Full text: St. Ingberter Anzeiger

hat bei diesem Anlaß bewue daß ihm Aicht weniger, als dem 
Zaiser, darau gelegen, daß Furst Sismarck seinem Amt erhauten 
jleibe. Was aber den Staateminister a. D. Delbrück anbetrifft, 
vessen Nudiem deim Kalser mehrfach mit Planen in Verbindung 
gebracht wurde, diefen verdienten Patrioten Bisbmarés Nachfolger 
Derden zu lassen, so sieht fet, daß es ihm an jedem Wuns che dazu 
gebricht. Die Freunde des Herrn Delbrück schildern ihn frei von 
edem Verlangen, eine wie immer geariete amtliche Thaätlichkeit wie⸗ 
det aufzunthmen, Er⸗ lebt ven Quellenstudienfunr ein großer;ẽ 
vissens haftlichet Werk, welches er unter der Feder hal und das sich 
zur Aufgabe macht, ‚„die Geschichte zur Handelspolitik Preußens, 
des Zol vereins und des deutschen Reichs“ in ihrer Entwicelung zu 
jchildern. 
Berkin, 11. April. Der deutsche Botschafteraam · groß⸗ 
zritannischen Hofe, Graf zu Manster, welcher seit einigen Tagen 
hier anwesend ist und in dieser Zeit mundlich genaueren Bericht 
uͤber daa Londoner Prolokoll und dessen Zuitandekommen abgeslattet 
hat, wird am Samstag sich auf seinen Posien nach London zurückh 
zegeben, Graf zu Münster, sowie auch der Staatsminister General 
der Infanterie d. Stosch und einige andere Peisönlichlesten waren 
pon den kaiseclichen Majestäten gestern (Dieustag) Abend mit Ein⸗ 
ladungen in den königlichen Palast beehrt worden. 
Ausland. 
Antwercpen, LI. April. Anläßlich der gestern statt⸗ 
dehabten Ersatzwahl eines Deputitten, bei welcher der Klerilale 
haron Osh mit 460 Stimmen Majorität gewählt wurde, fanden 
Abenda Ruhestörungen in den Straßen statt. Mehrere Personen, 
darunter ein Poliseiagent, wurden verwundet und 12 Personen 
zerhaflet. Die bewaffnete Bürgergatrde ist zur Erhaltung der 
Ruhe thätig. 
gondon; 11. April. Die Tuürkei beantworiete das Pro⸗ 
wotoll ablehnend und gesteht die Entwaffnung, sonie die Ahsendung 
zines Gesandten nur im Falle des gleichen Schrities von Seiten 
Nußlands zu. Der „Times,“ „Daily News? und underen Blüt- 
ern meldes man aus Petersburg und Konstantinopel, doß alle Hoff⸗ 
nung auf Ethaltung des Friedens gejchwunden und das Kriegsma⸗ 
nifeñ Nußlands am 18. zu erwarten sei. Rur der Berliner Corre⸗ 
pondent der „Times meldet, daß die Erhaltung des Friedens noch 
mecuch seee.. 
VLondon, 11. April. Die hiesige türkische Botschaft erhielt 
den vollständigen Terxt der Adresse des türlishen Parlaments an den 
Sultan, welche in dem Saze gipfelt, daß die nürkische Reichsbertre⸗ 
ung im Vertrauen auf —*F förmlich und einstimmig jede 
wie immer geartete Einmischung der auswaͤrtigen Maͤchte in die iu⸗ 
neren Angelegenheilen des ottomanischen Reiches durchaus ablehnt 
und von einer Intervention des Auslandes in das Verhältniß des 
Padischah ju seinem Volk nichls wissen will. Dieser Satz soll im 
neuesten kürkischen Rundschreiben als leitender Grundton wieder⸗ 
Aingen. 3 
vdie Agence Havad“ me⸗ldet aus Konstantinopel. vom 
i0. April d'e Geschaftsträger erhielten heute Mittheilung von 
der Enschließung det Piorte, welche das jüngste Rundschreiben der 
Pforte bestätigt, worin sie die Durchführung der Reformen ver⸗ 
Jeißt, dem Protokoll aber nicht beitritt und die Bedin ugen der 
crinlwoffnung zurückweist. Die Pforte protestird gegen die Voraus⸗ 
setzung neuer Metzeleien, welche durch Organisicung der Gendarmerie 
perhindert werden würden. — Krieg oder Frieden hänge jetzu von 
der Aufnahme ab, welche das fürkische Rundjchreiben von Seite 
Rußlands findet. .4— — 
Bukarest, 11. April, Hier eingetroffene Nächrichlen signa⸗ 
nisiren Vorwärtsbewegungen der russischen Armee gegen die Grenze 
der Moldau. 
