Gegenvorschläge, die darauf hinauskommen, daß sie den aufständigen
Provinzen keine gesonderte Selbstverwaltung bewilligen, sondern Ver⸗
waltungsreformen im ganzen Reiche einführen will. Die Grund⸗
lagen dieser Verfassung soller sein: In Konstantinopel tritt eine
Versammlung zusammen, welche aus Wahlen hervorgeht; das Wahl⸗
system gliedert sich du der Weise, daß das VolkDeputirie für
einen Sandschakatsrath“wählt, die Mitglieder des Sandschakatsraths
wiederum Depufirte für einen Provinzialtath wählen, uad dieser
sodann die Deligirten für die Nationalversammlung in Konstantinopel
wählt. Sonach würde Bosnien 6, die Herzogwina4 und Bul⸗
garien 8, je zur Hälfte mohamedanische und christliche Vertreter in
Konstantinopel haben; während der Ferien des Parlaments hätte
eine permanente, zur Hälfte aus Christen und zur Hulfte aus
Mohamedanern bestehende Ueberwachungscommission die Alte der
Localregierung und die Entscheidungen des Nationalraths zu kon⸗
zrolixen. Endlich sollen alle Zweige der Verwaltung reorganisirt
werden.
Daß es der Pforte mit diesen Reformen: Ernst- ist, wird ihr
wohl Niemand glauben. „Die europäischen Mächte, schreibt die
„Nordd. A. 8.“, welche die Herstellung einer neuen, auf den Grund⸗
lagen der Gerechtigkeit beruhenden staatlichen Ordnung im türtischen
Neiche in die Hand genommen haben, können und werden weder
eine Ablehnung ihrer Vorschläge annehmen, noch sich durh neue
Ausflüchte hinhalten lassen. Der entgültegen Regelung dieser An⸗
gelegenheiten ist der gegenwärtige Augenblick günstiger denn je, und
allem Anschein nach besteht der feste Entschluß, ihn nicht undenutzt ver⸗
streichen zu lassen. Die Einrichtungen, welche die Tücken nicht
ireffen kann oder nicht treffen will, werden in ibrem Namen · oder
im Namen der europäischen Mächte von diesen seldst getroffen wer⸗
den. müssen. Die Respeklirung der Autorität des Sultans kann
nicht länger ein Hinderniß für eine unaufschiebbar gewordene Auf⸗
gabe sein, nachdem diese Antorität läugst durch diejenigen“ am
Meisten lompromitirt worden, welche ihre berufensten und obersten
Hüter sein sollten, Das Interesse des Friedens unter den ehrisitichen
Machten Europa's steht für dirse höher als jedes andere, und sie
—
hötlich in Frage gestellt werde.“
Washington, 4. Okttober. Der Staatsseccetär des Aus⸗
wartigen erklaͤrt, daß ihm von dem (durch die „Neue Freie Ptesse“
zemeldeten) Vertrag zwijchen Rußland und Nordamerika, wornach
etzterer Staat/ gegen Abtretung eines russischen Hafens in Kamt⸗
schatla eine Anzahl von Kriegsschiffen an Raßland, absolut nichts
hekannt sei.
Permischtes.
4 Zweibrücken, 4. Okt. (Schwurgerichtssitzung III. Quart.)
Verhandlung gegen Joseph Weber, 46 Jahre alt. Tagnet von
Mehlbach, wegen Todtschlags. Vertheidiger: Auwalt Gebyart.
Der Angeklagte leidet schon seit seinem 10. Ledensjahr an
Epilepsie. Wahrend der Anfalle ist er bedußtlos und ist unfahig,
irgend etwas zu unternehmen. Vorher und naqchher aber ist sein
Bewußtsein ungeschwächt vorhanden. Dies bezeugen Alle, de ihn
kennen, und es spricht sich in diesem Sinne auch die Ansint der
Aerzte aus, welche namentlich auch dahin geht, daß der Angeklagie,
wenn auch dessen Veistandskräfte etwas unter dem gewönnlichen
Maze der Entw'ckelung zurückgeblieben sein mögen, doch außer der
Zeit der Anfälle hinlänglich Beuttheilungskraft besitzt, um das
gesetzlich Etlaubie vor dem Unerlaubten unterscheiden zu könuen.
