einem herum⸗
ehenden Spengler von Rohrbach (Gem. St. Ingbetrt), um 40
ihlt. verkauft hatte, wurde durch die h'esige Polizei dingfest gemacht.
derselbe hat den Diebstahl bereits eiagestanden und hat seihder
„erdienten Strafe nun entgegen zu sehen.
F Zweibrücken, 28. Juai. ESschluz der Verhandlung
egen Christian Gampfer, 24 Jaht alt, Oclonom in Don⸗
ieders, wegen Mordversuchs und Todischlags.)
Der alte Gampfer wir auf die ersten Skhüsse herbeigeeilt,
zaite aber, als er seine Frau am Boden liegen sah, alsbald wieder,
mm Hilfe rufend, die Flucht vor das Haus ecgriffen. Er kehrte
rdoch sogleich wieder zurück und nahm sich seiner Ftau an. Er
and dabei am Boden das Rasirmesser, das er einstekkte. Der
Angeklagte stand nun auf und suchte nach demselben. Dabei rief
c, auf seine Schwiegermutter deutend: „Da liegt der Hund!“
Der Lärm hatte Leute herbeigelodt, denen sich der Angeklagte
une Sträuben erqub; er machte auch gar keinen Fluchtversuch und
eigte leine besondere Aufregung. Er erklärte fortwährend, daß er
»e That verübt habe, welche er habe verüben wollen. Er nahm
abdei an, daß beide Frauen todt seien. Als er vernahm, daß seine
zrau noch lebe, bedauerke er, daß sie aicht gleich gestorben sei.
zn oes Adjunkten Wohnung angekommen, erzählte er nun in aller
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Ruhe den Hergang und zeigte keine Spur von Reue. Ja er äußerte
ozar, er thäte es noch einmal, wenn er es noch nicht gethan
zätte. Seine Schwiegermutter hahbe er absichtlich und nicht aus
Anvorsichtigkeit erschossen. Verschiedene Jeugenaussagen lassen über
zie letztere Versicherung nicht den geringsten Zweifel auftommen.
So z. B. sagte er: „Wenn sie nur hin ist,“ wobei er die Schwieger⸗
nutter meinte. Ein andermal bemerkte er, als er seine Frau ge⸗
chossen habe, sei die Shwiegermutter dazwischengekommen, und habe
ex dieser auch gleich Eins gegeben; er habe gedacht, es gehe in
Einem hin. In der Vorvntersuchung stellte er demungeachtet auf,
ex 'habe seine Sch viegermutter nicht tödten wollen, und hielt an
dieser Aufstellung in allen seinen Verbören fest. Den Mordversuch
auf seine Frau gibt er ohne jeglchen Umschweif zu, wobei er Nichts
zu verhehlen oder zu beschönigen sucht. Seinen Schwiegervater
jabe ex nach seiner Angabe auch födten köunen, derselbe sei ihm
iber zu dumm gewesen. Auch sich selbst habe er tödten wollen,
doch sei er durch Gegenwehr seiner Frau und Herzukommen der
Leute daran verh'ndert worden.
Die Wunde der Schwiegermutter mußte den sofortigen Tod
herbeiführen. Die Kugel hatte den rechten und den linken Lungen⸗
dügel durchbohrt und die Haupischlagader verlezt. Die Schnitt⸗
vunden der Frau, 11 an der Zahl, befanden sich besonders am
dalse, daun im Gesichte und an den Händen. Von den drei
—„chußounden ist es ungewiß, ob sie von drei oder zwei Schüssen
errühren, denn in einer Wunde am Arm fand sich keine Kugel
jor, und scheint deßhalb diese Verlezung von derselben Kugel herzu⸗
ühren, welche der jungen Frau an der linken Brust heraus⸗
eschnitten wurde. Eine andere Kugel ist in der Kreuzbeingegend
ingedrungen, wo dieselbe, da fie nicht herausgeschnilten werden
onnte, eingeheilt ist. Troß des großen Bluwerlustes und der
„chwatgerschaft der jungen Frau wurde deren Leben gerettet. Nicht
inmal eine Frühgeburt ist erfolgt.
Der Angeklagte fing im Jahre 1871 mit seiner Frau ein
Berhältniß au, das sich selbst durch dessen Militärzeit fortspann.
stachdem derselbe im Herbst 1875 eine andere Verbindung aus⸗
jeschlazen hatte, heirathete er fie, obmohl ihm seine sümmtlichen
Angehörigen abriethen. Sein Leumund ist übrigens ein ungetrübter;
⸗doch wird er als hitziger, rechtshaberischer, grober Mensch ge⸗
dildert, der, wie man sagt, mit dem Kopf durch die Wand will.
Seine Frau und deren Eltern besitzen ebenfalls keinen schlechten
stuf und haben ihr nicht unbedeutendes Vermögen durch große
S„patsamleit erworben. Von Streitigkeiten war, ehe der Angeklagie
n das Haus kam, troß der Trunksucht des alten Gampfers Nichts
u bemerken.
Auch in der Voruntersuchung war an dem Angeklagten keine
Spur von Reue zu entd'cken, ja er bemertte einmal, so leicht sei
»s ihm schon lange nicht mehr gepesen, und bei seiner Konfron⸗
ation mit der Leiche zeigte es fich wiederholt, daß die That auf
ihn fast gar keinen Eindruck mache.
Der Gedanke, daß die geistige Thätigkeit des Angeklagten
rgend wie gestört sei, lag nach Alledem nahe und wurde auch von
»en Angehörigen des Angeklagten eifrig genährt, obwohl vor der
That davon nie Jeniand Etwas wahrgenommen hatte. Gründliche
iratliche Beobachtungen während der dreimonagtllichen Untersuchungs—
jaft des Angeklagten haben jedoch zu dem Gutachten geführt, daß
»erselbe vollständig geistesgesand sei, und alle Anzeichen fehlen, daß
erselbe vor, während oder nach der That an Störungen des Be⸗
vußtseins gelitter, oder daß ihm die klare Einsicht in die Folgen
einer Handlung gefehlt habe.
Auch bei der zwei Tage dauernden Hauptvechandlung war bei
»em Angeklagten keiage Spur von Reue bemerkbar. Derselbe bestritt,
eine Schwiegermutter adsichtlich getödtet zu haben. Ebenso will
r das Mefsser nicht eingesteckt haden, um damit feiner Frau den
stest zu geben, sondern um es seinem Schwazer Weber wieder zu—
ustellen. Erst im kritischen Momente sei ihm das Vorhandensein
esselben in seiner Tasche vieder eingefallen. — Die lgl. Staatt⸗