Petersburg, 11. April. „Golos? schreibt: Im Falle der 
Frneuecrung der Feindseligleiten zwischen der Pforte und Montene⸗ 
gro, welche einer eutschiedenen Weigerung, die Forderungen des 
Hroiokolls zu erfüllen, gleichläme, würde Rußland nichts übrig 
hleiben, als die an der lürkischen Grenze zusammengezoger en Truppen 
borwättz rücken zu lassen. „Wahrsche'nlich schon nächste Woche 
vird Europa klare Beweise von dem festen Entschlusse Rußlands 
erhalten, das Ziel zu erreichen, für welches die Truppen an der 
Grenze vereinigt wurden.“ 
Petersburg. Man schreibt aus Kischeneff: Die Zeichen 
und Symptome mehren sich, welche auf den immer näher rüclenden 
Zeitpunkt einer Aclion deuten. Soeben ist die Anordnung erlassen 
vorden, daß allen Commandanten größerer Truß penlörper photo⸗ 
graphische Aufnahmen von wichtigen Terrain⸗Abschnitten, befestigten 
Hunkten und Festungen in Bulgarien, sowie des kürkischen Donau⸗ 
Ufers zugängig gemacht werden. Es zeigt sich, daß die ruffsische 
Zriegsleisung längst auf alle Behelfe für einen Feldzug in Bul⸗ 
arien vorbedacht hat.Große Kisten mit derlei photographischen 
Aufnahmen befinden sich hier im Haup:!quarktier. 
zils Symptom der acut gewordenen Situation mag shließlich 
noch solgende Anordnung dienen: Hier, in Bender und Tiraspol 
vurden im vorigen Herbfte große Baͤdereien errichtet, welche Zwie⸗ 
sac vorzubereilen haiten. Vis jeht sind Hundertiausende von Pud 
Zieses Trockeenbrodes angeferligis worden. Dieser Tage kam die 
Drdre, daß alle diese Vorrüthe ohnt Verzug nach näher bezeichneten 
Brenzpunkten abzusenden seie. 
Was die eigentliche militärische Bewegung betrifft, so ist die⸗ 
nalbe jetzt wegen der Passionswoche vollständig sistiri. Die Truppen 
erbleiben bis zum 10. in ihren bis jett oceupirten Quartieren. 
Finem allgemein verbreiteten Gerlichte zufolge soll jedoch nach dem 
10. April eine allgeme'ne Vewegung in der Richtung gegen den 
Pruth zu staufinden. Jedenfalls find alle Maßregeln geiroffen, 
in auf das ersie Signal eine concentrische Bewegung zu beginnen. 
Der Truppennachschub war in der letzlen Zeit so groß, daß 
nau in Ofsicierstreisen die Totalziffer der „octiven Armee“ bereits 
Iz eine weit über ben Bedarf eines Krieges gegen die Türkei 
zinausreicheude bezeichnet. Es ist nur zu natrlich, daß man 
llerlei Combinanoren an diese Thatsache knüpft, von denen einige 
Jjanz und gar abenteuerlich klingen. Das Wahrscheinlichste ist, 
zaß men in Petetsburg die Tradition von zweijährigen Kriegen 
nit der Pforte nicht wieder aufleben sehen möchte; man bietet eine 
Macht auf, welche geeignet ist, in der möglichst kürzesten Zet 
zine eclatante Enischeidung aüf dem eveniluellen Kriegsschauplatze 
hjerbeizuführen. Die hierfür gemachten Ausgaben sind riesig. Man 
chauptet die Mobilisirung der Armte, wie die Anschaffung des 
driegematerials und die Erhaltung des Heeres haben bereits mehr 
AIs diercundert Millionen Rubel absorbiri. Die seriegtlassen sind 
noch immer voll, es lommen aus Petersburg fortwährend große 
Suumen. Polit. C.) 