Er wird als roh und grob geschildert, gewohnt, bei dem geringsten
Anlosse das Messer zu ziehen und damit zu drohen. Se'n Ruf
ist überhaupt ein schlechter. Gegen den Getödteten, den Feldschützen
Daniel Schneider don Mehlbach, einen braven, pflichtireuen Vtann,
der ihm als Feldschütze bei seinen Feldfrevela häufig in den Weg
trat, war er deßhalb sehr erbittert und hatte schon wiederholt ge⸗
zußert, er bringe den Schützen doch poch um, er schneide ihm den
Hals noch ab u. s. w. Diesen Vorsatz hat er nach der Anklage
am 2. Juli abhin Nachmittags ausgefuüͤhrt, an welchem derFeld⸗
schütze Danit! Schneider in seinem Blute wimmend auf dem
Banne von Mehlbach todt aufgefunden —5 Lie die Anklage
sagt, traf der Getödtete an diesem Nachmitlage in der Nähe von
Mehlbach den Angiklagten, als dieser seine Gaisen in einem Klee⸗
acher weiden ließ. Während er ihn noch von dem sog. Lutzen⸗
wäldchen aus beobachtete, muß der Angeklagte ihn bemerkt haden,
auf ihn zugesprungen sein und mit dem Messer in der Hand ihn
angegriffen haben. Es habe nun — stellt die Anklage auf — wie
aus bderschiedenen Anzeichen zu schließen, im Walde eine Rauferer
stattgefunden. Von da habe der Angeklagte sein Opfer, nachdem
er ihm mehrere leichte Vexletzungen beigebracht, auf den ganz dahe
vorüberziehenden Weg gezogen, dort niedergeworfen und mittels
Durchschneiduag des Halses förmlich abgeschlachtet. Die Anklage
stützt diese Aufstellung auf den Befund am Orte des Vorfalls, auf
das Resultat der Obduction und Section der Leiche des Feldschützen
und auf die Aussagen don 18 Zeugen, welche zur Vernehmung in
der öffentlichen Sitzung dorgeladen sind. Der Angeklagte stellt in
Abrede, die That verübt zu haben; unmittelbare Augenztugen waren
bei derselben nicht zugegen.
.Die Vernehmung der gegen Joseph Weber von Mehlbach vor⸗
zeladenen Zeugen ergab Folgendes:
.Am Nachmittaa des 2. Juli abhin um 4 Uhr wurde der
Feloschütze Dan sel Schneider von Mehlbach auf dem Ortsbanne
zon zwer Mädchen gesehen,, wie eram sog. Kirchenwäldchen eine
Zeit lang auf einem Steine saß: und dann über einen Acker hinüber
n das sog. Lutzenwäldchen ging. Nicht lange nachher hörten sie
hn·crufen: „Ach Golt, laß mich gehen!“ Gleich darauf hörten
ie des Annellaaten Stimme, der einen Fluch, ausstieß. Um. die
nämliche Zeit hörte auf der andern Seite der Waldung eine Zeugin,
velche anf der Landstraße von Schallodenbach nach Mehlbach zuging,
aus derselben Richtung her ein dumpfes Geschrei und den Ruf:
„Laß mich gehen!“ An demselben Nachmittag weideie der Gänse⸗
zirte Franz Burgey von Mehlbach mit seinen beiden Knaben Johann
uind Andreas die Gänse an der genannten Straße. Gegen bier
Ahr — also vor obigem Vorfall — trieb der Augeklagte seine
»rei Ziegen an ihnen vorüber nach den in der Nähe des Lutzen⸗
väldchens gelegenen Aeckern und Wiesen zu. Rach etwa*4 Stunden,
vährend Vurgey au der Straße bei dem Lutzenwaldchen seine
Bänse weiden ließ, kamen plötzlich die Jiegen des Angçellaaten den
in diesem Wäldchen vorbeiziehenden Wegallern herausgesprungen.