RVermischtes. 
8S1. Ingbert, 18. April Dar Presbylerium hat gestern 
»in im mige beschiossen, bezüglich des hier eingeführlen sog. 
zeuen Getangbuches leine Aenderung zu treffen. (w. — 
7 Vie „Kaiß. Zig.“ fordert die Gemeindeverwaltungen der 
Ffälzischen Slädte auf, eine Adresse an Kaser Wilhelm zu richten: 
r moge auf seiner bevorstehendeii Reise ins Reichsland auch der 
Bfalz einen Besuch abstatten, dam't die überwiegend nat onalgesinnte 
zfalj dem deuischen Kaifer persönlich ihre Verehrung bezrugen koͤnne. 
4 Erstein, Elsaß), 9. April. Die Bürgermeister des 
Zreises Erftein beschlossen heute Namens des Kreisezs, St Maj. 
dem Kaiser Wilheim' bei seinem demnächstigen Besuch im Elsaß 
ine Ausfahrt nach dem Od!lienberg nebst Diner auf der Höhe 
mzubieten. J 
fKusfel, 10. April. In der Nacht vom Sonndag auf 
Montag braunten in dem eine Stunde von Baumholder gelegenen 
teußischen Dorfe Ausweiler 7 Häuser nebst den dazu gehdrigen 
Deconomiegebäuden ab. In den zuerst vom Feuer ergriffenen drei 
Häusern giug das gesaminie Mobiliar verloren, die andern Gebãude 
onnien noch rechtzeitig ausgeräumt werden. Dem erhaltenen Be⸗ 
icht zufolge war Hülfe nicht in autreichendem Maße zu Stelle, 
nach Baumholder z. B. erst viel zu spät Nachricht gesandt worden, 
und es wird dadurch zrklärlich, daß das Feuer eine solche Ausdih⸗ 
nung nehmen konnte. an. 3.) 
Das „Aschaff. Int.Bi.“ bringt nachstehende Ecklärung des 
derrn Dr. Kittel: „So seht ich würsche, daß ich Unrecht habe und 
nich täusche, will ich vorsichtehalder doch nicht zurüchhalten mit der 
Bemerlung, daß das Jahr 1877 ein nasses werden zu wollen 
Heint, damit die Leute die noͤthige Feldarbeit nicht verschieben, son⸗ 
dern jeden günstigen Tag benuten und nicht auf bessere, anhaltend 
choue Tage warten. 
Frantfurt. Gestern wurden zwei hausirende Fran⸗ 
os⸗ n wegen Verausgabung von falschen 80,Pfennig- und Thaler⸗ 
tücken verhaftet. 
Der 33jährige Karl Stieber aus Wörthea. Rbh., 
er die Feldzüge 1886 und 1870,71 als Soldat mitgemacht hat, 
i jungst arm und gebrechlich, fafi erblindet, aus Amerika zurüd 
Jelehrt, wohin er im Jahre 1872 ausgewandert war. Die dffent 
uͤche Mildthatigkeit wird für ihn in Anspruch genommen. 
Kaffel, 7. Äpril. Ein württembergischer Cavalerle⸗ 
ifficier, v. Arndoiff, welcher die Wette gemacht hat, mit elnem 
ind demselben Pferde in 11 Tagen ven Ludwegsburg nach Schwerin 
u reiten, war am 4. de. dier eingzelroffen und hat Tags darauf 
einen Rilt nach Hannov. Münden fortgesettzttz. 
p'Am zoeilen Oster⸗ Feierlage dagie in Mainz der vierte 
dongreß der selbstständigen Schuhmachermeister des deuntschen Reiches. 
Die Beachlusse gehen, um Roͤglichstes Verständniß uber die gemein ⸗ 
chaftlichen Interessen zu erzielen und die gegenseitige Concurrenz 
zu regein, 1) auf Zeranstalturg regelwäßiger Wanderversammlun⸗ 
jen, 2) Verkauf nur gegen Baar oder auf kurze Fristen. Der 
ritte Punkt der Tagesordnung bettaf die Concurrenz der „Zucht⸗ 
aus⸗Arbeit, welche jährlich über eine Mill onen Paar Schuhe 
sefere. Man wird gegen die Zuchthausarbeit bel der Regietunz