Ddies erregte bei Burgey die Meinung, der Aageklagte sei von feiner
krankheit befallen worden, und es seien deßhalb die Ziegen ohne
Wufficht, weshalb er letztere durch seine Knaben einfangen ließ.
stach etwa 10 Minuten kam der Angekllagte den nämlichen Weg
allein herauf und bemerkte, er habe seine Krankheit gehabt und
eien iim dabei seine Ziegen ˖durch zegangen. Da setue Knie und
zer eine Aermel naß waren, so vermuthete Burgeh, er habe sich beim
Fallen beschmutzt und dann seine Kleider an der nahen Lauer ge⸗
vaschen. Burgetz folale nun seinen an dem Weg, den der An⸗
Jjeklagte heraufgekommen war, weidenden Gansen, anfänglerch degleitet
von⸗ dem Angeklagfen, der duffalle⸗d verstört aussah und einmal
zie Bemerkung machte: „Wenn sie michnur nach Frantenthal schaffen
vürden.“ Auf einmal wich der Angetlagte vom Weg ab und trieb
eine Ziegen an⸗ ernen⸗Dornbusch. Etma 25 Schriite weiter stieß
Burgey ploöͤtzlich auf die Leiche eines Mannes, der auf dem Gesichte
i semem Blute lag. Auf sein Rufen eilten seine beiden Knahen
nzu und auch der Angeklagte lam herbei. Auf den Austuf des
dnaben Burgey, als dessen Vatar den Kopf der Lesche herum⸗
vendete: Das list ja der Schütze!“ bemerkte der Ungellagier „Ja
pas ist er, da liegt sein Stock.“ Während nun Burgey in's Dorf
zilte., um Anzeige zu machen, kamen Leute herbei und vermutheten
ofort in dem Angeklagten deun Thater, da dieser frische Kratz⸗
vunden in dem Gesichte trug und eisichtlich aufgeregt war. Als
nan ihm den Verdacht vorhielt, zog er wiederholt drohend das
Nesser. Als man dirses ihm abnahm, zeigte es sich, daß es frisch
jereinigt und theilweiset noch bluiig war. Er wurde, nachdem man
Zlut am UAermel seines Wammses und nach Entfernung desselben
such an semnem Hemde wahrgenommen hatte, das erfichtlich von
rußen eingedrungen war, sofort verhaftet und abgeführt. Dem
etödteten war der Hals durchschnitien und zwar in einer Weise,
»aß er sich rasch hatte verbluten müssen. Auf der einen Seite
ag seine Kappe und die eine Hälfte seiner abgerissenen-Weste, auf
er anderen Seite sein Sitock und die beiden Theile seines durch⸗
chnittenen Halstuches. Unmittelbar daneben im Walde fanden sich
HYlutstropfen an einer Stelle, auf der etwa zwei Meter hneit das
Bras zertreten war. Dieser Befund spricht für die Aufstellung
»erek. Staatsbehörde, wie wir sie bereits mitgetheilt haben, daß
rämlich der Angeklagte, von dem Getödleten bei einem Weid⸗
revel etappt, diesen sofort im Waldchen angriff, nach kurzer
Hegenwehr auf den Weg herauszog, hier niederwarf und ödtete.
Nach dem ärztlichen Gutachten hatte der Getödtete gegenüber seinem
mit dem Messer bewaffneten Geuner einen sehr ungleichen Kampf
zu bestehen. Außer mehreren Hautabschärfungen und kleinen Schnitt⸗
vunden fand sich ein Stich in der Brust der Leiche, sodann die
ürchterliche Halswunde, welche über den ganzen Hals verlief mit
Durchtrennung aller hier bestüdlichen Muskeln und Nerver. Der
Angeklagte trug einige geringere Verletzungen an sich, die wohl durch
die Gegenwehr des Getödteten — wenn man diesen als von seiner
Hand gefallen annimmt — herrühren möchten.
Der Angeklagte läugnet die That. Die Wunden in seinem
Besichte rühren na h seiner Angabe von Schnitten mit dem Rasit⸗
nesser her. Den Getödteten will er am fraglichen Tage gar nicht
zesehen haben. Er habe damals seine Krankheit bekommen und
eien ihm in Folge dessen seine Ziegen durchgegargen, die dann
Burgey eingefangen habe, mit dem er den Weg hinuntergegangen
ind auf die Leiche gestoßen sei. Er selbst habe den Kopf der
deiche herumgedreht und sei dabei über die Leiche hingefallen. wo⸗
don seine Kleider beschmutzt worden seien. Diese letztere Angobe
Fudurch die Aussagen mehrerer Zeugen, welche die Ankunft des